Vettiger Todesbett

Freitag, 8. Juni 1917 – Tod des Kirchenmalers Vettiger

Im Morgenblatt der Zeitung Ostschweiz erschien die Todesanzeige von Franz Vettiger (1846-1917), Kirchen- und Porträtmaler. Sein Nachlass liegt im Staatsarchiv St.Gallen, darunter auch das Beitragsbild, das ihn aufgebahrt in seinem Atelier in Uznach zeigt.

Vettigers Arbeiten schmückten zu seinen Lebzeiten zahlreiche Kirchen und Kapellen der deutschen Schweiz. Allein zum Kanton St.Gallen weist das Werkverzeichnis im Nachlass rund 70 Aufträge aus. Die in sogenannt spätnazarenischem Stil gehaltenen Werke wurden jedoch im 20. Jahrhundert stark kritisiert. Die nachstehende Foto entstand möglicherweise in seinem Atelier, vielleicht aber auch vor Ort, wo er vor einem seiner Bilder steht:

Vettiger im Atelier

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 074 (Nachlass Vettiger, Beitragsbild) und P 907 (Die Ostschweiz, 08.06.1917, Morgenblatt, Todesanzeige) und W 074/1.4.1-1 (Foto Totenbett: A. Eicher, Uznach, Porträt: unbekannter Fotograf)

Tagebuch Kind

Sonntag, 4. Februar 1917 – Kriegsbilanz 1916

Der Gymnasiast Ernst Kind, später Rektor der Kantonsschule St.Gallen, hielt in seinem Tagebuch fest:

4. Februar 1917. Schon ist wieder ein Jahr seit der letzten Eintragung vorbei, und immer noch dauert der Krieg. Im Verhältnis, wie die Sehnsucht nach Frieden wäschst, wächst aber auch die Kriegsrüstung: Seit letztem Herbst hat Deutschland die Zivildienstpflicht; jeder gesunde Erwachsene, Frauen wie Männer, haben [Wort «sich» gestrichen] ihre Arbeitskraft der Landesverteidigung auf irgend eine Weise zur Verfügung zu stellen. Der Lebensmittelmangel macht sich jedenfalls stark fühlbar, wenn auch die Ernte von 1916 besser war als die von 1915. Es fehlt sehr an Fetten. Militärisch haben sich die Mittelmächte dieses Jahr defensiv verhalten mit einer Ausnahme. Gegen Rumänien, das Ende August ohne eigentliche Gründe auch den Krieg erklärte, wurde ein schneller zweiseitiger Angriff geführt und hat zur Eroberung von etwas 2/3 des Landes mit den wichtigsten Städten (Bukarest, Konstanza, Braila etc) geführt. Zwei andere Offensiven der Mittelmächte (im Frühling 1916) haben ihr Ziel nicht erreicht und wurden abgebrochen, besonders diejenigen gegen Italien. Dagegen war die gesamte Entente offensiv. Am meisten erreichte von diesen verschiedenen Offensiven die russische, die ein Stück Galizien und die Bukowina widereroberte. Die Hauptoffensive an der Somme (Franzosen, Engländer und Farbige, mit eigenem und amerikanischem Material) hatte keinen Erfolg; sie führte nur zur Eroberung eines etwa 40 km langen und bis 15 km tiefen Landstreifens und zu beiderseits furchtbaren Verlusten. 3 Anläufe der Italiener erreichten auch ausser der Besetzung von Görz nichts. Eine grosse Seeschlacht am Skagerrak führte zu keiner Entscheidung, keine der heimfahrenden Flotten verfolgte die andere; die Verluste der Engländer sind etwas 2-3 mal so gross wie die deutschen. – Zusammengefasst: militärisch hat sich noch nichts entschieden; strategisch sind die Mittelmächte immer noch sehr im Vorteil; an Mitteln sind die andern jedenfalls reicher.

Im Dezember 1916 kam der Friedensvorschlag der Zentralmächte. Wilson und die andern Neutralen suchten die Gelegenheit zu benutzen und förderten die Bestrebungen. Die Entente wies schroff ab. Die Folge davon ist, um die Entscheidung schnell herbeizuführen, als letztes furchtbares Radikalmittel, die Ankündigung des uneingeschränkten Unberseebootskrieges durch Deutschland. Um England, Frankreiche, Italien und das östliche Mittelmeer wird eine Sperrlinie beschrieben, innert welcher jedes Schiff ohne Umstände versenkt werden soll. Der Plan ist eine gleiche Aushungerung, wie sie die englische Blokade [sic] in Deutschland herbeiführen soll.

Heute, am 4. Februar, also 3 Tage nach dem Beginn der U-Bootsblokade, trifft die Nachricht vom Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Amerika ein. Der deutsche Gesandte in Washington hat seine Pässe bekommen. Ob das zur Kriegserklärung führt? Dann wird, abgesehen von allem andern, die Zufuhr für die Schweiz vernichtet sein. Die Folgen werden sich dann bald zeigen. –

Das Jahr 1916 hat in der Familie eine grosse Lücke gerissen. Die liebe Grossmama Aldinger ist im Mai in St.Gallen gestorben (mit 83 Jahren.) Sie war zuletzt fast blind; auch mit dem Gehör schlecht dran, aber immer noch frisch im Geist und voll Liebe für alle. Der Mittelpunkt der Familie ist in ihr verloren gegangen und durch ihren Tod das liebe Grosseltern-Haus verödet, mein eigentliches Heimathaus, denn meine Eltern besassen nie eines und wohnten in Miete. –

Papa steht an der Grenze; seit Neujahr ist [Wort «der» gestrichen] er Kommandant der Gebirgs-Infanteriebrigade 15, nachdem er bisher eine Landwehrbrigade geführt hatte. 

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 073/2.1 (Tagebuch Ernst Kind)

Haus zum Hirschen

Samstag, 6. Januar 1917 – Kinderbegräbnis

Tagebucheintrag von Architekt Johann Baptist Thürlemann (1852-1939), Oberbüren:

6. Januar 1917.

wolkig & bedeckt, theils mondhell.

Leichter Schneefall. Gegen Morgen hell & sehr kalt. Der kleine Schnee gefror hart. – Starker Reif bis Mittag.

Morgens stand ich ziemlich frühe auf & machte noch dem Morgenessen Toilette. –

Gegen 3/4 8h begab ich mich in’s Unterdorf – zum Hause des Wagners Friedrich Lengg, um an der Beerdigung seiner 2 kleinen Kinder [teilzunehmen], die am 1. Januar geboren wurden und wegen Lebensschwäche schon nach 2 Tagen wieder starben.

Als Gespan hatte ich den Nachbar[n] J. B. Kempter. – Es war empfindlich kalt. Nach der Beerdigung wurde in der Kirche vom Ortspfarrer, vom Chore aus, das Geburts- & Todesdatum der 2 Mädchen: Pauline Frieda und Hedwig Lydia, sowie die bei diesem Anlasse von deren Eltern gemachten Vermächtnisse verlesen.

Fr. 5 an den hies. Friedhofsverein.

» [Wiederholungszeichen von obiger Zeile für «Fr.»] 5 an die Anstalt für Epileptische

sowie ein Quantum Brod für die Hausarmen.

Hierauf fand eine stille Messe mit Rosenkranz statt. – Hernach Grabbesuch. – Die Zahl der Teilnehmer war nicht gross. – 3/4 9h.

Hernach hatte die Verwandtschaft ein Essen im «Eidgenöss. Kreuz» dahier. (: Es bestand in Fleischsuppe, Kalbsbraten, KartoffelnSchnitzen & Kopfsalat. Dessert: Bisquittorte & schwarzer Kaffee. – Das Essen soll vorzüglich gewesen sein : )

Vormittags besorgte ich die üblichen Samstagsarbeiten: Ordnen & Aufräumen etc. –

Nachmittags von ca. 3/4 2 Uhr bis gegen 1/2 5 Uhr machte ich einen Spaziergang über die Wiesen zum Wald. Von dort auf die Höhe des Bürerwald & auf dem Höhenrücken südlich vom «Buchen» zur Landstrasse nach Niederwil. Von dort auf einem Fusswege in’s Schlosstobel bis hinauf nach Storchegg. Von Storchegg gegen Rätenberg. Dann zurück gegen Städeli & zur Höhe des StorcheggerWaldes am Abhange des Schlosstobels. Hierauf trat ich den Rückweg an, den waldigen Abhang hinunter gegen «Städeli» & «Wieden«. Vom «Wieden» durch den «Schalmenacker» zu den Corporationswiesen, zum «Berg«; «Brandkropf» Unterziel & über die Wiesen nach Hause. –

Nach dem Kaffee besorgte ich einige Arbeiten im Hause & las später die Zeitungen.

Um 9 Uhr begab ich mich zur Ruhe.

Nächster Beitrag: 7. Januar 1917 (erscheint am 7. Januar 2017)

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 035b (Familie Thürlemann zum Hirschen, Tagebücher von Architekt Johann Baptist Thürlemann, 1852-1939) und ZOA 008/1.052 (Oberbüren, Haus zum Hirschen, Wohnort von Ludwig Thürlemann, Bruder von Johann Baptist, der im Tagebuch oft erwähnt wird)

 

Samstag, 30. Dezember 1916 – „Ein Jahr von Blut und Eisen“

Tagebucheintrag von Josef Scherrer-Brisig (1891-1965), Sekretär des Schweizerischen Christlichen Textilarbeiterverbands (1910-1916), später Kantonsrat und Nationalrat sowie Mitbegründer der Christlichsozialen Bewegung:

Es neigt ein Jahr dem Schlusse zu. Ein Jahr von Blut und Eisen. Ach Gott, welches Unglück hat 1916 der Welt wieder gebracht. Ich habe zwar Anlass nur zum Danken gegenüber Gott, dem allmächtigen Vater. Meine Familie blieb von grösseren Unbilden glücklicherweise verschont. Das Jahr 1916 hat den Tod des Kollegen Lander gebracht. Da vorläufig kein Ersatz bestimmt wurde, hat meine Arbeit gewaltig zugenommen. Um einen besseren Verdienst zu haben, sah ich mich veranlasst, die Amtsvormundschaft in der Gemeinde Tablat zu übernehmen. Ich kann so wieder ein Gebiet studieren und wieder ein Stück Leben kennenlernen.

Heute bekomme ich von Trogen unerwartet Bericht, dass mein Bruder Franz dort schwer krank darniederliegt. Auf telefonisches Befragen erklärt man mir, dass mein Bruder Franz sehr ernst erkrankt ist und Todesgefahr besteht. Ich veranlasse mit Charge-Express den hochwürdigen Herrn Pfarrer Eberle in Speicher meinen Bruder sobald als möglich zu besuchen, um ihm doch den letzten Trost rechtzeitig spenden zu können. Hoffentlich kann mein Bruder mit gutem Verstand die heiligen Sakramente empfangen. Möge Gott ihn am Leben erhalten.

Im nachfolgenden Tagebucheintrag vom 31. Dezember 1915 heisst es, der Vater habe den Bruder besucht. Es gehe dem jungen Mann noch nicht gut, aber es scheine nicht allzu gefährlich zu sein.

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 108/1

Freitag, 8. Dezember 1916 – Beileidschreiben an eine verwitwete Lehrersfrau

Kanzlei [des Erziehungsdepartements]

8. Dez. 1916

An Frau Anna Giger, geb. Kästli, in Weite-Wartau.

Sehr geehrte Frau Lehrer!

Wir bezeugen Ihnen unser herzliches Beileid zum Hinschied Ihres geliebten Ehemannes, des Herrn Lehrer Jakob Giger sel.

Beigelegt erhalten Sie die Pensionsurkunde der kantonalen Lehrer-Pensionskasse. Sie beziehen vom 20. Nov. 1916 an die statutarische Jahrespension von 250 Fr. Diese wird halbjährlich mit 125 Fr. im Jänner und Heumonat [Juli] bezahlt. Im nächsten Monat gibt es für die Zeit vom 30. Nov. bis 31. Dez. 22 Fr. – Hiefür ist es nötig, dass Sie den hier beiliegenden Lebensschein in Azmoos bald dem Zivilstandsbeamten Jahn oder Stellvertreter Frey abgeben, der das weitere besorgen wird.

Erst im Januar, wenn der Schein mit den 22 Fr. kommt, müssen Sie unterzeichnen, nicht vorher.

Hochachtend,

D. Dütschler, Sekretär.

Beilagen,

erwähnt.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, KA R.130 B 2 (Copie des lettres, Beileidsschreiben an die Witwe eines Lehrers) und W 238/04.09-08 (Ansichtskarte von Wartau um 1900, Verlag Geser & Co., St.Gallen)

Donnerstag, 30. November 1916 – Der Kantonsrat trauert um den österreichischen Kaiser

Beileidskundgebung für Kaiser Franz Josef von Oesterreich. Anlässlich der am 30. November in der Domkirche zu St. Gallen veranstalteten kirchlichen Trauerfeier für Seine Majestät, den am 21. November verstorbenen Kaiser von Oesterreich, Franz Josef I, widmet der Vorsitzende [Grossrat Anton Messmer], als Ausdruck der Teilnahme des st. Gallischen Volkes und seiner Behörden, dem Andenken des verstorbenen Monarchen einige Worte pietätvoller Erinnerung, unter Hinweis auf die vielfachen wirtschaftlichen und freundnachbarlichen Beziehungen unseres Landes mit der Grenzbevölkerung des österreichischen Nachbarstaates, sowie auf das während der Regierungszeit des Verstorbenen ins Leben getretene segensreiche Werk der internationalen Rheinregulierung.

Der Rat, der auf Anordnung des Bureaus durch zwei Ratsmitglieder sich an der Trauerfeier hat vertreten lassen, erhebt sich zu Ehren des Dahingeschiedenen von seinen Sitzen.

Der verstorbene Kaiser blieb – wie das Porträt oben aus dem St.Galler Kalender für das Jahr 1918 zeigt – über seinen Tod hinaus populär. Die Monarchie überstand den Weltkrieg indes nicht: Der Neffe von Franz Joseph I. und letzte Kaiser der Doppelmonarchie, Karl I., ging 1919 ins Schweizer Exil. Die ersten zwei Monate verbrachte der Monarch mit seiner Familie auf Schloss Wartegg bei Rorschach.

Schloss Wartegg

Schloss Wartegg, 1918, kurz vor dem Einzug der kaiserlichen Familie.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, ZA 005 (gedrucktes Protokoll des Grossen Rates) sowie P 136 (St.Galler Kalender für das Jahr 1918) und ZMA 18/02.11-08 (Schloss Wartegg)

Samstag, 4. November 1916 – Ein Verstorbener hat Schulden

Rorschach, den 4. November 1916.

An das Bezirksamt Altstätten.

Wie Ihnen* bereits bekannt sein dürfte, schuldet uns alt Bezirksrichter Städler selig noch Frs. 90.00 für einen Anzug. Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns mitteilen würden, ob die Erbschaft schon verteilt etc. und wer die Erben sind. Ein Städler-Spöri in Olten gab uns auf zweimalige Anfrage keine Antwort, ev. an wen wir uns zu halten haben.

Hochachtend

[Unterschrift]

* durch Vorhandensein der Rechnungen.

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, ZMH 61/055 (Briefkopf zu einer Forderung des Herren- und Knaben-Konfektionsgeschäftes zum Kettenhaus in Rorschach an das Bezirksamt Altstätten)