Montag, 27. November 1916 – Das Kantonsparlament diskutiert über die Not in der Bevölkerung

Die zunehmende materielle Not der einfachen Bevölkerung wird im Kantonsparlament thematisiert:

Der Vorsitzende [Kantonsrat Anton Messmer] gibt der Versammlung noch Kenntnis vom Eingang folgender, von Herrn Kantonsrat Dr. Duft und 9 weiteren Ratsmitgliedern unterzeichneten Interpellation, lautend:

„Der Regierungsrat wird um Auskunft gebeten, ob und wie er die durch den Bund in die Wege geleitete verbilligte Lebensmittelversorgung der bedürftigen und notleitenden Volksteile im Kanton St.Gallen zu organisieren und unter Mitwirkung der Gemeinden durchzuführen gedenkt.“

Die Interpellation wird auf die Tagesordnung gesetzt.

Die sogenannte Armenpflege hing zu einem grossen Teil von der privaten Wohltätigkeit ab. Da die AHV noch ebenso wenig existierte wie eine staatliche Arbeitslosenversicherung und ein Erwerbsersatz für die Wehrmänner, konnten sozial schlechter gestellte Bürgerinnen und Bürger schnell bedürftig werden. Trotz der staatlichen Interventionen verschärften sich die Probleme bei der Lebensmittelversorgung, und die soziale Unrast in der Arbeiterschaft stieg. Im November 1918 entlud sie sich schliesslich im landesweiten Generalstreik.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, AGR B 1 (Protokoll des Grossen Rates) und ZMA 18/09.03-01 (Eines der Kosthäuser für die Arbeiterschaft der Weberei Felsegg der Firma Matthias Naef & Cie. in Henau, ca. 1910, Foto D. Bär, Zürich)

Mittwoch, 2. August 1916 – «industrielle Halbtagsarbeit» und Frauen als Konkurrentinnen auf dem Arbeitsmarkt

Die Frauenarbeit in der Kriegszeit.

(Eing[e]sandt.)

Durch den Krieg ist die Frauen- und Kinderarbeit – mehr als je gedacht werden konnte – zur Aufrechthaltung des Wirtschaftslebens herangezogen worden. Die Heranziehung der Frau zur Arbeit in der Industrie, also vorab in der Fabrik, war schon vor dem Kriege in steter Zunahme begriffen, immer mehr trat die Frau an Stelle des Mannes, des Arbeiters, so dass schon vor dem Kriege diese Frage für den Arbeiterstand geradezu eine brennende geworden war. Die Frau war nicht nur Konkurrentin des Mannes, sondern auch seine gefährliche Lohndrückerin. Der Krieg hat diese Entwicklung mächtig gefördert. Vorab in den kriegführenden Staaten. Die Männer mussten immer mehr ihre friedliche Arbeit in Fabrik und Werkstätte vertauschen mit der grausigen Kriegsarbeit. Anderseits erstand in vielen Berufen die Notwendigkeit vermehrter Tätigkeit. Es traf dies vor allem die Betriebe, die mit Heereslieferungen beschäftigt waren. So sehen wir denn, wie in den kriegführenden Staaten die Frau immer mehr Einzug hält in den Fabriken. Sie wird nun heute zu Arbeiten herangezogen, von der man früher es sich nicht vorstellen konnte, dass sie von schwachen Frauen ausgeführt werden könnte. Im Dezember 1915 hat das österreichische Kriegsministerium einen Erlass an die Oeffentlichkeit gegeben, wonach die Frauen ersucht werden, in den Betrieben die Stellen der Männer, die in den Krieg ziehen mussten, einzunehmen. Es heisst dort: «… Bei Zuziehung des weiblichen Elementes würde eine namhafte Anzahl kriegstauglicher und militärisch ausgebildeter Männer für den Frontdienst frei. Die Front ist die Domäne des waffenfähigen Mannes. Dorthin zu gelangen soll das Streben jedes Einzelnen sein. Dass nicht nur der einfache Arbeiter von der Arbeiterin abgelöst werden soll, sondern dass auch manche industrielle Beamte von der intelligenten Frauenwelt ersetzt werden können, wodurch die Armee zahlreiche Offiziere gewänne, ist selbstverständlich. … Kein Zweifel, die für das Heer arbeitende Frau ist der Soldat des Hinterlandes. … So manche Mutter, welche vormittags ihre Kinder betreut, könnte nachmittags, wo sie ihre Familie, sei es bei Verwandten, sei es in Kindergärten und dergleichen, beaufsichtigt weiss, industrielle Halbtagsarbeit leisten und dadurch zur Verbesserung ihrer und ihrer Familie Lebensführung beitragen. … Dass viele Arbeiterinnen Ersatz für gefallenen oder invalide gewordene Männer sein werden, ist wohl auch vrständlich. Den verstorbenen Helden vertritt seine Frau, seine Tochter, die so auch am besten versorgt sein werden (?) …» Es wäre ja sehr interessant, diesen Erlass, der hier stückweise zitiert worden, nach verschiedenen Seiten einer genauen Betrachtung zu unterziehen. Wir überlassen den Lesern, es selber zu tun. Auf alle Fälle steht heute fest, dass die Heranziehung der Frau zur Fabrikarbeit grosse Fortschritte gemacht hat. Die Firma Krupp, die bekannte Kanonenfabrik, die am 1. Januar 1913 erst 1666 Frauen beschäftigte, zählte am Schlusse des Jahres bereits deren 10,928 und am 1. April 1916 sogar schon 13,023. Prozentual noch stärker hat die Frauenarbeit bei Tyssen [Thyssen] – eine bekannte grosse Firma der Metall- und Hüttenindustrie – zugenommen, welcher [sic] am 1. März 1916 erst 82 Frauen beschäftigte und am 1. Dezember 1915 schon 3755. Die Zahlen sind inzwischen wieder mächtiger gewachsen und weisen Tag für Tag höhere Frauenbeschäftigung auf. Durch den Krieg zurückgegangene Industrien, wie die Textilindustrie, geben ihre Arbeiterinnen in grosser Zahl der Eisenindustrie ab. Die Frauen treten ihre Arbeit in der Eisenindustrie an, durchaus unbekannt mit den schwierigen Verhältnissen und sind sich ihrer Rechte und Pflichten als Mitglieder des Arbeiterstandes nicht bewusst. Die Arbeiter sehen dann in ihnen vielfach die Konkurrenten auf dem Lohnmarkt, die ihre ohnehin nicht hohen Einnahmen noch weiter drücken wollen, nicht aber die Mitarbeiterin, die durch die Not der Stunde gezwungen wird, ihre Arbeitskraft in dieser Weise zu verwerten.

Wer die ganze Frage ganz oberflächlich betrachtet, wird vielleicht gar nicht einmal eine besondere Gefahr in dieser vermehrten Heranziehung der Frau im Erwerbsleben erblicken. Und doch bestehen Gefahren in mehr als einer Hinsicht. Dass die Frau zur Konkurrentin des Mannes wird, das ist bereits angeführt. Die Frau erhält bis heute, auch wenn sie die gleiche Arbeit leistet wie der Mann, doch nicht die gleiche Entlöhnung, auch nicht bei Akkordarbeit. Der Beweis ist in der deutschen Industrie erbracht worden, dass auch hier die Frau nur die Hälfte des Preises erhält, den ehedem der Arbeiter erhalten. Eine grosse Ungerechtigkeit. Und dann ist heute noch nicht sicher, ob nach dem Kriege die Frauen ihre Plätze wieder verlassen, oder besser gesagt, ob der Arbeitgeber die billigen weiblichen Arbeitskräfte entlässt und wieder den Mann, der aus dem Kriege heimkehrt, an seinen Platz stellt. Die Frage wird erst noch gelöst werden müssen. Vielleicht bekommt ein Redner im deutschen Reichstag doch noch recht, der sagte, dass Gefahr besteht, dass viele deutsche Arbeiter den Schützengraben nur mit dem Strassengraben vertauschen müssen.

Diese vermehrte Heranziehung der Frau zur Fabrikarbeite, dazu noch zu Arbeiten, die der Art der Frau in keiner Weise zusagen, hat aber auch noch eine andere grosse Gefahr herausbeschworen. Und das ist die Untergrabung der Vo[l]kskraft, und zwar in der Frau und im Kinde. Denn eine Frau, die zu solcher Arbeit herangezogen wird, die wird gar bald am Ende ihrer Kräfte sein. Wie soll sie dann aber noch ihre Kinder gut ernähren und erziehen? Uebrigens brauchen wir da gar nicht mehr zu warten, denn schon jetzt stellen die Aerzte die schweren Nachteile dieser Arbeit für die Frau fest. So erklärt Sanitätsrat Dr. Freudental: «Ich kann als Arzt nur auf Grund zahlreicher Erfahrungen bestätigen, was von den Laien nach dem Augenschein behauptet wird, dass durch die Kriegsarbeit mit ihren Ueberstunden, der Sonntags- und Nachtarbeit bei den Frauen die schwersten gesundheitlichen Schädigungen hervorgerufen sind. Ich erinnere mich nicht, jemals so schwere und so viele Fälle von Nervenschwäche und Nervenzerrüttung gesehen zu haben wie seit Jahresfrist.»

Ein netter Ausblick in die Zukunft der kriegführenden Länder. Die Männer fallen im Kriege oder kommen als Krüppel oder sonst als Kranke und Sieche heim, derweil wird zu Hause die Kraft der Frau durch die Arbeit in der Fabrik bei ungewohnter und unpassender Arbeit zugrunde gerichtet. Was doch für furchtbare Opfer diesem Kriegswahn geopfert werden.

Wenn es bei uns in der Schweiz auch nicht so schlimm steht, so steht doch auch fest, dass die Frauenarbeit in der Zunahme begriffen ist. Wird aber die Frau zur Arbeit herangezogen, dann ist es eben so [sic] klar, dass sie auch zu den wirtschaftlichen Organisationen des Arbeiterstandes beigezogen werden soll. Genau wie der Arbeiter. Denn sie arbeitet zu den gleichen Verhältnissen wie der Arbeiter, also muss sie auch die gleichen Mittel gebrauchen zu ihrer Besserung.

Die christlichen Gewerkschaften gedenken in Gemeinschaft mit den katholischen Arbeiterinnenvereinen durch Schaffung einer Arbeitslosenunterstützungskasse einen wichtigen Schritt zu tun in der gewerkschaftlichen Organisation der Arbeiterinnen.

M.

Anzeige für Bürstenwaren

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, P 907 (Die Ostschweiz, Nr. 178, 02.08.1916, Abendblatt, Feuilleton, Text und 28.07.1916, Nr. 174, Abendblatt, Anzeige)

Mittwoch, 28. Juni 1916 – 10% mehr Lohn für Glasergehilfen

Jakob Jäger wurde am 25.01.1874 in Stein am Rhein (SH) geboren. Er machte eine Lehre als Zimmermann und zog 1900 nach St.Gallen, wo er gewerkschaftlich aktiv wurde. Von 1903 bis 1910 war er Präsident des Zentralverbandes der Zimmerleute der Schweiz. Sein Nachlass kam als Teil des Unia-Gewerkschaftsarchivs ins Staatsarchiv St.Gallen. Mit folgendem Schreiben verlangten die Glasergehilfen in St.Gallen von ihren Arbeitgebern eine Teuerungszulage von 10% und begründeten diese:

St.Gallen, den 28. Juni 1916.

Mit dieser Eingabe gestatten wir uns, an Sie das Ansuchen zu stellen, Sie möchten den Arbeitern eine Teuerungszulage von zehn Prozent zu dem bisherigen Lohn gewähren.

Zur Begründung brauchen wir nur auf die durch den Weltkrieg so enorm verteuerte Lebenshaltung hinzuweisen, auf die ganz bedeutende Steigerung der Preise der Lebensmittel und der Gebrauchsgegenstände. Man hat ausgerechnet, dass der Familienunterhalt sich um 30 bis 50 Prozent kostspieliger gestaltet hat. Und immer noch ist kein Ende abzusehen. Wie soll der Arbeiter sich in dieser Zeit ehrlich und recht durchschlagen? Wie soll er für sich und seine Familie die notwendigen Lebensmittel beschaffen, dass alle Familienmitglieder genügende Nahrung erhalten und keines infolge Unterernährung an der Gesundheit Schaden leidet? Der Arbeiter hat über nichts anderes zu verfügen als über seine Arbeitskraft und den für dieselbe bezahlten Lohn, aus dem er alles und jedes bestreiten muss, mag es noch so viel kosten.

Weil das bei der jetzigen Teuerung und Lohnzahlung absolut unmöglich ist, bleibt auch den Glasergehilfen nichts anderes übrig, als sich an die Arbeitgeber zu wenden mit dem Gesuche, in Würdigung der besonders für die Arbeiterschaft so schwierigen Zeitverhältnisse die Zulage von 10 Prozent zu gewähren. Wir geben gerne zu, dass auch der Gewerbestand unter all den schlimmen Kriegsfolgen leidet, aber die Situation ist für ihn doch bedeutend besser, es stehen ihm noch andere Wege, andere Möglichkeiten offen, so die Preiserhöhung für Produkte, welche in den meisten Berufsbranchen erfolgt ist, in welchen den Arbeitern Teuerungszulagen gewährt wurden.

Wir geben uns der Erwartung hin, Sie werden unser Gesuch einer wohlwollenden Prüfung unterziehen und ihm entsprechen. Allgemein wird ja die Berechtigung der Begehren um Lohnzulagen anerkannt. Eine ganze Reihe von Geschäften hat solche gewährt, auch Regierung und Stadtrat prüfen eine solche Zulage an die untern Angestellten und die Arbeiter. Da werden gewiss auch Sie nicht zurückstehen und dem durch die Not der Zeit diktierten Gesuche um Lohnerhöhung entsprechen. Die Arbeiter werden Ihr Entgegenkommen anerkennend würdigen und auch fernerhin die Geschäftsinteressen nach bester Möglichkeit wahrnehmen.

Mit aller Hochachtung!

[Stempel:] Holzarbeiter-Gewerkschaft St.Gallen

Wie ein Brief vom 1. August 1916 im gleichen Dossier belegt, waren die Arbeiter mit ihrem Begehren teilweise erfolgreich. Sie hatten sich bei den organisierten Schreinermeistern eine Teuerungszulage von zwei bis fünf Rappen pro Stunde erkämpft.

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 240/1.3-10 (Korrespondenz im Nachlass von Jakob Jäger)

Mittwoch, 21. Juni 1916 – Ein sozialer Arbeitgeber trotz Kostendruck

Auszug aus dem Protokoll der Betriebskommission der Buchdruckerei „Ostschweiz AG St.Gallen“ („Die Ostschweiz» war die Nachfolgerin der Zeitung «Neues Tagblatt aus der östlichen Schweiz». Sie erschien von 1874-1997):

[…]

9. Die Papierfabriken Landquart zeigen mit Schreiben vom 19, [sic] Juni an, dass infolge der ganz gewaltig gestiegenen Rohstoffpreise und den fast unüberwindlichen Schwi[e]rigkeiten für die Beschaffung der Stoffe der Preis für den Rotationsdruck bis auf weiteres auf fr. […] 51.- per % Kg mit Wirkung ab 1. Juli erhöht werden müsse. Mit dieser 4. Preissteigerung seit Kriegsbeginn hat sich der ursprüngliche Ansatz für das Rollenpapier um volle 42% erhöht, d.h. von fr. 36.- auf 40, dann auf 43, später auf 45 und nun auf 51 per % kg.

[…]

Die Betriebskommission beriet an derselben Sitzung auch darüber, ob Kosten eingespart werden könnten, u.a. durch Reduktion des Mitarbeiterstamms. Sie kam zum Schluss:

Da es laut Antrag und Begründung des Geschäftsführers nicht angeht, im Personalbestande eine Reduktion herbeizuführen, soll wenigstens das Verzeichnis über die Kunden der Druckarbeiten durchgesehen und Säumige ermuntert werden, ihre Aufträge im Bedarfsfalle doch der Ostschweiz zuzuhalten.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 088 (Protokoll) und ZMH 64/877.020.3 (Buchdruckerei in Lachen-Vonwyl, um 1910)

Sonntag, 18. Juni 1916 – Die St.Galler Kameraden sollen ihre Teufener Kameraden unterstützen

Jakob Jäger wurde am 25. Januar 1874 in Stein am Rhein (SH) geboren. Er machte eine Lehre als Zimmermann und zog 1900 nach St.Gallen, wo er gewerkschaftlich aktiv wurde. Von 1903 bis 1910 war er Präsident des Zentralverbandes der Zimmerleute der Schweiz. Sein Nachlass kam als Teil des Unia-Gewerkschaftsarchivs ins Staatsarchiv St.Gallen.

Am 18. Juni 1916 sollte in Niederteufen eine grössere Arbeiterkundgebung stattfinden, zu der die St.Galler Genossen durch den Verband der Zimmerleute der Schweiz mittels Brief vom 8. Juni eingeladen worden waren:

Basel, den 8. Juni 1916.

An die Sektion St.Gallen.

Werte Kameraden! Wie aus der letzten Nummer unseres Berufsorgans ersichtlich ist, haben die Kameraden in Teufen eine grössere Agitationsversammlung auf Sonntag, den 18. Juni [sic], nachmittags 2 Uhr in den Sternen in Niederteufen einberufen und den Unterzeichneten beauftragt, dazu auch die Kameraden von St.Gallen einzuladen.

Wir hoffen, dass die St.Galler Kameraden diese Gelegenheit benutzen werden, um das freundschaftliche Band mit der Sektion Teufen etwas fester zu machen und in Erwartung eines zahlreichen Besuches zeichnet

mit kameradschaftlichem Gruss

W. Schrader

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 240/1.3-10 (Korrespondenz im Nachlass von Jakob Jäger, 1874-1959)

Freitag, 16. Juni 1916 – „Für 2.50 & 3.- muss man schaffen wie ein Ross, man geht fast zugrunde“

Tagebucheintrag von Josef Scherrer-Brisig (1891-1965), Sekretär des Schweizerischen Christlichen Textilarbeiterverbands (1910-1916), später Kantonsrat und Nationalrat, Mitbegründer der Christlichsozialen Bewegung:

[…]

Textil-Versammlung der Firma Ottiker Uzwil. Sitzung abends 7 Uhr im Arbeiterinnenlokal in Oberuzwil. Uzwil

Ich referiere über die Arbeitslosenversicherung der Arbeiterinnen. Anwesend sind 13 Arbeiterinnen und 5 Arbeiter. Letztes Mal waren nochmals so viele Arbeiterinnen anwesend. Die Verhältnisse im Geschäft Ottiker sind keine gute[n]. Man treibt die Arbeiterinnen zur Arbeit. 18 Cts. pro 1000 Stich nach dem Kriege statt 30–32 Cts. vor dem Kriege. Heute hat man 25 Cts. pro 1000 Stich. Für 2.50 & 3.- muss man schaffen wie ein Ross, man geht fast zugrunde. Den Weberinnen sind die Löhne ein wenig erhöht worden. Man drückt die Löhne, trotz grosser Arbeit. – Die Weberinnen sind etwas enttäuscht, weil sie glaubten etwas zu bekommen, ohne der Kasse beizutreten. Die Löhne sind in der Bewähre 16 Cts. gewesen und jetzt 17 Cts. In 10 ½ Stunden Arbeitszeit 3.5 Fr. Der frühere Lohntarif wird nicht mehr gehalten. Der Fabrikant erklärte, wenn die Arbeiter mehr Lohn verlangen, so stecke er die Fabrik bei.

[…]

Ed. Ottiker

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 108/1 (Tagebuch) und W 238/09.02-11 (Postkarte von Oberuzwil, erschienen bei G. Schoch, Oberuzwil)

Mittwoch, 23. Februar 1916 – Jost, der zuverlässige Schlachthausbursche

Zeugnis

Jost Etterlin von Muri stand bei Herrn E. Schläpfer-Siegfried im Dienste als Schlachthausbursche vom 10. Oktober 1910 – 30. November 1914 und bei uns vom 1. Dezember 1914 – 20. Dezember 1915.

Während dieser Zeit haben wir denselben als einen durchaus tüchtigen, fleissigen und zuverlässigen Burschen kennen gelernt, der die ihm übertragene Arbeit stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt hat. Wir können J. Etterlin jedermann bestens empfehlen.

Grossmetzgerei, Wurst & und Conservenfabrik A.G. i/Liq.

J. Brunner

St.Gallen, den 23. Februar 1916.

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, ZMH 64/057