Sonntag, 22. Oktober 1916 – Öffentliche und geheime Laster

Protokol[l] der Monatsversammlung[,] abgehalten am 22. Okt. Anwesend waren 24 Personen.

Presitent [sic] Umlandt eröffnete die Versammlung mit Lied Nr. 118. Unser Referent Freund Kläger ver[r]ichtete dann mit uns das Gebet. Der Redner übernahm dan[n] das Wort, indem er seine Betrachtung an die Epistel des Paulus an die Galater im 5 Kap. Vers 1 und 14bis und mit 22. knüpfte. Freund Kläeger [sic] ermahnte uns mit herrlichen Worten festzustehen an dem Werk des Bl. Kreuzes. Wer einmal das Ret[t]ungsseil ergriffen hat[,] der soll es nicht wieder loslassen, denn man hat schlechte Erfahrung gemacht, wenn jemand längere Zeit im Bl. Kreuz war und er wieder fällt, so kommt er gewöhnlich noch ärger in die Knechtschaft, aber wollen wier [sic], die wir hier sind und befreit sind von dem Laster, uns unserer Freiheit freu[e]n; und danken demjenigen, der uns alle befreit hat, unser[e]m Herrn Jesu Christi. Es ist schad[e], dass die Leute es immer nicht glauben wollen, wen[n] nur diejenigen hier in Altstätten[,] die das Ret[t]ungsseil schon einmal ergriffen hatten[,] sich daran festgeklammert hätten, sie hätten nicht Platz hier in diesem Lokal, aber sie wollen nichtz [sic] opfern. Jesu gab sein Leben für uns, aber die Leute tun nichts für ihn, lieber Sterben [sic], als nur eines ihrer Laster, das sie doch nur unglücklich macht[,] zu entsagen. Wen[n] ein Mann nur das Rauchen oder eine Frau das schnupfen [sic, von Tabak] abgeben sollte, so bekommt man immer die Antwort, lieber Sterben [sic]. Das sind öffentliche Laster, aber die geheimen Laster sind schwer zu bezwingen. Die bezwingt niemand, ohne dass er Gott um Kraft und Beistand bittet. Ein Pra[h]ler[,] der meint[,] ohne Gott seine Laster bekämpfen zu können, der wird nie ein freier Man[n], denn nur der, der sich demüdigt [sic] und zum Kreuz geht, nur der wird richtig frei, denn wenn deine Sünden Blutroht [sic] sind, so sollen sie doch schneeweiss werden, aber offenbar sind die Werke des Fleisches, als da sind Ehebruche, Hurerei, Unreinigkeit [sic], Unzucht, Abgötterei, Zauberei, Feindschaft, Hader, Neid, Zorn, Zank, Zwi[e]tracht, Hass, Mord, Saufen, Fressen und dergleichen. Der Redner schloss dan[n] sein Refarat [sic,] indem er noch hienwies [sic] auf die Worte[,] die geschrieben steh[e]n, im Matäus [Matthäus] Kap. 24 Vers 13[:] Wer aber behar[r]et bis ans Ende, der wird selig.

Nun wurde das Lied Nr. 58 gesungen, dan[n] folgte die Diskus[s]ion[,] welche nicht stark benutzt wurde, dann nachher wurde ein Freund als Mitglied aufgenommen, und zum Schluss wurde das Acktiv Aufnahmslied [sic] Nr. 154 gesungen. Herrn Kläger sprach mit uns noch das Schlussgebet.

Der Presitent                             Der Aktuar

[Unterschrift fehlt]                      S. Schau

Die Antialkoholbewegung um die Jahrhundertwende war stark verzweigt. Das Blaue Kreuz, das zu den mitgliederstärksten Teilen gehörte, kümmerte sich vorwiegend um ehemalige (meist männliche) Trinker und ihre Familien. Geleitet wurden diese Vereine oft von evangelischen Pfarrern.

Lied Nr. 118 im Gesangbuch für die evangelische Kirche der Kantone Glarus, Graubünden, St.Gallen und Thurgau, Ausgabe für den Kanton St.Gallen (gedruckt in Frauenfeld 1911) begann so: Komm zu uns, Gottes guter Geist, schaff‘ Deiner Menschen Herzen neu! Der Text stammte von C. F. Neander (geboren 1723).

Schmolke (geboren 1672) und Kist (geboren 1607) hatten den Text für das Lied Nr. 58 gedichtet. Es war nach der Melodie von Nr. 48 (Thut mir auf die schöne Pforte) zu singen und eigentlich ein Adventslied. Sein Anfang lautete: Werde Licht, du Volk der Heiden! Werde Licht, Jerusalem! Dir geht auf ein Glanz der Freuden Vom geringen Bethlehem.

Lied Nr. 154 gehörte zu den Abendmahlsliedern, war zu singen nach der Melodie von Nr. 20 (Womit soll ich dich wohl loben): Danket, danket Gott mit Freuden, Danket ihm mit Herz und Mund! Macht die grossen Seligkeiten Dieses heil’gen Mahles kund, Was der Herr für Gnade schenket, Da er selbst und speist und tränket! Dankt ihm nun und immerdar, Dass er uns so freundlich war! Der Text stammte von N. Kaiser (geboren 1734).

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 091 (Blaues Kreuz, Sektion Altstätten, Vereinsversammlung)

Samstag, 21. Oktober 1916 – „Sammelt auch die Asche […], werft sie aber nicht planlos hinaus aufs Land, wie der Güggel seine Eier.“

Der Aschensack

Wahrhaftig nicht genug kann man heute Sorge tragen zu den düngenden Substanzen. Die verfügbare Pflanzennahrung, die der eigene Betrieb liefert als Abfall, sei es im Stall, im Haushalt, von der Strasse usw., muss man heute wieder mehr estimieren [schätzen] als je. Wir wollen grösstmöglichste Ernten in hervorragend wertvoller Qualität. Das soll uns der Acker, der Garten, der Baumwachs geben, was geben wir ihm? Kargt nicht in der Anwendung der Dünger; die Kosten kommen reichlich und vielfältig zurück in grösseren Quanten und besserer Qualität.

Sammelt auch die Asche des Ofens, des Kochherds fortdauernd, werft sie aber nicht planlos hinaus aufs Land, wie der Güggel seine Eier. Zusammenraffen, zusammenhalten, zusammentragen, selbst aus event. Mietwohnungen, nahen Industrieorten, Städten sammeln darf man sie, die Holzasche nämlich. In engmaschigen alten Ledisäcken z.B. lässt sie sich ganz gut und ohne Verlust aufbewahren, bis man sie braucht in den Bohnen, in den Erbsen usw. Holzasche ist ein Kalidünger, enthält auch etwas Phosphorsäure und ziemlich viel Kalk.

  Phosphorsäure Kali Kalk
Laubholzasche 3,5% 10% 30%
Nadelholzasche 2,5% 6% 35%
Braunkohlenasche 0,6% 0,7% 165
Steinkohlenasche 0,2% 0,2% 3,5%

Letztere soll trotz ihrem geringen Nährstoffgehalt in physikalischer Hinsicht besonders in schweren Böden sehr wohltuende Wirkung zeigen.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 248/82 (St.Galler Bauer, 3. Jahrgang, Heft 42, 21.10.1916, S. 706-707) und W 127 (Lehrer mit Schüler beim Kohlenabbau bei Uznach, in: Hof-Zeitung, herausgegeben vom Land-Erziehungsheim Hof Oberkirch, Nr. 15, April 1919)