Kuh Adela

Samstag, 16. Juni 1917 – Schönheit im Alter

Kuh Adela 776 Mels.

So lautete der Titel eines Artikels im St.Galler Bauer. Nach einer Einleitung folgt die Beschreibung der Milchkuh:

Das nebstehende [sic] Bild zeigt uns die höchstprämierte Kuh in unserm Kanton. Sie gehört Herrn Gemeinderat Schlegel in Mels und hat letzten Herbst 90 Punkte erhalten. Photographiert wurde sie drei Monate nach dem Kalben im Alter von bald 8 Jahren.

Von den richtigen Alpkühen weiss man, dass sie sich ihre Jugendlichkeit und Schönheit lang bewahren. Adela, die edelste unserer Grazien, ist sogar im Laufe der Jahre stets schöner geworden, hat erstmals 78, dann 79, 84 und schliesslich 90 Punkte erhalten. Ihre Leistungen sind sehr gute. Obschon es das Euter auf dem Bilde nicht verratet (die Kuh wurde mit leerem Euter photographiert), gab sie zur Zeit der Aufnahme noch 20 Liter Milch. Ihre Zuchtleistungen sind ebenfalls gute. Das beste Produkt ist ein zweijähriges Rind, das heute im Besitze von Herrn Altherr-Scherrer ist. Ausser diesem hat sie aber noch zwei gute Prämienkühe und ein[en] Belegscheinstier gezeugt. Der Abstammungsnachweis lässt uns keine der hervorragenden Blutlinien erkennen. In der grosselterlichen Generation müssen jedoch sehr gute Tiere gewesen sein, da wir dort die Punktzahlen 79½, 80 und 87 vorfinden. Also auch aus dieser Tatsache erhellt die Bedeutung der Qualität vorelterlicher Individuen.

Und nun die Formen, die Apparate, aus denen die Leistungen hervorgehen. Einige Bemerkungen sollen das Bild noch ergänzen. Vorerst die Farbe. Die schöne gleichmässige Farbe verratet das Rassentier. Vom Scheitel bis zur Sohle denselben blaugrauen, edeln Ton. Das reine Rehmaul, die weissen Innenseiten der Ohren und die hellen Hörner ergänzen den Eindruck der Rasse.

Aus dem Kopfe spricht Adel. Das breite Flotzmaul und die starken Ganaschen deuten an, dass ich die Braune auf der Weide zu wehren weiss. Die kurze, wohlgewölbte Nase und die breite Stirn weisen hin auf den kräftigen, breitgewachsenen Typ, den wir so gerne züchten. Die Formation des Schopfes und die Stellung der Hörner (kleine Zangenhörner) bestätigen den vorher erhaltenen Eindruck. Aus dem Auge spricht ruhige, selbstbewusste Kraft. Der Hals ist muskulös, wohlbewammt und fein befältelt. Er bekräftigt uns in der Auffassung, ein milchiges und doch starkes und nerviges Tier vor uns zu haben. Die Schulter könnte man vielleicht als etwas grob bezeichnen, doch beachte man den Laktationszustand. Die Brust ist sehr tief und herrlich gerippt; sie trotzt dem Tuberkelbazillus und ebensosehr den steilsten Halden. Die stolze, sichere Lende bewirkt die edle Linienführung des Körpers. Sie (die Linien) sind nicht gebrochen, sondern laufen oben und an den Seiten schön und stark bis ans Ende des Tieres. Auch Kreuzbein und Schwanzansatz fügen sich willig in diesen stolzen Zug. Die Kruppe ist sehr schön gebildet und die Hosen derart geformt, dass man ob solchem Gebilde nur staunen muss. Die weiss, wozu sie die Knochen hat. Die versteht sie zu dirigieren. Muskeln und Nerven ergänzen sich auf die beste Weise. Daher ist auch das Sprunggelenk schön, trocken und rassig geformt. Schienen und Klauen sind gut und durch mehrfache Alpung gehörtet. Die Braune steht daher auch im Senkel und marschiert wie unsere Bundeshengste.

Wer ob solchem Gewächs nicht Freude empfindet, wurde ohne Züchterader geboren. Sch.

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 248 (St.Galler Bauer, IV. Jahrgang, Heft 24, 16.06.1917, Text und Bild)