Freitag, 29. September 1916 – Anbauprämien für die Bewirtschaftung neuer Ackerflächen

Im April 1918 wurden in Folge der Versorgungsengpässe mit Lebensmitteln auch die Rasenflächen auf dem Klosterhof vor dem Regierungsgebäude umgepflügt und Kartoffeln angepflanzt. Das Bild zeigt ein Ochsengespann, geführt von einem Bauern. Vier Soldaten sind als Helfer dabei.

Kreisschreiben des Volkswirtschaftsdepartements des Kts. St.Gallen betreffend Förderung und Mehrung des Feldbaues.

Vom 23. September 1916.

Angesichts der andauernden ausserordentlichen Verhältnisse hat der Regierungsrat neuerdings Veranlassung genommen, durch besondere Massnahmen die einheimische Produktion von Getreide, Mais, Kartoffeln und Gemüse möglichst zu fördern und zu mehren. Zu diesem Zwecke werden zum zweiten Male für Neubruch und Neukulturen Anbauprämien ausgesetzt, an die genossenschaftliche Beschaffung zweckentsprechender Pflüge Staatsbeiträge ausgerichtet und die Gemeinderäte, wie insbesondere die Ortsverwaltungen, verpflichtet, auch ihrerseits den vermehrten Anbau tatkräftig zu unterstützen.

In erster Linie müssen die Ortsgemeinden, die über anbaubaren, d.h. für den Umbruch und die Anlage rationeller Kulturen geeigneten Boden verfügen, die Förderung Mehrung des Ackerbaues energisch betreiben, sei es, dass sie den Umbruch den feldmässigen Mais-, Getreide-, Kartoffel- oder Gemüsebau in Regie oder auf ihre Rechnung durch Dritte besorgen lassen, sei es, dass sie die Pächter oder Nutzniesser von Genossengut anhalten, die Beackerung vorzunehmen, und zwar unter besonders zu gewährenden Vergünstigungen gemäss Ziffer 4 des fraglichen Regierungsratsbeschlusses. Wenn alle Ortsgemeinden im Ackerbaugebiete in dieser Beziehung die erwartete Einsicht und Tatkraft bekunden und ihre Pflicht tun, so wird der Regierungsrat auch nicht in die Lage kommen, weitere Massregeln gegen sie zu ergreifen. Natürlich ist nicht jede Lage und jeder Boden für den Ackerbau wirklich geeignet. In der Hauptsache werden die Genossengüter der Rheinebene, des Seez- und Linthgebietes diesem Zwecke dienstbar gemacht werden können.

Die Gemeinderäte, bezw. die politischen Gemeinden, haben ebenfalls das Möglichste zu tun, um den Ackerbau zu fördern und zu mehren, und zwar einmal durch Vermehrung desselben bei den kommunalen Betrieben (Armenanstalten usw.) und sodann durch Gewährung von Unterstützungen gemäss Ziffer 3 des Regierungsratsbeschlusses.

Aber auch jeder einzelne Landwirt und Bodenbesitzer, der für den Ackerbau geeignetes Land besitzt, wird gut tun, wenn er möglichst grosse Flächen umbricht und bepflanzt.

Den landwirtschaftlichen Organisationen (Vereinen und Genossenschaften) kommen hiebei folgende Aufgaben zu: Veranstaltung von Kursen und Vorträgen in den einzelnen Gebieten des Ackerbaues, dann der genossenschaftliche Bezug von Ackergeräten, Hülfsdünger [sic] und Saatgut zu angemessenen Preisen in bester Qualität, wie auch Anschaffung von Ackergeräten zu Leihzwecken und ganz besonders Organisation des genossenschaftlichen Absatzes der Produkte usw.

Der kantonale landwirtschaftliche Genossenschaftsverband (Geschäftsführerstelle in Azmoos) wird es sich angelegen sein lassen, die Vermittlung des zweckdienlichen Saatgutes, allfälligen Hülfsdüngers und der Feldgeräte, speziell neuer empfehlenswerter Pflüge, zu besorgen.

Was angepflanzt werden soll, hängt – die nötigen Fachkenntnisse vorausgesetzt – einmal von der verfügbaren Bodenqualität und sodann namentlich von den Absatzverhältnissen ab. Zweifellos wird sich im nächsten Jahr die Kultur aller derjenigen Produkte reichlich lohnen, die zu unsern notwendigsten Lebensmitteln zählen, und unter diesen wohl ganz besonders Mais und Kartoffeln. Das sind indessen auch die beiden Kulturarten, die sich speziell für das Rheintal in hervorragender Weise eignen. Aber auch Hafer, Gerste, Roggen, Korn, Weizen, ferner Gemüse, wie Bohnen, Erbsen usw., versprechen eine sehr gute Rendite und sind für den Anbau nicht minder zu empfehlen.

Das Erträgnis der subventionierten Äcker ist – abgesehen vom Saatgut und vom Eigenbedarf – zum allgemeinen Konsum in den Verkehr zu bringen.

Sollten sich Ortsgemeinden oder Private, vielleicht auch landwirtschaftliche Organisationen zum voraus einen guten Absatz gewisser Produkte sichern wollen, so dürfte dies nicht schwer halten, indem sowohl eidgenössische Verwaltungen (Militärverwaltung, Alkoholverwaltung e[t]c.), grössere Konsumzentren, Konservenfabriken usw. die Abnahme zu guten Preisen zweifellos sicherstellen werden.

Auf eines sei aber noch mit allem Nachdrucke hingewiesen: Da bekanntlich der Winter der beste „Ackersmann“ ist, sollte der Umbruch des Bodens baldmöglichst ausgeführt werden.

Mit Rücksicht auf die derzeitige ernste Situation ist es wohl vaterländische Pflicht eines jeden, dem es möglich ist, rationellen Feldbau zu betreiben und damit zur Selbstversorgung unseres Landes beizutragen, dies wirklich zu tun. Dabei möchten wir aber nicht unterlassen, eindringlich zu betonen, dass immerhin nur auf geeignetem Boden Ackerbau betrieben werden soll, dass nur das beste Saatgut gut genug und dass einer richtigen Düngung, wie überhaupt einer guten Pflege der Kulturen die grösste Aufmerksamkeit zu schenken ist.

Im übrigen stehen die Direktion wie die Lehrkräfte der landwirtschaftlichen Schule Custerhof-Rheineck den Interessenten zu jeder wünschbaren Wegleitung und Auskunftgabe gerne und unentgeltlich zur Verfügung.

Möge die Selbstversorgung unseres Landes auf diese Weise reiche Früchte zeitigen.

St.Gallen, den 23. September 1916.

Für das Volkswirtschaftsdepartement des Kantons St.Gallen,

Der Regierungsrat:

Dr. G. Baumgartner.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, ZA 001 (Kreisschreiben betreffend die wirtschaftliche Landesversorgung, erschienen im Amtsblatt für den Kanton St.Gallen, 91. Jg., Bd. II, Nr. 13 vom 29. September 1916, S. 393-395) und ZMA 15/2.31 (Foto Otto Rietmann, St.Gallen)

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