Samstag, 9. Dezember 1916 – Landwirtschaft im Rheintal

Oben: Feldertrag der Strafkolonie Montlingen, ca. 1918-1921.

Situationsbericht aus dem Rheintal.

Die günstige Witterung des Spätherbstes und des Vorwinters hat die letzten Herbstarbeiten bedeutend gefördert. Die letzten Ackerfrüchte, die Runkelrüben und Süssräben, konnten überall rechtzeitig, d.h. vor Beginn stärkerer Fröste, eingebracht werden. Mit Ende Oktober wurde der Weidegang fast allgemein beendigt. Nur vereinzelt sah man in der ersten Novemberwoche noch weidende Herden. Noch selten wurde der Rasen so scharf abgeätzt, wie im vergangenen Herbst.

Jetzt beschäftigen sich die Rheintaler Bauern, soweit es die Witterung und die Stallarbeiten erlauben, hauptsächlich mit der Bodenbearbeitung und mit der Oeffnung der Entwässerungsgraben. Es ist in den letzten Wochen, namentlich im obern Teil des Rheintales, ziemlich viel Wiesland umgekehrt worden. Die schwierige Beschaffung von genügend Kartoffeln für den eigenen Bedarf einerseits und die hohen Preise für das verkaufbare Quantum anderseits, bilden den besten Ansporn zur Ausdehnung der Kartoffelkultur. Ueberdüngte und deshalb stark verunkrautete Wiesen sollten noch in stärkerem Masse der Kartoffelkultur dienstbar gemacht werden; sie liefern, vorausgesetzt dass der Boden trocken genug ist, bei geringem Düngeraufwand grosse Erträge. Auffallend ist dagegen die geringe Zahl, sowie der geringe Umfang der mit Wintergetreide bestellten Aecker. Wir möchten bei den hohen Körner- und Strohpreisen dem Korn- und dem Winterroggen ein grösseres Anbaugebiet wünschen. Voraussichtlich wird im nächsten Frühjahre der Maisanbau ausgedehnt, umso mehr als sich diese Körnerfrucht, wie kein anderes Gewächs, zum Anbau im Gemisch mit Gemüsepflanzen eignet. Da alles vorrätige Gemüse schlank aufgekauft wurde, denkt man naturgemäss auch an den vermehrten Anbau der Kohl- und Rübengewächse und der Bohnen, welche die leichte Beschattung durch den Mais gut ertragen. Trotzdem wenigstens ein Teil des Heues in den frühern Lagen in tadelloser Qualität eingebracht werden konnte, sind die Klagen über geringe Milchergiebigkeit allgemein. Es fehlt hier, wie überall, an den geeigneten, eiweissreichen Kraftfuttermitteln. Dass man bei knappen Milcherträgen mit den festgesetzten Höchstpreisen nicht übermässig zufrieden ist, ist nicht erstaunlich; denn Preis und Produktionskosten stehen oft nicht im richtigen Verhältnis.

Mehr Glück hatte man mit dem Viehabsatz; nicht nur wurden für bessere Ware gute Preise bezahlt, sondern es konnten auch diejenigen Tiere, die nicht befriedigten, wohl noch selten zu so günstigen Bedingungen abgesetzt werden. 

Häftlinge der Strafkolonie Montlingen beladen einen Wagen mit Garben, ca. 1918-1921:

Haeftlinge mit Wagen

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 248/82 (St.Galler Bauer, 3. Jahrgang, Heft 49, 09.12.1916, S. 820-821) sowie ZOF 003/1.19 und ZOF 003/1.21 (Bilder)

Freitag, 20. Oktober 1916 – Es schneit …

Tagebucheintrag von Josef Scherrer-Brisig (1891-1965), Sekretär des Schweizerischen Christlichen Textilarbeiterverbands (1910-1916), später Kantonsrat und Nationalrat sowie Mitbegründer der Christlichsozialen Bewegung:

Heute fällt zum erstenmal ausgiebig Schnee, nachdem bereits am Gallustag schon Schnee fiel. Am Gallustag waren die Höhen bis auf Notkersegg herab mit Schnee besetzt. Heute ist das Hochtal der Steinach eine einzige Winterlandschaft. Der Pfadschlitten muss bereits in Funktion treten! Traurig für die armen Leute, die kein Holz haben zum Heizen!

[Berichte über die Sitzung der Rechnungskommission der politischen Gemeinde Tablat, abends um 7 Uhr, und der Vorstandssitzung der Christlich-Sozialen Partei Tablat, abends um Viertel vor neun Uhr]

Auf dem Heimweg von der Sitzung weht ein eisig kalter Nord, die Strassen sind gefroren & ca. 15 cm hoch mit Schnee bedeckt.

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 108/1 und P 915 (Anzeige in Rorschacher Zeitung, 24.02.1916)

Samstag, 7. Oktober 1916 – Herbstlicher Föhn am Zürichsee lässt Gras nochmals wachsen

Situationsbericht vom Zürichsee.

Die Blätter an Baum und Strauch verlieren ihr sanftes Grün; sie werden rot und braun und fallen bereits schon in reichlicher Zahl auf den Boden. Auch der Wald steht nicht mehr im grünen Schmucke da, auch er zeigt Herbstfärbung. Und die frohe, muntere Sängerwelt schart sich zusammen, um noch rechtzeitig hinüberzuziehen in die mildern Gefilde der südlichen Länder. Die Herbstzeitlose und die Herbstgentianen [-enzianen] sprossen in den Niederungen zahlreich hervor, als ob sie da wären, dem zu Ende gehenden Sommer und Herbst noch ein Abschiedskränzchen zu winden.

„Was lange währt, ist endlich gut!“ wird man im Hinblick auf die gegenwärtige Herbstwitterung ausrufen. Nach einer bereits einen Monat anhaltenden, höchst unerfreulichen, nasskalten und in den Berggegenden bereits winterlichen Witterung, sind seit einer Woche endlich die längstersehnten schönen und sonnigen Herbsttage mit voherrschender Föhnwitterung angebrochen.

Was indes den meisten Kulturen zum Schaden gereichte, die Nässe und Feuchtigkeit der Witterung des Vorherbstes, das ist doch wenigstens dem Graswuchs zugute gekommen. Die milde Herbstwitterung war nämlich für den Futterwachs in den Talschaften sehr günstig. Vielerorts konnte auf der gleichen Wiesenfläche drei und sogar vier Mal gemäht werden. Gegenwärtig ist man noch mit dem Dörren des dritten Schnittes beschäftigt, und sofern die warme Föhnwitterung anhält, kann in den Niederungen ein schönes Quantum Dürrfutter eingesammelt werden. Gleichzeitig hat das Vieh eine ergiebige Herbstweide. Nach übereinkommenden Berichten sind die Futtervorräte so bedeutend, dass sie für einen grössern Viehbestand vollkommen ausreichen.

Die Qualität des Obstes, namentlich diejenige des Frühobstes, ist nicht in allen Lagen befriedigend ausgefallen. Infolge des licht- und wärmearmen Sommers sind manche Fruchtarten ungenügend entwickelt und nicht vollkommen ausgewachsen und ausgereift. Sogar die in unserer Gegend vielverbreiteten und beliebten Teilersbirnen befriedigten hinsichtlich der Qualität nicht überall, und es war demnach angezeigt, beim Mosten dieser Birnen ein[en] Zusatz von sauren Aepfeln oder spätern Birnensorten beizugeben. – Im Reifestadium ist das Spätobst im Verhältnis zur Jahreszeit weit fortgeschritten, schon die spätern Sorten fallen stark und gehen der Reife entgegen. Immerhin ist es angezeigt, dass die Landwirte die Ernte des köstlichen Lager- und Winterobstes so lange wie möglich hinausschieben, sofern die Ernte qualitativ befriedigen soll.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 248/82 (St.Galler Bauer, 3. Jahrgang, Heft 40, 07.10.1916, S. 673-674) und ZOF 002/02.21 (Herbstweide, Bild aus der Diapositiv-Sammlung der Psychiatrischen Klinik Pfäfers, zwischen 1912 und 1925)

Samstag, 22. April 1916 – Der Schnee zertrümmert eine Gartenbank in der Sprach-heilschule

Tagebucheintrag von Emma Graf, Schülerin der Taubstummenanstalt St.Gallen (heutige Sprachheilschule St.Gallen), geboren 1900:

Am Montag war ein Herr von der Basler Volksversicherung da. Josephina Braun musste ein Schriftstück unterzeichnen. Die Mutter hat alle ihre Kinder versichert. Sie muss [für] jedes Kind jede Woche 50 Rp. Prämie in die Versicherung einbezahlen. Nach 15 Jahren bekommt jedes Kind 400 Franken. Wenn ein Kind vorher stirbt, bekommt die Mutter das Geld. Wenn die Mutter schon gestorben [ist], bekommen es die Erben.

Josephina Braun bekam am Dienstag eine Karte vom Expressgutbüreau, ein Korb sei für sie angekommen. Ein Knabe hat ihn abgeholt. Ich dachte, es sei ein leerer Waschkorb zum Einpacken von ihren Effekten. Heute über 8 Tage dampfen wir mit Sack u. Pack ab. Herr Bühr sagte zu Seppli, sie habe einen Korb bekommen. Diesen Ausdruck braucht man auch bildlich. Er sagte uns verschiedene Beispiele. Wenn man etwas anbiete u. man werde abgewiesen, so sage man, man habe einen Korb bekommen. Bei der Konfirmation schenkte Herr Bühr unseren Angehörigen den Wein ein. Elsis Schwester Anni wollte keinen Wein haben. Sie hat Herr[n] Bühr einen Korb gegeben.

Jetzt sind wir nicht mehr zu fünft in der Oberklasse, sondern zu siebent. Kurz vor unserem Austritt sind 2 neue Schüler noch eingetreten, ein gelbes Männchen u. ein gelbes Weibchen. Sie erzählen eifrig, was sie erlebt haben. Sie schnabulieren fleissig, was Rösli ihnen vorgesetzt hat. Es sind 2 Kanarienvögel. Sie sind kreuzfidel.

Diese Woche hat es ziemlich stark geschneit. Der Schnee rutschte auf dem Dach nach vorn. In der Nacht gefror er zu Eis. Am Morgen schien die Sonne einwenig. Die Schneemasse löste sich u. stürzte herab. Sie zertrümmerte eine Gartenbank. Wir können Gott danken, dass keine Person da unten stand. Sie wäre unfehlbar tot gewesen.

Frau Bühr kaufte für Seppli einen Hut. Herr Bühr sagte, wir sollen keinen grossen Wert auf das Äussere legen. Wir wollen aber auch nicht vernachlässigt aussehen.

Emma Graf schreibt nicht, womit die Kanarienvögel gefüttert wurden. Möglich wäre, dass man das Futter bei Emil Hausknecht besorgte.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 206 (Tagebuch) und ZMH 64/400 (Briefkopf)

Mittwoch, 22. März 1916 – Schutz vor dem Blitzzzzz

Kreisschreiben

des

Finanzdepartements des Kantons St.Gallen

an

sämtliche Gemeinderäte desselben

betreffend

die periodischen Blitzableiter-Untersuchungen im Jahre 1916.

Vom 22. März 1916.

Gemäss Art. 31 der Verordnung über die Erstellung und Beaufsichtigung der Blitzableiter vom 10. Mai 1912 sind innert der Frist von drei Jahren alle Blitzableiter einmal auf ihre Leitfähigkeit und äussere Beschaffenheit zu untersuchen. Das zuständige Departement bestimmt, in welchen Gemeinden in jedem einzelnen Jahre die Untersuchungen vorgenommen werden müssen (Art. 33).

[…]

1. Im Jahre 1916 ist die periodische Untersuchung der Blitzableiter in folgenden Bezirken durchzuführen: St.Gallen, Unterrheintal, Sargans, Obertoggenburg und Untertoggenburg.

[…]

2. Die Untersuchungen dürfen nur solchen Personen übertragen werden, welche vom Finanzdepartement als Blitzableiteraufseher patentiert worden sind und sich über den Besitz der erforderlichen Prüfungsapparate ausweisen.

Im weitern soll als Wahlbedingung verlangt werden, dass der Aufseher und sein Gehülfe sich gegen Unfall versichern.

[…]

5. Die Kosten der vom Finanzdepartement angeordneten periodischen Untersuchungen (Ziff. 1) werden von der kantonalen Brandversicherungsanstalt übernommen, und zwar nach Massgabe der provisorischen Gebührenordnung für die Blitzableiteraufseher vom 26. März 1913. Die Gebühren-Rechnungen sind dem Gemeinderate einzureichen, welcher sie prüft und mit seinem Visum versehen an das Finanzdepartement weiterleitet.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, ZA 001 (Auszug aus einem Kreisschreiben im Amtsblatt für den Kanton St.Gallen, 91. Jg., Bd. I, Nr. 12 vom 24. März 1916, S. 510-512) und ZMH 75/023 (Briefkopf eines kantonal patentierten Blitzableiter-Aufsehers von 1922)