Briefauszug

Donnerstag, 29. November 1917 – Jungmännerkorrespondenz: Einsichten

Werner Kuhn, ein Schulfreund von Ernst Kind, schreibt in einem Brief:

Wallisellen, 29. Nov. 17.

Mein Lieber!

Unsere Korrespondenz, von der man sich allgemein so viel versprochen hatte, die ist denn bis jetzt doch ein wenig mager ausgefallen! Was treibst Du eigentlich? Die Rekrutenschule wird wohl bald zu Ende sein. Bist Du eigentlich immer im scharfen Arrest gewesen, dass Du mir nie mehr ein Wort geschrieben hast? Nun, das glaube ich nicht; aber vielleicht hast Du den ganzen Abend so eifrig an Deinem Gewehr gerieben, dass Du an nichts anderes mehr denken konntest. Wenn Du Dich jetzt dann nicht etwas besserst, so werde ich Dir auf Weihnachten eine mathematische Formelsammlung schenken. Das wäre ein Fest! Schulkorrespondenz schreibe [?] ich jetzt nicht mehr; auch habe ich noch niemanden, mit dem ich so kindlich dumm tun könnte, wie mit Dir. Kein Faustkampf mehr in der Schulbank; aber merkwürdigerweise ist es mir doch wohler als vor einem Vierteljahr, wo ich all das noch hatte. Nur muss ich versuchen, mir ein wenig mehr Sorgfalt anzugewöhnen. Die meisten Reaktionen gehen mir im ersten zweiten Mal Flöten [sic], weil ich mir nicht die Zeit nehme, einen Niederschlag, so und so manchmal auszuwaschen etc. So geht es eben. Durch Schaden wird man klug, aber dann ist man’s und bleibt man’s; für immer?

Herzl. Grüsse

Dein W. [Werner] Kuhn

Werner Kuhn-Laursen (1899-1963) studierte Chemie. Er war später Professor und Rektor an der Universität Basel, vgl. seine Kurzbiographie im Historischen Lexikon: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D43525.php

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 073/5 (Korrespondenz Ernst Kind)