Briefkopf Platten

Ostermontag, 9. April 1917 – Ein St.Galler organisiert Lenins Reise nach Petrograd

Im April 1917 verhalf der Arbeiterführer und Linkssozialist Fritz Platten (1883-1942) dem im Zürcher Exil ausharrenden Lenin, in einem «versiegelten» Bahnwagen über deutsches, schwedisches und finnisches Gebiet nach Petrograd (St.Petersburg) zu gelangen. Hier rief Lenin zur sozialistischen Weltrevolution auf. Kein Geschoss, schrieb Stefan Zweig in seinen Sternstunden der Menschheit, war weittragender und schicksalsentscheidender in der neueren Geschichte als dieser Zug. Es mag eine Randnotiz der Weltgeschichte sein, dass ausgerechnet ein St.Galler Bürger diese Reise mitorganisierte. Die Informationen zur Einbürgerung der Familie Platten finden sich unten im Text. Im Beitragsbild sieht man den Briefkopf des Schreibens, mit welchen sich der Vater von Fritz Platten an den Regierungsrat des Kantons St.Gallen wandte und um das Bürgerrecht nachsuchte.

Die Zugfahrt nach Petrograd

Regelmässig besuchte ein ruhiger introvertierter Herr die Zentralbibliothek Zürich. Der unscheinbare Vielleser wohnte im Niederdorf an der schmalen Spiegelgasse 14 bei Schuhmacher Titus Kammerer. Heute erinnert eine Gedenktafel daran, dass hier Wladimir Ilitsch Ulianow Lenin vom 21. Febr. 1916 bis zu seiner Abreise am 2. April 1917 wohnte.

Von ganz anderem Kaliber war Fritz Platten, der Sekretär des Arbeiterbildungsvereins «Eintracht». Er war kein stiller und verbissener Ideologe, sondern leidenschaftlich und den Freuden des Lebens, wie dem Tanzen und Jassen, durchaus zugetan. Da Platten die Kasse des Hilfsvereins für russische Flüchtlinge und politische Gefangene betreute, lernte er Lenin kennen und nahm mit ihm zusammen 1915 an der Zimmerwalder Konferenz teil. In einem Brief bezeichnete Lenin seinen Mitstreiter Platten als unfähigen Wirrkopf. Wie sehr ihm dessen Verhandlungsgeschick aber entgegenkam, zeigte sich bald.

Platten führte erfolgreich die Verhandlungen mit Freiherr von Romberg, dem deutschen Botschafter in der Schweiz und organisierte nach Ludendorffs Bewilligung die Reise Lenins nach Petrograd. Lenin wollte auf schnellstem Wege nach Russland. Die Zeit drängte, denn bereits seit dem 8. März 1917 rebellierten dort die hungrigen Arbeiter. Soldaten liefen zu den Aufständischen über, und die Staatsduma proklamierte eine neue Provisorische Regierung. Der Zar hatte am 15. März abgedankt.

Die deutsche Kriegsseite erhoffte sich von der Infiltration radikaler Revolutionäre beim russischen Gegner den dringend benötigten separaten Friedenschluss im Osten, da die Provisorische Regierung, im Gegensatz zu Lenin, den Krieg gegen Deutschland nicht beendigen wollte. Jeder Verbündete zur Zersetzung der russischen Front war willkommen, und so akzeptierte man die von Lenin gestellten Reisebedingungen weitgehend.

Am Ostermontag, dem 9. April, rollte der Zug mit insgesamt 33 Emigranten, darunter war das Ehepaar Lenin und dessen engste Mitarbeiter Georg Sinowjew und Karl Radek, aus dem Zürcher Hauptbahnhof. Die Reiseleitung oblag Fritz Platten. Deklariert war der verschlossene Wagen als Rücktransport sibirischer, in die Schweiz entflohener Sträflinge nach Rußland: Streng geheim – Exterritorialer Transport – Zusteigen verboten. Plombiert waren aber nicht die zwei Wagen des Zugs, sondern das Gepäck. Später stieg der Deutsch-Schwede Wilhelm Jansson, als Mitglied der Generalkommission der deutschen Gewerkschaften, hinzu. Als von General Luddendorff auserwählter Transportleiter auf deutscher Seite stieg Arwed Freiherr von Planitz, Rittmeister des Regiments der Sächsischen Gardereiter, an Bord.

Die Fahrt ging vom Grenzübergang Gottmadingen über deutschen Boden mit Zwischenhalt in Berlin nach Sassnitz. Von dort aus fuhr die Gruppe mit der Fähre nach Trelleborg in Schweden, dann über Stockholm nach Tornio im Norden Finnlands, das damals zu Russland gehörte. Während Platten an der schwedisch-russischen Grenze von der republikanischen Regierung aufgehalten wurde und deshalb zunächst in die Schweiz zurückreiste, ging Lenis Reise weiter nach Petrograd, dem heutigen Leningrad, wo die Gruppe am 16. April 1917 abends ankam.

Der Husarenstreich durch Feindesland gelang. Kaum war Lenin angekommen, hielt er vor versammelten Arbeitermassen eine erste Rede.

In der Oktoberrevolution siegten Lenins radikale Bolschewisten über die bürgerlich-liberale Regierung. Der Separatfrieden im Osten änderte jedoch nichts am deutschen Kriegsschicksal, und Lenin wurde auch vorgeworfen, mit dem Feind kooperiert zu haben.

Höhen und Tiefen einer kommunistischen Karriere: Fritz Plattens Schicksal

Ende 1917 brach Platten erneut in Richtung Petrograd auf. Im Folgejahr soll er Lenin vor einem Revolverattentat gerettet haben und dabei an der Hand verletzt worden sein. Regelmässig pendelte Platten zwischen Russland und der Schweiz hin und her. 1921 wurde in der Schweiz die kommunistische Partei gegründet. Platten wurde ihr erster Sekretär sowie erster kommunistischer Nationalrat. Im Herbst 1923 gründete Platten eine schweizerische landwirtschaftliche Kommune in Simbirsk und bewog seine Eltern, mit ihm nach Russland auszuwandern. Dieses Unternehmen war erfolglos, und die Mutter verstarb 1928 verarmt im Altersasyl in Tablat. Platten selber wurde Opfer von Stalins Säuberungswellen und am 22. April 1942 in einem Arbeitslager erschossen.

Zeitgleich zu Plattens Rückführungsplanung der radikalen Exilanten versuchte der sozialistische Nationalrat Robert Grimm eine allgemeine Rückführung zu organisieren. Die selbständige Abreise der Bolschewisten wurde vom Emigrantenkomitee als Provokation wahrgenommen. In Zusammenarbeit mit Grimm hatte der St. Galler Bundesrat Arthur Hoffmann, ohne Kenntnis seiner Regierungskollegen, versucht, an der Weltkriegs-Ostfront einen Separatfrieden zu vermitteln. Obwohl er stets betonte, nur im Interesse der Schweiz gehandelt zu haben, wurde ihm von den Westmächten vorgeworfen, dass er Deutschland begünstigen wollte, damit deutsche Truppen zur Stärkung der Westfront hätten abgezogen werden können. Hoffmann trat auf Grund dieser Affäre am 19. Juni 1917 zurück.

Plattens Herkunft und Kindheit in St.Gallen

Das Staatsarchiv St.Gallen besitzt nur Quellen zu den frühen Jahren dieser abenteuerlichen, an Höhen und Tiefen reichen Biographie und Familiengeschichte, da die Familie bereits 1892 nach Zürich übersiedelte. Dort besuchte Fritz Platten die Sekundarschule.

Im Zivilstandsregister der vormals selbständigen St.Galler Gemeinde Tablat findet man im Geburtenregister A von 1883 unter der Nr. 169 die handschriftlich, zwischen die vorgedruckten Zeilen eingetragenen Angaben des Zivilstandsbeamten Carl Weyermann:

«Den achten Juli achtzehnhundert achtzig & drei um sieben Uhr Vormittags wurde in Hoggersberg lebend geboren: Friedrich ehelicher Sohn des Peter Platten, (Beruf: Schreiner von Mi[n]den, Bez[irk] Coblenz. Preuss[en] [heute: Nordrhein-Westfalen] in Hoggersberg [Höggerberg] und der Paulina Strässle von Bütschwyl. Eingetragen den neunten Juli achtzehnhundert achtzig & drei auf die Angabe des Vaters Peter Platten, Abgelesen und bestätigt: Peter Platten

Nachträglich vermerkte Staatsarchivar Josef Anton Müller am 8. Juli 1917 am Rand, dass Fritz Platten 1892 das Bürgerrecht von Tablat erhalten hatte.

Die Einbürgerungstaxe für die Familie betrug laut Quittung der Kantonsbuchhaltung 150 Franken.

Im Taufbuch der Dompfarrei von St.Gallen findet man zusätzlich auf Seite 164 unter der Nummer 289 den Taufeintrag des später konfessionslosen Kommunisten und erfährt, dass Friedrich, Sohn von Peter «Platen» (sic!) und Paulina Platten-Strässle (urspründlich aus Bütschwil SG), am 8. Juli morgens um 7 Uhr geboren und am 29. Juli getauft wurde. Als Wohnort der Eltern ist Rosenberg, Tablat angegeben.

Im Bürgerregister von Tablat findet sich das Blatt der Eltern von Fritz Platten: Peter Platten (08.07.1852-28.04.1925, Schmied!) und Maria Paulina Strässle (25.02.1851-11.12.1931). Sie hatten am 15. April 1879 in St.Gallen geheiratet. Neun Kinder sind aufgelistet, wobei die Reihenfolge in ein chronologisches Durcheinander ausartete:

1) Barbara Paulina (*16. Mai 1879)

2) Josefina Babetta (*28. Nov. 1880)

3) Franz (*23. Juni 1882)

4) Anton (*30. Aug. 1884)

6) Florian (*10. Nov. 1886)

5) Friedrich (*8. Juli 1883)

8) Veronika (*1. Juni 1891)

9) Albertina (*15. Jan. 1894)

7) Hugo Paul (*19. Jan. 1887)

Der zuständige Beamte legte der Familie ferner noch ein (unten fett markiertes) «Kuckucksei» ins Nest. Den Einträgen in den grossen blauen Zivilstandsregistern von St.Gallen und Tablat entnimmt man Folgendes:

Geburtsdatum Name Eltern Beruf d. V. Adresse
1 1879, 16. Mai Barbara Paulina Peter Platten Maria Paulina Strässle Schreiner Unterer Harfenberg 15 St.Gallen
2 1880, 28. Nov. Josefina Babetta Peter Platten Maria Paulina Strässle Schreiner Engelgasse 1, St. Gallen
3 1882, 23. Juni Franz Peter Platten Maria Paulina Strässle Schreiner Engelgasse 1. St.Gallen
4 1883, 8. Juli Friedrich Peter Platten Paulina Strässle Schreiner Höggersberg
5 1884, 30. Aug. Anton Peter Platten Paulina Strässle Schreiner St. Fiden
6 1886, 10. Nov. Florian Peter Peter Platten Paulina Strässle Schreiner Kleinberg
7 1887, 19. Jan. Hugo Paul Anton Anton Platten Maria Catharina Eberle Schreiner Kronthal
8 1891, 1. Juni Veronika Peter Platten Paulina Strässle Schreiner Kleinberg
9 1894, 15. Jan. Albertina Peter Platten Paulina Strässle Schreiner Zürich

Die Eltern des unter Nr. 7 in der Liste aufgeführten Hugo Paul Anton hiessen Anton Platten und Maria Catharina Eberle. Da besagter Anton Platten wie obiger Peter Platten ebenfalls aus Minden kam, muss man annehmen, dass es sich um dessen Bruder handelt. Den Beweis hierfür liefert der Ehebucheintrag von Anton Platten (geboren 09.08.1861) und Maria Katharina Eberle (geboren 20.08.1858), die am 6. August 1885 in St.Gallen geheiratet hatten. Als Eltern des Bräutigams Anton Platten werden hier ebenfalls Johann Platten und Margaretha Jacobs aufgeführt. Die Brüder Anton und Peter ergriffen beide das Schreinerhandwerk und fanden in der Gemeinde Tablat eine neue Heimat, was die Verwechslung natürlich begünstigte.

Als Peter Platten am 6. Mai 1882 von St.Gallen nach Tablat kam, erwarb er ein eigenes Haus und ging neben dem Wirtschaftsbetriebe hauptsächlich der Schreinerei nach, wie man dem Schreiben des Tablater Ortsverwaltungsrats vom 13. November 1891 betreffend Einbürgerungsgesuch des Peter Platten entnehmen kann. Der Vater wurde als arbeitsamer wie tüchtiger Mann charakterisiert, der für seine musterhafte Wirtschaftsführung bekannt gewesen sei (vgl. Briefkopf im Beitragsbild).

Text und Recherche: Benno Hägeli, Staatsarchiv St.Gallen

Nächster Beitrag: 10. April 1917 (erscheint am 10. April 2017)

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, ZVD 64.2 (Zivilstandsregister Tablat, Geburtenregister A, 1883, Nr. 169), ZLA 2b/77 (Bürgerregister Tablat, Band B, Nr. 605), ZLA 002/312 (St.Gallen, Dompfarrei: Taufbuch, 1879-1884, S. 164, Nr. 289), ZLA 002/315 (St.Gallen-Dompfarrei: Ehebuch, 1870-1892, S. 178, Nr. 80) und KA R.88-5-a (Einbürgerungen, Dossier Peter Platten, 1891)

Literatur über Fritz Platten:

Hahlweg, Werner: Lenins Rückkehr nach Russland. 1917, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte.5. Jg. 4. Heft von 1957, S. 307-333. (http://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1957_4.pdf).

Belzner, Emil: Die Fahrt in die Revolution, oder Jene Reise. Aide-Memoire. München, 1988

Platten, Fritz N.: Mein Vater Fritz Platten: ein Leben für die Revolution, in: Turicum, Sept. 1972, S. 17-22

Zweig, Stefan: Der versiegelte Zug: Lenin, 9. April 1917, in: Ders.: Die Sternstunden der Menschheit: Zwölf historische Miniaturen. Zürich: Ex Libris, 1982, S. 240-252

Miller, Ignaz: Der geheime Zug. In: NZZ am Sonntag, 02.04.2017

Huber, Peter: Stalins Schatten in die Schweiz. Schweizer Kommunisten in Moskau: Verteidiger und Gefangene der Komintern. Zürich: Chronos, 1994, S. 275-293

 

Amtsblatt

Freitag, 19. Januar 1917 – Verschollen, aber nicht vergessen

Im Amtsblatt vom 19. Januar 1917 publizierte das Bezirksgericht Tablat folgende zwei Verschollenheitsrufe:

1. Elisabeth Dürr, geb. Weidmann, von Lufingen, Kt. Zürich, geboren den 14. März 1842, Tochter des Melchior Weidmann und der Barbara, geb. Matzinger, im Jahre 1889 nach Amerika ausgewandert und seither nachrichtenlos abwesend.

2. Jakob Haselbach, von Altstätten, Kt. St.Gallen, geboren den 1. August 1861, Sohn des Johann Josef Haselbach und der Franziska, geb. Stärkle, im Jahre 1891 nach Amerika ausgewandert und seit 1907 nachrichtenlos abwesend.

Die Genannten und alle, die über den Verbleib derselben Auskunft geben können, werden hie[r]mit aufgefordert, sich binnen Jahresfrist seit dieser Auskündung beim Bezirksgerichtspräsidium Tablat zu melden, andernfalls die Verschollenheitserklärung ausgesprochen würde.

Ausserdem stellte das Waisenamt der Stadt St.Gallen mit Datum vom 12. Januar 1917 folgende Person unter Vormundschaft:

Arnold Pfeiffer, Mechaniker, geboren den 12. September 1889, von St.Gallen, Sohn der verstorbenen Eheleute Robert Arnold Pfeiffer und der Auguste, geb. Meister, zurzeit landesflüchtig und sich vermutlich in Deutschland aufhaltend, wird gemäss Art. 371 ZGB [Zivilgesetzbuch] und Art. 93 EG zum ZGB unter Vormundschaft gestellt.

Als dessen Vormund wird bestellt Alfred Engler, Bürgerspitalverwalter, in St.Gallen.

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, ZA 001 (Amtsblatt für den Kanton St.Gallen, 19.01.1917, S. 106f.)

Auszug aus dem Bürgerrechtsdossier von Gertrud Honegger

Freitag, 22. Dezember 1916 – Heimatloses Mädchen erhält Bürgerrecht

Der Grosse Rat verhandelte auf Antrag des Regierungsrates am 22., 23.und 30. November 1916 über insgesamt 153 Kantonsbürgerrechtsgesuche. Das Dossier von Angelina Honegger wurde am 30. November unter Nummer 142 behandelt. Sie erhielt das Bürgerrecht von St.Gallen gegen eine Taxe von 100 Franken.

Angelina Honegger war gemäss Mitteilung der Hebamme Isabella Sacchi am 31. Mai 1901 um 1 Uhr 55 als Kind unbekannter Eltern in Rom geboren worden. Die Hebamme gab ihr den Namen Angelina Vrasini. Das Mädchen war 1902 in die Schweiz gekommen, vom Ehepaar Bertha und Rudolf Honegger-Dieth angenommen und 1912 adoptiert worden. Rudolf Honegger, Bürger von St.Gallen, war seit 1909 als praktischer Arzt in Egg im Kanton Zürich tätig. Da die leiblichen Eltern des Mädchens unbekannt waren, galt Angelina Honegger als heimatlos. Die Adoptiveltern stellten deshalb ein Einbürgerungsgesuch und später noch ein Namensänderungsgesuch, das am 22. Dezember 1916 vom Departement des Innern des Kantons St.Gallen wie folgt beantwortet wurde:

Mit Zuschrift vom 8. ds. Mts. stellen Sie das Gesuch, es möchte Ihrer Adoptivtochter Angelina die Bewilligung erteilt werden, inskünftig den Vornamen „Gertrud“ führen zu dürfen. Nachdem dieser Tochter mit Schlussnahme des Grossen Rates vom 30. November lf. J. das Bürgerrecht des Kantons St.Gallen zuerkannt wurde, ist der herwärtige Regierungsrat zur Bewilligung der Namensänderung gemäss Art. 30 ZGB kompetent; die zuständigen Behörden der Stadt St.Gallen haben gegen diese Namensänderung nichts einzuwenden, so dass der Vorlage Ihres Gesuches an den Regierungsrat von dieser Seite aus nichts mehr im Wege steht.

Dagegen ist laut Mitteilung der Staatskanzlei die Kantonsbürgerrechtstaxe für die genannte Tochter im Betrage von Fr. 100.- noch ausstehend und es kann Ihr gestelltes Namensänderungsgesuch für so lange vom Regierungsrate nicht behandelt werden, bis dieser Betrag einbezahlt ist. Bis zur erfolgten Einzahlung dieser Taxe muss daher auch das Namensänderungsgesuch zurückgelegt werden, wovon wir Ihnen Mitteilung machen.

Hochachtungsvoll

Für das Departement des Innern,

Der Regierungsrat:

sig. Rukstuhl.

Geht – in Abschrift – an die Staatskanzlei zur Kenntnisnahme und zur sofortigen Berichtgabe an das Departement, so bald die Kantonsbürgerrechtstaxe für die Tochter Angelina Honegger einbezahlt worden ist. Das oberwähnte Namensänderungsgesuch soll dann dem Regierungsrate gleichzeitig mit der Erteilung des Kantonsbürgerrechtes vorgelegt werden. Bis zur Behandlung des erstern soll auch mit der Ausfertigung des Bürgerrechtsbriefes zugewartet werden.

St.Gallen, den 22. Dezember 1916.

Rukstuhl.

Nachbemerkung: Um 1930 war Gertrud Honegger als Büroangestellte in Arosa tätig. Später lebte sie in Ringgenberg BE. (Quelle: Bürgerbuch St.Gallen)

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, KA R.88-5-a (Text und Abbildung)

Donnerstag, 23. November 1916 – Einbürgerung der Ärztin Rosalia Epstein

Der Grosse Rat verhandelte auf Antrag des Regierungsrates am 22., 23. und 30. November 1916 über insgesamt 153 Kantonsbürgerrechtsgesuche. Das Dossier von Rosalia Epstein wurde unter Nummer 53 behandelt.

Rosalie Epstein war am 1. Juni 1886 in der Stadt Tula (Schitomir) in Russland als Kind jüdischer Eltern geboren worden. Sie hatte von 1905 bis 1915 an den Universitäten Zürich, Strassburg und Heidelberg Medizin studiert. Zur Zeit ihrer Einbürgerung war die ledige Frau in St.Gallen wohnhaft und als Assistenzärztin am Kantonsspital tätig. Ihrem Einbürgerungsdossier liegen vier Steuer-, Domizil- und Leumundsbescheinigungen bei. Sie war an der Bürgerversammlung der politischen Gemeinde vom 5. November 1916 gegen eine Taxe von 600 Franken in das Bürgerrecht von Wittenbach aufgenommen worden. Die Kantonsbürgerrechtstaxe betrug weitere 50 Franken.

Leumundszeugnis

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, KA R.88-5-a (Einbürgerungsdossier Rosa/Rosalia/Rosalie Epstein (geboren am 1. Juni 1886)) und ZMA 18/01.07-25 (Ansichtskarte: Kantonsspital, Haus 3 (Chirurgische Abteilung) und Haus 4, um 1915)