Freitag, 11. Mai 1917 – Erste Badefreuden in Hof Oberkirch

In der Schulchronik des Landerziehungsheims Hof Oberkirch bei Kaltbrunn heisst es zu diesem Tag:

Heute konnten wir zum ersten Mal baden. Über alle Erwarten war das Wasser sehr warm. Die meisten Schüler stürzten sich in das frische Nass, das uns nur bis zur Brust reichte, nur der Welti, oder die Gasmaske[,] begnügte sich mit der fernen Ansicht des Wassers.

Die 1909 gegründete Schule hatte ein eigenes Schwimmbad, das Schüler und Lehrer zusammen in den ersten Jahren des Schulbetriebs gebaut hatten:

Schwimmbadbau

Der Eintrag zum 4. Mai 1917 in der Chronik enthält eine hübsche Geschichte zum Thema «Fremdwörter sind Glücksache»:

Der Niki fabrizierte seinen neusten Witz auf dem Hof in diesem Trimester. Er sah den Neger [Übername für einen Schüler oder Lehrer] mit einem Panamahut herumlaufen und sagte zu einem andern: «Hast Du gesehem [sic] der Neger hat ein Panoramahüetli an!» 

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 127 (Hofchronik 1915-1921; Fotosammlung, das Beitragsbild stammt von einem Eltern- und/oder Althöfler-Besuchstag, vermutlich aus den 1920er Jahren)

Schueler beim Holzen

Sonntag, 4. März 1917 – Immer noch kalter Winter

Beitragsbild: Schüler des Landerziehungsheims Hof Oberkirch beim Holzen.

Der Winter 1917 war sehr kalt und lang anhaltend. Architekt Thürlemann schrieb über die Witterung des 4. März 1917: […] überaus kalter, rauher Tag. Morgens hart gefroren; starker Reif; bis gegen Mittag dunkel & grau. Sehr scharfer, beissender Ostwind. Von Mittag an allmä[h]lig aufheiternd. Zeitweilig sonnig. Nachmittag ziemlich hell; jedoch kalt & unfreundlich. Nordwind. Abend schön. Sonnenuntergang farbenprächtig. Im Westen leichte Bewölkung. Nacht mond- & sternenhell. Sehr kalt; starker Frost. Reif.

Thürlemann schrieb jeden Tag über die Witterungsverhältnisse. Fast den ganzen Januar über war es so kalt gewesen, dass man zweimal pro Tag hatte einheizen müssen. Trotzdem war die Temperatur in seiner Wohnung keineswegs auf gemütliche, nicht einmal erträgliche Höhe gestiegen, wie er beispielsweise am 27. Januar 1917 festhielt: Wir hatten am Morgen in der Wohnstube 1°C. (: Nordwand:) – Tagsüber zeigte das Thermometer als höchste Temperatur 7°Cels. [ebenfalls in der Wohnstube].

Brennstoffmangel machte sich überall im Land bemerkbar (vgl. z.B. den Beitrag zum 11. Februar zur Kohlennot). Auch der Direktor des Landerziehungsheims Hof Oberkirch versuchte vorzusorgen. In seinem Jahresbericht vom April 1917 bis zum März 1918 schrieb er dazu: Eine weitere Kriegsmassnahme des abgelaufenen Jahres war der Betrieb eines eigenen Bergwerkes, wie der Chronist unsere Grube im alten Uznacher Kohlengebiet nennt. Auf gut Glück haben wir da am Hang beim Rutschwäldchen einige Aren buckeligen Moorboden gepachtet, für den Winter zum Ausbeuten von Schieferkohle, für den Sommer zum Bepflanzen mit Kartoffeln und Mais. Es muss noch Kohlenreste haben, sagte der Eigentümer des Bodens, aus der früheren Zeit her, wo Stollen an Stollen in den Berg hineinführte und hundert Jahre hindurch um kleinen Lohn Schieferkohlen gegraben wurden. Wir gingen als einige der ersten unter die neuen Kohlengräber. Wir gruben mit Pickel und Schaufel während einigen Wochen nach den braunen Schichten. Zweidrittel der Zeit fallen dabei auf Erdarbeiten, ein Drittel auf das Schroten, Herausschaffen und Wegführen. Und so bissen wir uns durch den Winter ohne Kohlenferien – zum Leidwesen unserer Jungen, die anfänglich lieber Kohlenferien als Kohlen gehabt hätten. Wir brauchten diese Schieferkohlen in der Zentralheizung mit einem Rest von Coks [sic], in den Oefen des alten Hauses mit Reiswellen und im Kochherd mit etwas Steinkohlen. Für einen grösseren Ausbeutungsbetrieb eignen sich die Lager nicht mehr. Fachleute sind an Ort und Stelle zu dieser Ansicht gelangt, ebenso spekulative Köpfe, die dabei entweder Geld gewonnen oder verloren haben.

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 035a (Tagebuch Thürlemann) und W 127 (Hof Oberkirch, Jahresbericht in: Hof Zeitung, Nr. 12, April 1918, Beitragsbild: Fotosammlung)

Donnerstag, 21. Dezember 1916 – „Warum feiern die Menschen noch Weihnachten?“ Gedanken eines zukünftigen Pfarrers

Oben: Briefkopf der „Helvetia“, Abstinentenverbindung an schweizerischen Mittelschulen. Stephan Martig benutzte dieses Briefpapier, um seinem Freund, Ernst Kind (1897-1983), zu schreiben.

Ernst Kind studierte ab 1917 an der Universität Zürich Germanistik und Geschichte. Er war später Rektor der Kantonsschule St.Gallen. 1932 heiratete er Wanda Bolter.

Stephan Martig (1898-1984) studierte ebenfalls an der Universität Zürich, aber Theologie. Er war anschliessend Pfarrer in Langwies, Luchsingen, Romanshorn und Winterthur. Während der Zeit im Gymnasium und während des Studiums war er aktives Mitglied der Antialkoholbewegung (Hevetia und Libertas). Er verheiratete sich 1922 mit Lina Gisep.

Chur, 21. Dez 1916

Mein lieber Ernst!

Nun erhälst [sic] Du auch wieder einmal ein Lebenszeichen von mir. Bitte entschuldige, das ich nicht früher geschrieben habe. Ich habe aber immer viel zu tun. Kann heute auch nur kurz machen, denn auf Weihnachten hat man immer so viel zu schreiben. Vor allem wünsche ich Dir, Deinen lb. Eltern und Schwestern recht fröhliche und schöne Festtage und ein wahres, erlösendes Weihnachtserleben. Trotzdem der Krieg um unsere Grenzen weitertobt und die Aussichten auf baldigen Frieden sehr klein sind, kommt auch am Endes [sic] dieses jammervollen Jahres die frohe Botschaft des heilenden Christus zu uns. Doch immer wieder steigt in mir eine lange Furcht auf, die fragt, warum feiern die Menschen noch Weihnachten, sie wollen ja auch heute noch wie vor 19 Jahrhunderten nichts vom Christus wissen. Was hat das Weihnachtsfest angesichts dieser bis ins Innerste zerrütteten Welt noch für einen Sinn? Doch dies sind nicht christliche Gedanken, es sind Gedanken, die die Welt uns aufdringen will. Wir müssen sie abweisen, müssen gegen sie ankämpfen. Und da hilft uns gerade die Weihnachtsbotschaft. Sie zeigt uns das geistige Wesen des Menschen, den Christus in jedem Menschen, die Macht der Liebe und Wahrheit Gottes. Auf diese Macht sollen wir unsere Gedanken richten, sie, Gott immer mehr bejahen, auf ihn vertrauen; dann, nur dann, wenn Gott für uns alles geworden ist, sehen wir ein, dass all diese[s] menschliche Elend der Herrlichkeit Gottes weichen muss. Darum wollen wir froh und zuversichtlich Weihnachten feiern und uns vertiefen in das, was Weihnachten bedeutet, damit wir während dem folgenden Jahre immer wieder neu Weihnachten erleben. –

Dann muss ich noch mich entschuldigen, dass ich auf meiner Rückreise aus der welschen Schweiz nicht zu Dir gekommen bin. Ich konnte nämlich keinen Aufenthalt machen in Zürich, da ich noch am gleichen Tage nach Chur gelangen wollte und in Wädenswil einen Zug überspringen musste um meine dortigen Verwandten zu besuchen. Allerdings wurde ich dann in Wädenswil dennoch festgehalten, sodass ich gut noch bis am Abend in Zürich bleiben hätte können.

Am 2. Jan. 17 habe ich in Zürich od. in Rapperswil eine Zentralausschussitzung der „Helvetia“, deren Aktuar ich bin. Wenn Du in Zürich wärest, würde ich Dich, wenn möglich, schnell besuchen. Es würde mich ausserordentlich freuen, Dich wieder einmal zu sehen. Aber nicht, dass Du etwa meinetwegen Deine Ferienpläne umänderst!

Ich muss hier abbrechen. Wünsche Dir und Deinen lb. Angehörigen ein segensreiches, friedenbringendes

Neujahr und grüsse Dich

Herzlich Dein

Alter Freund

Stephan Martig.

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 073/5 (Nachlass Kind)

Freitag, 8. Dezember 1916 – Beileidschreiben an eine verwitwete Lehrersfrau

Kanzlei [des Erziehungsdepartements]

8. Dez. 1916

An Frau Anna Giger, geb. Kästli, in Weite-Wartau.

Sehr geehrte Frau Lehrer!

Wir bezeugen Ihnen unser herzliches Beileid zum Hinschied Ihres geliebten Ehemannes, des Herrn Lehrer Jakob Giger sel.

Beigelegt erhalten Sie die Pensionsurkunde der kantonalen Lehrer-Pensionskasse. Sie beziehen vom 20. Nov. 1916 an die statutarische Jahrespension von 250 Fr. Diese wird halbjährlich mit 125 Fr. im Jänner und Heumonat [Juli] bezahlt. Im nächsten Monat gibt es für die Zeit vom 30. Nov. bis 31. Dez. 22 Fr. – Hiefür ist es nötig, dass Sie den hier beiliegenden Lebensschein in Azmoos bald dem Zivilstandsbeamten Jahn oder Stellvertreter Frey abgeben, der das weitere besorgen wird.

Erst im Januar, wenn der Schein mit den 22 Fr. kommt, müssen Sie unterzeichnen, nicht vorher.

Hochachtend,

D. Dütschler, Sekretär.

Beilagen,

erwähnt.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, KA R.130 B 2 (Copie des lettres, Beileidsschreiben an die Witwe eines Lehrers) und W 238/04.09-08 (Ansichtskarte von Wartau um 1900, Verlag Geser & Co., St.Gallen)

Freitag, 10. November 1916 – Lebensmittelversorgung der Bevölkerung

Tagebucheintrag von Josef Scherrer-Brisig (1891-1965), Sekretär des Schweizerischen Christlichen Textilarbeiterverbands (1910-1916), später Kantonsrat und Nationalrat sowie Mitbegründer der Christlichsozialen Bewegung:

Kantonale Lebensmittelfürsorge-Kommission.

Anwesend: Landammann Baumgartner, Stadtrat Nägeli, Dr. Ambühl, Koch, Scherrer.

Dr. Gmür, Sekretär des Departements referiert über die gegenwärtige Lage.

1000 Wagen sind bestellt werden, der kantonale Genossenschaftsverband hat nicht einen Wagen geliefert. 180 Wagen à 10 t – Stadt St. Gallen hat 50 Wagen bezogen.

50 % der bestellten Quantitäten wurden kontingentiert.

Die Stadt St. Gallen hat 200 Wagen zugeteilt, 300 Wagen für die Landgemeinden. Rest total 400 Wagen für die Landgemeinden. Die Konsumvereine müssen die Verteilungslisten den Gemeinderäten [abgebrochen]

Der Bund gibt die Kartoffeln zu 18.70, wir geben sie zu 18.80 ab.

900,000 Fr. müssten zum Voraus bezahlt werden. Der Kanton erleidet so einen Verlust an Zinsen. 40– 50 Wagen werden dem Departement reserviert. Da wird auch eine Gewichtseinbusse in Rechnung zu stellen [sein].

Dr. Ambühl will eventuell doch noch die Kartoffelkarte einführen.

Von Flawil wird ein Gesuch gestellt den Höchstpreis zu erhöhen. Wird abgelehnt.

Monopolartikel.

Mais, Reis, Haferflocken wurden den Gemeinden offeriert am 11. Oktober.

erhalten 15 Wagen Mais, eingelaufen sind 5.

Reis sind 4 Wagen eingegangen beziehungsweise zugeteilt.

Gerste wurde von den Gemeinden bestellt 3 Wagen à 10 t. Wir haben zwei Wagen Futtermais erhalten. Weitere Gerste ist vorläufig nicht erhältlich.

Haferflocken sind genügend eingegangen.

Teigwaren sind 3½ Wagen bestellt, zugesichert sind nur 50 Kilozentner.

Ich rege an nochmals ein Rundschreiben an die Gemeinden zu erlassen, damit diese etwas tun. Ich weise auf das Alttoggenburg hin, wo bezügliche Begehren abgewiesen wurde. Butterproduktion. Ich werfe auch diese Frage auf.

[…]

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 108/1 (Tagebuch) und KA R.130-6c-5a.2-1 (Katholisch-Tablat: Schülerspeisung in der Turnhalle für etwa 180 Kinder, 1916)

Donnerstag, 19. Oktober 1916 – Mädchenfortbildungsunterricht darf nicht abends spät stattfinden

19. Okt. 1916.

An den Schulrat in Sevelen.

Tit.!

Nachdem die Töchter in Rans eine zustimmende Antwort erteilt haben, ist vom Schulrat beschlossen worden, in Rans eine Mädchenfortbildungsschule für Erwachsene einzurichten. Da die meisten Mädchen weit weg vom Schulhause wohnen, ist es schwierig, frühe Abendstunden für die Schule zu benützen. Die Mädchen glauben, erst abends halb acht Uhr erscheinen zu können.

Auf die Anfrage des Schulrates bedauern wir, die Antwort erteilen zu müssen, dass wir einen so späten Abend-Unterricht nicht genehmigen und nicht unterstützen könnten.

Wir hoffen doch, es werde auch in Rans möglich sein, Tagesstunden oder doch frühe Abendstunden für die Schule zu gewinnen, wie es auch andernorts möglich geworden ist.

Hochachtend,

Im Namen der Erziehungs-Kommission,

Der Präsident:

HScherrer [Unterschrift]

Der Sekretär:

D. Dütschler. [Unterschrift]

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, KA R.130 B 2 (Copie des lettres, Schreiben des Erziehungsrates, ablehnende Stellungnahme betreffend Einrichtung einer Mädchenfortbildungsschule in Bad Rans, Sevelen) und W 054/74.21 (Schulzimmer für privaten Töchterunterricht im gehobenen Bürgertum um 1900. Der Fortbildungsunterricht für die jungen Fabrikarbeiterinnen und Bauerntöchter von Sevelen konnte nicht in derart privilegierter Weise abgehalten werden.)

Montag, 9. Oktober 1916 – Die Sekundarlehramtskandidaten auf Burgenexkursion

Die Ruine Ramschwag wurde in früher „Ramswag“ geschrieben, ebenso „Häggenswil“ statt Häggenschwil. Gemessen daran, dass es sich beim Berichterstatter um einen zukünftigen Lehrer handelte, scheinen seine Orthografie- und Interpunktionskenntnisse (Rechtschreibung) teilweise recht abenteuerlich.

Zu Ernst Hausknecht-Derendinger vergleiche die Beiträge zum 23. Februar, zum 20. März und zum 22. Juli. Der im Text erwähnte zweite Lehrer, Alfons Ebneter, war am 1. Januar 1888 geboren. 

Bericht über die Exkursion nach der Ramswag, am 9. Oktober 1916.

I. Um ½ 2 Uhr marschierten wir in fröhlicher Stimmung beim Rotmontenschulhause los. Rasch bildeten wir Gruppen, um fröhlich plaudernd, Neuigkeiten zu hören, oder zu erzählen. Etwa vierhundert Meter ob der Sammlungs-Stelle zweigten wir zur [sic] unserer grossen Freude auf einem Fussweg nach Norden ab. Bald kamen wir an ein Bauerngehöft, an dem ein riesiger Bernhardienerhund [sic] lag. Als er in seinem Sinne meinte, wir Ü-ler wären Strolche, da wir seinem Herrn die Wiesen, so rücksichtslos zertraten, wollte er sich wahrscheinlich rächen; denn er eilte uns mit wütendem Gebelle nach u. drohte uns zu zerfleischen. Schon wollte er sich auf Hörler werfen, der das Hasenpanier ergriffen hatte. Doch in dem Augenblicke höchster Gefahr wurde unser Verfolger von seinem Herrn zurückgerufen, worauf wir, die Gelegenheit benützend, die Arme zwischen die Beine nahmen! So waren wier [sic] nicht mehr lange die Hintersten. Bald hatten wir die Vordern eingeholt. Dort hatten sie bereits ein[e] Apfel-Wurfschlacht begonnen, da die Äpfel hier massenhaft herumlagen. Auch wir wollten nun in den Kampf eingreifen. Doch wir sollten nicht dazukommen: Denn von einigen 2. Ülern gewarnt, liessen es schliesslich Alle bleiben. Nun überschritten wir auf einer Brücke die Sitter. Am andern Ende derselben blieben wir vor einem Thurgauerhause stehen; denn es zeichnete sich durch seinen rein thurgauischen Baustiel [sic] besonders aus. Wie die meisten Thurgauerhäuser ein Fachwerkbau, macht es mit seinem braunen Holz und den Blumen vor den Fenstern einen gar heimeligen Eindruck. Weiter gings, aber nun aufwärts! Gar bald kamen wir wieder an ein Gehöft. Hier sahen wir etwas ganz Interressantes [sic]: Da lag auf dem Boden ein Haufen Steine. Auf diesen waren die Gletscherschliffe deutlich erkennbar! Hier in der Nähe waren nämlich, wie uns Herrn [sic] Hausknecht erklärte, in der Eiszeit der Rhein- u. Säntisgletscher zusammengestossen. Diese hatten die Steine hergeschafft. Als dann die Gletscher immer weiter u. weiter verdrängt worden waren, liessen sie die Steine hier liegen.

Den Weg vortsetzend [sic] trennten wir uns in zwei Abteilungen: Die eine unter Herrn Hausknechts Führung verfolgte den Weg weiter, während die andere, unter Herrn Ebneters Führung, einen Feldweg einschlug. Nach kurzer Zeit hatten wir uns aus den Augen verloren. Ich gesellte mich zu Herrn Ebneters Abteilung, was ich gar nicht bereute, trotzdem wir Bäche und dichtes Gestrüpp nicht mieden. Nachdem wir ein Weilchen Pilzkunde getrieben hatten, gings durch „dick u. dünn“ der Waldb[urg]. zu. Bald hatten wir diese erreicht, mussten aber konstatieren, dass die andere Abteilung uns zuvorgekommen war. Das brachte uns eine gar bittere Enttäuschung; denn wir hatten geglaubt, unsere Mühe werde belohnt; denn als die Ersten auf dem Platze hätten wir triumpfieren [sic] können.

II. Geschichte der Waldburg!

[…]

III. Auf der Ramswag!

Ohne Aufenthalt [auf der Waldburg] zogen wir weiter, galt es doch, noch rechtzeitig auf der Ramswag anzukommen, denn dort sollten wir ja die grosse Rast abhalten. Wieder hielten wir uns wenig an die Wege! Meist ging’s über Wiesen u. durch Wälder, was uns natürlich gut gefiel. Ganz im Westen ragt ein weisses Türmchen aus den Obstbäumen hervor. Es ist dasjenige vom Kapellchen St.Pelagiberg! Als wir auf eine kleine Erhöhung kamen, lag vor uns ein ziemlich grosser Kartoffelacker mitten im Wiesland! Da ist sicherlich der Krieg schuld, dass hier überhaupt umgegraben wurde. Der Besitzer dieses Grundstückes hat wahrlich gut vorgesorgt! Im rechten Winkel in ein Wäldchen einbiegend, sahen wir plötzlich die, wie es uns schien, aus dem Boden herausgewachsene Ramswag vor uns. Also waren wir am Ziele angelangt! Aber noch drei Graben mussten wir überwinden, bis wir auf den Burgplatz kamen. Sofort besetzten die Vordersten die Bänke und die Hintern hatten das Nachsehen! Von der Ruine selbst sieht man nicht mehr alle Wände. Ein trotziger, breiter Turm und eine Seite des einstigen Hauses sind noch ziemlich die einzigen Reste der einst so mächtigen Burg. Der Burgplatz ist zu einer gemüthlichen [sic] Rast trefflich eingerichtet; denn die hohen Mauern und die vielen jungen Buchen spenden angenehmen Schatten. Der Burgplatz war trefflich gewählt worden: im Norden und Osten fällt der Abhang fast senkrecht in die Sitter hinunter; da war also ein Angriff unmöglich. Im Süden und Westen sind die einzigen Stellen, wo ein Überfall möglich wäre. Aber auch dort hätten die Angreifer grosse Schwierigkeiten zu bekämpfen gehabt; denn drei breite, tiefe Graben, die früher wahrscheinlich mit Wasser gefüllt waren, versperren den Weg. Daher konnte dieses Bollwerk mit wenig Mannschaft erfolgreich verteidigt werden. – Wer etwas zum Vespern mitgebracht hatte, fand jetzt die beste Gelegenheit, dies zu verschmausen. Die übrigen vertrieben sich die Zeit mit plaudern. Plötzlich gellte ein Pfiff durch unsern Kampplatz [sic]! Wir begaben uns zu Herrn Hausknecht, worauf dieser erklärte, wir könnten uns nicht mehr lange hier aufhalten, es bliebe uns nur noch Zeit, die Geschichte dieses Platzes zu verfolgen. Dann würden wir den Heimweg antreten, diesmal in frischem Marsche über Wittenbach, wobei wir spätestens um acht Uhr anzukommen hoffen. Nun sassen wir um Herrn Hausknecht, [sic] Die Erzählung konnte beginnen!

IV. Die Geschichte der Ramswag!

[…]

V. Der Heimmarsch! Hurrah! Most!!

Nachdem Herr Hausknecht seine Erzählung zu Ende geführt hatte, machten wir uns nach Hause auf. Noch einen Abschiedsblick an die stummen Zeugen des eben gehörten [sic] und fort ging’s wieder zurück gegen’s Steinachstädtchen. Ein Weilchen verfolgten wir den gleichen Weg, um eine Strecke weiter untern die Richtung zu ändern. Nun machten [wir] „Fangis“, wobei, Hedi [die Mitschülerin Hedwig Schenker, geboren am 25. Mai 1897] besonders auf’s Korn genommen und gar arg belästigt wurde. Zu unserem Leidwesen verliessen wir die Wiesen gar zu bald, um die Strasse zu betreten. Bisher wurden Stern und ich immer von dem so böswillig gelaunten Birnbaum belästigt, indem er uns immer mit gefallenen Äpfeln bombardierte. Dem sollte nun vorgebeugt werden. Ich hob von Birnbaum unbemerkt, einen mir eben an den Kürbis geworfenen Apfel auf u. passierte denselben Stern. Plötzlich wandte sich dieser gegen seinen Peiniger, worauf er floh. Nachdem er bei einem Baume angelangt war, wollte er gewissheit [sic] erlangen, ob er überhaupt verfolgt würde, und er schaute zurück. Diesen Augenblick hatte Stern allem Anschein nach abgewartet; denn kaum hatte Birnbaum seinen werthen Kürbis blossgelegt, kam der mit einem lauten: „Schuss“ begleitete Ball herangeflogen, und eh sich’s der gefährdete [sic] versah, zerplatzte der, übrigens schon mürbe, Apfel mitten in seinem höhnisch verzogenen Gesichte. Grosses Gelächter folgte Sterns Meisterschuss. Der gefoppte Birnbaum aber gab sich alle Mühe, die sich herausdrängenden Krokodielstränen [sic] zurückzudämmen, zum foppen [sic] hätte er aber keine Lust mehr. Nachdem wir uns in eine 4-er Kolonne formiert hatten, sahen wir Herrn Ebneter aus einem Hause herauskommen. Natürlich richteten sich aller Augen nach dem verdächtigen Hause. Da erklärte uns Herr Hausknecht, das wir den schon versprochenen Most erhalten würden, worauf wir uns nicht wenig freuten. Im Gänsemarsch traten wir in die Gaststube ein, wo eben die Gläser aufgestellt wurden. Es dünkte uns eine Ewigkeit, bis endlich der Most hereingetragen wurde. Dafür wurde um so mehr zugegriffen. Bald waren die durstigen Ü-ler Kehlen erqui[c]kt, und wir konnten an den Weitermarsch denken! In 4-er Kolonne marschierten wir fröhlich singend Wittenbach zu.

VI. Abendfrieden.

Der Abend war unterdessen herangebrochen, und in der Natur wurde es immer stiller. So in der Dämmerung beachtete das menschliche Ohr verschiedenes, was es am Tage gar nicht würdigt. Bei jedem Geräusch denkt man sofort nach, worin die Ursache liege. So erging es auch uns. Wie wir so dahinschritten, vernahmen wir ein gleichmässiges Hämmern, dem wir immer näher kamen. Plötzlich standen wir vor einer Schmi[e]de. Ein lustiges Feuer loderte auf offenem Herde, und der Schmi[e]d stand, von dem Feuerschein magisch beleuchtet, daneben und hämmerte auf ein Stück Eisen, dass die Funken stoben. Noch heute steht mir dieser Mann als Zeichen lebendiger Kraft deutlich vor Augen. Weiter marschierten wir durch die Dämmerung St.Gallen zu!

Der Berichterstatter:

K. Ferber, IIü.

Schmiede

Innenansicht einer Werkzeugschmiede während des Baus der Bodensee-Toggenburg-Bahn, zwischen 1907 und 1912.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, B 012/5.2 (Auszug aus einem Bericht über eine Exkursion der Sekundarlehramtskandidaten) sowie W 276/02.02-05 (Gasthof zur Krone in Häggenschwil mit einem Detailbild der Ruine Ramnschwag (Ansichtskarte um 1912, Bild: G. Metz, Basel) und BTN 1/1.1-568 (Foto der Schmiede)

 

 

 

Montag, 2. Oktober 1916 – Kantischüler dürfen im Winter später zur Schule

2. Oktober 16.

An Herrn Pfarrer E. Brunner u. Kons. in Niederuzwil.

Sehr geehrte Herren!

Mit Schreiben vom 14. Sept. l.J. richten Sie an die Oberbehörde eine Eingabe über den Schulanfang an der Kantonsschule St.Gallen im kommenden Winter.

Sie haben vernommen, dass an der gesamten Lehranstalt im nächsten Winter nicht wie sonst der Schulunterricht um 8 Uhr morgens, sondern schon um halb 8 Uhr beginnen soll. Gegen diese Neuerung möchten Sie im Interesse der Schüler, die vom Lande her täglich mit der Eisenbahn in die Stadt und wieder heimfahren entschiedene Stellung nehmen u. hoffen Sie dabei auf unsere Unterstützung.

Wir sind nun in der angenehmen Lage, Sie darüber beruhigen zu können. Die Änderung gegenüber früher wird nämlich nur darin bestehen, dass derjenige Unterricht, der bisher im Winter um 7 Uhr begonnen hat, kommenden Winter um halb 8 Uhr beginnt, also nur wenige Stunden und in wenigen Fächern; die Hauptzahl der Lehrstunden aber, die bisher um 8 Uhr begonnen haben, sollen erst um 8 Uhr 20 Min. anfangen. Als allfälliges Wartezimmer haben wir den grossen Raum der Stoa in der Kantonsschule schön einrichten lassen und soll deren Benützung gut geordnet werden.

Der Verfasser des Stundenplanes, Herr Prof. Dr. Wanner, wird sich alle erdenkliche Mühe geben, den Stundenplan mit Rücksicht auf die auswärts wohnenden Kantonsschüler in gedachter Weise durchwegs zu verbessern. Vereinzelte Ausnahmen werden nur dann stattfinden, wo keine auswärtigen Schüler betroffen werden oder wo alle Schüler, also auch auswärtige, in einer Klasse oder Klassen-Abteilung erklären, sie wollen lieber eine betreffende frühe Rand-Stunde Unterricht am Morgen als eine späte dieser Art am Abend.

Nach Ablauf der bevorstehenden Herbstferien werden die Schüler den Winterstundenplan erhalten, der ihnen wie auch den Eltern besser entsprechen dürfte als der Unterrichtsplan in den verflossenen Wintersemestern der letzten Schuljahre.

Hochachtend,

Im Namen der Studienkommission,

Der Präsident:

HScherrer [Unterschrift]

Der Sekretär:

D. Dütschler.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, KA R.130 B 2 (Schreiben des Erziehungsrates betreffend morgendlichem Schulstart an der Kantonsschule) und ZMA 18/01.04-06 (Bahnhofareal in St.Gallen, Blick auf den Gaiserbahnhof [heute Appenzeller Bahn], Bahnhof und Postgebäude; Ansichtskarte, Edition Photoglob, Zürich, q 31216)

Montag, 25. September 1916 – Sommerreise der Höfler Schüler in die Innerschweiz

Das Landerziehungsheim Hof Oberkirch in Kaltbrunn war eine von verschiedenen reformpädagogischen Schulen mit Internatsbetrieb, die in der Schweiz zwischen 1900 und 1930 eröffnet wurden.

Auszug aus der Trimesterchronik, August-Dezember 1916:

Heute begannen die Siebner [7. Klasse] die Sommerreise. Auch Tschiggo ging mit, obschon er als guter Wandervogel behauptete: „hana Berga scho lang gseh!“ – Am ersten Tag wanderten sie von Linthal aus nach Urigen über den Klausenpass, am andern Morgen in flottem Tempo nach Altdorf und dann zur Tellskapelle und mit dem Schiff über Brunnen nach Vitznau. Nun gings auf den Rigi. Einige genossen den Sonnenaufgang und dann marschierten sie nach Arth. Am Abend kamen sie sehr zufrieden auf dem Hofe an, natürlich per Eisenbahn.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 127 (Hof-Zeitung. herausgegeben im Land-Erziehungsheim Hof Oberkirch unter der Leitung von Anton Blöchlinger, Nr. 8, Dezember 1916, S. 13; Schüler von Hof Oberkirch bei der Rast auf einer Wanderung, um 1914)

Montag, 4. September 1916 – Schulaustritt wegen einem Vater im deutschen Kriegsdienst und einer kranken Mutter

4. Sept. 1916.

An den Schulrat in Schmerikon.

Tit.!

Mit Schreiben vom 23. v. Mts. stellt Frau Stadler in dort, das Gesuch um vorzeitige Schulentlassung der Tochter Marie Stadler, geb. 8. Okt. 1902, Schülerin in der 7. Primarklasse. Das Gesuch wird von Ihnen und vom Präsidenten des Bezirksschulrates zur Entsprechung empfohlen, weil sich die Familie mit ihren fünf Kindern in sehr schwierigen Verhältnissen befinde. Der Vater stehe seit zwei Jahren im deutschen Kriegsdienst und die Militär-Unterstützung reiche wegen der steigenden Teuerung nicht mehr aus für die notwendigsten Bedürfnisse. Zudem sei die Mutter krank geworden und bedürfe einer Aushülfe durch die Tochter Marie. Letztere stehe im achten Schuljahr; sie habe einmal eine Klasse repetieren müssen.

In Betracht dieser Familien-Verhältnisse haben wir beschlossen, es sei als Ausnahme die vorzeitige Schulentlassung der Marie Stadler hiemit bewilligt.

Hochachtend,

Im Namen der Erziehungs-Kommission,

Der Präsident:

HScherrer [Unterschrift]

Der Sekretär:

D. Dütschler

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, KA R.130 B 2 (Copie des lettres, Schreiben des Erziehungsrates betreffend vorzeitigen Schulaustritts einer Schülerin) und W 276/06.08-01 (Auszug aus Ansichtskarte von Schmerikon, um 1903, erschienen im A-G Postkartenverlag Künzli, Zürich, Dep. No. 5066)