Dienstag, 5. Dezember 1916 – „ein roher verdorbener Bursche […], der nur durch eine längere Strafe gebessert werden kann.“

Kurzlebenslauf und Straftat eines Zuchthaussträflings, in die Strafanstalt St.Jakob in St.Gallen eingetreten am 5. Dezember 1916, ausgetreten am 4. Dezember 1920, verurteilt wegen schwerer Körperverletzung.

Der Gefängnisdirektor hielt in den sogenannten Stammbüchern neben einem allgemeinen Signalement, den Vermögensverhältnissen, dem Gesundheitszustand und der Art des Verbrechens u.a. auch die Lebensgeschichte eines jeden Häftlings fest. Ausserdem legte er Zeugnis über das Betragen während der Haft ab. Der Verurteilte wurde in der Schuhmacherei beschäftigt. Seine Arbeitsleistung sei befriedigend, das Betragen sehr gut gewesen. Es ist anzunehmen, dass die Sträflinge gröberes Schuhwerk bearbeiteten, als der „Fortschrittsstiefel“ für Damen im Briefkopf der Firma Conrad Müller in St.Gallen ausweist.

Leg. [legitim, d.h. ehelich] geboren, den 21. Sept. 1899 in Luzern. Der Vater […], Taglöhner, ist 1906 gestorben, die Mutter […] wohnt noch dort. Er hat 8 Brüder & 3 Schwestern, je 1 davon verheiratet. Die Erziehung soll recht gewesen sein.

Nach Austritt aus der Schule, die er in Luzern mit mittlerem Erfolg besuchte, ging er ¼ Jahr in eine Nietenfabrik & bekam [sic] dann als Handlanger mit einem Stundenlohn von 46 Rp. in das Baugeschäft Keller in Luzern ein, in dem er bis zu der am 27. Sept. 1916 dort erfolgten Verhaftung in Arbeit stand.

Vorstrafe: 1915 Dezb. 10. Statthalteramt Luzern, Diebstahl, 10 Tage Gefängnis.

Ausserdem erhielt er wegen Belästigung von Militärwachen, Skandal, Misshandlung, Streit, Ruhestörung & Schlägerei 9 Polizeibussen von 3 bis 9 Fr.

Anklage: Am 22. September 1916 reisten […] & sein Verwandter (Schwagersbruder) […] von Luzern nach Küssnacht, wo sie nachmittags, nachdem sie unterwegs verschiedene Wirtschaften besucht hatten, ankamen & wieder an diversen Orten einkehrten, so im Restaurant „Bahnhof“, wo […] aus dem Büffet 7 bis 8 Fr. entwendete, was sofort entdeckt wurde. Nun nahmen sie Reissaus & auf der Flucht stahl […] abends ca. 9 Uhr ein vor dem Gasthaus zu den „Dreikönigen“ stehendes Velo, um dem vorausgeeilten […] nachzufahren.

Dieser hatte unterdessen den von Bischofswil heimkehrenden Arbeiter […], mit dem er in der Dunkelheit zusammengestossen war, angefallen, misshandelt & über den Strassenrand bei Langwies hinuntergeworfen. […] will hiebei mit einem Schlagringe über das linke Auge geschlagen worden sein. Der Beklagte bestreitet, einen solchen gehabt zu haben, gibt aber zu, dass er dem […] mit dem geschlossenen Messer einen Streich versetzt haben könnte. Weil er „voll“ gewesen sei, könne er sich nicht mehr genau daran erinnern.

Während der Misshandlung war auch […] (geb. 1893) herbeigekommen, der geständigermassen mit seinem Veloschlüssel dem […] Streiche versetzte. Dieser wurde sehr schwer verwundet, blutete aus Nase & Mund, hatte laut ärztlichem Gutachten schwachen & unregelmässigen Puls & starke Quetschungen am Kopfe; Nasenbein & Nasenknorpel waren gebrochen.

Später konstatierte der Arzt vollständige Durchtrennung der Hornhaut & zerrissenen Augapfel, was dessen vollständigen Verlust durch operative Entfernung zur Folge hatte. Das schon 1894 durch Operation vom Star geheilte rechte Auge müsse neuerdings operiert werden. […] erklärt, er habe vom zweiten Angreifer 2 Schläge auf den Hinterkopf erhalten.

Die Tat des […] ist eine so ruchlose, dass derselbe trotz seiner Jugend hart bestraft werden muss. Aus seinem Vorstrafenverzeichnis ergibt sich, dass er ein roher verdorbener Bursche ist, der nur durch eine längere Strafe gebessert werden kann. In Bestätigung des kriminalgerichtlichen Erkenntnisses vom 24. November 1916, gegen welches […] appellierte, wurde dieser als der schweren Körperverletzung schuldig (nicht angefochten Zivilentschädigung an […] 3000 Fr., nämlich 300 Fr. für totale Arbeitsunfähigkeit vom 21. Sept. bis 21. Novb. 1916, 200 Fr. für Arzt- & Spitalkosten & 2500 Fr. für bleibenden Nachteil) vom Kantonsgericht Schwyz in Anwendung von §64 K. ST.G. am 4. Dezember verurteilt zu einer

Zuchthausstrafe von vier Jahren,

unter Abzug der Untersuchungshaft.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, KA R.86 B 5, Band 1912-1919 (Stammbuch der Strafanstalt St. Jakob) und ZMH 64/311 (Ausschnitt aus Briefkopf)

Mittwoch, 22. November 1916 – Begnadigung eines zum Tod Verurteilten

Tagebucheintrag von Josef Scherrer-Brisig (1891-1965), Sekretär des Schweizerischen Christlichen Textilarbeiterverbands (1910-1916) später Kantonsrat und Nationalrat sowie Mitbegründer der Christlichsozialen Bewegung:

Grosser Rat – Sitzung.

Begnadigung des Mörders Eichmann von Uznach. Ich stimmte gegen die Begnadigung,

um für die Todesstrafe zu demonstrieren.

Mit 145 gegen 37 Stimmen wandelte das Kantonsparlament die vom damaligen Strafgesetz für Mord vorgesehene Todesstrafe in eine lebenslängliche Zuchthausstrafe um. Es handelte sich dabei nicht um einen Bauchentscheid: Die Ratsmitglieder konnten zuvor Einsicht in die Strafakten nehmen. Zudem waren das kantonsgerichtliche Urteil, das Begnadigungsgesuch des Verurteilten sowie die Botschaft des Regierungsrates allen Ratsmitgliedern zugestellt und im Rat verlesen worden.

Der 36-jährige Josef Anton Eichmann hatte am 15. August 1916 in einem Waldstück seinem sechsjährigen Sohn die Kehle durchschnitten. Um sich nicht verdächtig zu machen, beteiligte sich Eichmann eifrig an der folgenden Suchaktion. Als das tote Kind gefunden wurde, vermutet die Polizei als Tatmotiv zuerst einen Lustmord, begangen von einem Landstreicher. Eichmanns Inszenierung misslang indes und bereits am 19. August wurde er in Haft gesetzt. Zwei Tage später gestand Eichmann die Tat. Als Motiv gab der in ärmlichsten Verhältnissen lebende Fabrikarbeiter an, dass ihn das Benehmen des Knaben häufig gereizt und aufgeregt habe. Der kleine Josef habe ihm nicht mehr gehorcht und hätte ihn „auch gar viel angelogen“. Eichmann hatte sich schon längere Zeit überlegt, wie er den ungeliebten Sohn loswerden könnte. Unmittelbarer Auslöser der Tag war Eichmanns Wut darüber, dass Josef jun. nicht zum vereinbarten Zeitpunkt vom Beerensuchen heimkehrte und er ihn im Wald suchen gehen musste.

Die latente Tötungsabsicht von Eichmann und die ihm bescheinigte volle Zurechnungsfähigkeit könnten Josef Scherrer bewogen haben, im Rat gegen eine Begnadigung zu stimmen. Im Gegensatz zu Scherrer erkannte der Regierungsrat jedoch eine Reihe von Milderungsmomenten, die nach Ansicht des Gremiums eine Strafumwandlung rechtfertigten: Eichmann war nicht vorbestraft, lebte unauffällig und galt als fleissig, verfügte über einen guten Leumund und zeigte Reue. Laut der Botschaft des Regierungsrates habe „die Herkunft, die Erziehung und der Lebensgang des Verurteilten offenbar wesentlich dazu beigetragen, dass er so tief sinken konnte.“ Schon der Vater des Täters sei wie sein Sohn „geistig schwach begabt“ gewesen und die Mutter eine Trinkerin. Nachdem Eichmann als Sechsjähriger Vollwaise geworden war, wuchs er im Armenhaus auf.

Als er als Erwachsener selber Familienvater geworden war, überforderte ihn die Erziehung des kleinen Josef und dessen jüngerer Schwester zunehmend. Eichmann brachte seine Kinder deshalb auf eigene Kosten im Bezirkswaisenhaus unter. Mangels Geld musste er die Kinder aber schliesslich wieder in seinen Haushalt zurücknehmen: „Offenbar“ – so der Regierungsrat – „trug dann seine geistige Rückständigkeit und Unbeholfenheit wesentlich dazu bei, dass er keine andern geeigneten Mittel fand, um den Knaben auf bessere Wege zu bringen und schliesslich auf den schrecklichen Gedanken kam, ihn zu beseitigen.“

Das nächste und letzte Todesurteil im Kanton St.Gallen wurde erst 1938 gesprochen. Auch hier wurde der Doppelmörder Paul Irniger schliesslich begnadigt, 1939 im Kanton Zug aber wegen einem anderen Mord verurteilt und mit der Guillotine hingerichtet.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 108/1 (Tagebuch), GA 002/376 (Gerichtsakte Eichmann: Fingerabdrücke eines fälschlicherweise verdächtigten, „übelbeleumundeten Vaganten“)

Donnerstag, 2. November 1916 – Gestohlen: 100 Liter Milch, eine Mandoline, Kinderkleider, Herrenschuhe und ein Kaninchen

Diebstahlsanzeigen.

Es wurden entwendet:

1833) In St.Gallen, an der Löwengasse, der Frau Lauber in der ersten Hälfte vorig. Mts.: 1 Mandoline. Wert Fr. 60.-

[…]

1835) Ebendaselbst, auf dem Bahnhofplatz, dem Milchlieferanten Huber am 21. vorig. Mts.: 1 Kanne mit 50 l Milch, bezeichnet mit „Franz Huber“. Wert Fr. 25.-

1836) Ebendaselbst, ebenfalls auf dem Bahnhofplatz, am 24. vorig. Mts.: den Milchlern Jakob Tobler und Robert Diem 50 l Milch. Wert Fr. 13.-

1837) Ebendaselbst, an der Konkordiastrasse, ab einer Treppe im Freien, der Frau Lustig am 14. vorig. Mts.: 1 gestricktes, braunes und 1 grünes Kinder-Tuchjackett, sowie 1 rotes Plüschhäubchen und 1 blaue Tellermütze. Wert Fr. 25.-

Anzeige an das Polizei-Untersuchungsamt der Stadt St.Gallen.

1838) In Wittenbach-Erlacker, der Familie Scheiwiller Ende September abhin: 1 Paar bereits neue Herren Schnürschuhe, Nr. 42, stark genagelt, an den Absätzen je 3 Sohlenschützer. Wert Fr. 18.-

Anzeige an das Gemeindamt Wittenbach.

1839) In Straubenzell, am Lerchenweg, dem Adolf Frischknecht, aus dessen Kaninchenstall am 25. vorig. Mts.: 1 grosses, schwarzweisses, weibliches Kaninchen, franz. Widder. Wert Fr. 10.-

Anzeige an das Polizeikommissariat Straubenzell.

[…]

Bekanntmachungen.

1841) In Gossau wurde im Höfrigwalde am 14. vorig. Mts. eine durch Schrotschuss getötete Rehgeiss in frischem Zustande aufgefunden.

Anzeige an das Gemeindamt Gossau.

Zugelaufen:

1842) In Uzwil, dem Coiffeur Unger am 24. vorig. Mts.: 1 Jagdhund, weiblich, 27 cm hoch, dunkelbraun, vorn gelbbraune Abzeichen.

Anzeige an das Gemeindamt Henau.

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, ZA 261 (Auszug aus dem St.Galler Polizeianzeiger, Bd. 16, Nr. 33, S. 129f.)

Donnerstag, 17. August 1916 – Polizeianzeiger: Entweichung aus der Armenanstalt, Kaninchen-diebstahl und Vernachlässigung von Familienpflichten

Ausschreibungen.

1350) Stieger, Jakob, von Oberriet, Taglöhner, geb. 1870 (gültig ausgeschrb. Bd. 14 Beil. 1 Ziff. 160); ist des Betruges und der Unterschlagung von Fr. 29.- beklagt; soll dem Polizeiuntersuchungsamt der Stadt St.Gallen zugeführt werden.

1351) Graf, Emil, von Rebstein, Sticker, geb. 1880 (gültig ausgeschrb. Bd. 9 Ziff. 4755); ist der Vernachlässigung seiner Familienpflichten beklagt; soll dem Polizeikommissariat Rorschach zugeführt werden.

1352) Gemperle, Jakob, von Hemberg, Taglöhner, geb. 1876 (gültig ausgeschrb. Bd. 15 Beil. 3 Ziff. 523); ist aus der Armenanstalt entwichen; soll dem Gemeindamt Hemberg zugeführt werden.

1353) Müller, Johannes, von Heiden, Appenz. A.-Rh., Taglöhner, geb. 1871 (zul. Bd. 15 Ziff. 230); ist des Diebstahls von 2 Kaninchen im Werte von Fr. 5.- beklagt; soll dem Polizeikommissariat Straubenzell zugeführt werden.

 Polizeianzeiger

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, ZA 261 (St.Galler Polizeianzeiger, Bd. 16, Nr. 25, S. 97) und W 238/03.06-10 (Rebstein um 1910, Auszug aus einer Neujahrskarte, gestaltet von Adolf Sprenger, Dessinateur)

 

Samstag, 12. August 1916 – Aufenthaltsausforschungen im Polizeianzeiger

Aufenthaltsausforschungen.

1315) Elser, Friedrich Justin, von Gossau, St.Gallen, Küfer und gew. Mineralwasserfabrikant, geb. 1874 (gültig ausgeschrieben Bd. 15 Ziff. 1950);

1316) Elser, Friedrich Justin, von Gossau, geb. 1898; sollen beide, ersterer wegen Vaterschaftsklage und letzterer in einer Vormundschaftsangelegenheit[,] einvernommen werden; und

1317) Gröbli, Albertina, von Henau, Dienstmädchen, geb. 1890, eher klein, schlank, hat dunkelblonde Haare, oben vermutlich künstliche Zähne, schmales, blasses Gesicht, etwas nach vorn geneigten Gang, schüchternes Benehmen, spricht hiesigen Dialekt, trägt vermutlich stahlblaue Bluse mit kleinen Blümchen und dürfte ohne Kopfbedeckung sein; hat sich am 19. Juli abhin von ihrer Dienststelle unbekannt wohin entfernt und wird seither vermisst.

Anzeige an das Polizeikommissariat Tablat.

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, ZA 261 (Auszug aus den Aufenthaltsausforschungen im St.Galler Polizeianzeiger, Bd. 16, Nr. 24, S. 95f.)

Dienstag, 20. Juni 1916 – Tätowierter stiehlt Kupferdraht und demontiert Blitzableiter

Der Leiter des Arbeitshauses hielt in den sogenannten Stammbüchern neben einem allgemeinen Signalement, den Vermögensverhältnissen, dem Gesundheitszustand und der Art des Vergehens u.a. auch die Lebensgeschichte eines jeden Inhaftierten fest. Der folgende Lebenslauf dokumentiert die Lebensumstände eines Arbeitshaussträflings, der wegen qualifiziertem Diebstahl im 7. Rückfall verurteilt worden war. Am 20. Juni 1916 trat er seine Strafe an, am 19. Juni 1917 wurde er entlassen.

Leg. Geboren, den 9. Novb. 1887 in Lachen, Kt. Schwyz. Der Vater […], Schreiner, ist 1902 gestorben; die Mutter […] wohnt in Uznach. Er hat einen ledigen Bruder & 2 verheiratete Schwestern. Die Erziehung war mangelhaft.

Nachdem er die Primarschule in Uznach, 2 Klassen repetierend, [mit] mittelmässigem Erfolg besucht hatte, musste er schon als Ergänzungsschüler [Unterricht nach der obligatorischen Schulzeit] in die dortige Färberei, in welcher er bis zum 18. Jahre arbeitete.

Dann kam er als Handlanger in eine Sägerei in Gommiswald & blieb dort, den Beruf als Säger erlernend, 2½ Jahre in Stellung. Seither betätigte er sich teils als Säger, teils als Handlanger & Taglöhner in Rüti Kt. Zürich, Sihlbrugg, Uznach, Elgg & Lachen; im Frühjahr 1916 kam er zu Bauern in den Seebezirk & am 24. Mai wurde er in Uznach verhaftet.

Vorstrafen: [Diverse, u.a. wegen Übertretung des Fischereigesetzes, Einbruchs und Velodiebstahls]

Anklage: […] ist geständig, in den Gemeindalpen von Rieden Kupferdraht von Blitzableitern entwendet zu haben. Er sei zu diesem Zwecke 3-4 Male, zuletzt am 15. Mai in die Alpen hinaus gegangen, habe mit einer Zange die Drähte abgezwickt & diese in Stücke von 40 bis 50 cm zerschnitten. Einen Teil wand er auch zu einem Knäuel, versorgte diesen in seinem Rucksack & trug das Kupfer nach Uznach, um es an Ferd. Garbbaccio & an den Schneider Niederist zu veräussern. Dabei gab er vor, den Draht von Bauern in Kaltbrunn gekauft zu haben; den Erlös verbrauchte er für sich.

Von dem auf 180 Fr. geschätzten Kupferdraht konnte ein Teil im Werte von ca. 30 Fr. der geschädigten Ortsgemeinde Rieden wieder zugestellt werden.

Im April a.c. stahl der Beklagte dem Taglöhner Dom. Tremp bei der Spinnerei Uznaberg, für welche dieser „Büscheli“ zu machen hatte, 1 Beil, 1 Schürze & Eisendraht im Werte von zusammen 13 Fr. Tremp liess jeweilen abends sein Werkzeug auf dem Arbeitsplatze & als er am 10. April wieder auf diesen kam, fehlten ihm die besagten Gegenstände, fur [für] welche [Name des Sträflings], über deren Herkunft ebenfalls falsche Angaben machend, von einem Julius Oberholzer zugegebenermassen 4 Fr. & einen Schlegel Schnaps [erhalten hatte].

Weitere Diebstähle von Kupferdraht aus Toggenburgeralpen, die zu gleicher Zeit ausgeführt wurden, stellt er entschieden in Abrede & kann diesfalls der Schuld nicht überwiesen werden.

Die fortgesetzten Diebstähle sind qualifiziert & durch das Demolieren der Blitzableiter erwuchs der Geschädigten ohnehin eine erhöhte Gefahr.

Straferschwerend ist zu berücksichtigen, dass es sich um 2 verschiedene Fälle handelt & dass der Angeklagte nicht nur wegen Diebstahl 7mal rückfällig, sondern auch noch anderweitig vorbestraft ist.

Verhandlung des Bezirksgerichts Gaster, den 19. Juni 1916 & Verurteilung […], als des qualifizierten Diebstahls im VII. Rückfalle schuldig, in Anwendung von Art. 58, bezw. 59 Ziff. 1 lit., 36 & 39 des Str.G. zu einer

Arbeitshausstrafe von einem Jahre.

Der Verurteilte wurde im Arbeitshaus mit Korbflechten beschäftigt. Seine Arbeitsleistung sei befriedigend gewesen, das Betragen angehend. Wegen Unfugs entzog man ihm am 8. April 1917 eine Mittagssuppe. Als Besondere Kennzeichen sind vermerkt: Schielt rechts, wagrechte [sic] Narbe 5 cm lang auf der Stirn an der Haargrenze; Tätowierung 9 cm über der r. Armbeuge aussen i.A.W.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, KA R.86, B, Band 1909-1916 (Stammbuch des Arbeitshauses) und W 238/06.07-06 (Bild der Spinnerei Uznaberg auf einer Ansichtskarte von 1901 (unten links): Einem Taglöhner, der für die Fabrik „Büscheli“ (Reiswellen) machen sollte, stahl der Angeklagte das Werkzeug)

 

 

Donnerstag, 15. Juni 1916 – In Weesen gestohlen: 7 Hühner und 1 Hahn

Diebstahlsanzeigen.

Es wurden entwendet:

938) In St.Gallen, an der Gallusstrasse, der Anna Dürr am 21. vorig. Mts.: 1 silberne Damenuhr mit Goldrand und arabischen Zahlen, sowie 1 goldene Halskette mit feinen Gliedern.

Gesamtwert Fr. 50.-

939) Ebendaselbst, an der gleichen Strasse, dem J. Brauchle am 30. vorig. Mts.: 2 grosse und 2 kleine Porzellanplatten.

Wert Fr. 7.50.

[…]

942) Ebendaselbst, an der St.Georgenstrasse, dem Coiffeur Idda vom 21./22. vorig. Mts.: 1 eisernes Rohr. Wert Fr. 5.-

[…]

944) Ebendaselbst, an der Gartenstrasse, dem Buchdrucker Schwald Ende vorig. Mts.: 1 Anzahl vierkantige Messingstücke.

Wert Fr. 100.-

[…]

946) Ebendaselbst, beim Unionplatz, dem Jos. Müller am 24. April abhin: 1 Kistchen, enthaltend 10 kg weisses Reinigungspulver. Wert Fr. 18.-

[…]

Anzeige an das Polizeiuntersuchungsamt der Stadt St.Gallen.

[…]

948) In Weesen, der Mathilda Falk, im „Höfle“ mittelst Einbruchs in der Nacht vom 8./9. ds. Mts.: 7 Hühner und 1 Hahn. Wert Fr. 33.-

Anzeige an das Bezirksamt Gaster in Benken.

Polizeianzeiger

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, ZA 261 (Auszug aus den Diebstahlsanzeigen im St.Galler Polizeianzeiger, Bd. 16, Nr. 18, S. 69f.) und ZOF 002/05.25 (Weesen um ca. 1915, Diapositivsammlung der Psychiatrischen Klinik St.Pirminsberg, Pfäfers)

Donnerstag, 8. Juni 1916 – Wanted!

Aufenthaltsausforschungen.

880) Seiler, Johann, nennt sich vielleicht Grämer, Johann, von Gommiswald, geb. 1900. 145-150 cm gross, hat hellblonde Haare blasses, mageres Gesicht, trug dunkle, gesprenkelte Kleidung und grünen Hut; ist von seinem Versorgungsort entlaufen.

Schonende Anhaltung und Zuführung in Zivil an das Gemeindamt Gams.

881) Bürgi, Robert, von Lütisburg, Wagner, geb. 1876; sollte wegen Vernachlässigung seiner Familienpflichten einvernommen werden.

Anzeige an das Gemeindamt Lütisburg.

881 Hollenstein, Johann Jakob, genannt Hans, von Mosnang, Commis, geb. 1895; sollte wegen Betruges einvernommen werden

Anzeige an das Gemeindamt Flawil.

883) Nachtrag zu Ziff. 854 lfd. Bds. Thomann ist im Jahre 1888 nicht 1889 geboren.

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, ZA 261 (St.Galler Polizeianzeiger, Bd. 16, Nr. 17, S. 65)

Freitag, 2. Juni 1916 – Die Polizei sucht nach Vandalen

Bekanntmachungen.

Eigentumsbeschädigungen:

845) In St.Gallen, beim Restaurant „Harfe“, wurde zum Nachteile von Wirt Bötsch am 21. vorig. Mts. 1 Fensterscheibe eingeworfen.

Anzeige an das Polizei-Untersuchungsamt der Stadt St.Gallen.

846) In Widnau wurden in letzter Zeit zum Nachteile der Telephonverwaltung eine grössere Anzahl Porzellan-Isolatoren der dortigen Telephonleitung böswilligerweise demoliert.

Für die Entdeckung der Täterschaft setzt die Damnifikatin eine Belohnung von Fr. 10.- aus.

Anzeige an das Bezirksamt Unterrheintal.

Polizeianzeige

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, ZA 261 (Bekanntmachungen im St.Galler Polizeianzeiger, Bd. 16, Nr. 16, S. 62) und W 276/03.05-01 (Widnau, ca. 1919)

Montag, 21. Februar 1916 – Ein Schuhdieb wird gesucht

274) Unbekannter, 22-24 Jahre alt, anscheinend Metzger, ca. 165 cm. Gross, ziemlich besetzt, hat blonde Haare, dito Schnurrbärtchen, spricht hiesigen Dialekt, trug gelbbraune Kleidung und gelbe Metall-Uhrkette; ist des Diebstahls von 3 Paar Schuhen, wovon eines beigebracht, im Wert von Fr. 50.- beklagt; sollen beide dem Polizeiuntersuchungsamt der Stadt St.Gallen zugeführt werden.

Wer sich auf redlichem Weg mit Schuhen eindecken wollte, konnte sich bei Conrad Müller, Chaussures, zum «Weinfalken» am Marktplatz eindecken. Die Fortschritt-Stiefel gab es in St.Gallen nur bei Müller zu kaufen. Im Angebot waren auch Gummi-, Turn- und Holzschuhe, Anfertigungen nach Mass sowie Schuhreparaturen, die gemäss dem Briefkopf der Firma prompt ausgeführt werden.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, ZA 261 (Ausschreibung im St.Galler Polizeianzeiger, Bd. 16, Nr. 6, S. 21), ZMH 64/311 (Briefkopf der Firma Conrad Müller)