Die Wochenendbeilage zur Rorschacher Zeitung vom 28. Juli 1917 enthielt zwei Beiträge über das Universitätsstudium in Deutschland:
Frauenstudium. In einer Studie in den «Historisch-politischen Blättern für das kath. Deutschland» über die Studentin stossen wir auf folgenden Satz: «Merkwürdig! Während draussen auf den unermesslichen Schlachtfeldern die Studenten seit drei Jahren Blut und Leben opfern, damit ihre Kommilitoninnen ungestört ihren Studien nachgehen können, organisieren diese den Kampf gegen das männliche Geschlecht und tragen damit einen tiefen Zwiespalt in unsere Hochschulen hinein». «Es spielt dabei wohl auch die Furcht mit, es könnte nach dem Krieg eine starke Reaktion gegen das Frauenstudium einsetzen.»
Diese Worte, wie die gesamte Studie beweisen, dass gegenwärtig in Deutschland und vermutlich auch in andern kriegführenden Staaten das Problem der Frauenarbeit und das Problem der gelehrten Frauenarbeit immer akuter wird. Nicht nur die industrielle Arbeit, sondern auch das Studium steht in der Kriegszeit unter immer stärker werdendem Einfluss der Frau. Wenn wieder normale Zustände zurückkehren, dann wird sich zweifellos eine Auseinandersetzung abspielen, die zu den merkwürdigsten und vielleicht auch traurigsten Blättern der Sozial- und Gesellschaftsgeschichte gehören. Und sicher wird ein starker Schlagschatten dieses Zwiespaltes auch auf die neutralen Länder übergreifen und wäre es auch nur in der Weise, dass die schweizerischen Universitäten von Studentinnen überflutet werden, die in ihrem eigenen Lande nicht mehr so leicht zukommen. – Der Weltkrieg schafft Probleme, von denen man im August 1914 noch nicht geträumt hätte.
Dreiteilung des akademischen Studienjahres. Eine Anzahl von Professoren der Universität und der Technischen Hochschule in München haben an den Reichstag die Eingabe gemacht, womit sie für die Dreiteilung – Trimestrierung – des akademischen Studienjahres während der ersten beiden Friedensjahre eintreten. Sie erstreben daher, dass für diese Zeit in den gesetzlichen Bestimmungen über die staatlichen Prüfungen ein Trimester sinngemäss einem Semester gleichgestellt werde, um so den Kriegsteilnehmern den Zeitverlust, den sie im Dienst des Vaterlandes erlitten haben, durch Herabsetzung der Studienzeit auszugleichen.
Die Schweiz gehörte zu den Vorreiterinnen des Frauenstudiums. Ab 1864 konnten an der Universität Zürich Frauen regulär studieren, erste Gasthörerinnen waren bereits seit den 1840er Jahren zugelassen. Es folgten die Universitäten Bern, Lausanne und Genf, später auch Basel. Die Furcht, es könnten nach Beendigung des Ersten Weltkriegs viele Studentinnen aus dem Ausland in der Schweiz ihre Ausbildung machen wollen, gründete in Erfahrungen, die man mit den frühen Studentinnen gemacht hatte. In den 1870er Jahren waren vor allem aus dem damaligen Russland viele, oft revolutionär eingestellte Frauen zum Studium in die Schweiz gekommen und hatten das «Image» der studierenden Frau nachhaltig geprägt.
Eine, die zwar erst 1918 Matura machte und 1923 ihren Doktortitel für eine Dissertation über Arbeiterinnenschutz erhielt, war Margaritha (Schwarz-)Gagg (1899-1989). Ihr Nachlass und das zugehörige Familienarchiv, aus dem auch die Bilder zu diesem Beitrag stammen, befinden sich im Staatsarchiv St.Gallen. Margaritha Gagg studierte an den Universitäten Bern, Genf und Freiburg im Breisgau Staatswissenschaften. Die spätere dreifache Mutter engagierte sich in der Sozialpolitik und setzte sich ab den 1930er Jahren für die Einführung einer Mutterschaftsversicherung ein.
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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, P 913A (Text: Rorschacher Blätter zur Unterhaltung und Belehrung, Gratisbeilage zur Rorschacher Zeitung, Nr. 7, 1917, 28.07.1917) und W 291/17-11.07 und W 291/17-11.14 (Bilder: Gymnasialklasse Margaritha Gagg 1918, Foto: Max Hubacher; Margaritha Gagg im Seitenprofil, 21.10.1918)