Kreisschreiben des Regierungsrates des Kts. St.Gallen an die Bezirksämter, Gemeinderäte und Polizeiorgane desselben betreffend Sicherung der Kriegsgewinnsteuer.
Vom 18. November 1916.
Gemäss Aufforderung der eidgenössischen Kriegssteuerverwaltung verordnen wir gestützt auf die uns mit Beschluss vom 15. September 1914 erteilte ausserordentliche Vollmacht zur Sicherung der Kriegsgewinnsteuer bei Personen ohne festen Aufenthalt, in Abweichung von Art. 5 des Fremdenpolizeigesetzes vom 19. Juni 1899, was folgt:
1. Bei der Gemeinderatskanzlei haben sich neben den bereits hiezu nach Art. 5 des Fremdenpolizeigesetzes Pflichtigen alle diejenigen anzumelden, die sich in Gasthöfen, Kuranstalten und dergleichen, oder auch bei Verwandten oder Bekannten wenigstens zwei Tage aufhalten, ohne anderswo in der Schweiz als Aufenthalter oder Niedergelassene eingetragen zu sein.
Mit der Anmeldung sind die nötigen Heimats- und Wohnortsausweise zu deponieren.
2. Für diese Anwendung sind verantwortlich:
a) die Gasthofbesitzer, Pensionshalter ec. [etc.], überhaupt alle, bei denen diese Personen Wohnung oder Verpflegung nehmen.
b) Personen zu denen diese Fremden in ein Anstellungsverhältnis treten.
3. Von der Anmeldung sind befreit:
a) Schweizer in amtlichen Missionen oder militärdienstlicher Stellung.
b) Schweizer, welche in einer öffentlichen Armen- oder Krankenanstalt untergebracht sind.
4. Die mit der Fremdenpolizei betrauten Amtsstellen und Polizeiorgane haben für lückenlose Durchführung dieser Vorschriften zu sorgen, dabei aber unnötige Schikane gegen Fremde und Einheimische zu vermeiden.
5. Die Gemeinderatskanzlei hat diese Anmeldungen der Gemeindesteuerbehörde zu überweisen und diese wird, wenn eine Kriegsgewinnsteuer in Frage kommen kann, das weitere veranlassen.
Insbesondere dürfen in diesem Fall die Heimatsausweise nicht zurückgegeben werden, bevor die Kriegsgewinnsteuer sichergestellt ist. Liegt begründeter Verdacht vor, dass Steuerflucht beabsichtigt ist, so ist dem Finanzdepartement Anzeige zu machen.
6. Übertretungen dieser Verordnung werden vom Gemeinderat in analoger Anwendung von Art. 25 des Fremdenpolizeigesetzes gebüsst.
St.Gallen, den 18. November 1916.
Der Landammann:
Dr. G. Baumgartner.
Im Namen des Regierungsrates,
Der Staatsschreiber;
Dr. G. Müller.
Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, KA R.102-1a-4 (Kreisschreiben des Regierungsrates des Kantons St.Gallen) und ZMH 64/402 (Schreibmaschine, Auszug aus einem Briefkopf der Firma Julius Ochsner, Schützengasse 4, St.Gallen von 1919)