Josef Scherrer weilte vom 11. bis zum 17. Dezember in Solothurn, wo er jeweils abends vor einem hundert bis hunderfünfzigköpfigen Publikum referierte. In seinem Sozialen Kurs behandelte er die Entstehung der sozialen Frage (11.12.), den Liberalismus, sein System und seine Geschichte (12.12.), den Sozialismus, sein System und seine Geschichte (13.12.), die Stellung des Arbeiters in der Volkswirtschaft (15.12.) sowie die christlich-soziale Bewegung der Schweiz und ihre kulturelle Bedeutung (17.12.). Am Donnerstag, den 14. Dezember machte er eine Stippvisite zu Hause:
Ich fahre heute Morgen um 5.15 über Herzogenbuchsee und Olten nach St. Gallen, wo ich schnell in St. Fiden meine Lieben grüsse. Dann geht es bei schönem Winterwetter wieder an den Aarestrand nach Solothurn.
Sozialer Kurs in Solothurn.
Anwesend: 140–150 Personen.
Ich behandle die Lehre der katholischen Sozialreform.
Der Vortrag wird mit grossem Beifall aufgenommen. Vater Innozenz hebt in der Diskussion hervor, dass ein wissenschaftlich fein durchdachter schöner Vortrag gehalten worden sei, der umso höher anzuschlagen sei, als hier die katholischen Grundwahrheiten in neuem Gewande für das soziale Leben geltend gemacht werden. Pater Innozenz dankt mir in begeisterten Worten für den Vortrag, der, wie ich sehen konnte, eingeschlagen hatte.
Ich notiere das nicht aus Hoffart und Stolz, sondern weil eine solche Anerkennung mir doch eine begreifliche Genugtuung bedeutet für die eigene Arbeit, für das von mir beschriebene Selbststudium. Ich danke Gott für diesen persönlichen Erfolg. Ich will ihn für das arbeitende Volk, soweit es in meinen Kräften steht, verwerten, für meine lieben Christlich-Sozialen.
Der Abend war auch ein Erfolg für die Solothurner Christlich-Sozialen.
Gestern schon hatte ein alter Solothurner Führer dem Verein warme Komplimente gemacht, nämlich Fürsprech Jerusalem. Heute Abend war die Aristokratie recht gut vertreten, wenn es nur da auch eingeschlagen hat.
Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 108/1 (Tagebucheintrag von Josef Scherrer) und OP. COLL. 328(3) (Geser: Stickereindustrie der Ostschweiz, 1908)