Samstag, 7. Oktober 1916 – Herbstlicher Föhn am Zürichsee lässt Gras nochmals wachsen

Situationsbericht vom Zürichsee.

Die Blätter an Baum und Strauch verlieren ihr sanftes Grün; sie werden rot und braun und fallen bereits schon in reichlicher Zahl auf den Boden. Auch der Wald steht nicht mehr im grünen Schmucke da, auch er zeigt Herbstfärbung. Und die frohe, muntere Sängerwelt schart sich zusammen, um noch rechtzeitig hinüberzuziehen in die mildern Gefilde der südlichen Länder. Die Herbstzeitlose und die Herbstgentianen [-enzianen] sprossen in den Niederungen zahlreich hervor, als ob sie da wären, dem zu Ende gehenden Sommer und Herbst noch ein Abschiedskränzchen zu winden.

„Was lange währt, ist endlich gut!“ wird man im Hinblick auf die gegenwärtige Herbstwitterung ausrufen. Nach einer bereits einen Monat anhaltenden, höchst unerfreulichen, nasskalten und in den Berggegenden bereits winterlichen Witterung, sind seit einer Woche endlich die längstersehnten schönen und sonnigen Herbsttage mit voherrschender Föhnwitterung angebrochen.

Was indes den meisten Kulturen zum Schaden gereichte, die Nässe und Feuchtigkeit der Witterung des Vorherbstes, das ist doch wenigstens dem Graswuchs zugute gekommen. Die milde Herbstwitterung war nämlich für den Futterwachs in den Talschaften sehr günstig. Vielerorts konnte auf der gleichen Wiesenfläche drei und sogar vier Mal gemäht werden. Gegenwärtig ist man noch mit dem Dörren des dritten Schnittes beschäftigt, und sofern die warme Föhnwitterung anhält, kann in den Niederungen ein schönes Quantum Dürrfutter eingesammelt werden. Gleichzeitig hat das Vieh eine ergiebige Herbstweide. Nach übereinkommenden Berichten sind die Futtervorräte so bedeutend, dass sie für einen grössern Viehbestand vollkommen ausreichen.

Die Qualität des Obstes, namentlich diejenige des Frühobstes, ist nicht in allen Lagen befriedigend ausgefallen. Infolge des licht- und wärmearmen Sommers sind manche Fruchtarten ungenügend entwickelt und nicht vollkommen ausgewachsen und ausgereift. Sogar die in unserer Gegend vielverbreiteten und beliebten Teilersbirnen befriedigten hinsichtlich der Qualität nicht überall, und es war demnach angezeigt, beim Mosten dieser Birnen ein[en] Zusatz von sauren Aepfeln oder spätern Birnensorten beizugeben. – Im Reifestadium ist das Spätobst im Verhältnis zur Jahreszeit weit fortgeschritten, schon die spätern Sorten fallen stark und gehen der Reife entgegen. Immerhin ist es angezeigt, dass die Landwirte die Ernte des köstlichen Lager- und Winterobstes so lange wie möglich hinausschieben, sofern die Ernte qualitativ befriedigen soll.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 248/82 (St.Galler Bauer, 3. Jahrgang, Heft 40, 07.10.1916, S. 673-674) und ZOF 002/02.21 (Herbstweide, Bild aus der Diapositiv-Sammlung der Psychiatrischen Klinik Pfäfers, zwischen 1912 und 1925)

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