Die zunehmende materielle Not der einfachen Bevölkerung wird im Kantonsparlament thematisiert:
Der Vorsitzende [Kantonsrat Anton Messmer] gibt der Versammlung noch Kenntnis vom Eingang folgender, von Herrn Kantonsrat Dr. Duft und 9 weiteren Ratsmitgliedern unterzeichneten Interpellation, lautend:
„Der Regierungsrat wird um Auskunft gebeten, ob und wie er die durch den Bund in die Wege geleitete verbilligte Lebensmittelversorgung der bedürftigen und notleitenden Volksteile im Kanton St.Gallen zu organisieren und unter Mitwirkung der Gemeinden durchzuführen gedenkt.“
Die Interpellation wird auf die Tagesordnung gesetzt.
Die sogenannte Armenpflege hing zu einem grossen Teil von der privaten Wohltätigkeit ab. Da die AHV noch ebenso wenig existierte wie eine staatliche Arbeitslosenversicherung und ein Erwerbsersatz für die Wehrmänner, konnten sozial schlechter gestellte Bürgerinnen und Bürger schnell bedürftig werden. Trotz der staatlichen Interventionen verschärften sich die Probleme bei der Lebensmittelversorgung, und die soziale Unrast in der Arbeiterschaft stieg. Im November 1918 entlud sie sich schliesslich im landesweiten Generalstreik.
Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, AGR B 1 (Protokoll des Grossen Rates) und ZMA 18/09.03-01 (Eines der Kosthäuser für die Arbeiterschaft der Weberei Felsegg der Firma Matthias Naef & Cie. in Henau, ca. 1910, Foto D. Bär, Zürich)