Sonntag, 24. Dezember 1916 – Weihnachtsfeier für Arbeiterkinder

Nicht alle Familien konnten sich einen Weihnachtsbaum und Geschenke leisten. Der Verband der Zimmerleute St.Gallen veranstaltete deshalb für seine Mitglieder eine kleine Feier, an der an bedürftige Kinder auch Gaben verteilt wurden. Die Feier war an zwei Sitzungen vorbesprochen und organisiert worden:

Protokoll der Sitzung vom 29. November 1916 im Vereinshaus.

[…]

Der Präsident gibt einleitend Aufschluss über die Ar[r]angierung einer bescheidenen Christbaumfeier u. regt zugleich die Abhaltung eines kleinern Familienfestchens an.

Zwecks einer regelrechten Gabenverteilung wird die Anzahl der zu beschenkenden Kinder durch Ausfüllung eines Fragebogens festgestellt.

Als Geschenkartikel sollen nur nützliche, für den täglichen Gebrauch bestimmte Sachen in Betracht fallen. Nach erfolgter Bescherung, d. heisst, sobald sich die Kinder nach Hause begeben haben, soll für die Erwachsenen noch eine kleine, gemütliche Nachfeier veranstaltet werden. Für den Einkauf der Gaben sollen Frauen dreier Kameraden nach näher bezeichneter Wahl bestimmt werden.

[…]

Protokoll der Vorstandssitzung v. 9. Dezember 1916 im Vereinshaus.

Der Präsident eröffnet die Sitzung um 7¼ Uhr in Anwesenheit der Kameraden Blaser[,] Schenk u. Bossart.

Als einziges Traktandum wird aufgeführt die Kristbaumfeier [sic].

Der Präsident macht Mitteilung über die Anzahl der Kinder, die zu beschenken wären. Es sind 47 angemeldet worden. Nach einer überschlägigen Berechnung müsste zur Durchführung der angeführten Feier die Summe von frs. 200 aufgewendet werden u. beantragt der Präsident, Kamerad Lautenschlager, der Versammlung ein diesbezügliches Kreditbegehren zu unterbreiten.

Der Kassier macht im Interesse der von ihm verwalteten Kasse Einwendungen. Der Präsident begründet aber die Höhe der Einkaufssumme mit der Preissteigerung aller Bedarfsartikel in dieser ausserordentlichen Zeit. Immerhin soll sich die Menge der Gaben nach den uns zur Verfügung stehenden Mitteln richten.

Als Käuferin[n]en der Gaben werden sodann bestimmt die Frauen Lautenschlager, Spoerry u. Bossart.

Als Bezugsquellen sind vorgesehen die Geschäfte von Braun, Globus u. Mai u. Cie.

Schluss der Sitzung um 8 ¼ Uhr.

Der Aktuar

Gottfr. Bossart

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 240/1.2-13.04 (Auszüge aus dem Vorstandsprotokoll des Verbandes der Zimmerleute St.Gallen, Stempel)

Sonntag, 3. Dezember 1916 – Für 1917 geplant: Ein Turntag „im einfachsten Rahmen und ohne jedes festliche Gepräge“

Der 3. Dezember war ein Sonntag. Der Vorstand traf sich um neun Uhr vormittags im „Schützengarten“ in St.Gallen zu einer kurzen Sitzung von 50 Minuten. Anschliessend fand die Abgeordnetenversammlung des Verbandes statt.

[…]

II. Kantonaler Anlass 1917.

Kantonaloberturner Tobler legt ebenfalls das Referat über diesen Gegenstand vor.

Mit einem Rückblick auf das letzte Kantonalturnfest 1914 in Altstätten wird zunächst darauf hingewiesen, dass bei den gegenwärtig ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen an eine gleiche Durchführung des kantonalen Anlasses nicht zu denken sei. Dagegen soll, sofern es die Verhältnisse erlauben, ein kantonaler Turntag im einfachsten Rahmen und ohne jedes festliche Gepräge in Aussicht genommen werden.

Das Arbeitsprogramm wird vor allem Sektionsturnen – dreiteilig –, dann Kunst-, National- und volkstümliches Turnen umfassen und Schlusswettkämpfe im Spiel. Dem Sektionswetturnen dient das kantonale, bezw. eidgenössische Festreglement als Grundlage; Kunst- und Nationalturnen sind als 10teilige Wettkämpfe gedacht; ferner neben einem Solchen im volkstümlichen Turnen in der gleichen Gattung ein Solcher mit nur 6 Faktoren, der den Anfängern dienen soll. Das volkstümliche Turnen im Zehnkampf sieht vor:

1. Schnellauf 100 m in 13 Sek. Differenz 1/5 Sekunde    
2. Steinheben 20 kg. 10x l.u.r. abwechselnd    
3. Steinstossen aus Anlauf 33 1/3 & 6 m Differenzmass 15 cm
4. Kugelstossen 7 ¼ kg 10 m 20 cm
5. Hochsprung 1.40 m über eine Latte 5 cm / 2 Punkte
6. Weit- oder Dreischrittsprung 5 m, bezw. 10 m 20 bezw. 30 cm
7. Tauklettern 8 m – 12 Sekunden Zeit 2/5 Sekd.
8. Kugelwerfen 5 kos. [sic] 12 m 30 cm
9. Schleuderballwerfen 40 m 1 m
10. Hindernislauf 100 m 15 Sek. Zeit 1/5 Sekunde

Die Bekanntgabe der Übungen soll 3 Monate vor dem Turntag erfolgen, der übrigens so zu organisieren ist, dass die Bewältigung der Arbeit an einem Tag möglich ist.

Für das Kampfgericht, das in einigen Abteilungen in doppelter Anzahl nötig werden dürfte, werden zunächst Vorschläge der Sektionen eingeholt werden; die Wahl selbst wird der Urabstimmung vorbehalten. Die Frage, ob im Zehnkampf des volkstümlichen Turnens eine Maximalnote oder die unbegrenzte Wertung im Sinne der Höchstleistungen angesetzt werden soll, wird der Abgeordneten-Versammlung selbst zur Entscheidung überlassen. Alles weitere jedoch soll dem Kantonalvorstand zur Erledigung übertragen werden. Die Anträge lauten:

1. Es sei von der Abhaltung eines Kantonalturnfestes pro 1917 Umgang zu nehmen.

2. Der Vorstand wir beauftragt, insofern es die Verhältnisse erlauben, einen kantonalen Turntag im Sinne vorstehender Ausführungen im einfachsten Rahmen ohne jedes festliche Gepräge durchzuführen und erteilt ihm die hiefür notwendigen Kompetenzen. Der Vorstand ist auch mit diesen Formulierungen einverstanden; der Vorsitzende verdankt diese Arbeiten und erkennt damit auf Schluss der Sitzung um 9.50.

Der Aktuar:

R. Sinkwitz

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 090 (Kantonalturnverband St.Gallen, Auszug aus dem Protokoll des Vorstands) und ZMH 64/389 (Auszug aus einer Quittierkarte, 1906)

Mittwoch, 29. März 1916 – Der Vorstand des Zimmerleute-Verbands rügt die St.Galler Kameraden

Im folgenden Schreiben des Verbandes der Zimmerleute der Schweiz nimmt der Vorstand Stellung zu einer Einsendung der Sektion St.Gallen im Verbandsblatt, in dem Kritik an der Aufhebung resp. Wiederbesetzung des Verbandssekretariats in Basel geübt worden war:

Basel, den 29. März 1916.

An Gen. Lautenschlager, zu Handen der Sekt. St.Gallen.

Werte Kameraden. Der Zentralvorstand hat euer Schreiben vom 24. ds. in seiner gestrigen Sitzung behandelt und den Unterzeichneten beauftragt, dasselbe zu beantworten. 1.) In Sachen Konferenz, die Ausschreibung derselben erfolgt in Nummer 7 des [Verbands-]Organs, die darauf bezugnehmenden Kreisschreiben sind mit gleicher Post abgegangen, an sämtliche Sektionen der Ostschweiz. 2.) Zu der Einsendung im Organ ist zu bemerken, dass es angebracht gewesen wäre, zunächst von der Vorortssektion oder dem Zentralvorstand darüber Auskunft zu verlangen wieso und warum das Sekretariat wieder besetzt werde, nachher wäre es immer noch früh genug gewesen, den Zentralvorstand und die Vorortssektion im Organ und damit in der breiten Oeffentlichkeit herunterzureissen und zu verurteilen. Dass durch ein solches Vorgehen unsere Agitation erschwert und verunmöglicht wird scheint man in St.Gallen nicht zu bedenken. Aus diesem Grunde hat der Vorstand auch nur mit Widerwillen in die Aufnahme der Einsendung eingewilligt. Was nun die Besetzung der Sekretärsstelle anbetrifft, so handelt es sich hier um ein Provisorium bis zu der nächsten Delegi[e]rtenversammlung, der Zentralvorstand, sowie die Vorortssektion hatten nicht das Recht das Sekretariat aufzuheben oder eingehen zu lassen, zudem würde eine so plötzliche Aufhebung in der jetzigen Zeit mehr schaden als nützen, die Situation ist nicht so ungünstig, wir stehen vor einer Reihe von Bewegungen, wozu die Hilfe des Sekretariats in Anspruch genommen wird. Alle diese Arbeiten nach Feierabend zu erledigen, dazu war in Basel niemand bereit[,] und es musste daher ein Mitglied des Zentralvorstandes frei gestellt werden. Der Zentralvorstand bestimmte zunächst zwei seiner Mitglieder, welche sich in die Arbeiten zu teilen hatten, Kamerad Degen als Kassier und Kameraden Bergmaier zur Erledigung der übrigen Arbeiten, natürlich gegen entsprechende Bezahlung.

Mit dieser Besetzung war nun die Vorortssektion Basel nicht einverstanden, berief sich auf Art. 39 u. 42 des Statuts, ordnete die Einberufung einer aus[s]erordentlichen Generalversammlung an und wählte den Zentralkassier; zugleich übertrug sie diesem die Besorgung der Sekretariatsgeschäfte. Die Sektion Basel hat damit nur von ihrem statutarischen Rechte Gebrauch gemacht, die Interpretierung von Art. 42 seitens der Sekt. St.Gallen ist demnach eine willkürliche, kann hier auch gar nicht in Anwendung kommen, da nicht ein Satz dieses Artikels in Frage kommt, Kamerad Schrade ist seines Postens nicht enthoben und wird denselben, wenn er zurück kommt[,] wieder einnehmen. Damit, glauben wir dürfte sich auch die Sektion St.Gallen zufrieden geben und beruhigen können. Ueber das Weitere wird dann der Delegiertentag entscheiden.

Zu der beantragten Abänderung von Art. 16 ist zu bemerken, dass dies nur durchgeführt werden kann, wenn die Beitragsleistung entsprechend erhöht wird. Da das Letztere ausgeschlossen scheint, muss auch wohl das Erstere dahinfallen. Dass in Anwendung von Art. 19 Ungerechtigkeiten vorkommen, bleibt zu beweisen, dem Zentralvorstand ist nichts davon bekannt, auch sind niemals Beschwerden gegen die Anwendung laut geworden.

In der Annahme[,] ihr werdet mit dieser unserer Auskunft zufrieden sein, selbst die Beschwerdekommission wird auch keine bessere geben können, zeichnet

mit kameradschaftlichem Gruss

für den Zentralvorstand

Jak. Keck.

Beiliegend das Kreisschreiben.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 240/1.3-10 (Korrespondenz im Nachlass von Jakob Jäger (1874-1959), ZOA 001/6.072 (Fahnen-Entwurf von Franz Vettiger für den Uznacher Gesellenverein, nach 1891)

Jakob Jäger wurde am 25.01.1874 in Stein am Rhein (SH) geboren. Er machte eine Lehre als Zimmermann und zog 1900 nach St.Gallen, wo er gewerkschaftlich aktiv wurde. Von 1903 bis 1910 war er Präsident des Zentralverbandes der Zimmerleute der Schweiz. Sein Nachlass kam als Teil des Unia-Gewerkschaftsarchivs ins Staatsarchiv St.Gallen.

Samstag, 25. März 1916 – Bauernverband gegen die Abschaffung der Militärgerichte

Der St.Galler Bauernverband publizierte in seiner Ausgabe vom 25. März 1916 folgenden Artikel:

Sozialistische Militärinitiative.

Die Sozialdemokratie will durch eine Initiative auf Abschaffung der Militärgerichte ihren Unwillen gegen unsere Armee zum Ausdruck bringen. Wäre es den Initianten um die Sache und nicht nur um eine Herabsetzung unseres Militärwesens zu tun, sie hätten die Revision unseres veralteten Militärstrafgesetzbuches verlangt. Hiezu braucht es nur eine Anregung in der Bundesversammlung und keine Initiative. Wir sind für die Revision des Militärstrafgesetzes und verlangen eine Milderung der Strafbestimmungen.

Wir lehnen aber die sozialistische Initiative ab.

Diese Unterschriftenbogen werden einst den kommenden Geschlechtern noch von den Namen derjenigen Schweizerbürger Kenntnis geben, welche in der Zeit des grössten Weltkrieges gegen unser Volksheer und gegen unsere Behörden aufgetreten sind. Möge kein Bauer seinen guten Namen auf diese Liste setzen[.]

Der schweizerische Bauernverband.

Quellen: StASG, W 248/82 (Rubrik „Kurze Mitteilungen“ in St.Galler Bauer, 3. Jahrgang, Heft 12, 25.03.1916, S. 186-187) und Wy 123 (Rekruten auf dem Kasernenareal in St.Gallen, 1916)