Bischof Buerkler in der Kutsche

Mittwoch, 13. Juni 1917 – Der Bischof kommt ins Dorf

In Oberbüren erwartete man den Bischof, um die Firmung durchzuführen. Der Besuch löste im Dorf einiges an Vorbereitungsarbeiten aus. So hielt Architekt Thürlemann in seinem Tagebucheintrag vom Montag, 11. Juni 1917, fest:

Caroline arbeitete von 3 h Nachmittags bis abends 9 Uhr bei Nachbar Carl Bauer, der auf die Ankunft des Bischofs Robert Bürkler von St.Gallen am nächsten Mittwoch Abend, einen Triumphbogen (mit Tannenreis geziert) erstellen will.

Im Eintrag zum Mittwoch steht dann zu lesen:

Von 10 bis ½ 12 Uhr vormittags wurde bei unserem Gemüsegarten an der Strasse nach Niederwyl ein einfacher Triumphbogen, zum Empfange des Landesbischofs aufgestellt.

«Salve Roberte!» – Die Arbeit wurde von Nachbar Carl Bauer, Sekretär Escher & Gallus Hälg ausgeführt.

[…]

Um 4 Uhr begab ich mich in den «Hirschen» & gieng mit Julia & Ludwig zur Kirche, um uns dem Zuge zur Abholung des Bischofs Robert Bürkler anzuschliessen. Es nahmen wenige Männer Theil. – Um 4 ¼ h erschien der Bischof in Kutsche – von Niederwyl her, begleitet von Regens Dr. Rohner & zwei Abgeordneten hiesiger Kichenverwaltung: Präsident T. A. Stolz (Ktrth:) und Vorsteher Mrd Bächtiger vom Thurhof.

Beim Triumphbogen an unserem Garten stieg der Bischof aus & kleidete sich an. Er wurde dann unter dem Traghimmel in Begleitung des Ortspfarrers Ernst Scheffold & Beichtiger J. B. Lüthi von Glattburg mit Kreuz und Fahnen zur Kirche begleitet. – Es begann zu regnen.

Hier sang der Chor das Veni creator Spiritus & der Bischof ertheilte den Segen. – Regens Dr. Rohner verlas den auf heute & morgen bewilligten Ablass von 40 Tagen & für die Mitglieder der ewigen Anbetung vollkommenen Ablass.

Hierauf Seelenvesper für

… [so im Tagebuch zwei Linien mit Punkten am Anfang]

Hernach nochmaliger Segen & Rückzug des Bischofs in’s Pfarrhaus – ca. 5 ¼ h.

Auf dem Heimwege strömender Regen.- /: Unterstehen bei der Scheuen des Emil Kempter zum «Frohsinn». :/

Rückkunft nach Hause um ½ 6 h. Ich war ganz durchnässt wie alle andern Leute auch.

Hier trank ich den Kaffee und bereinigte später mein Tagebuch.

Caroline begab sich um ½ 8 Uhr abends zur Kirche (Abendsegen) um auch ihre Beichtandacht zu machen. Sie kehrte um ½ 9 Uhr nach Hause zurück. (: Beichte bei Regens Rohner)

Um ½ 10 Uhr begab ich mich zur Ruhe.

Der eigentliche Firmgottesdienst fand dann am Donnerstag, 14. Juni 1917, statt. Thürlemann beschrieb die Festlichkeiten in seinem Tagebuch wie folgt:

Morgens 1/2 6 h begab sich Caroline zur Kirche, um die Hl. Communion zu empfangen.

Gegen ½ 7 Uhr folgte auch ich nach & wohnte der Frühmesse des Bischofs bei. Hernach theilte er die Hl. Communion aus. – Nach dem Gottesdienste Grabbesuch. –

Gegen ½ 8 h kehrte ich wieder nach Hause zurück & nahm das Morgenessen. –

Hernach Vorbereitungen zum Festgottesdienste.

Um ½ 9 Uhr begann derselbe.

Die Firmlinge hatten sich mit ihren Pathen beim neuen Schulhause um 8 Uhr versammelt & zogen um 8 ¼ Uhr in die Kirche ein. – Es waren 89 Kinder.

Um ½ 9 Uhr Einzug des Bischofs in die Kirche. (:Veni Creator:) Hierauf Predigtlied & Predigt von Bischof Robert Bürkler.

Text: «Wir aber haben nicht den Geiste der Welt empfangen, sondern den Geist aus Gott!»

  1. Epist. Pauli ad Corinth. 2.12

Das Sakrament der Firmung ist das Sakrament der Stärkung & Befestigung. Besonders die Jugend hat für alle Anstürme der Welt & des Satans eine Kräftigung nöthig, um in diesem unausgesetzten Kampfe des Weltgeistes & des Geistes der Finsternis nicht zu unterliegen.

Der ganze Lebenslauf des Menschen ist ein Kampf dieser 2 Geister, des bösen Geistes und des guten Geistes, und der Apostel Paulus sagt, dass wir nicht den Geiste der Welt, sondern den Geist aus Gott (in der Hl. Taufe) empfangen haben.

  • Thl. Die Kennzeichen des bösen Geistes.
  • Thl. Die Kennzeichen des guten, heiligen Geistes.

Der böse Geist ist:

  • ein hochmüthiger Geist.
  • ein unreiner Geist.
  • ein feindseliger Geist.

Wer diese Kennzeichen an sich bemerkt, wende sich mit aller Entschiedenheit davon ab & folge dem guten, heiligen Geist, dessen Merkmale denjenigen des bösen Geistes entgegengesetzt sind.

Der gute Geist ist:

  • ein demüthiger Geist.
  • ein reiner Geist.
  • ein friedfertiger Geist.

Mit eindringlichen Mahnungen zu einem reinen, keuschen, heiligen Leben, empfiehlt der Bischof als bestes Mittel im Kampfe dieser Geister, den öftern Empfang der Hl. Sakramente & fleht auf die Firmlinge die Gaben des Hl. Geistes herab.

Nach der Predigt segnet der Bischof: Rosenkränze, Kurzifixe, Medaillen, Skapuliere u. drgl. & dankt für den freundlichen Empfang. Dann ertheilt er den Segen für alle Anwesenden & die Zuhausegebliebenen.

Hierauf 5 Vater Unser für die Firmlinge & Jene, die den vollkommenen Ablass erlangen wollen.

Dann stille Messe von Ortspfarrer Ernst Scheffold mit Gesang seitens der Kinder. (:Singmesse:)

Von ¾ 10 Uhr an Erhteilung der Firmung durch den Bischof.

Mein Bruder Ludwig hatte Pathenstelle zu versehen bei deinem Knaben des Nachbars Forrer: Gebhard Forrer.

Auch meine Nichte Julia hatte das gleiche Amt für ein unbekanntes Mädchen [Auslassung im Tagebuch] Stolz, bürgerlich von Oberbüren. –

Nach der Firmung, die der Bischof im weissen Ornat spendete, bestieg Ortspfarrer Scheffold die Kanzel & hielt eine Danksagungsandacht mit Erneuerung der Taufgelübde & 3 Vater Unser.

Hierauf ertheilte der Bischof vom Hochaltare aus den letzten Segen & damit war die Feier geschlossen, & der Bischof mit dem Baldachin in das Pfarrhaus begleitet.

Die Ceremonie hatte bis ½ 11h gedauert.

Ludwig & Julia nahmen ihre Firmlinge mit nach Hause, in den «Hirschen» & Wir [sic] speisten um ½ 12 Uhr zu Mittag. –

Nachmittags von ½ 2 bis 2 Uhr fand in der Kirche nochmals eine Andacht zu den 7 Gaben des Hl. Geistes für die Firmlinge statt. – Fast Alle wohnten derselben bei: – Hernach wurden von Einigen Ausflüge nach Auswärts gemacht.

Die Leute setzten heute ihre Heuernte fort & führten viel Futter ein.

Ich besorgte nachmittags Büreauarbeiten.

Um 3 ¼ h nachmittags verreiste der Bischof unter Glockengeläute nach Kloster Glattburg.

Den Abend brachte ich mit schriftlichen Arbeiten zu.

Caroline half im Verlaufe des Nachmittags (1/2 4 h bis 5 h) meinem Bruder Carl beim Heuen. (:Wiese im «Reckholder» : ) –

Ich begab mich um 9 ¼ h zur Ruhe.

Nächster Beitrag: 16. Juni 1917 (publiziert am: 16. Juni 2017)

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 035a (Tagebuch Thürlemann) sowie ZOA 004/1.3.07 (Fotosammlung Psychiatrische Klinik Pfäfers: Bischof in der Kutsche, links sitzend, Ort unbekannt, ca. 1920) und BMA 063 (Porträtbild von Bischof Robert Bürkler, 1863-1930)

Oberbueren

Sonntag, 7. Januar 1917 – Verspätete Dreikönigspredigt und Theater im «Rössli»

Tagebucheintrag von Johann Baptist Thürlemann (1852-1939):

Sonntag den 7. Januar 1917, sehr kalter, etwas wolkiger Morgen. Starker Reif; hart gefroren. Tagsüber zeitweilig sonnig; öfters düster bewölkt. Nachmittag ziemlich hell. Der ganze Tag war rauh & kalt; es herrschte ein sehr scharfer, kalter Nordwind.  Man musste 2 Mal einheizen. – Abend ziemlich bedeckt; Nacht klar, mondhell & sehr kalt. Gegen Morgen bedeckt. –

Heute wurde das aufgehobene Fest der Hl. Dreikönige gefeiert. –

Morge[n]s nach dem Kaffee machte ich in meinem Schlafzimmer Sonntagstoilette. (Rasieren). – 8-9 Uhr.

Von 9 Uhr bis 3/4 11 Uhr vormittags wohnte ich dem Gottesdienste in der Kirche bei. Zuerst gesungenes Asperges ; Hernach Amt (: mit Rauchwerk: ). –

Nach dem Evangelium Predigt über den Text:

«Gehet hin und forschet genau nach dem Kinde, und wenn ihr es gefunden habet, so zeiget es mir an, damit auch ich komme, es anzubeten!» Matthäus, 2. Cap. 8. V.

Die Hl. Dreikönige wurden durch den Stern im Morgenlande zu Jesus berufen & sie eilten den Weltheiland zu sehen, zu erkennen & der Erlösung durch ihn theilhaftig zu werden.

Durch die Hl. Dreikonige [sic] hat sich Christus auch uns als der erwartete Messias kund gegeben und daher wurde das Fest der Erscheinung des Herrn, die Epiphania Domini schon in den frühesten Zeiten festlich begangen.

Wir sollen uns dieser Offenbarung innig freuen und nicht wie Herodes & die Juden voll Schrecken & Furcht über den neugeborenen König ??? von ihm uns abwenden.

Das neugeborene Kind in der Krippe beseligte die Hl. Dreikönige, erfüllte aber Herodes & Jerusalem mit Angst & Besorgnis, daher die Feindschaft gegen diesen König der Juden & die Anschläge des Herodes gegen dasselbe.

1. Thl. Der zitternde Herodes, trotz seiner Macht.

2. Thl. Der überlistete Herodes trotz seiner Schlauheit!

3. Thl. Der besiegte Herodes, trotz seiner heimtückischen Anschläge. 

1. Charakter des Herodes & seiner 40-jährigen Regierung.

2. Der heuchlerische, scheinheilige Mann, voll Ehrsucht & Herrschsucht.

3. Der grausame, blutdürstige Verbrecher, der vor keinem Mittel zurückschreckt, um sein Ziel zu erreichen, der aber vor der Weisheit & Allmacht Gottes zu Schanden wird. –

Sehr schöne, beschreibende & charakterisierende Predigt. –

Hernach Verkündung des Wochenkalender & der Gottesdienstordnung. Friedensgebet & 5 Vater Unser.

Fortsetzung des Amtes vom Credo an. Opfer für die afrikanische & inländische Mission.

Am Schlusse Grabbesuch mit Ludwig. Wir kehrten gemeinsam nach Hause [zurück]. Bald nach 11 Uhr speisten wir zu Mittag.

Von 1h bis 1/2 2 Uhr nachmittags wohnte Caroline dem Gottesdienste wieder bei ( : Rosenkranz, Allerheiligenlitanei & Te Deum – Dreikönigswasser und Salzweihe. Ich liess ebenfalls eine Schale Salz in die Kirche bringen.

Den Nachmittag & Abend brachte ich zu Hause mit Lektüre zu. 

Im «Rössli» dahier spielte wieder der Jünglingsverein Theater, von 3h bis 7 1/4 Uhr. – Der Besuch soll ein starker gewesen sein.

Um 1/2 10 Uhr begab ich mich zu Bette.

Nächster Beitrag: 9. Januar 1917 (erscheint am 9. Januar 2017)

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 035b (Familie Thürlemann zum Hirschen, Tagebücher von Architekt Johann Baptist Thürlemann, 1852-1939) und ZOA 008/1.014 (Oberbüren, 3.10.1907, Fotografie von Johann Baptist Thürlemann)

 

Freitag, 15. Dezember 1916 – 20‘000 Fr. Bettagskollekte im Kanton St.Gallen

Im Amtsblatt wurde das Resultat der am Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag in den Gotteshäusern eingegangenen Kollekte publiziert.

Bettagskollekte 1916.

Polit. Gemeinden Fr. Polit. Gemeinden Fr.
St.Gallen 3,990.83 Quarten 238.—
Tablat 810.03 Amden 50.—
Wittenbach 239.50 Weesen 136.10
Häggenschwil 49.— Schänis 110.—
Muolen 81.50 Benken 84.40
Mörschwil 138.81 Kaltbrunn 92.—
Goldach 200.52 Rieden 35.60
Steinach 61.— Gommiswald 50.30
Berg 31.30 Ernetschwil 29.—
Tübach 51.— Uznach 104.65
Untereggen 42.— Schmerikon 63.45
Eggersriet 73.— Rapperswil 267.55
Rorschacherberg 86.35 Jona 203.—
Rorschach 466.40 Eschenbach 96.—
Thal 307.80 Goldingen 68.50
Rheineck 220.— St.Gallenkappel 68.30
St.Margrethen 162.— Wildhaus 107.—
Au 135.— Alt St.Johann 152.—
Berneck 215.— Stein 55.—
Balgach 116.60 Nesslau 229.—
Diepoldsau 135.— Krummenau 220.10
Widnau 162.— Ebnat 241.70
Rebstein 197.30 Kappel 195.20
Marbach 155.— Wattwil 379.—
Altstätten 409.32 Lichtensteig 300.—
Eichberg 57.10 Oberhelfenschwil 57.20
Oberriet 218.30 Brunnadern 37.—
Rüthi 76.— Hemberg 109.85
Sennwald 110.— St.Peterzell 100.60
Gams 238.20 Krinau 43.—
Grabs 510.— Bütschwil 181.50
Buchs 405.50 Lütisburg 151.—
Sevelen 155.90 Mosnang 80.—
Wartau 170.— Kirchberg 143.54
Sargans 126.— Mogelsberg 85.—
Vilters 50.90 Ganterschwil 54.20
Ragaz 140.50 Jonschwil 50.—
Pfäfers 76.60 Oberuzwil 229.—
Mels 200.— Henau 287.50
Flums 254.10 Flawil 510.—
Wallenstadt [sic] 269.70 Degersheim 266.60
Wil 448.75 Gossau 282.12
Bronschhofen 67.— Andwil 81.05
Zuzwil 88.80 Waldkirch 98.20
Oberbüren 174.— Gaiserwald 113.80
Niederbüren 103.— Straubenzell 705.94
Niederhelfenschwil 125.50 Total 19,763.56
   

 

   
  Bezirke:

 

   
St.Gallen 3,990.83 See 950.75
Tablat 1,180.03 Obertoggenburg 1,200.—
Rorschach 1,150.38 Neutoggenburg 1,026.65
Unterrheintal 1,453.40 Alttoggenburg 556.04
Oberrheintal 1,113.02 Untertoggenburg 1,482.30
Werdenberg 1,589.60 Wil 1,007.05
Sargans 1,355.80 Gossau 1,381.11
Gaster 508.10 Total Fr. 19,945.06

                                 Publiziert im Auftrage des Regierungsrates.

                                 St.Gallen, den 11. Dezember 1916.

                                                                                 Die Staatskanzlei.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, ZA 001 (Amtsblatt für den Kanton St.Gallen, 91. Jg., Bd. II, Nr. 24 vom 15. Dezember 1916, S. 884f.) und P 720 (1880 erbaute Synagoge an der Frongartenstrasse in St.Gallen, in: Die Eisenbahn, Bd. 13, Heft 14 vom 2.10.1880, S. 88a)

Sonntag, 17. September 1916 – Der Arbeitersekretär macht sich Gedanken zum eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag und entwickelt Familienfotos

Von Josef Scherrer geknipstes und selbst entwickeltes Bild vom Familientreffen am Bettag 1916 in Wittenbach bei seinen Eltern. Das Bild ist hinten in einem seiner Tagebücher eingeklebt.

Eidgenössischer Dank-, Buss- & Bettag.

Der eidgenössische Dank-, Buss- & Bettag kehrt zum drittenmal in der Kriegszeit. Tod und Schrecken sind rings an den Grenzen unseres Landes an die Stelle des Friedens getreten. Ein Ende des Ringens der Völker ist nicht zu denken. Da müssen wir Schweizer Gott, unserem einzigen Schirmherrn und König, mit umso grösserer Liebe danken, dass er unser Land nicht in den Krieg führte, sondern gnädiglich verschonte. Wir haben diese Gnade zwar nicht verdient, nicht verdient hat sie unser Volk und zuletzt ich selbst. Wir hätten eigentlich die gleichen Strafen verdient wie die übrigen Völker! Denn auch unser Vaterland ist von den alten Fehden der ewigen sittlichen Normen abgewichen. Mit bangem Herzen denkt man in dieser Gerichtsstunde daran. Möge Gott der Herr uns auch fernerhin, für uns und unsere Kinder das hohe Gut des Friedens bewahren!

Am Morgen empfange ich gemeinsam mit meiner lieben Gattin in der Kathedrale in St. Gallen das heiligste Altarsakrament. Oh wie unendlich gut ist doch Gott, dass er sich mit uns sündigen schwachen Menschen in der heiligen Brotsgestalt vereinigt und sich uns zur Seelennahrung gibt. Ich opfere die heilige Kommunion auf in erster Linie für meine herzensgute, treue und liebe Gattin, die vor ca. 15 Tagen durch Gottes Willen wieder Mutter geworden ist. Ich bete auch für meine Kinder, meine Eltern, Geschwister und Verwandten. Möge Gott sie alle auf dem rechten Wege führen und sie einst in das ewige Vaterland einziehen lassen.

Am Nachmittag gehen wir alle zusammen zu meinen Eltern nach Wittenbach. Ich freue mich immer darauf[,] auch meinen lieben Eltern einige Stunden zu widmen. Ich bin immer so stark engagiert, dass ich ja nur selten das grosse Glück habe, mit meiner Familie den ganzen Sonntag teilen zu können. Heute konnte ich das wieder einmal. Wittenbach ist immer noch ein liebes trautes Dörfchen. Tausend Jugenderinnerungen verbinden mich noch mit meiner eigentlichen Heimat. Denn da, wo man geboren und aufgewachsen ist, da grüsst die Heimat. Ich will damit nicht meinen Bürgerort Mosnang an zweite Stelle setzen. Mosnang mochte für meine Ahnen die Heimat sein, ich kenne es nicht und muss mich eigentlich schämen, noch nie meine Heimatgemeinde gesehen zu haben. In den Kirchturm hat vor einigen Wochen der Blitz eingeschlagen und bedeutenden Schaden verursacht. Man ist gegenwärtig daran, den Schaden zu reparieren.

Meine Mutter ist verhältnismässig ordentlich daran, meinem Vater geht es augenscheinlich nicht gut. Er hat sehr gealtert. Die Tage des Alters mit allen Gebrechen haben begonnen und ich bete zu Gott, dass er meinen lieben Eltern in den vielen Widerwärtigkeiten Trost und Geduld geben möge. Meine Eltern haben nur ein Leben der Sorge durchgekostet, besonders meine[r] liebe[n] Mutter möchte doch die Sonne noch etwas scheinen an ihrem Lebensabend!

Ich fotografiere noch die ganze Gruppe, ob die Bilder etwas werden, ich weiss es nicht, denn ich arbeite auf diesem Gebiete bis jetzt bedenklich schlecht! Möchte der heutige Tag aber doch in einem schönen Bildchen für immer festgehalten sein.

Der Abend führt uns zurück nach dem Krontal, wo wir seit Mai 1916 unsere Niederlassung genommen haben. Die Kinder und meine liebe Gattin, alle meine Herzlieben sind müde und gehen bald ins Bett. Ich gönne mir noch keine Ruhe, denn die aufgenommenen Bildchen müssen noch entwickelt sein! Die kommende Woche würde ich hiezu doch keine Zeit finden.

Gott, ich danke dir für den heutigen, so schönen Tag! Mögen solche Tage, die nur der Familie gehören, wiederkehren und möge der rotleuchtende Liebesmorgen immer bleiben, bis ein feierlicher Abend blinkt zum ewigen Start!

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 108/1 (Text und Bild)