Baeckerei in Rheineck, ca. 1900

Dienstag, 6. November 1917 – Kriegsbilanz und Tagesgeschäft

Josef Scherrer, der vielbeschäftigte Sekretär des Zentralverbands christlichsozialer Organisationen, schrieb in seinem Tagebuch:

Ich habe seit langer Zeit keine Tagesnotizen mehr geführt. Eine Sünde, die ich immer wieder begehe. Zuviel Arbeit ist mir eine kleine Entschuldigung. Seit den letzten Notizen, die auch hier niedergelegt, ist so vieles wieder anders geworden. 

Der Krieg ist trotz den ernsten Bemühungen des Heiligen Vaters Papst Benedikt XV. weiter gegangen. Letzter Tage hat die gewaltige deutsch-österreichische Offensive den Italienern entscheidend zugesetzt. Heute melden die Österreicher und Deutschen bereits 250,000 Gefangene und eine Beute von 2000 Geschützen. Vielleicht ist das doch Friedensarbeit!

Ende September 1917 habe ich eine neue grosse Arbeit übernommen. Die Regierung des Kantons St. Gallen hat mich als Leiter des kantonalen Brotamtes berufen. Es ist einerseits für mich eine verlockende Arbeit, anderseits werde ich auch hier manche Sorgen zu kosten bekommen. Die Einführung der Brotkarte ist zwar im Kanton St.Gallen noch ziemlich glatt gegangen, Gott sei Dank! Ich hätte mich schon schön blamieren können! Möge Gott mir helfen, das wichtige Amt in schwerer Zeit gut zu verwalten.  

Rechnungskommission der politischen Gemeinde Tablat.

Rechnungskommission Die Sitzungen haben wieder seit einiger Zeit begonnen. Eine Arbeit, die an und für sich nicht uninteressant ist. Ich mache sie jetzt das 6. Mal. Da hat man doch bald genug.  

Konferenz. Vorberatende Kommission zur Baukommission.

Errichtung einer Baukammer des Kantons St.Gallen im Mercatorium in St.Gallen.

Koch & ich sind in die vorberatende Kommission berufen worden. Ich habe namens der christlich-sozialen Organisation grundsätzlich zugestimmt.

Antrag des Ingenieur- & Architekten-Vereins. Es soll das Justizdepartement angefragt werden, ob nicht ein Baugericht bestellt werden soll.

Schirmer [?]. Das Justizdepartement wird nicht dafür zu haben sein. Ein ganzes Baugericht wird so rasch nicht eintreten. Aber es wäre ein freiwilliges Baugericht doch zu gründen.

Dr. Wyler will wissen, wie sich das Kantonsgericht dazu stellt.

Ingenieur Sommer referiert über die Geschichte der Vorberatungen. Die Fachleute Kantonsbauamt, Stadtbauamt, die Bundesarchitekten sind gegen die Bildung.

Kantonsgerichtspräsident Dr. Geel hat sich gegen die gesetzlichen Fachgerichte ausgesprochen, da das Kantonsgericht nach und nach ausgeschaltet würde. Wenn alle Interessen-Kreise für ein Spezialgerichtswort einträten, so ist die Einführung möglich. Das Kantonsgericht lehnt die Errichtung eines Baugerichtes einstimmig ab.

Dr. Wyler ist für die Spezialgerichtsbarkeit.

Stauber, Zimmermeister Ich spreche mich grundsätzlich für eine Baukammer aus, immerhin unter gewissen Vorbehalten.

Koch sozialdemokratischer Sekretär spricht sich ebenfalls grundsätzlich für die Baukammer aus.

Högger will die Sache weiter verfolgen.

Es wird beschlossen, eine Konferenz mit den Behörden angestrebt. [sic]

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 108/1 (Tagebuch Scherrer) und W 076/3.27.092 (Bäckerei und Conditorei von J. H. Tobler in Rheineck, ca. 1900)