Zensurstempel Deutschland

Neujahrswünsche aus Deutschland

Neujahrskarte aus Deutschland 1915Zum Jahreswechsel erhielt der in St.Gallen wohnende Joseph Otto Ferdinand Fischer (1892-1967) eine Dankeskarte aus Deutschland. Adressiert war sie an Wohlgeboren Herrn Joseph Fischer b. Frau Theresia Kleiser-Schindler St Gallen Schweiz Tellstrasse 28. Die Karte war durch die Zensurbehörde geprüft und abgestempelt worden.

Neustadt den 29. Dez 1915.
Geehrter Herr Fischer!
Zum kommenden Jahreswechsel sende ich Ihnen die besten Glücks- u. Segenswünsche. Danke Ihnen vielmal für Alles was ich von Ihnen empfangen habe. Freundlichst grüsst Sie Maria Burger.Neujahrskarte Text

In einem Album sammelte Fischer zahlreiche Zeugnisse aus dem Ersten Weltkrieg. Nebst Ansichtskarten mit verharmlosenden oder glorifizierenden Kriegsmotiven aus Sicht der Kampfparteien und der Schweiz finden sich darunter auch Briefe von seinen kriegsgefangenen Kollegen in England. Einige davon werden für den History Blog des Staatsarchivs St.Gallen verwendet, der ab dem 1. Januar 2016 täglich eine neue Quelle publiziert.

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 207/5.3

Major Rudolf Keel-Conrad im Aktivdienst im Oberengadin während des Jahreswechsels 1915/16

Schneeballschlacht im Aktivdienst

Major Rudolf Keel-Conrad (1875-1954), später Stadtrat in St.Gallen, verbrachte den Jahreswechsel 1915/16 mit zahlreichen Kameraden im Aktivdienst. Das Füsilierbataillon 80, dem er angehörte, war im Oberengadin stationiert. Leutnant Flückiger, Quartiermeister des Bataillons, fotografierte den Major vor dieser Bergkulisse.

Neben Schanzarbeiten im Schnee und Wachtdienst an der Grenze wurden die Soldaten auch im Skifahren unterrichtet, und offenbar fand ab und zu auch eine Schneeballschlacht statt.

SkifahrenSchneeballschlacht

 

 

 

 

 

 

 

Das Staatsarchiv St.Gallen veröffentlicht unter www.zeitfenster1916.ch ab dem 1. Januar 2016 täglich Quellen zu Alltag und Festtag während des Kriegsjahrs 1916.

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 061/04.1-08.3-09 (Porträtbild) und W 061/04.1-08.3-05

 

 

 

 

 

Stempel und Datum auf der ersten Seite des Tagebuchs von Josef Scherrer

Auch Politiker haben ein Privatleben

Im History Blog des Staatsarchivs St.Gallen finden sich ab 1. Januar 2016 Quellen unterschiedlichsten Inhaltes aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Auszüge aus Tagebüchern bieten manchmal unerwartete Einblicke, wie das folgende Beispiel zeigt. Das Tagebuch des christlichsozialen Politikers Josef Scherrer-Brisig (1891-1965) enthält  in der Regel Notizen zu seinen unterschiedlichsten Tätigkeiten, zu Besprechungen und Sitzungen. Ab und zu jedoch finden sich jedoch auch Hinweise zu seinem Familienleben:

29. Dezember 1915.
Ich gehe mit meinen beiden Kindern Gertrudli & Fidesli zu meinen lieben Eltern nach Wittenbach. Meine Eltern freuen sich sehr über die beiden Kinder. Es ist glücklicherweise allemal ein Fest, wenn Grossvater und Grossmutter ihre Enkelinnen sehen. Am Abend holt uns unsere liebe Maman auf dem Bahnhof ab und wir sind wieder glücklich vereint im festen Bunde.

Die Tagesnotizen von Josef Scherrer sind in Stenographie verfasst. Der Originaleintrag sieht folgendermassen aus:

Scherrer Tagebuch

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 108/1

Ferienbericht

Weihnachtsferienbericht

TaubstummenanstaltAb dem 1. Januar 2016 publiziert das Staatsarchiv St.Gallen täglich eine Quelle, die vor genau hundert Jahren geschrieben wurde. Die historischen Zeugnisse geben einen Einblick in die Zeit des Ersten Weltkriegs und wie die Menschen im Kanton St.Gallen sie erlebt haben. Hier als Beispiel vorweg ein Tagebucheintrag:

Die fünfzehnjährige Emma Graf war gehörlos. Sie besuchte die damals sogenannte Taubstummenanstalt St.Gallen (heute: Sprachheilschule). In ihrem Schultagebuch, aus dem im History Blog mehrfach zitiert wird, berichtete sie am 8. Januar 1916 auch über die Weihnachtsferien 1915/16, die sie zu Hause bei den Eltern verbracht hatte:

Am 22 Dez. feierten wir die Weihnacht [in der Schule]. Wir wurden reich beschenkt. Am folgenden Tag durften wir in die Ferien gehen. Mein Vater holte mich auf dem Bahnhof Ziegelbrücke ab. Dann fuhren wir mit dem Wagen heim. Am Abend musste ich den Christbaum schmücken, weil Mama keine Zeit  hatte. Am 25. Dez. Nachmittag waren Mama u. ich in der Turnhalle. Dort war eine Theatervorstellung. Nur grosse Kinder waren Schauspieler. Am Abend hatten wir die Weihnachtsfeier. Am Stephanstag war es bei uns ganz still. Keine Leute wurden eingeladen. Meine Eltern konnten keinen Nidel kaufen. Am Morgen früh sind viele grossen Knaben aufgestanden. Sie gingen hinaus durch das Dorf u. machten einen Heidenlärm. Dort hat der Gemeindeschreiber den Bettel streng verboten. Je ein Kind musste eine Busse von 2 Fr. bezahlen. Am Neujahrstag Mittag gab es eine Überraschung. Bruder Jakob ist auf Besuch gekommen. Wir kannten ihn fast nicht, weil er mager u. bleich geworden ist. Am Abend waren Jakob, Ida, Frl. Thoma u. ich beim Schauturnen. Es gab auch Musik u. eine Vorstellung. Es hat 4 Stunden gedauert. Am Sonntag kam eine Feuerwehrversammlung zu uns. Dann gab es ein anderes Spiel. Am Mittwoch gingen Mama, Jakob u. ich nach Glarus. Wir wollten Fr. Dr. Mercier besuchen. Fr. Dr. war nicht daheim. Sie ist verreist. Dann besuchten wir die Grossmutter u. die Verwandten. Zum Schluss gingen wir zu Familie Wäch [?]. Herr Wäch war vor 4 Jahren in Jerusalem als Monteur. Sein Sohn heisst Walter, der hat viele Soldatenspiele. Am 6. Jan. musste ich um 3 Uhr in Ziegelbrücke einsteigen. Dann fuhr ich allein nach Uznach. Mein Vater sagte mir, ich solle 15 Min. in Uznach warten, dann könne ich in den St.Gallerzug steigen. Als ich auf die Uhr schaute, waren schon 40 Min. vorbei; der St.Gallerzug kam immer noch nicht. Da ging ich zum Bahnhofvorstand. Er sagte, der St.Gallerzug gehe erst um halb 6 Uhr. Er telegraphierte dem Vater, was er machen solle. Der Vater telegraphierte zurück, ich solle wieder heimkehren. Am Freitag bin ich wieder besser gereist. Jakob ging am gleichen Tag fort nach Burgdorf.

 Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 206 (Text) und ZMH 64/127 (Abbildung)

Grusswort von Regierungsrat Martin Klöti

Regierungsrat Martin KlötiDas hat es noch nie gegeben! Wir öffnen die „Staatsarchiv-Truhe“ ein ganzes Jahr lang. Tag für Tag – hundert Jahre zurück. So wird uns gegenwärtig, wie sich das Leben im Kanton St.Gallen und in der Schweiz unter dem Einfluss internationaler Gegebenheiten gestaltete. Zweifellos kaum vergleichbar mit heute und mit Bestimmtheit deutlich weniger komfortabel! Lassen Sie sich ein auf diese Zeitreise, die abwechslungsreich, unterhaltsam und nicht belehrend sein möchte. Dennoch wird der einzigartige Geschichtsblog zum Denken anregen und uns auch gelegentlich erschauern lassen.

Seien wir ehrlich, unsere beschleunigte Zeit und Kommunikationswelt schlägt einen hohen Takt an, und doch wird fast zu schnell vergessen, wie nachhaltig gewisse Entwicklungen unser Leben verändern. Um solche Prozesse besser zu verstehen, tut ein Blick in die Vergangenheit gut. Kaum ein Tag vergeht, an welchem wir nicht Gelegenheit fänden, uns um hundert Jahre zurück zu versetzen. Nehmen wir an, Sie halten eine kleine Tischrede oder Sie zitieren vor einem beliebigen Anlass zum Einstieg aus der Geschichte. Dafür ist unser «Zeitfenster 1916» ein wunderbarer Fundus. Bedienen Sie sich!

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und danke den Mitarbeitenden des Staatsarchivs herzlich für die innovative Idee.

Martin Klöti

Vorsteher des Departementes des Innern