Mels mit Gonzen

Dienstag, 9. Juli 1918 – Besichtigung des Eisenbergwerks am Gonzen

Erich Cathomas, geboren 1901, später in leitender Stellung in der Textilbranche tätig, war von 1916 bis 1918 Schüler im Landerziehungsheim Hof Oberkirch in Kaltbrunn. Für die Monate Mai bis August 1918 war er verantwortlich für das Verfassen der Schulchronik. Darin notierte er:

9. VII. 18. Endlich nach langer Regenzeit konnte man es wagen, auf die Sommerreise zu gehen. Vorläufig wagten es die Sechser. Reiseplan war: Sargans, Gonzenbergwerk, Ragaz und Taminaschlucht. Von Sargans aus ging’s sanft hinauf gegen den Gonzen, fast immer durch den kühlen Wald, immer wieder mit einem freien Blick in’s Rheintal hinunter. Nach zwei Stunden erreichten wir den Nausberg, wo das Bergwerk ist, eine Alp unter dem Gonzen. Ich stellte mir natürlich eine grossartige Gebäudeanlage vor. Um so grösser war mein Erstaunen, als wir vor ein paar unscheinbaren Alphütten standen.

Unter Führung eines Vorarbeiters gingen wir zum Stollen. Vor diesem befand sich eine Luftpumpanlage zur Lüftung des 700 Meter langen Stollens und zum Betriebe der hydraulischen Bohrer. Vor dem Stollen lag ein Haufen roter Steine. Eisenerze, die ein grosses Gewicht hatten. Nun traten wir in den Stollen ein, der in Kalkstein eingesprengt ist. Eine angenehme, kühle Luft herrschte hier. Wir zogen wacker aus, immer Sorge tragend, den Kopf nicht an der Decke anzustossen, obschon wir wussten, dass es hoch genug war.

Plötzlich schlugen dumpfe Töne an unser Ohr, deutlich verspürten wir die Schallwellen, die so stark waren dass das Licht auslöschte. Sie sprengten «an Ort», etwa zehnmal, und uns wurde es ganz gruselig. Nach etwa 300 m verzweigten sich die Stollen. Der eine war ein sogen. Pulvergang, der im Zickzack hinauf zu den 300 m höheren alten Stollen führen wird. Wir gingen im Hauptstollen weiter, wo auf 350 m zum erstenmal 3% Eisenerz gefunden wurden. 30 m weiter wurden 60% gefunden, von hier aus werden alle 25 m Seitenstollen angelegt. Endlich erreichten wir den Vortrieb, wo das ausgesprengte Material noch am Boden lag. Brrrr – ein schreckliches GErassel begann, fast wie beim Zahnarzt, nur viel lauter und derber. Es war die Bohrmaschine, die die Sprenglöcher machte. In jeder Schicht wird zweimal gesprengt, die Schicht dauert 8 Stunden. Die Arbeitsleistung im Tag beträgt 3 m im Hauptstollen und 2 m im Nebenstollen. Wir gingen zurück zum Tageslicht und begegneten noch den Rollwagen, mittelst denen der ausgesprengte Schutt hinausbefördert wird. Bald standen wir wieder draussen. Unsere Haare waren ganz trocken von der Stollenluft. Wir schnappten wieder nach Luft, denn im hinteren Teil des Stollens hatte ein Pulverdampf gelegen wie Nebel.

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 127 (Landerziehungsheim Hof Oberkirch, Kaltbrunn, Hof-Zeitung: Aus der Schulchronik) und W 238/05.05-05 (Beitragsbild: Mels mit Gonzen, Ansichtskarte aus dem Verlag J. Bärtsch, Mels, ca. 1917)