Kirschen

Montag, 9. Juli 1917 – Kirschen-kuchen bei Thürlemann

Bei frühen Ansichtskarten sind die eigentlichen Bildmotive oft von stilisierten Dekorationselementen umgeben wie im vorliegenden Beispiel die Kirschen. Letztere passen gut zum heutigen Beitrag:

Johann Baptist Thürlemann verliess sich bei den alltäglichen Hausgeschäften ganz auf seine Haushälterin Caroline Wick. Trotzdem war er Manns genug,  sich während ihrer Abwesenheiten selbst zu versorgen. So kochte er sich beispielsweise am 6. Juni 1917 selber, weil Caroline an der Beerdigung ihres Göttis teilnahm: Mein Mittagessen bereitete ich mir selbst. (Haferflocken-Suppe & 2 Stieraugen [Spiegeleier].

Zuweilen ging er ihr bei Haushaltsarbeiten zur Hand, etwa beim Spannen der Wäscheleinen im Garten oder eben (in allerdings seltenen Fällen) auch in der Küche, wo er beim Backen half: Morgens war ich beim Tortenbacken behilflich ( : Zwetschgenkuchen : ). (Eintrag vom 15. Oktober 1914)

Ähnlich heisst es am Montag, dem 9. Juli 1917: Abends half ich meiner Haushälterin Caroline Wick bei der Bereitung einer Kirschentorte. In Ermangelung von Mandeln, die gegenwärtig rar sind, verwendeten wir Baumnüsse, die fein gewiegt wurden. Die Torte wurde zu Bäcker Graf zum Backen gebracht. Das Backwerk gab ziemlich viel Arbeit.

Nächster Beitrag: 10. Juli 1917 (erscheint am 10. Juli 2017)

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 035a (Tagebuch Thürlemann) und ZMA 18/01.13-10 (Ansichtskarte, ca. 1907)

Blume

Montag, 2. Juli 1917 – Elterntag in Hof Oberkirch

Montag, 2. Juli.

Der Elterntag,

Der 2te Juli war da. Schon in der 1sten Stunde kamen die St.Gallereltern. Natürlich spornten wir unsere Leistungen zum höchsten an. Viel Eltern waren es nicht. Erst um 12 Uhr sollten die Zürcher kommen. Und dies waren die Mehrzahl. Die Morgenstunden gingen glatt ab. Nur in der Mathematik bei den Sechsern [6. Klasse] war es ein wenige anders. Wenn nähmlich [sic] Frau Bez.-Ammann hören musste, dass ihr filio Küenzli einen fehlerhaften Satz machte, so schüttelte sie kräftig den Kopf und seufzte unwillig: «ne-!ne-! [sic] Nun war das Mittagessen. DAs Wetter sah bedenklich aus. Doch Herr Tobler liess draussen decken, denn er dachte: «Na, es wird doch halten!» Kaum sass die 35köpfige Gesellschaft am Tisch, als grosse, schwere Tropfen aus dem grauen Gewölk herunterzutropfen anfiengen [sic].

Doch die lustigen Leute und Höfler lies[s]en sich nicht so schnell stören. Man holte Pelerinen & Mäntel. Nun hüllten die Höfler ihre Mamenen [Mütter] ein, und das Diner nahm seinen Fortgang. D

och nun fing es an zu schiffen! Regnen kann man es nicht mehr nennen.

Wir mussten hinauf in den Essaal. Nun rannten die Herrschaften in den Essal [sic]. Wer hätte gedacht, dass alle diese so verschiedengeformten Eltern so rennen könnten?

Jakob, der schöne Portier nahm fast 2 Tische auf einmal – bald sassen wir im grossen und kleinen Speisesaal. Sogar im Pavillon waren Tische. Aber die guten Leute verloren den Humor nicht. Das Essen war auch prima. Die Alwine [?] hatte auch einen guten Tag! Sie war sogar trotz der riesigen Arbeit sehr gut aufgelegt und lachte, wenn auch niemand ein[en] Witz machte. Nach dem Essen gab es eine Aussprache für die Eltern. Die andern machten ein Fussball[spiel] oder Studien. Das hinterlistige Regnen hörte nun Plötzlich [sic] auf. Nach der Aussprache kamen die Eltern zum Fussballplatz herunter. Das Spiel wurde beendet. Nun meinte Herr Schlegel[, Lehrer für Mathematik, Feldmessen und Buchhaltung,] man solle noch ein Wettrennen veranstalten. Doch als man die Leute aufstellen wollte, waren sie nich tmehr da. Nun ging’s zum Schwimmbad. Das ganze Bassin war von Eltern umgeben.

Feurig glitzerten die Augen der Höfler. Denn wenn einer Eindruck schinden will, so kann er dies doch am besten am Elterntag[,] wenn’s Baden gibt. Oder?? – Ihne!! [Hinein!] BäBäBäBäBäBä Pfsch. [sic] Es spritzt nur so. Grossartiger Kopfsprung. Doch schnell hinaus. Es ist eiskalt. Wie immer! Oder hat schon ein Höfler am Elterntag in ordentlich warmen [sic] Wasser gebadet? – Die schon lange vorher geübten Kunststücke werden nun produziert. Freudestrahlend zeiget sich der Sohn seinen glücklichen Eltern.

Nachher gab’s nicht mehr etwas besonderes! Man bunnelte [sic für bummelte?] noch mit seinen Eltern. – Halt fast hätte ich das Abendessen vergessen. Das war ein prima Tee mit Confiture und Butter bis zur Bewusstlosigkeit. Zur allgemeinen Erheiterung sassen wir wieder an unsere alten Plätze vom Mittag, wieder die lustige und gemütliche Unordnung. – Nach dem Tee gingen langsam die Eltern heim. Die meisten Höfler begleiteten sie auf den Bahnhof. Dort die rührenden Abschiedszehnen [sic] und Haendedrücken, einzelne Traenen. Wenn der Zug schon ein wenig ihm [sic] Fahren ist, gibt einem der Papa noch ein «Mocke Gips»[.] Dann rasselt das Liebe davon. – Der Elterntag ist vorbei -.

In der Hof-Zeitung, dem üblicherweise dreimal pro Jahr erscheinenden Mitteilungsblatt berichtete der Direktor über die Themen der Aussprache mit den Eltern:

.[…] Am Nachmittag versammelten sich die Eltern und die Lehrer in der Bibliothek, wo zunächst die bevorstehenden Sommerwanderungen besprochen wurden. Darauf gaben Herr Franz Weber, Wädenswil [Vater eines Schülers in der 6. Klasse], und Herr Traugott Simmen, Brugg [Vater eines Schülers in der 7. Klasse], in packenden Worten ihren Gefühlen der Dankbarkeit und Anerkennung Ausdruck für die Erzieherarbeit auf Hof Oberkirch. Eine kurze Aussprache über den Fussballsport führte dann hinunter zum Spielplatz, wo eben ein Fussballspiel vor sich ging. Wir haben gesehen, dass sich da manche Ansicht geklärt hat. […]

Zum Fussballspielen in Hof Oberkirch vgl. auch den Beitrag vom 10. Mai 1916 (mit Fotos).

Nächster Beitrag: 9. Juli 1917 (erscheint am 9. Juli 2017)

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 127 (Schulchronik 1915-1921; Hof-Zeitung, Nr. 11, Dezember 1917; Beitragsbild: Linolschnitt von Hans Simmen in: Hof-Zeitung, Nr. 10, Juli 1917)