Montag, 23. Oktober 1916 – Nachtruhestörung durch Sprengarbeiten in St.Gallen

Die St.Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke SAK waren dabei, für das Kubelwerk die zweite Druckleitung zu erbauen. Dazu wurden nächtliche Sprengarbeiten vorgenommen.

Bruggen, den 23. Oktober 1916

An den hohen Regierungsrat des Kantons St.Gallen.

Wir sind in den Besitz des regierungsrätlichen Protokollauszuges vom 10. Oktober a.c. gelangt, dem zu entnehmen ist, dass den Firmen E. Baumann & Sohn & Vinzenz Broggi, welchen die Bauarbeiten am Wasserstollen II der St.Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke A.G. zur Ausführung übertragen sind, gestattet wurde[,] an Sonntagen an diesem Werke zu arbeiten und ferner des Nachts Sprengarbeiten vorzunehmen, letzteres unter dem Vorbehalte, dass die Gesuchsteller bei ihrer Erklärung, die Vornahme der Sprengschüsse nach Möglichkeit nicht auf die 2 Stunden vor und nach Mitternacht einzurichten behaftet sein sollen.

In Rücksicht darauf, dass [-] wie vielfache Wahrnehmungen bisher zeigten [-] in letzterer Hinsicht dem abgegebenen Versprechen absolut nicht nachgelebt wird, sondern dass fast allnächtlich um die Zeit direkt vor und nach Mitternacht gesprengt und dadurch die Nachtruhe der Anwohner in ziemlich weiter Umgebung gestört wird, möchten wir hiemit an Sie das höfl. Gesuch richten, bei den genannten Firmen darauf zu dringen, dass sie sich an die Ihnen gegenüber abgegebene Erklärung auch halten.

Ihre gesch. Bemühungen bestens verdankend, zeichnen hochachtend

Der Gemeindammann:

A. Rüesch

Namens des Gemeinderates,

Der Gemeinderatsschreiber:

Lautenschlager

Die Bauunternehmung antwortete mit Schreiben vom 31. Oktober an das Departement des Innern und bat am Schluss darum, die Regierung möge die Beschwerdeführer um Einsicht, Nachsicht & Duldung der Arbeiten bitten:

[…]

Betreff unserer angesetzten Nachtarbeitszeit, von Abends 7 Uhr bis Morgens 6 Uhr hat die Erfahrung gezeigt, dass leider das Absprengen der Schüsse auf die gewünschte Zeit einfach unmöglich [ist], indem die Schüsse mit dem besten Willen nicht vor 11-12 Uhr fertig gebohrt werden konnten. Sollte man mit dem Absprengen auf vorgeschriebener Zeit beharren, so hies[s]e das[,] die Arbeit von 10-2 Uhr unterbrechen, was nicht zu machen & uns die Nachtarbeit überhaupt verunmöglichen würde.

Nach unserer Ansicht rührt der Knalleffekt mehr von den Arbeitsstellen in Sturzenegg & Stösselbach her, die sich auf Herisauerboden befinden, wozu uns die dortige Gemeinde die Bewilligung erteilt hat. Wir glauben desshalb [sic], da diese Schüsse ja doch auch um die Mitternachtsstunde gehört werden, auch das gleichzeitige Absprengen der 10-12 Schüsse der Baustelle im Gübsen nicht weiter stören kann. Wir finden, dass es im Gegenteil viel störender wirkte, wenn die Detonationen um 10, 12 & 2 Uhr erfolgen würden, als nur einmal Nachts zwischen 11-12 Uhr. Zudem wirken die Schüsse beim Gübsenweiher weniger effektiv, indem die Ausmündung des Stollens in einen Schacht geschieht & durch diesen der Schall abgeschwächt wird. Auch sind wir mit dem Stollen schon ziemlich im Berginnern, sodass der Schall nicht mehr so stark ist & successif [sic] mit dem Weitereindringen in den Berg bald so minim werden wird, dass kaum noch jemand belästiget wird. Uebrigens kann man sich an Alles gewöhnen & so viel wir wissen, wurde beim Bau des I. Stollens Nachts auch jederzeit gesprengt.

[…]

Die Regierung behandelte das Geschäft in ihrer Sitzung vom 17. November 1916. Sie befand auf Antrag der Sanitätskommission, welche die Beschwerde beurteilt hatte und der Argumentation der Baufirma in weiten Teilen gefolgt war, nicht weiter darauf einzugehen.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, KA R.118-3 (Klage wegen Nachtruhestörung durch den Gemeinderat von Straubenzell) und B 001/6-1.1-18 (Transport eines Stücks Druckleitung für das Gübsenseestauwerk. Die Pläne und ein ursprüngliches Bauprogramm für eine zweite Druckleitung datieren von 1905; Bild: B. Gröbli, Bruggen, ca. 1905-1907)

Mittwoch, 9. Februar 1916 – Ein Schweinestall stinkt zum Himmel

Josef Signer, Wirt des Restaurants zur Traube und Käser in Lichtensteig, betrieb hinter seiner Wirtschaft zwischen verschiedenen, ihm nicht gehörenden Gebäuden eine Schweinemästerei. Bereits seit 1912 schwelte deshalb ein Konflikt mit seinen Nachbarn, zu dem auch die Sanitätskommission des Kantons St.Gallen hatte Stellung beziehen müssen. Signer waren diverse Auflagen gemacht worden, die er aber nicht umgesetzt hatte. Die Bezirksgerichtskommission Neutoggenburg büsste ihn deshalb mit Urteil vom 30. Dezember 1915 wegen Ungehorsams mit 50 Fr. Gegen dieses Urteil erhob der Anwalt des Wirtes am 9. Februar 1916 Rekurs. Am 21. März 1916 schrieb die Sanitätskommission zu diesem Fall u.a.:

[…]

Die Schweinestallungen Signer’s, die bei unserm Augenschein ca. 70 Schweine beherbergten, befinden sich in einem Gebäude, das auf allen Seiten in einem Abstande von 3 bis 5 m von andern Gebäulichkeiten umgeben ist, deren Fenster zum Teil nach den Stallungen zu gerichtet sind. Dass unter diesen Umständen für die Bewohner dieser Gebäulichkeiten durch den besonders beim Füttern entstehenden Lärm und durch die üblen Ausdünstungen eine erhebliche Belästigung erwachsen muss, ist wohl einleuchtend und braucht daher nicht näher ausgeführt zu werden. Um diese Belästigung auf eine erträglichen Grad herabzumindern, wurde von Signer die Ausführung einer Anzahl baulicher, sowie betriebstechnischer Verbesserungen verlangt.

Von den ersteren sollte durch Ersatz der durchlässigen Holzdecken durch massive das beständige Austreten von Ausdünstungen aus den Stallungen in die oberhalb der Stallungen liegende Scheune und von dort in die Luft des Hofraumes vermieden werden, während durch die Anbringung richtig konstruierter Dunstkamine die Stall-Luft in die Höhe abgeleitet werden soll.

Durch die tägliche Abfuhr der festen Excremente aus den Stallungen soll verhütet werden, dass diese wie bisher in der vorhandenen Grube in Gährung [sic] gelangen und dann bei Bedienung der Grube, vor allem aber bei der von Zeit zu Zeit erfolgenden Leerung derselben jenen durchdringenden, eckelhaften [sic] Gestank verbreiten, der für die Anstösser eine Belästigung unerträglicher Art darstellt. Dass diese tägliche Abfuhr unmöglich sei, wie Signer behauptet, wird durch Nichts bewiesen, da Signer nicht einmal einen Versuch gemacht hat, sie durchzuführen.

Unsere Vorschriften basieren auf dem Gutachten der beiden Experten, von denen der eine in einem landwirtschaftlichen Betriebe tätig war, während der andere als Erbauer einer Anzahl rationeller Schweinestallungen über die Anforderungen, welche an eine Schweinestallung in baulicher Beziehung gestellt werden müssen, orientiert ist.

Die Abmachung zwischen dem Gemeinderat von Lichtensteig und Signer präsentierte sich als eine Preisgabe unserer hauptsächlichsten Forderungen, zu welcher wir unsere Zustimmung nicht geben konnten. Sie war ausserdem unannehmbar, weil durch die in Aussicht genommene Wegschwemmung der festen Exkremente in die Kanalisation eine unzulässige Verunreinigung der Thur bewirkt worden wäre.

Das ganze Verhalten Signer’s stellt sich als eine ausgesprochene Trölerei dar. Signer hat wohl nie die Absicht gehabt, den von uns nach eingehender Prüfung der Sachlage aufgestellten Vorschriften nachzuleben, sondern stets versucht, sich durch scheinbares Eingehen auf dieselben und durch Vorbringen immer neuer Vorbehalte um die Erfüllung derselben zu drücken. Dass er es dabei mit der Wahrheit nicht immer genau genommen hat, beweist die Bemerkung der Rekursschrift, dass die Experten „im Allgemeinen die musterhafte Anlage und den ebenso musterhaften Unterhalt des Signer’schen Betriebes konstatiert hätten.“

Was die von Signer gegen das Urteil der Gerichtskommission Neutoggenburg bei der Rekurskommission des Kantonsgerichtes eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde anbelangt, so ist diese seither abgewiesen worden. Im Urteil der Gerichtskommission wird bemerkt, dass Signer laut Leumundsbericht zur Renitenz eine besondere Zuneigung zu haben scheine und dass er sich in guten Vermögensverhältnissen befinde.

Bei der Fällung unserer Entscheide betreffend die Schweinestallung Signer’s wollten wir diesem entgegenkommen und hofften, dass durch die lojale [sic] Durchführung der aufgestellten Vorschriften ein für alle Teile einigermassen annehmbares Resultat erzielt und die Auflassung der Stallungen vermieden werden könnte. Wir müssen nun konstatieren, dass wir uns in dieser Annahme getäuscht haben und bedauern, nicht von Anfang an die Einstellung der Schweinestallung Signer’s am gegenwärtigen Orte verlangt haben, eine Forderung, die sich vom sanitätspolizeilichen Standpunkte aus gerechtfertigt hätte.

[…]

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, KA R.118-3 (Text) und W 238/08.02-16 (Bild)