Riklin Bild, Skizze

Freitag, 17. August 1917 – Schweizer Ärztemission für England geplant

Der Psychiater Franz Beda Riklin sollte im Rahmen einer Schweizer Ärztedelegation in England Gefangenenlager besuchen. Im Brief an seine Frau ist beschrieben, wie sich die Pläne für die Organisation dieser Mission konkretisierten:

Küsnacht/Zch, den 17. Aug. 1917.

Liebster Schatz!

Vielen Dank für Deinen lieben Brief. De La Harpe [Armeearzt, mit dem Riklin während seiner Zeit in Château d’Oex zu tun gehabt hatte] hat mir mitgeteilt, dass es sicher noch wenigstens drei Wochen gehe. Ich reise wahrscheinlich mit Genfer Collegen, u. zwar solchen, die schon einmal drüben waren. Man geht so vor, halb alte u. halb neue, weil es so besser gehe wegen der conservativen Engländer.

Der Elektriker war da, hat Herd u. Heizkörper gebracht. Monti[e]rt wird erst in etwa 8 Tagen. Ich habe ihm alles erklärt. Es wird noch ein Draht von unten gezogen.

Gestern war ich bei Maria Moltzer zum Nachtessen u. habe nun extra mir die Bilder einmal angesehen. Man könnte vieles davon schon deutsch sagen!

Sonst nichts Besonderes, als dass ich auf einmal, am letzten Tage, nochmals in die Hodlerausstellung ging; aber es war eine grässliche Populace [sic, Publikum] da u. ich ging bald wieder; ein Einbruch der Masse (nicht des Volkes) auch Frau Sigg war da! Sie ist eine entsetzliche Figur wie immer; ich habe sie am Seil heruntergelassen, aber sie ist eigentlich von einem Hochmut der Dummheit beseelt. «Hodler müsste jedenfalls als Lehrer auch fein sein.»

Das Bild rückt; hier der Stand der Fläche; darf ichs [sic] noch fertig machen? Etwa zwei Tage. [vgl. Beitragsbild, im Original ca. 2,5 mm x 2,5 mm gross, vgl. auch die Abbildung im Beitrag vom 14. August]

Ich lasse die lieben Kinder recht herzlich grüssen, besonders auch Franzli. Wir haben also schon noch Zeit, uns etwas zu sehen.

Hier gibt›  [sic] viel Früchte zum Einmachen u. Bohnen zu trocknen: Pfirsiche, Pflaumen, Birnen, Mirabellen; die Zwetschgen fangen auch an.

Ich weiss jetzt mit äusserster Wahrscheinlichkeit, wer der Pfirsichdieb u. ebenso bestimmt der Küngeldieb [Kaninchendieb] war. Natürlich habe ichs [sic] von Kaul: Nämlich der Taglöhner des Gärtners. Er ist ein rückfälliger Dieb, u. ist auch Metzger! Den Kindern lieber nicht sagen. Dem Polizisten werde ich jedenfalls meine Mutmassung mitteilen.

Adieu für heute, u. auf baldiges Wiedersehen. Ich muss weitermalen.

Allerherzlichste Grüsse u. Küsse. Gruss an Tante Ida.

Dein treuer

Franz.

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 106 (Korrespondenz Franz Beda Riklin an seine Ehefrau)

Quittierkarte eines Bijouteriegeschäfts in Altstätten, 1911

Donnerstag, 21. September 1916 – Was Fieberthermometer mit Kriegsführung zu tun haben

Elektronische Fiebermessgeräte mit Digitalanzeige sind eine Erfindung neueren Datums. Zuvor wurden u.a. mit Quecksilber gefüllte, zerbrechliche Glasthermometer benutzt:

Der Medizinalthermometer, ein Kriegsinstrument.

Es ist bekannt, dass vor Ausbruch des Weltkrieges die Medizinalthermometer fast ausschliesslich in Deutschland hergestellt wurden. Die deutsche Industrie hatte gewissermassen das Monopol auf die Erzeugung solcher wichtiger Instrumente[,] und es zeigte sich daher bald nach Kriegsausbruch in den Ententeländern ein sehr bedeutender Mangel an solchen Medizinalthermometern. Auch die Schweiz bekam das zu spüren, indem wenigstens im ersten Kriegsjahre auf alle nur denkbare Weise versucht wurde, Thermometer aus Deutschland nach andern Ländern zu schmuggeln.

Nun auf einmal hört man, dass in Frankreich auf Weisung der Regierung versucht wird, Medizinalthermometer durch deutsche Kriegsgefangene herstellen zu lassen. Der französische Unterstaatssekretär für das Sanitätswesen, den der Krieg geschaffen hat, hatte die Idee, die nötige Hilfe bei Kriegsgefangenen zu suchen. Richtig fand man einige 50 Glasbläser, dann wurde in Gefangenenlagern nach Arbeitern gesucht, die Thermometer herstellen konnten und man fand deren sieben. Sie wurden in eine Werkstätte gebracht und arbeiteten dort unter sehr strenger Aufsicht. Jeder hat seine eigene Methode und so, heisst es triumphierend in den französischen Blättern, haben sie uns sieben Arten gelehrt, Thermometerröhren herzustellen. Jede Handbewegung von ihnen wird sorgsam überwacht und verglichen, um für die Franzosen, die in kurzer Frist ihre Plätze einnehmen werden, den besten Handgriff ausfindig zu machen. Auf diese Weise hat Frankreich so billig wie es nur irgend anging, mit lumpigen zehntausend Franken den Grundstock für eine neue Industrie gelegt. In kurzer Zeit wird die neue Werkstatt sämtliche Spitäler mit dem notwendigen, leider bisher nur von Deutschen geschaffenen Material versorgen können. Der Unterstaatssekretär denkt auch schon an den Krieg nach dem Kriege, den Wirtschaftskrieg; die Herstellung von solchen Thermometern soll nachher auf genossenschaftlicher Grundlage im Grossen betrieben werden.

In Deutschland ist man über das französische Vorgehen natürlich im höchsten Masse aufgebracht und erbost. Vor dem Kriege war die deutsche Lieferung von Medizinalthermometern an Frankreich ein recht einträgliches Geschäft. Es wurden jährlich bis zu einer halben Million Medizinalthermometer in Frankreich eingeführt. Das würde nun natürlich mit einem Schlage anders werden. In Deutschland wird daher vor allem die Frage aufgeworfen, ob die deutschen Gefangenen freiwillig dem Feinde die Arbeit leisten oder ob man sie dazu gezwungen habe. Man zweifelt in Deutschland sehr stark daran, dass die betreffenden Arbeiter wirklich wissen, dass sie durch ihre Arbeit dem Feinde ihres Vaterlandes einen so gewaltigen Dienst leisten sollen, nicht bloss für Kriegsdauer, sondern noch darüber hinaus.

Für weitere Kreise ist es interessant zu sehen, wie selbst die friedlichen Medizinalthermometer zu einem Instrument des wirtschaftlichen Krieges werden konnten. Die Herstellung solcher Thermometer ist nun aber schliesslich doch ein Friedenswerk, sodass vielleicht auch einmal kleinere neutrale Staaten daran denken könnten, sich in dieser Industrie ebenfalls zu betätigen.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, P 907 (Die Ostschweiz, Nr. 220, 21.09.1916, Abendblatt) und ZMH 02/055 (Quittierkarte, 1911)