Briefcouvert

Freitag, 28. September 1917 – Billette für die Konzertsaison

Der Schriftsteller Heinrich Federer (1866-1928) schrieb in einem Brief an Ernst Kind, den späteren Rektor der St.Galler Kantonsschule, zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Gymnasiast, aber auch noch nicht Soldat und nicht Student:

Lieber Ernst!

Herzlich wünsche ich Ihnen Glück zum gymnasialen Auskehr und ebenso zur Uniform. Es wird mir ein eigentliches Bedürfnis sein, sobald ich in Zürich bin, an einem der ersten Abende in Ihr gemütliches Heim zu kommen u. alle ihre Lieben u. mir wahrhaft ich weiss nicht wie u. warum so schnell ans Herz Gewachsenen zu grüssen.

Ihr lieber Vater wird gewiss Dinge sehen, die ihm tief in der Stirne eingeschrieben bleiben. Möge ihn ein guter Geist hin- u. zurückbegleiten! Ein kleines boshaftes Schmunzeln konnte ich freilich nicht unterdrücken, als ich «englische Front» las. Was wird die liebe Frau Oberst sagen, wenn Ihr [sic] Gemahl als erklärter Freund britischer Sache u. Seele heimkehrt!! –

Nun habe ich noch eine grosse Bitte: Die Abonnementskonzerte beginnen. Ich besitze leider die Umschläge der letztjährigen Abonnementskonzerte nicht mehr oder weiss doch nicht, wo sie sind. Aber die Billetausgabe [sic] an der Tonhalle kennt mich gut u. wird mir sicher die alten Plätze geben, wenn ich die Nummern anzugeben weiss. Sie waren einigemal mit mir u. können sich die Nummer sicher aus einem Bestuhlungsplan herausnotieren. Es waren folgende Plätze

Bestuhlung Tonhalle Zürich

Zeichnung im Brief von von Heinrich Federer mit Skizzen des grossen Tonhallesaals (links), wo er zwei Plätze auf der Galerie wünschte, und des kleinen Tonhallesaals, wo er im Parkett rechts in der dritten Reihe den ersten und den zweiten Platz ankreuzte

Ich werde nun sofort an die Tonhalle-Verwaltung um diese Plätze schreiben. Ich bitte aber doch dringend Ihr[e] liebe Mutter (ihr traue ich hierin das grösste u. energischste Genie zu!), wenn sie irgend kann u. sobald die Plätze an Abonnenten abgegeben werden, mir doch ja diese Billete [sic] zu holen u. zu bezahlen. Ich werde sofort nach der Heimkehr dafür meinen herzlichen Dank bei Ihrer lb. [lieben] Mutter ausrichten u. das Konto begleichen. Bin ich bis zum 1. Konzert nicht in Zürich, so bitte ich Ihre lb. Mutter, die Bilette doch gefälligst für Ihre lb. Familie zu gebrauchen. Nichts kann mir lieber u. meiner Dankbarkeit willkommener sein.

Und nun noch tausend Grüsse. Das Wetter in diesem Sept. war wunderbar u. seit Jahren konnte ich zum 1. mal [sic] wieder einige Bergtouren ausführen. Gearbeitet habe ich leider so viel wie nichts; dafür bin ich zehnmal gesünder geworden.

In herzl. Begrüssung [sic] an die lb. Geschwister, an Mutter u. Vater bin ich Ihr Heinrich Federer.

NB In den nächsten sechs Tagen lautet m. Adresse, H.F., Hotel des Alpes, Misox, Ct. Graubünden.

Ich ziehe mich langsam talwärts. Aber wenn alles gut geht mit den Billets, brauche ich keine Nachricht.

[Randnotiz:] Vielleicht schickt Ihnen die Tonhalle-Verwaltung die Heftchen zur Nachnahme oder Sie können Sie schon jetzt zur Bürostunde abholen, nachdem ich alles Nötige geschrieben habe.

Heinrich Federer verpasste schliesslich doch den Beginn der Konzertsaison. Im Telegramm vom 2. Oktober 1917 heisst es bitte die billetsgebrauchen:

Telegramm

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 073/5 (Korrespondenz Ernst Kind, Brief von Heinrich Federer vom 28. September 1917)

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