Franz Beda Riklin, im Militär im Rang eines Sanitätsoberstleutnants, hatte endlich die Hälfte seines Dienstes als Leiter eines Interniertenlagers im Waadtland hinter sich. Wie er in seinen Briefen vom 4. und vom 7. Mai schrieb, führte er straffes Regiment und wurde von den Instanzen, die in Betracht kommen, geschätzt: […] ich habe in einen ziemlichen Wirrwar [sic] von Intriguen [sic] u. Unfertigkeiten mit kräftiger Soldatenhand Ordnung gebracht. Trotzdem fühlte er sich nicht wohl: Ich weiss, dass man mir dankbar ist, und einen Respekt vor mir hat, oben und unten. Aber auch das nützt mich wenig u. kann nicht viel Befriedigung geben.
An seine Ehefrau schrieb er am 2. Mai:
Château d’Oex, den 2. Mai 1917.
Allerliebste Frau!
Jetzt hast Du einen Teil des Mädchenwechsels [Dienstbotenwechsel] hinter Dir; hoffentlich bist Du bald wieder anständig versehen. Bleibt Frl. Kärcher [?]?
Est [sic] ist mir beim besten Willen z. Z. nicht mehr möglich zu sagen, dass es hier interessant sei. Dazu ist zuviel Bureaudienst, u. das Einerlei einer Anstalt sozusagen. Es ist zwar Frühling; aber in der Nähe von Montreux, wo ich kürzlich war, ist die Natur viel weiter u. reicher. Hier ist verbessertes Unterwasser [wo die Familie die Ferien zuzubringen pflegte, vgl. die Beiträge vom 20. und 26. Juli 1916]. Das Hôtel ist sozusagen ausgestorben; was konnte, zog in’s Tiefland. Wenn ich Zeit genug für mich hätte, wollte ich mich wenigstens mit mir allein beschäftigen; aber es will doch täglich ziemlich viel erledigt sein. Und eigentlich geht einem die ganze Sache so herzlich wenig an! Dazu sind alle zu wenig Menschen. So sehne ich mich selbstverständlich ausserordentlich nach hause [sic]. Ich will übrigens ganz bestimmt auf den 15. ds. zu Besuch kommen; nur wird es nicht sehr lange sein; aber es ist dann doch jenseits der Hälfte.
Übrigens wundert mich sehr, ob alle drei eingeschickten Bilder angenommen sind. Weisst Du etwas darüber? Deine Sachen sind ja selbstverständlich alle angenommen worden.
Ich suche mich mit meinen Träumen abzugeben; denn es ist etwas im Tun. Aber dieser Dienst verträgt sich unendlich schlecht mit der Kunst, u. tötet mich halb, wenigstens geistig.
Ich plange [schweizerdeutsch für sich sehnen] also ausserordentlich aufs Wiedersehen. Wie gehts [sic] Mutter?
Allerherzlichste Grüsse von Deinem
Franz.
Auch Riklins Ehefrau, Sophia Riklin-Fiechter war künstlerisch tätig. Auf welchen Wettbewerb Riklin im Brief anspielte, lässt sich nicht nachvollziehen, im Bestand im Staatsarchiv St.Gallen gibt es keinerlei Spuren. Auch die bisherigen Publikationen über Franz Beda Riklin erwähnten ihre künstlerische Tätigkeit nicht, obwohl sie offenbar Erfolg damit hatte. In der Zeitschrift Heimatschutz beispielsweise ist notiert, dass sie bei einem Wettbewerb einen Preis erhielt. (Vgl. Mitteilungen über den Wettbewerb der Verkaufsgenossenschaft SHS zur Gewinnung von künstlerischen Reiseandenken, in: Heimatschutz, Jg. 15, 1920, Heft 2, S. 43, publiziert unter: http://www.e-periodica.ch/cntmng?var=true&pid=hei-001:1920:15::61)
Im Brief vom 10. Mai steht, dass Riklin vom 13. bis zum 16. Mai endlich den langersehnten Urlaub erhielt, um nach Hause zu fahren: Nachher muss ich dann intensiv auf meine Entlassung arbeiten; man möchte mich am liebsten gar nicht weg lassen; ich entdecke, dass ich eine Erlösung bedeutet habe; allerdings habe ich ganz furchtbar eingreifen müssen und mit eiserner Hand Intriguennester [sic] ausräuchern. Der Rauch ging bis in die Gegend des englischen Hofs. Und dann muss ich, Schweizer Soldat, zeigen[,] was militärisch heisst. Du kannst Dir kaum vorstellen, mit was für Mentalitäten man zu tun u. zu rechnen hat. Merkwürdig, dass ich dabei noch als ausserordentlich anständiger Mensch gelte. Ein schweizerischer Militärdienst ist in dieser Hinsicht ein Kinderspiel. Aber ich kann hier wenigstens mit der geistigen Überlegenheit wirtschaften, was nicht allzuschwer ist!
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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 106 (Korrespondenz Franz Beda Riklin mit seiner Ehefrau) und ZOF 002/08.46 (Bildersammlung Psychiatrische Klinik St.Pirminsberg, ca. 1918-1920)