Kochkiste

Montag, 5. Februar 1917 – Auswirkungen der Gasknappheit

Das Tagblatt berichtete an diesem Tag aus den Verhandlungen des St.Galler Stadtrates vom 2. Februar:

Strassenbeleuchtung. Der Stadtrat genehmigt eine Vorlage der Verwaltungsabteilung für Tiefbau und technische Betriebe für die elektrische Beleuchtung der Multer- und Speisergasse [Spisergasse] und nimmt Kenntnis von der Mitteilung, dass im Interesse weiterer Gasersparnis und während der Mondscheinperiode nunmehr die meisten Gaslaternen im städtischen Gasversorgungsgebiet abgelöscht werden. Die Einrichtung weiterer öffentlicher Beleuchtung ist im Studium.

Gas sparen

Gasersparnisse beim Kochen. Die Betriebsdirektion des Gaswerkes wird eingeladen, in Verbindung mit der zentralen Frauenhilfe durch eine ständige Ausstellung den interessierten Kreisen zu demonstrieren, in welcher Weise mit möglichst wenig Gas gekocht werden kann. Für die Verwendung von Kochkisten, Kochhauben und ähnlichem soll angemessene Propaganda gemacht werden.

Die Vormundschafts- und Armenverwaltung wird gemeinsam mit der Lebensmittel-Fürsorgekommission neuerdings in Erwägung ziehen, ob es nicht möglich wäre, Familien, welche mit dem ihnen zugeteilten Gasquantum nicht auskommen können, gekochte Speisen, warmes Wasser und dergleichen zu verabfolgen und diesbezüglich mit der hiesigen Volksküche, der Suppenanstalt und ähnlichen Organisationen in Verbindung zu treten.

Gas sparen Jahn

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, P 909 (St.Galler Tagblatt, 05.02.1917, Abendblatt: Text und Anzeigen «Kochkiste Le rêve»; 06.02.1917, Abendblatt: Anzeigen «Kochkiste einfach» und «Karl Jahn»)

 

Tagebuch Kind

Sonntag, 4. Februar 1917 – Kriegsbilanz 1916

Der Gymnasiast Ernst Kind, später Rektor der Kantonsschule St.Gallen, hielt in seinem Tagebuch fest:

4. Februar 1917. Schon ist wieder ein Jahr seit der letzten Eintragung vorbei, und immer noch dauert der Krieg. Im Verhältnis, wie die Sehnsucht nach Frieden wäschst, wächst aber auch die Kriegsrüstung: Seit letztem Herbst hat Deutschland die Zivildienstpflicht; jeder gesunde Erwachsene, Frauen wie Männer, haben [Wort «sich» gestrichen] ihre Arbeitskraft der Landesverteidigung auf irgend eine Weise zur Verfügung zu stellen. Der Lebensmittelmangel macht sich jedenfalls stark fühlbar, wenn auch die Ernte von 1916 besser war als die von 1915. Es fehlt sehr an Fetten. Militärisch haben sich die Mittelmächte dieses Jahr defensiv verhalten mit einer Ausnahme. Gegen Rumänien, das Ende August ohne eigentliche Gründe auch den Krieg erklärte, wurde ein schneller zweiseitiger Angriff geführt und hat zur Eroberung von etwas 2/3 des Landes mit den wichtigsten Städten (Bukarest, Konstanza, Braila etc) geführt. Zwei andere Offensiven der Mittelmächte (im Frühling 1916) haben ihr Ziel nicht erreicht und wurden abgebrochen, besonders diejenigen gegen Italien. Dagegen war die gesamte Entente offensiv. Am meisten erreichte von diesen verschiedenen Offensiven die russische, die ein Stück Galizien und die Bukowina widereroberte. Die Hauptoffensive an der Somme (Franzosen, Engländer und Farbige, mit eigenem und amerikanischem Material) hatte keinen Erfolg; sie führte nur zur Eroberung eines etwa 40 km langen und bis 15 km tiefen Landstreifens und zu beiderseits furchtbaren Verlusten. 3 Anläufe der Italiener erreichten auch ausser der Besetzung von Görz nichts. Eine grosse Seeschlacht am Skagerrak führte zu keiner Entscheidung, keine der heimfahrenden Flotten verfolgte die andere; die Verluste der Engländer sind etwas 2-3 mal so gross wie die deutschen. – Zusammengefasst: militärisch hat sich noch nichts entschieden; strategisch sind die Mittelmächte immer noch sehr im Vorteil; an Mitteln sind die andern jedenfalls reicher.

Im Dezember 1916 kam der Friedensvorschlag der Zentralmächte. Wilson und die andern Neutralen suchten die Gelegenheit zu benutzen und förderten die Bestrebungen. Die Entente wies schroff ab. Die Folge davon ist, um die Entscheidung schnell herbeizuführen, als letztes furchtbares Radikalmittel, die Ankündigung des uneingeschränkten Unberseebootskrieges durch Deutschland. Um England, Frankreiche, Italien und das östliche Mittelmeer wird eine Sperrlinie beschrieben, innert welcher jedes Schiff ohne Umstände versenkt werden soll. Der Plan ist eine gleiche Aushungerung, wie sie die englische Blokade [sic] in Deutschland herbeiführen soll.

Heute, am 4. Februar, also 3 Tage nach dem Beginn der U-Bootsblokade, trifft die Nachricht vom Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Amerika ein. Der deutsche Gesandte in Washington hat seine Pässe bekommen. Ob das zur Kriegserklärung führt? Dann wird, abgesehen von allem andern, die Zufuhr für die Schweiz vernichtet sein. Die Folgen werden sich dann bald zeigen. –

Das Jahr 1916 hat in der Familie eine grosse Lücke gerissen. Die liebe Grossmama Aldinger ist im Mai in St.Gallen gestorben (mit 83 Jahren.) Sie war zuletzt fast blind; auch mit dem Gehör schlecht dran, aber immer noch frisch im Geist und voll Liebe für alle. Der Mittelpunkt der Familie ist in ihr verloren gegangen und durch ihren Tod das liebe Grosseltern-Haus verödet, mein eigentliches Heimathaus, denn meine Eltern besassen nie eines und wohnten in Miete. –

Papa steht an der Grenze; seit Neujahr ist [Wort «der» gestrichen] er Kommandant der Gebirgs-Infanteriebrigade 15, nachdem er bisher eine Landwehrbrigade geführt hatte. 

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 073/2.1 (Tagebuch Ernst Kind)

SAC Briefkopf

Donnerstag, 1. Februar 1917 – Reklamationen wegen Champagner-Stübli

Im Vorstandsprotokoll des SAC St.Gallen steht zu lesen:

Über den am 1. Febr. 1917 in der Tonhalle stattgehalten[en] [sic] sind uns von verschiedenen Seiten Klagen eingegangen; erstens wegen der Aufstellung von nicht bestelltem Tischwein; zweitens war der Saal zu wenig geheizt & drittens missfiel speziell die Errichtung einer Champagnerlaube mit dito-Damen. Herr Brand erläutert seine mit dem Tonhalle-Wirt getroffenen Abmachungen; aus denen geht hervor, dass wegen des Tischweines die Abmachung bestand, je eine halbe Flasche pro Couvert [pro Gedeck] aufzustellen, wobei aber nicht gemeint war, dass die Restauration die Weine vorher nach der Karte auswählen lasse, um dann ausserdem noch Tischwein mit Extraberechnung aufstellen zu sollen. Wegen des Champagner-Stüblis hat Herr Brand nichts abgemacht. Ferner sind in der Rechnung des Restaurateurs einige Punkte, die Anstoss erregen. Er errechnet 168 Bankette,während unsere Kontrolle 157 angibt. Die Rechnung ist aber schon bezahlt & es lässt sich daher nichts anderes mehr machen. Nach ausgiebiger Erörterung beschliesst man, in einem Brief dem Tonhalle-Restaurateur unsern Standpunkt klar zu legen; er habe uns überfordert [sic] & wir überlassen es ihm, die Sache so weit als möglich zu verbessern.

Der Familienabend wurde im Tagblatt inseriert. Aus der Anzeige ist ersichtlich, welches Programm geboten wurde:

Familienabend SAC

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 023 (Protokoll des Vorstands vom 14.02.1917) und P 909 (St.Galler Tagblatt, 29.01.1917, Abendblatt)