Samstag, 13. Oktober 1917 – Kampf um jedes Zeitungsabonnement

Die Betriebskommission der Zeitung Ostschweiz hielt in ihrem Protokoll fest:

Gegenstand der Verhandlung ist die Agitation für die Ostschweiz auf kommendes Neujahr. In organisatorischer Richtung wird als Grundsatz aufgestellt, und dass keine allzu grossen Kosten verursacht werden sollen, und daher eine Massenpropaganda ausgeschlossen bleibe. Vor allem ist Sorge zu tragen, dass keine bisherigen Abonnenten auf den Jahreswechsel abspringen und dass die Gewinnung neuer Abonnenten auf dem Wege des persönlichen Besuches statt lediglich durch Versandt [sic] von Probenummern Platz greift.

Im weitern gibt Herr Redaktor Buomberger als Präsident des Katholikenvereins St.Gallen Aufschluss über die bereits im Katholikenverein der Stadt gefassten Beschlüsse, dahin gehend, dass alle Neuvermählten und neu Eingezogene kathol. Gesinnung in der Dompfarrei zum Abonnement der Ostschweiz gewonnen werden sollen, dass ferner die Wirtschaften, welche die Ostschweiz noch nicht halten, durch Besuche und konstantes Verlangen nach dem Blatte zum Abonnement moralisch verpflichtet werden und dass in Apologetischen Vorträgen stetsfort für die Presse agitiert wird. Die Suche nach neuen Abonnenten wird dadurch vereinfacht, indem das vom Katholikenverein aufgestellte Verzeichnis mit demjenigen der Ostschweiz-Abonnenten verglichen wird, und wo möglich, man auch Einsicht in die Postabonnenten-Verzeichnisse bekömmt [sic]

Herr Bezirksammann Wirt[h] als Präsident des konservativen Volksvereins Tablat regt auch an, die Frauenorganisatioen zur Blattpropaganda zu begrüssen. Vom Betriebe der Ostschweiz wird verlangt:

a. Die Gewährung einer Provision von 50 Rpp [sic] für jede neue Halbjahr[-]Abonnement.

b. Die Erstellung von Abonnenten-Verzeichnissen über alle drei Gemeinden St.Gallen, Tablat und Straubenzell, und Ueberlassung derselben an die propagandatreibenden Vereine.

Diese 2 Bedingungen werden gerne erfüllt und deren Zusage gesichert. Als Begleiterscheinung zur Propaganda wird noch betont, dass auf das kommende Neujahr eine abermalige Erhöhung des Abonnementspreises unausweichlich sei und damit gerechnet werden müsse, dass mindestens fr. 1.- [sic] pro Semester eintrete. Die enormen Papierpreise, die Lohnerhöhungen und Ausrichtung von Teuerungszulagen an das Geschäftspersonal, sowie das rapide Steigen der übrigen Bedarfspreise, machen eine Erhöhung des Blattabonnements zur zwingenden Pflicht, will man die fast unerschwinglichen Mehrauslagen zur [sic] einigermassen mit den Einnahmen in Einklang bringen, udn das Buchdruckergewerbe vor dem Ruin bewahren.

In längern Ausführungen macht noch Herr Isenrich sehr beachtenswerte Mitteilungen über die Rendite des Blattes und deren Erstellungskosten im Vergleiche zu den Einnahmen am Abonnementspreise & begründet die Notwendigkeit einer Erhöhung der letztern aus innigster Ueberzeugung.

Ein Punkt, der die Betriebskommission und den Verwaltungsrat schon des öftern beschäftigte und der in den Organisationen des Schweiz. Verbandes von Buchdrucker[n] und Verleger[n] und in den Lokalkonferenzen der städt. Blätter schon wiederholt gerügt und als unstatthaft bezeichnet wurde und die Ostschweiz-Verwaltung in Verlegenheit gebracht hat, ist das bestehende Arbeiter-Abonnement zum reduzierten Preise. An eine Abschaffung dieser Vergünstigung muss über kurz oder lang ernstlich gedacht und gedrungen werden. Die Wohltat dieser den christl. sozialen Arbeitervereinen s.z. eingeräumten Vergünstigung wird mitunter missbraucht und unter dem Titel der Mitgliedschaft von Personen beansprucht, die gar kein begründetes Anrecht darauf haben können. Hier kann nur die gänzliche Abschaffung der Arbeiterabonnements Wandel schaffen. Wie dies möglich und ohne Einbusse an Abonnements erreichbar ist, muss die Suche nach einem beidseitigen acceptablen Uebereinkommen bringen. Als ein zulässiges Mittel wurde schon die Frage der Abschaffung in Form eines an die Vereine zu leistenden Finanzausgleiches diskutiert. In der benutzten Diskussion über diese Angelegenheit warnt Herr Redaktor Buomberger vor dem Argument, im gleichen Atemzuge eine Erhöhung der Abonnementspreise und die Abschaffung der Arbeiter-Abonnements vorzunehmen, weil die finanzielle Last für die Arbeiter zu gross würde und Massen-Refüse [sic] des Blattes zu befürchten wären. Im Prinzipe [sic] ist Herr Redaktor Buomberger mit der gelegentlichen Beseitigung des Misstandes [sic] einverstanden und wünscht nur das Abwarten eines günstigeren Momentes, womit auch die Betriebskommission gleicher Auffassung ist und nie daran gedacht hat, beides miteinander zu vereinigen.

Herr Bezirksammann Wirth steht der Frage einer erneuten Erhöhung der Abonnements im allgemeinen skeptisch gegenüber und möchte die unerlässliche Einsparung in der Texteinschränkung des Blattes suchen. Nachdem hierauf von Seite des Präsidenten aufmerksam gemacht wird, dass der Gewinn der Texteinschränkung sich nicht mit der Abonnements-Erhöhung messen könne und letzteres sich mit dem erstern wohl ver[e]inigen lasse, und eine Erhöhung des Abonnementspreises für alle Blätter durch einen Beschluss des schweizerisch. Buchdruckerverbandes zur Pflicht gemacht werde, wird die Angelegenheit für heute erledigt.

Herr Augustin Stähly gibt noch Aufschluss über die begonnene Statistik der Wirtschaftsabonnenten der 3 Kreise im vereinigten St.Gallen, wovon mit Interesse Notiz genommen wird.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 088 (Firmenarchiv «Ostschweiz» Medien AG, Protokolle Verwaltungsrat und Betriebskommission, 1915-1920; Text)

Broschüre Volk und Heer

Mittwoch, 19. September 1917 – Ein ungeheuer trauriges Schauspiel menschlichen Wirrsals

Die Betriebskommission der Zeitung Ostschweiz konnte folgenden Auftrag verbuchen:

2. Herr Generalstabs-Adjutant Oberstdivisionär [Friedrich] Brügger [1854-1930] will seinen Bettagsvortrag im Katholikenverein der Stadt St.Gallen: «Volk und Heer» in der Ostschweiz erscheinen lassen und wünwt [sic], dass die Druckerei denselben auch in Broschürenform in Verlag nehme und ein Uebererlös dem «Roten Kreuz» zufalle. Einen Ausfall verspricht er zu decken. Die Betriebskommission ist einverstanden, beschliesst ein Format von ca. 14/24, Benützung des Zeitungssatzes, dagegen besseres Papier, Auflage von 800-1000 unter Rückbehaltung des Satzes. In diesem Sinne soll Herrn Brügger eine Vorlage gemacht werden, um event. dessen weitere Wünsche betreffend Verlag zu erfahren. Für die Reklame soll Herr Redaktor [Emil] Buomberger [1877-1939] um seine Mitwirkung ersucht werden, [sic]

In der Sitzung vom 3. Oktober 1917 findet sich ein weiterer Eintrag zum Geschäft:

2. Der in Broschürenform herausgegebene Vortrag Brügger «Volk & Heer» wird dem Katholikenverein St.Gallen zum reduzierten Preise von 30 Rpp. [sic] in 50 Exemplaren abgegeben, weil letztere schenkungsweise an Herrn Generaladjudant [sic] Brügger verabfolgt werden wollen.

Der Schluss von Friedrich Brüggers Bettagsvortrag lautete:

Volk und Heer, das muss unbedingt zusammenhalten und zusammenbleiben, ein starkes, ein wehrhaftes Volk und Heer. Wenn je einmal, so gilt das heute, wo rings um uns die Välker ihr Aeusserstes und Letztes zusammenraffen an Kraft und an Opfer, um oben zu bleiben im blutigen Ringen. Alle Länder und Völker um uns sind nicht als ungeheure Heerlager, wo alles für den Krieg lebt und arbeitet, an der Front die waffenfähigen Männer und hinten der übrige Teil des ganzen Volkes, alle eins, alle opfer- und todesbereit. Es ist das ein ungeheuer grosses Schauspiel menschlichen Opfermutes, aber auch ein ungeheuer trauriges Schauspiel menschlichen Wirrsals.

Wir sind bis heute verschont geblieben. Danken wir Gott dafür, heute besonders, am eidgenössischen Buss- und Bettag des Blutjahres 1917, und bitten wir Gott, dass er uns ferner verschone. Will er aber auch uns die grosse Prüfung nicht ersparen, dann wollen auch wir sie mannhaft bestehen, mit Gott und mit Ehren!

Nähere Angaben zu Friedrich Brügger und Emil Buomberger: vgl. e-HLS (http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D3558.php und http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D6229.php)

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 088 (Firmenarchiv «Ostschweiz» Medien AG, Protokolle Verwaltungsrat und Betriebskommission, 1915-1920; Texte) und Misc. sep. 119(12) (Beitragsbild)

 

 

Hotel Inserate

Mittwoch, 6. Juni 1917 – Krise im Fremdenverkehr?

Die Betriebskommission der Zeitung Ostschweiz vermerkte in ihrem Protokoll vom 6. Juni 1917:

5. Es fällt auf, dass uns die Hotel-Inserate fehlen. Das Präsidium soll untersuchen, warum hierin nicht mehr gehe & wie überhaupt Hr. Lampert seine Acquisitionstätigkeit ausübt. Es soll an die in Frage kommenden Hotels eine Einladung zum Inserieren auf die Ferien ergehen.

Am selben Abend erschien in der Ausgabe der Ostschweiz das obige Beitragsbild, samt einem Inserat des Kurhauses Waldheim:

Kurhhaus Waldheim

Die Akquisitionskampagne hatte offenbar Erfolg. Am 9. Juni inserierten neben den Kurhäusern Buchserberg, Wangs, Sonnenberg in Vilters und Säntis in Unterwasser auch diese Hotelbetriebe aus dem Toggenburg:

Hotels im Toggenburg

Die Ausgabe der Ostschweiz vom 9. Juni enthielt darüber hinaus auch Anzeigen von Gasthäusern aus den Kantonen Glarus und Graubünden.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 088 (Firmenarchiv «Ostschweiz» Medien AG, Protokolle Verwaltungsrat und Betriebskommission, 1915-1920) und P 907 (Die Ostschweiz, 06.06.1917, Abendblatt: Beitragsbild)

 

Kriegsnachrichten Ostschweiz

Freitag, 25. Mai 1917 – Kriegsnach-richten sollen wieder auf die erste Seite

Die Betriebskommission der Zeitung Ostschweiz fällte in ihrer Sitzung folgenden Beschluss:

4. Es wird gewünscht, dass die Kriegsnachrichten des Tages, welche bisher von der Redaktion resümierend auf der ersten Seite des Hauptblattes angebracht und seit der verschlimmerten Bahnzugs-Verbindungen auf die zweite Seite des Blattes verlegt werden mussten, wenn möglich wieder auf der ersten Blattseite erscheinen. Die Frage, ob dies technisch möglich ist, soll näher untersucht werden.

Ähnliche Wünsche wurden in der gleichentags abgehaltenen Sitzung des Verwaltungsrates der Ostschweiz geäussert:

3. In der allgemeinen Umfrage wird gewünscht, dass die Betriebskommission sich bemühe, in der Frage der Stoffeinteilung des Blattes bei der Redaktion eine Verbesserung zu erzielen und dass Mittel und Wege studiert werden, den Accidenzdruck [Zusatzarbeiten in einer Buchdruckerei] zu vermehren, um den Ausfall des Amtsblattes [das nicht mehr bei der Ostschweiz gedruckt wurde] besser wett zu machen.

Das Beitragsbild zeigt als Beispiel die zusammenfassenden Nachrichten vom 25. Mai, erschienen im Morgenblatt auf Seite 3. Man beachte, dass immer noch vom europäischen Krieg die Rede ist, obwohl die Vereinigten Staaten Deutschland bereits am 6. April 1917 den Krieg erklärt hatten:

Der europäische Krieg.

Das wichtigste Ereignis auf den Kriegsschauplätzen ist ein bedeutender Erfolg der Italiener auf der Karsthochfläche, wo sie die österreichischen Linien durchbrachen und im Laufe des Tages 9000 Gefangene, darunter 300 Offiziere, einbrachten. Seit der Einnahme von Görz ist das der bedeutendste Erfolg der Italiener. [Gemeint ist die sog. Zehnte Isonzoschlacht. Ziel der italienischen Angriffe war der Durchbruch nach Triest, vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Isonzoschlachten]

Anlässlich des zweiten Jahrestages des italienischen Kriegseintrittes erliess Viktor Emanuel eine Proklamation an sein Heer, worin er Italien den endgültigen Sieg verheisst.

Vom westlichen Kriegsschauplatz werden lebhaftere Kämpfe nur von der Heeresgruppe des deutschen Kronprinzen gemeldet. Gegenseitige Angriffe wurden abgewiesen.

An der russischen Front lebte die Gefechtstätigkeit ebenfalls wieder auf, wo an der Ostseeküste von den Deutschen russische Kundschafter vertrieben wurden.

In Mazedonien ist eine Kampfpause eingetreten.

Es verlautet, dass die Vereinigten Staaten ein neues Friedensprogramm ausarbeiten, das im wesentlichen mit den Erklärungen des französischen Ministerpräsidenten übereinstimmen werde, einen Frieden ohne Annexionen und Entschädigungen postuliere, an der Rückgabe Elsass-Lothringens an Frankreich aber festhalte.

Der russische Aussenminister Terechtschenko und der französische Ministerpräsident Ribot wechselten Telegramme, in denen sie die gegenseitige ERgebenheit und Treue zwischen Russland und Frankreiche zum Ausdruck bringen und den festen Willen beider Staaten bekunden, den Krieg bis zum endgültigen Sieg fortzusetzen.

In Italien wird auf die Einführung der Brotkarte verzichtet, indem die Getreideversorgung bis zur nächsten Ernte gesichert sei. In Deutschland ist zur Regelung der Kohlenversorgung die Einführung des Karten- und Kundenlistensystems vorgesehen.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 088 (Firmenarchiv «Ostschweiz» Medien AG, Protokolle Verwaltungsrat und Betriebskommission, 1915-1920) und P 907 (Die Ostschweiz, 25.05.1917, Morgenblatt)