Kubelwerke

Mittwoch, 8. August 1917: Diskussion über die Vergabe öffentlicher Aufträge

Beitragsbild: Zentrale der St.Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke Kubel mit Sitterviadukt der Bodensee-Toggenburg-Bahn (heute: Südostbahn), um 1910

Der Regierungsratsbeschluss Nr. 2023 aus dem Jahr 1917 befasste sich mit dem öffentlichen Vergabewesen:

Das Baudepartement macht darauf aufmerksam, dass nach einer Verfügung des Stadtrates St.Gallen wegen Kohlenmangels demnächst sämtliche Gastlampen da, wo elektrische Beleuchtung zur Verfügung steht, plombiert und ausser Betrieb gesetzt werden. Auch bestehe Gefahr, dass für nächsten Winter die Gasbeleuchtung allgemein derart eingeschränkt werde, dass die Einhaltung der ordnungsgemässen Bureauzeit nicht mehr möglich sei. Es empfehle sich daher, sowohl diejenigen Räume im Regierungsgebäude, die noch nicht elektricsh installiert sind, wie den Brühlgarten und eventuell die notwendigen Räume der Kantonsschule für die elektrische Beleuchtung einzurichten. Für das Regierungsgebäude werden sich die Kosten nach einem früheren Voranschlag auf Fr. 11,000.- stellen. Für den Brühlgarten und die Kantonsschule liegen noch keine Voranschläge vor.

Im Falle der Ausführung dieser Arbeiten müsse auch darüber entschieden werden, ob sie auf Grund der Submissionsverordnung der öffentlichen Konkurrenz zu unterstellen seien, oder gemäss Regierungsratsbeschluss vom 23. Januar 1917 (No 190) durch die St.Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke ausgeführt werden sollen. Gegen den letzteren Entscheid habe der Gewerbeverband der Stadt St.Gallen und Umgebung bekanntlich remonstriert unter Berufung auf ein von ihm eingeholtes Rechtsgutachten von Professor Blumenstein in Bern. Dieses Rechtsgutachten stelle sich auf den Standpunkt, die Verordnung über die Vergebung von Bauarbeiten durch den Staat schliesse eine freihändige Vergebung von Arbeiten, bei denen die in der Submissionsverordnung ausdrücklich vorgemerkten Umstände nicht zutreffen, aus. Für den Regierungsrat sei die Submissionsverordnung rechtsverbindlich, und es sei derselbe für so lange an diese Verordnung gebunden, als nicht eine Aufhebung derselben in Form der Verordnung erfolgte und publiziert wurde (vergleiche Fleiner a.a.O. S. 73). Auch von staatlichen Regiearbeiten könne bei einer Übertragung von Installationsarbeiten an die St.Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke nicht gesprochen werden, da diese nicht vom Staate selbst[,] sondern von einer Aktiengesellschaft betrieben werden.

Der Regierungsrat zieht hierauf in Erwägung:

1. Wie im Entscheid vom 23. Januar 1917 (No 190) ausgeführt wurde, kann der Regierungsrat nicht zugeben, dass die St.Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke kein staatliches Unternehmen seien. In demselben sind nur staatliche Mittel investiert, und der gesamte Reingewinn fliesst nur dem Staate zu. Sofern das materielle Recht in Betracht kommt, muss er sich daher die Kompetenz vorbehalten, die Kraftwerke den übrigen Staatsbetrieben gleich zu stellen. Bei Schaffung der Submissionsverordnung hat der Regierungsrat die Überweisung von staatlichen Arbeiten an Staatsbetriebe als Regiearbeiten,die laut Art. 1, Absatz 1, der Submissionsverordnung ausdrücklich gestattet sind, aufgefasst. Dies trifft nach dem vorher Gesagten auch für Arbeiten zu, die den Kraftwerken übergeben werden. Wenn der Rechtsgutachter des Gewerbeverbandes zu einem gegenteiligen Schluss gekommen ist, so ist das für den Regierungsrat irrelevant. Dieser ist in der vorliegenden Sache kompetent, eine authentische Interpretation zu erlassen.

2. Das schliesst nun aber selbstverständlich nicht aus, von Fall zu Fall zu erwägen, ob elektrische Installation trotz der Möglichkeit, sie auf dem Wege des Regiebetriebes auszuführen, dem öffentlichen Wettbewerb zu unterstellen sei. Im vorliegenden Falle erscheint wegen der Dringlichkeit der Arbeit und der Schwierigkeit der Materialbeschaffung eine Arbeitsteilung als wünschenswert. Der gleiche Grund schliesst jedoch wieder die Veranstaltung eines allgemeinen Wettbewerbes aus.

In Würdigung dieser Umstände wird vom Regierungsrat beschlossen:

1. Das Baudepartement sei beauftragt, die im Regierungsgebäude, im Brühlgarten und in der Kantonsschule notwendigen elektrischen Installationen beförderlichst ausführen zu lassen, und es sei ihm hiefür der nötige Kredit erteilt.

2. Die Arbeiten im Regierungsgebäude seien den St.Gallisch-Appenzellischen Kraftwerken zu übertragen, währenddem die Installationen in der Kantonsschule und im Brühlgarten auf dem Wege der engeren Konkurrenz an qualifizierte Privatfirmen vergeben werden können.

Protokollauszug an das Baudepartement zum Vollzug.

Protokollauszug an das Finanzdepartement.

Protokollauszug an die Staatskassaverwaltung.

Turbinensaal der Zentrale Kubel

Einblick in den Turbinensaal der St.Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke im Kubel, ca. 1903. Im Hintergrund sieht man eine 1000 PS-Turbine. Ab 1907 betrieb das Unternehmen eine Dampfturbine mit einer Leistung von 3000 PS. Die kleinere Anlage wurde 1925, die grössere im Jahr 1931 ausser Betrieb genommen. Als Ersatz wurde 1933 auf eine 22’200 PS-Dieselanlage mit eigener Halle umgestellt. Der Treibstoff für diese grosse Anlage wurde jeweils per Bahn geliefert und über eine lange Schlauchanlage von der Sitterbrücke (s. Beitragsbild) ins Werk hinunter gepumpt.

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, ARR B 2 (RRB 1917/2023, Text) sowie B 001/6-1.1-05 und B 001/6-1.1-16 (Bilder aus dem Archiv der SAK)

Tabelle Anbaustatistik

Freitag, 3. August 1917 – Anbau-statistik für den Kanton St.Gallen

Was im Protokollbuch der St.Galler Regierung in einer doppelseitigen statistischen Übersicht detailliert ausgewiesen wurde, fasste der Staatsschreiber im Entscheid mit der Nummer 1969 folgendermassen zusammen:

Unter Bezugnahme auf die Verhandlungen vom 15. Juni abhin (No. 1515) unterbreitet das Volkswirtschaftsdepartement dem Regierungsrate die Zusammenstellung des kantonalen Gesamtergebnisses der zufolge Verfügung des Bundesrates vom 16. Mai 1917 in der letzten Zeit durchgeführten Anbau-Statistik pro 1917; hiernach hat sich, um lediglich einige der wesentlichsten Zahlen anzuführen, für den Kanton eine Gesamtanbaufläche von 3175 ha [58 a und 18 m2] ergeben, wovon zirka 1546 ha auf Kartoffeln, zirka 46 ha auf Bohnen und Erbsen und zirka 70 ha auf Kabis und ähnliche Gemüsearten entfallen und die Zahl der Produzenten sich auf 13860 beziffert. Der Regierungsrat nimmt davon Vormerkung zu Protokoll und verfügt die Übermittlung der mit dem regierungsrätlichen Bestätigungsvermerk zu versehenden Übersichtstabelle an das schweizerische Statistische Bureau, Abteilung Anbaustatistik, mit folgendem Begleitschreiben:

«Unter Bezugnahme auf Art. 12 des Bundesratsbeschlusses vom 16. Mai 1917 betreffend die schweizerische Anbaustatistik beehren wir uns, Ihnen beiliegend die mit unserem Bestätigungsvermerk versehene Zusammenstellung des kantonalen Gesamtergebnisses der in der letzten Zeit durchgeführten Anbaustatistik pro 1917 zu übermitteln.»

Protokollauszug an das Volkswirtschaftsdepartement.

Auch die Rückseite der Tabelle ist mit Zahlen gespickt. Anbauflächen und Produzenten wurden nach Bezirk einzeln aufgeführt. Unterschieden wurde nach 1.) Hackfrüchten, 2.) Gemüse, 3.) Handelspflanzen sowie 4.) Vor-, Zwischen- und Nachfrüchten und 5.) Kulturen in Gärten über 50 m2, auf Pflanzplätzen und auf Notstandspflanzland.  Zu den Hackfrüchten zählten: Kartoffeln, Runkelrüben (Viehfutter), Zuckerrüben, Kohlrüben, weisse Rüben und gelbe Rüben. Beim Gemüse sind Kabis, Rotkohl, Köhli, Blumen- und Rosenkohl sowie Andere Gemüsearten aufgeführt. Bei den Handelspflanzen unterschied man Ölpflanzen (Raps, Rübsen und Mohn), Gespinnstpflanzen (Flachs und Hanf) sowie Zichorien und Tabak. Bei den Vor-, Zwischen- und Nachfrüchten waren nochmals weisse und gelbe Rüben sowie Weitere Gemüse genannt. Auf den Kulturen in grossen Gärten und auf Pflanzplätzen wurden vorwiegend Kartoffeln, Bohnen und Erbsen sowie als dritte Kategorie Kabis und verschiedene Kohlarten angebaut.

Anbaustatistik, Rückseite

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, ARR B 2 (Regierungsratsprotokoll Nr. 1969 vom 03.08.1917)