Am 18. August verstarb hochbetagt der Forstingenieur und Alpinist Johann Wilhelm Fortunat Coaz-Lütscher (31.05.1822-18.08.1918). Coaz hatte als kantonaler Oberforstinspektor eine Zeit lang in St.Gallen gelebt und sich u.a. im Stadtturnverein engagiert. Im Archiv des SAC St.Gallen findet sich in der sog. «Ahnengalerie» eine Porträtfoto von ihm (vgl. Beitragsbild).
Am 21. August veröffentlichte das Tagblatt einen ausführlichen Nachruf auf Coaz:
Zum Andenken an Dr. h.c. Johann Coaz.
Im Patriarchenalter von über 96 Jahren ist Dr. h.c. Joh. Coaz, der hochverdiente Förderer der schweizerischen, der Forstwirtschaft überhaupt, von dieser Erde geschieden.
Johann Coaz war Bürger von Scanfs [S-chanf] im Engadin. 1843 schloss er al 21jähriger sesine forstlich-akademischen Studien in Deutschland ab und kehrte dann in seine Heimat zurück. Dazumal arbeiteten Ingieure des eidgenössischen topographischen Bureaus auch in den Bündnerberger an der Triangulation und topographischen Aufnahme des Kantons Graubünden. An der Spitze des Bureaus, das sich heute zur Abteilung Landestopopgraphie des schweizerischen Militärdepartements entwickelt hat und 100 Beamte zählt, stand Generalquartiermeister Oberst Dufour, der spätere General unserer Armee. Coaz wurde mit den Ingenieuren bekannt, und 1844 trat er in das topographische Bureau ein und erwarb sich schon in jungen ahren nicht geringe Verdienste am Zustandekommen des grossen topographischen Atlasses der Schweiz. Vo nihm stammen die Blätter Bernina, Davos, Tarasp, St.Moritz, Scaletta, Bevers [Bever], Chamuera und Scanfs [S-chanf] der Dufourkarte. Seine Tätigkeit brachte ihn mit dem Alpinismus aufs engste zusammen, und seit jener Zeit stand Coaz bis zu seinem Tode als einer der ersten Führer an der Spitze des schweizerischen Alpinismus, er, der Bezwinger der Bernina und damit der Mann, der sein Engadin in Konkurrenz mit dem Wallis und Berner Oberland treten liess. Sein Name wird in der Geschichte der Erschliessung unserer alpen einen bleibenden ehrenvollen Platz behalten.
Nach der Beendigung der topographischen Arbeiten wurde Coaz Forstinspektor des Kantons Graubünden; dieses Amt versah er von 1851-1874. Dann trag er in den Dienst des Kantons St.Gallen und bekleidete hier den Posten des Oberförsters; er lebte sich in St.Gallen gut ein, und immer wieder ist er gerne in unsere Stadt zurückgekehrt, wo er einen grossen Bekanntenkreis hatte.
Der Bundesrat berief den vortrefflichen Forstmann bald nach Bern und übertrug diesem das eidgenössische Oberforstinspektorat; diese Stelle versah er bis zum Jahre 1914, in welchem Jahre er nach ausserordentlichen Arbeitsleistungen im Dienste des Vaterlandes in den Ruhestand trat. Er zog sich nach Chur zurück und hat dort seinen Lebensabend verbracht. Welche Wegstrecke liegt zwischen seinem ersten Wirken in Amt und Würde und der Heimkehr aus der Bundesstadt in die rätische Hauptstadt! Welche Summe von Arbeit und wieviele glänzende Erfolge aus der Tatkraft des willensstarken Mannes, der nicht nachgibt, wenn er etwas als gut erkannt hat!
Coaz ordnete das schweizerische Forstwesen, schuf dem Bund die Oberaufsicht über die Forstpolizei; aus dieser heraus wurden besonders dem Alpengebiet die segensreichen Hilfeleistungen des Staates an Lawinen- und Wildbachverbauungen, Korrektionen, Bannwalderrichtungen, Alpverbesserungen usw. In all diesen Werken leben sein Geist und sein Weitblick, lebt der Name Coaz weiter. Neben der amtlichen Tätigkeit fand er immer noch Zeit, sich der Fach- und der alpinen Literatur zu widmen. Er war der Herausgeber des Schweizerischen Baumalbums, von dem bisheute bereits vier Bände erschienen sind; in den Jahrbüchern des S.A.C. finden wir zahlreiche Abhandlungen aus seiner Feder. Der lebhaft geschriebene und empfindende Rückblick «Aus dem Leben eines schweizerischen Topographen von 1844-1851» dürfe wohl die letzte grössere Arbeit des nunmehr Verstorbenen sein. Sie ist enthalten im 52. Jahrgang des S.A.C.-Jahrbuches. Aus ihr werden wir unseren Lesern demnächst einige Reminiszenzen zur Kenntnis bringen.
Hier mag auch noch erwähnt werden,, dass Coaz, ein grosser Freund unseres Wildparkes, die Initiative für die Wiedereinbürgerung des Steinwildes in unseren Alpen ergriffen hat. Er beförderte durch Beibringung von Bundessubventionen die Aussetzung von Tieren aus dem Wildpark St.Gallen ins Gebiet der Grauen Hörner und in das des Piz d’Aela ob Bergün. Hundert Jahre alt wollte Coaz werden: bis in die letzten Tage seines Lebens war er aussergewöhnlich rüstig; seine 96. Jahre waren ihm noch nicht zur Last geworden. Berg und Wald hatten ihm eine eiserne Gesundheit geschenkt und seinen Geist hell und klar gemacht, gleich dem Hohlicht über den Gräten der Bündnerberge. Plötzlich aber hat ihn der Tod leise berührt und hinübergenommen in das stille Land der Abgeschiedenen. St.
Vgl. auch den Beitrag im Historischen Lexikon der Schweiz: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D28802.php
Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, P 909 (St.Galler Tagblatt, 78. Jg., N.r 195, Morgenblatt, 21.08.1918, S. 4, Todesanzeige und Abendblatt, 21.08.1918, S. 1, Nachruf) sowie W 312/11.1-01.93 (SAC St.Gallen, Ahnen-Galerie, Auszug aus Porträt von Johann Coaz)