Stallerberg

Samstag, 14. Juli 1917 – Sommer-(Fuss)reisen der Schüler von Hof Oberkirch (Teil 3)

Hier noch der Bericht der dritten Klasse des Landerziehungsheims Hof Oberkirch (vgl. Beiträge vom 12. und 13. Juli), die auf Sommerreise gehen durfte:

Die Siebner!

von Kurt Schürmann

Heute war endlich nach langem Regen der 1ste schöne Tag. Wir traten unsere langersehnte Sommerreise an. Wir fuhren nach Chuhr [sic] mit den Sechsern, wo die beiden Klassen sich trennten. Wir gingen von da nach Churwalden, oberhalb des Churortes [Kurortes] Passug[g] vorbei und kochten in einem Forste ab. Wir gingen nun über die Lenzerheide an den kleinen Lenzerheidsee. Dort badeten wir. Dann ginge[n wir] durch das Tal der Albula nach Tiefencastel[.] Hier verlor der Detectiv [sic] seine Feldflasche. In Tiefencastel suchten wir ein Heulager. Dann gab es ein Café complet. Alles war fröhlich, nur der Detectiv konnte [sich] nicht über den Verlust seiner Feldflasche trösten[.]

Um 6 Uhr standen wir wieder auf. Dann assen wir im Hôtel Julia. Alsdann gingen wir die Julierstrasse hinauf und durch das Tal der Julia. Hinter dem Dorfchen [sic] Mühlen kochten wir ab. In Bivio übernachteten wir in Betten. Wir gingen am andern Morgen über den Pass des Stallerberges. Nun ging es schleunigst in das Avers hinunter. Dort kochten wir ab und gingen nach Andeer. Da hier alle Gasthöfe mit Militär überladen waren, gingen wir bis nach Zillis und übernachteten. hier.

Die Oberkirchler waren auf der 1895 erbauten sogenannten Alten Averser Strasse unterwegs, die auch heute wieder «bewandert» werden kann (vgl. www.aast.ch).

Die heutige befahrbare Strasse von Juf nach Andeer ist mehr als 27 km lang, der Höhenunterschied allein auf dieser Strecke beträgt mehr als 1000 m. Von Andeer nach Zillis sind es weitere 4 km, d.h. nach dem Gewaltsmarsch vorher von Bivio her waren die Knaben bestimmt noch eine weitere Stunde unterwegs.

Insgesamt hatten die Fünfzehnjährigen und ihr Lehrer auf der Tour von Bivio nach Zillis nicht nur eine bemerkenswerte Anzahl Kilometer, sondern auch etliche Höhenmeter zurückgelegt: Bivio liegt auf 1768 m ü.M., der Stallerberg auf 2581 m ü.M., Juf zuhinterst im Avers auf 2126 m ü.M., Andeer auf 982 m ü.M. und schliesslich Zillis auf 945 m ü.M. Das bedeutet (ohne allfällige Gegensteigungen) 812 m aufwärts und 1636 m abwärts, insgesamt 2448 m Höhendifferenz.

Am andern Tag war das Wetter schlechter. Ein Teil von uns besah mit Herrn Mäder die Kirche von Zillis, die viele Altertümer enthält. Gegen ½ 9 Uhr brachen wir nach einem “zünftigen Café complet” auf, und gingen durch die romantische Via mala[.]

Als wir in T[h]usis ankamen, regnete es stark. Wir fuhren, ohne das Städtchen angesehen zu haben fort nach Chur und von hier auf den Hof.

Carl Mäder war Lehrer für Deutsch, Geschichte und Gesang in Hof Oberkirch.

Paul Schetty

Der Chronist, Paul Schetty, schloss seine Berichte über die Sommerreisen mit folgenden Worten:

Nun ist also schon wieder ein Trimester vorbei. Auch gehen einige liebe Kameraden von uns weg. Es sind Hans Hinnen [?] Alfons Haase und Annaud [?] de Frey.

Ich wünsche ihnen eim Nahmen [sic] aller recht viel Freude und Erfolge im weitern Leben.

Paul Schetty.

Weder unterwegs noch auf dem Stallerberg konnte man sich 1917 an den heute geläufigen Wanderwegweisern orientieren. Die Schweizer Arbeitsgemeinschaft für Wanderwege SAW entstand erst 1934, legte aber bereits damals die einheitliche Signalisation mit den gelben Tafeln und der schwarzen Schrift fest, vgl. www.wandern.ch

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 127 (Hofchronik 1915-1921, Text; Foto von Paul Schetty aus dem Album «Schüler und Lehrer»); Foto des Wegweisers auf dem Stallerberg: Regula Zürcher, Juli 2016

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