Auszug aus einem Vortrag von Heinrich Zogg, gehalten in der Gesellschaft für deutsche Sprache, St.Gallen. Nach einer Einleitung (s. Beitrag vom 8. Februar) geht es in diesem ersten Artikel vor allem um die Ausrüstung eines Soldaten:
Das Gewehr lockt förmlich zur Taufe mit allerlei Gradmessern der Stimmung: Schüssbängel, Schrotguge, Kläpfschitt, Füsibängel, Charst, Sprützgügeli verraten die Stimmung auf leichtem Marsche, vor dem Exerzieren, auf Einzelgängen, auf Posten, beim Beobachtungsgang im Gelände, wo zwischen Waffe und Mann eine fast herzliche Freundschaft besteht, die durch nichts getrübt wird. “Chlobe”, “Galgecharst”, “Prügel”, “schwäre Chog” deuten an, dass Drill oder tüchtiger Marsch “vorbei” sind.
Sehr gemischt sind die Gefühle und Ausdrücke gegenüber der Patrone. Im Stande und während der Schiessübungen erfreut sie sich grosser Gunst; da heisst sie: Chügeli, Bäbeli, Böhnli, Magrönli, und mancher schaut sie zärtlicher an als daheim seine Frau. Hat man sie aber den ganzen langen Dienst mit 120 andern auf dem Buckel herumgetragen dann klingt es unmanierlicher und wegwerfend: Bohne, Magrune, Soldatenbedrücker, Bleizäpfe oder einfach “Chöge”.
Die neue Patronenschachtel aber heisst: Stümpechischtli [Zigarrenkiste], Komödli, Molidruge (Malschachtel), Bibelchästli, Testamentsgöfferli [Testamentsköfferchen]; nach beschwerlichem Marsche aber “Mistschachtle”. Wie unhöflich!
Das Seitengewehr, das Bajonett, heisst Käsmesser, obwohl es eine Kunst wäre, damit Käse schneiden zu wollen. Seitdem aber die Soldaten nur noch “Photographien” fassen, wovon später die Rede ist, stirbt der Name vermutlich aus. Gertel, Chrutmesser (wohl in seliger Erinnerung an das Postenleben an der Baslergrenze, wo tatsächlich “Chrut” gestochen worden ist), Zahnstocher, Spiess, Chrottestecher, Schwert, lauten andere Namen. “Tschinggegertel” wurde es benannt, nachdem wir auch an der Südgrenze standen. [Hinweis: Als “Tschingge” bezeichnete man in der Schweiz über Jahrzehnte hinweg italienische Einwanderer.]
Das Sackmesser ist rundweg “de Chlobe” (recht breites, langes o), de Hegel, de Spatzespiess, Brotschär. In Andeer gab’s oft scharfe Messerinspektion und nicht so selten Aufenthalt in der Augenklinik, das Messer wurde darum von einigen “Arrestgötti” genannt. Damit will ich von der Ausrüstung übergehen zur Verpflegung, nur das Wort “Kuraschibinde” soll noch erwähnt werden. Ein “Herr” hatte nämlich die Gewohnheit, vor jeder Uebung die Wadenbinden anzuziehen, wir nahmen an, damit er besser springen konnte. Ein Spassvogel aber sagte: “Er muss de Kuraschi [von “le courage” für französisch “der Mut”] zsämmebinde.”
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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, P 945 (St.Galler-Blätter für Unterhaltung und Belehrung aus Kunst, Wissenschaft und Leben, Illustrierte Sonntagsbeilage zum St.Galler Tagblatt, N. 6, 1917) und ZOA 001/8.002 (Beitragsbild: Soldaten mit geschultertem Gewehr, zwischen 1914 und 1917)