Ostersonntag, 8. April 1917 – Frühjahrsmode (Teil 1)

Im Archiv der Textifachschule Wattwil findet sich eine Zeitschrift mit dem Titel Mitteilungen über Textil-Industrie. Sie erschien im Kriegsjahr 1917 nur noch einmal, statt wie vorher zweimal pro Monat jeweils auf das Monatsende hin. Wann genau die Ausgabe von ihren Abonnenten (und vielleicht auch Abonenntinnen) gelesen wurde, ist (wie bei allen Monatszeitschriften) nicht nachzuvollziehen. Möglich, dass der eine oder die andere erst am Osterwochenende Zeit hatte, sich die Artikel zu Gemüte zu führen.

Im folgenden Bericht geht es um die – allen Kriegszeiten zum Trotz – mit viel Aufwand abgehaltenen Modeschauen in Zürich, die auch in St.Gallen Beachtung fanden. Da Industrie- und Gewerbezweige von der Mode abhingen,  war man interessiert, die neusten Trends der Frühlings- und Sommermode im Detail zu studieren. Saisonfarben waren Sandtöne, Blau, Braun, Weinrot und Schwarz, bei den Schnitten dominierte die sogenannte Forme tonneau:

Die internationale Frühjahrs- und Sommer-Damenmode 1917 in Zürich.

F.K. [Fritz Kaeser, Redaktor] Im Monat März haben die Moderevuen der grossen zürcherischen Modefirmen stattgefunden, die jeweils an die neuesten Pariser Modell selbst neue Kleider kreieren und sie mit ihren Mannequins den geladenen Gästen oder einem weitern eleganten Publikum vorführen. Solche Anlässe sind in Zürich bereits zu gut besuchten Veranstaltungen geworden, so die am 8. März begonnene, eine Woche dauernde Modenschau in den obern Sälen von Adolf Grieder & Co., dann die zweimalige Vorführung von Spoerry Detail A.-G. im Hôtel Baur au Lac und die nachfolgende von E. Spinner & Co., die ebenfalls in zwei Malen in den Sälen des letztgenannten Hôtels stattgefunden hat.

Nachfolgende Kollektivdarstellung soll ein Gesamtbild über die voraussichtliche Gestaltung der internationalen Frühjahrs- und Sommermode ermöglichen, wie sie sich aus vorgenannten Modevorführungen ergibt. Als besondere Kennzeichen der neuen Mode ist die Umformung des Glockenrockes zur „forme tonneau“ zu erwähnen. Rock und Bluse oder Corsage sind zusammen verarbeitet in der Art der Prinzesskleider mit ziemlich viel Faltenpartien, die Jupes sind über den Hüften weiter und bauschiger, nach unten sich wieder einwärts rundend und zudem etwas länger werdend. Zu diesen Kleidern sind eine Anzahl neuer Stoffe von tricotartigem Aussehen erstellt worden, die auch die Eigenschaften des Dehnens und Wiederzusammenziehens zeigen. Namentlich in der zürcherischen Seidenindustrie sind verschiedene wohlgelungene Neuheiten dieser Art erstellt worden, so seidene Gabardine, Jersey, Krepp-Jersey, Tricotine, Voile Gabardine und Armure Gabardine, die neben aparten Wollstoffen wie Nattine, Tricotine, Gabardine, Diafine, Serge und Covercoat für Tailleur- und Nachmittagskleider, sowie für Mäntel guter Aufnahme begegnen dürften. Daneben finden auch die andern Seidenstoffe Verwendung, die seit einiger Zeit im Vordergrund stehen, so Crêpe de Chine, Crêpe Georgette, Serge, Satin, Popeline, Bengaline, Voile, Mousseline chiffon etc. Taffete scheinen von ihrer frühern Beliebtheit eingebüsst zu haben, werden aber für feinere Roben und Abendkleider noch gerne verarbeitet.

Neu bei den Tailleur- und Nachmittagskleidern sind die hellfarbigen, aus leichten, meist durchsichtigen Stoffen ausgeführten, mit den Jupes zusammen verarbeiteten Corsages und Blusen. Währenddem Rock und Jakett [sic] von gleichem Stoff und Farbe sind, zeigt sich beim Ausziehen des Jaketts ein öfters angenehm überraschender Farbenkontrast, der durch die meistens geschmackvolle Ineinanderverarbeitung interessant wirkt. Als Farben dominieren allerlei graue, gelbliche und rötliche Sandfarben, Blau in vielerlei Nuancen und Tonabstufungen, daneben Braun, Weinrot und Schwarz. Sind die Schönheit der Stoffe und die feine Linie des Schnittes besonders zu erwähnen, so wird die Wirkung durch wenig, aber effektvolle Garnitur an Kragen, Manchetten [sic], Taschen und Gürteln erhöht. In diesen, den einzelnen Modellen gut angepassten farbigen Kurbel- oder Steppstichstickereien, bei reichern Toiletten auch Gold- oder Silberverzierungen oder Perlstickereien, sieht man sehr geschmackvolle Ornamente, zum Teil auch abgepasste Motive in Kreis. Oder Quadratform. Die jüngere Damenwelt wird an diesem Kleiderschmuck Gefallen finden, wie auch an den russischen mit Schärpen lose gebundenen Blusen mit ebensolchen Verzierungen. Vornehm wirkende Kleider werden diejenigen sein, die aus Seiden-Gabardine, Voile- oder Armure-Gabardine, Crêpe Jersey mit Seidenchiffon, oder mit gold- oder silberbesticktem Tüll zusammen verarbeitet werden, wie man vielerlei solcher prächtiger Kleider gesehen hat.

Die neuen Damenmäntel sind in Stoffen und Farben den Strassenkleidern gut angepasst; der Schnitt derselben ist lose anschliessend gehalten, wobei hie und da breite Kragen oder Kapuzen recht „chic“ aussehen. Diese Mäntel werden zum Teil mit Seide gefüttert; zu erwähnen ist z.B. ein Mantel aus gelbbrauner Gabardine, ganz mit bedrucktem Seidenstoff gefüttert und diesen über den breiten Kragen nach aussen ausgelegt. Das vielfarbige Cachemirdessin [sic] auf weisser Seide wirkt sehr reich.

Fruehjahrsmode

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 124 (Mitteilungen über Textil-Industrie, 24. Jg., Nr. 5/6, März 1917; Text) und P 909 (St.Galler Tagblatt, 12.03.1917, Morgenblatt: Beitragsbild; 19.03.1917, Morgenblatt: Inserat der Firma S. A. Pollag & Co. St.Gallen)

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