Die damalige Handelshochschule (heute: Universität St.Gallen) schrieb im Mai 1916 erstmals einen Ferienkurs für junge Männer aus der Romandie und dem Tessin aus. Ce cours s’adresse surtout à nos compatriotes de langue française ou italienne, steht explizit in der Ausschreibung. Neben Deutschunterricht wurde ein umfangreiches touristisches Programm geboten:
Handelshochschule St.Gallen
Ferienkurs
24. Juli bis 19. August
Zweck: Einführung in das Kultur- und Wirtschaftsleben der deutschen Schweiz, insbesondere der Ostschweiz, verbunden mit deutschsprachlichen Unterrichtskursen.
Aufnahme finden Zöglinge von Mittelschulen im Alter von mindestens 17 Jahren, Studierende von Hochschulen, Primar- & Sekundarlehrer, Industrielle und Kaufleute.
Zeugnis: Auf Wunsch wird den Teilnehmern ein Ausweis über den Besuch der Kurse und Vorlesungen ausgestellt.
Unterkunft: Die Kursbesucher finden in Familien und Gasthöfen der Stadt Zimmer und Pension zum Preise von 4 Franken an für den Tag.
Kursgeld: 40 Franken, zahlbar bei der Lösung der Teilnehmerkarte, spätestens bei Beginn des Kurses.
Anmeldungen: sind zu richten an das Sekretariat der Handelshochschule, St.Gallen.
Der Kurs wird nur unter der Voraussetzung abgehalten, dass bis zum 1. Juli mindestens 50 Teilnehmer eingeschrieben sind. Im Interesse der Organisation, insbesondere der Sprachkurse, erbitten wir die Anmeldungen möglichst frühzeitig.
Neben eigentlichem Deutschunterricht von insgesamt etwa 60 Stunden wurden auch zahlreiche Vorträge angeboten. Die Titel decken ein thematisch breites Spektrum ab, von Deutschschweizer Literatur über Sitten und Bräuche im Volksleben der deutschen Schweiz bis zur Bedeutung der Stickereiindustrie und ihrer Hilfsindustrien im ostschweizerischen Wirtschaftsleben. Auch Schweizerisches Verfassungswesen, Naturgeschichte der st.gallischen Landschaft, Die Bodensee-Toggenburg-Bahn und Das Rheintal und die Rheinkorrektion wurden mit Referaten dargestellt.
Die Themen der Vorträge konnten die Teilnehmer in ganz- und halbtägigen Exkursionen vertiefen. Neben Kathedrale und Stiftsbibliothek besuchte man laut Programm sämtliche damals existierenden Museen der Stadt St.Gallen, aber auch ein Stickereigeschäft, einen kaufmännischen Betrieb, zwei Maschinenfabriken, die Maggi-Fabriken in Kemptthal, eine Grossmühle, die Städtischen Gas- und Wasserwerke, ein Elektrizitätswerk und die Gewerbeschule.
Ganztägige Exkursionen führten an den Seealpsee und zum Wildkirchli, in die Taminaschlucht bei Bad Ragaz und zum Rheinfall in Schaffhausen. Zudem wurde eine Fahrt mit der Bodensee-Toggenburg-Bahn angeboten.
Vorgesehen waren auch Abendunterhaltungen mit musikalischen und theatralischen Darbietungen, Lichtbildern, usw.
Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Universitätsarchiv, HSG 032.05.02 (Deutschkurs an der Handelshochschule St.Gallen während der Sommerferien, 24. Juli bis 19. August) und HSGH 022/001616 (Foto des Schulgebäudes)
Sehr interessanter Artikel. Hoffe Sie veröffentlichen in regelmäßigen Abständen solche Artikel dann haben Sie eine Stammleserin gewonnen. Vielen dank für die Informationen.
Gruß Anna