Montag, 1. Mai 1916 – Schulfreie Nachmittage: Ausmärsche und Studiengänge für Knaben, Erho-lung und Hausarbeit für Mädchen

Schreiben des Erziehungsrates an den Schulrat in Rorschach:

1. Mai 1916.

[An] den Schulrat in Rorschach.

Tit.!

Sie haben die Beobachtung gemacht, dass Ihre schulpflichtige Jugend durch Teilnahme an Vereinen zum Schaden des Schulunterrichts zu sehr in Anspruch genommen ist und leisten darüber den Nachweis.

Auf Grund eines bezirksschulrätiglichen Gutachtens haben wir in unserer heutigen Sitzung folgendes beschlossen:

1.) Es ist den Primar- und Sekundarschülern untersagt, Vereinen aktiv anzugehören, die ihre Sitzungen, Proben, Versammlungen und Produktionen zur Sommerszeit nach 8 Uhr abends, zur Winterszeit nach 7 Uhr abends, abhalten.

2.) Sekundarschüler dürfen keinem sogenannten Sport-Verein angehören und neben dem fremdsprachlichen Unterricht der Sekundarschule keine sog. Sprachkurse, die von Vereinen abgehalten werden, besuchen.

Hochachtend,

Im Namen des Erziehungsrates,

Der Präsident:                                                                               Der Sekretär:

Scherrer [Unterschrift]                                                                 D. Dietsche [Unterschrift]

Mit gleichem Datum ging ein weiteres Schreiben an den Schulrat in Rorschach, in dem probeweise eine andere Lektionsdauer an der Sekundarschule bewilligt wurde – mit unterschiedlichen Konsequenzen für Schüler und Schülerinnen:

[…]

1. An der Sekundarschule Rorschach wird vom Beginn des Schuljahres 1916/17 an versuchsweise an 2 Vormittagen, Donnerstag und Samstag, der 45 Minutenbetrieb eingeführt, so dass den Schülern in der Woche ein zweiter, von den gewöhnlichen Schulstunden freien Nachm. zufällt.

2. Damit dieser 2. freie Nachmittag nicht missbräuchlich verwendet wird, werden von der Lehrerschaft mit den Knaben Ausmärsche, Studiengänge, Werkstatt– u. Museumsbesuche[,] Schwimmübungen etc. gemacht oder aber auch Wegleitung zur Lösung von Hausarbeiten erteilt.

3. Den Mädchen sollen die beiden freien Nachmittage zur Erholung u. zur Lösung von Hausaufgaben sowie hauswirtschaftl. Arbeit dienen.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, KA R.130 B 2 (Copie des lettres) und CK 13 A 4.4-1.06 (Frauen der Familie Bischof, Rorschacherberg, mit Kindern bei häuslichen Arbeiten (zwischen ca. 1910 und 1918))