Scherenschnitt Doris Schwarz

Mittwoch, 1. Januar 1919 – Neujahr: Katze im Geigenkasten

Fortsetzung der Tagebucheinträge von Alfred Schwarz (vgl. Beiträge vom 23.-25. und vom 31. Dezember 1918)

1.I.1919. (Neujahr. – Mittwoch.) – Mit T[h]eo im Bett geschwätzt. – Dann bald aufgestanden (9h). – Allerlei mit den Kindern gespielt. – Ankunft von Doris [Schwarz, Schwester von Alfred Schwarz]! – Mittagessen. – Gemeinsamer Spaziergang auf den Zürchberg (Fluntern, neue Kirche!), resp. seinen Anfang . – Jause. – – Dann mit Doris fort (ca. 5h) & zu Hugi in die Gemeindestrasse. – von Hugi & seiner Schwester Margrit sehr nett & gemütlich empfangen & in ihrer «Bude» ein vergnügtes Tee-Plauderstündchen verbracht! – Von dort direkt zu Hugs zum Nachtessen! x [Zeichen für Einschub resp. Nachtrag, s. unten] – Nach dem Nachtessen geplaudert (im Weih. Zimmer natürlich!) & nocheinmal den Christbaum angezündet! – Doris schildert das tägliche Wiener «Menu» (Rübensuppe & Sauerkraut oder umgekehrt!) – «Loos»-Theorie vom «Sitzen» wird von Hans, Evi & mir «ausprobiert»! – Während die anderen im Musikzimmer musizieren & zuhören, erzählt Evi bei Christbaumbeleuchtung von ihrem Genfer Leben! Dann geht auch Hans ins Musikzimmer & wir zwei warten noch das Abbrennen der letzten Kerze ab & gehen dann auch hinüber! – Hier wird noch gegeigt, & zw. von Onkel Ad. auf einer alten Meistergeige aus dem Geschäft (Wert Fr. 60000.-!) jedoch dann bald Schluss gemacht. Katze im Geigenkasten! – Noch ein wenig im Weih.Zimmer gelesen & geplaudert. Dann Aufbruch & Heimweg zu Baumanns! Theo wieder nicht aufgewacht! – Nachtrag: x Von Doris Wiener Geschenke & «Guetsli [Plätzchen] von Zuhause» erhalten!

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 054/140.07-07 (Tagebuch Alfred Schwarz für die Weihnachts- und Neujahrstage 1917 und 1918) und W 054/144.03.06-18 (Scherenschnitt Doris Schwarz, 1920)

Alfred Schwarz

Mittwoch, 25. Dezember 1918 – Feiertage

Fortsetzung der Tagebucheinträge von Alfred Schwarz (vgl. Beiträge vom 23. und 24. Dezember 1918)

Was macht man an Feiertagen bei Tante und Onkel – ohne Fernsehen und ohne Radio?

25. XII. (Mittwoch) Ausgeschlafen bis 11 ¼ h. – Als letzter des «faulen Kleeblattes» (Hans, Evi & ich) im Weihnachtszimmer erschienen (nach ½ 12 h!). – Welti kommt! – Gleich darauf, auf dem Weg ins Esszimmer, entdeckt T. Martha «en Passant» im Musikzimmer «die strahlende Beleuchtung», so, wie wir sie am Weihnachtsabend zurückliessen!! – Nach dem Essen wieder im Christkindzimmer. – Schach mit T. Martha! – Welti kibitzt; Das Brautpaar geht spazieren, da das sonnige Wetter (mit Schneeluft!) dazu einlädt! – Mein Schachsieg! – Nun machen O. Ad., Hans & ich uns auf die Beine & fliegen ebenfalls aus. – Spaziergang an die Sihl, Kurfirstenstrasse (neue Villen) etc. – Bald nach unserer Rückkehr kommt auch das Brautpaar zurück. – Musizieren im Musikzimmer. Welti singt (Schubert: «Wanderer» etc.) – Dann Tante Martha! – Nochmaliges Vorspielen des Weihnachtsstücks von Hans! – etc. – Nachtessen. – Wieder im Weihnachtszimmer. – Plaudern, lesen etc. Nach Weltis Weggang auch bald allgemeines «Gute Nacht!» –

Beim Brautpaar handelt es sich um Eva Hug und Albert Jakob Welti. Sie heirateten 1920.

26. XII. (Donnerstag.) Um 10 Uhr beim Frühstück! – Dann wieder im Weih. Zimmer. – «Onkel Hans » (Langnese) kommt auf Besuch. (Ansehen der «Widmann-Bilder»!) – Schach mit Hans! – Mittagessen. – Wieder Schach. – Um ½ 3h Abmarsch von O. Ad., Hans & mir zur «Besteigung des Ütliberges.» – – Interessanter, «weicher» Aufstieg unter O. Ad. Führung. Hansens Fluchen! – Oben herrliche Aussicht! – Soldaten. – Noch interessanterer Abstieg! Glatteis! – Nirgends ein Halt! – Geländer – letzte Rettung! – Vergnügte Heimkehr um 6h. – T. Martha, Adölfli & Welti im Musikzimmer. – Musiziert! – Evi kommt heim. – Nachtessen. – Wieder im Weih. Zimmer. – Christbaum angezündet. – Punsch! (Evi’s interessante Frage punkto Zubereitung!) – Witze-Erzählen! (Shoking!) Verschiedene Spiele gemacht, Pfänder auflösen, etc. – Brissago [Zigarre] von Welti! – – Nachdem er aufgebrochen & adieu gesagt, kurz darauf: «Tableau!» (Wirkung!) – Dann ins Bett! –

Der im Text genannte «Onkel Hans» (Langnese) war der Schwiegersohn von Arnold Hug (1866-1905). Er leitete seit dem Tod seines Schwiegervaters die Leipziger Filiale des Musikhauses Hug, vgl. https://www.musikhug.ch/ueber-uns/geschichte/

27. XII. (Freitag) – Wecker auf 6 ¼h; Aufstehen, Packen & Abfahrt nach Winterthur um 7h.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 054/140.07-07 (Tagebuch Alfred Schwarz für die Weihnachts- und Neujahrstage 1917 und 1918) und W 054/144.03.10-02 (Alfred Schwarz, 1916)

Musik Hug

Dienstag, 24. Dezember 1918 – Weihnachten im Familien- und Freundeskreis

Fortsetzung der Tagebucheinträge von Alfred Schwarz (vgl. Beitrag vom 23. Dezember 1918)

Alfred Schwarz durfte die Weihnachtsfeiertage in Zürich bei Tante und Onkel mütterlicherseits, Martha und Adolf Hug-Schläpfer, verbringen. Adolf Hug leitete die Zürcher Hauptniederlassung des Musikhauses Hug, Eva und Hans Hug waren seine Cousins:

24. XII. (Dienstag) Morgens Koffer zum Teil gepackt! Mittags fertig gepackt & Koffer zur Bahn Garderobe [sic] gebracht. – Dann noch in Eile zum Coiffeur & dort den Kopf waschen lassen (1/4 St. & dann in die Loki. – Abends gleich nach dem Pfeifen (¾ 5 Uhr!) zur Bahn gefahren Billet gelöst. Dann in Hetz noch «Weihnachts-Telegramm» nach Wien aufgegeben! – Mit dem ellenlangen, vollgepfropften Zug (5[.]03h) nach Zürich abgedampft, dort angelangt & in Eile in der Bahnhofstrasse noch ein «Kurt Wolff Buch» für T. Martha als Geschenk gekauft. Darauf in die Kirchgasse gefahren & hier ca. 7h bei Hugs gelandet. Von Hans begrüsst! – Im Spielzimmer umgezogen! – Von Evi «Pack-Material» für die Weih. Geschenke erhalten, «Päkli» [sic] gemacht mit Hilfe von Seline! – Hierauf ins Musikzimmer gegangen, wo Hans sein Weih. Stück vorspielte & schon alle (Albert Welti inbegriffen!) versammelt waren. – Pian [sic] (von Welti)! – Weihnachtslieder gesungen, während O. Adolf & Hans den Baum anzünden! – Läuten! – Langes Ansehen des Christbaumes! – Geschenke angesehen. – Evis Bild von Welti! – Adölflis Wetterkarte. – etc. –

Zum Nachtessen! (Halt!) – Schön geschmückter Tisch, von 7 Kerzen (3 grossen & 4 kleinen) beleuchtet! Kerzenbeleuchtung während des ganzen Essens! –  Wieder ins Weihnachts-Zimmer! – alte Kirchenbilder von Evi gemeinsam angesehen, dann Photos aus Spanien von Welti, & seinen Erklärungen zugehört, sowie ein wenig gelesen. Nach seinem (Weltis) Weggehen bald allgemeines «Insbettgehen»! –

Mit «Welti» ist der Maler und spätere Schriftsteller Albert Jakob Welti (1894-1965) gemeint, vgl. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D12391.php

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 054/140.07-07 (Tagebuch Alfred Schwarz für die Weihnachts- und Neujahrstage 1917 und 1918) und ZMH 64/934b (Beitragsbild: Rechnung Musik Hug, St.Gallen, 1910)

SCherenschnitt Alfred Schwarz

Montag, 23. Dezember 1918 – Junggeselle bei Weihnachtsvorbereitungen

Alfred Schwarz war am 24. August 1896 in Littai im ehemaligen Herzogtum Krain in Österreich (heute: Slowenien) geboren worden. Seine Eltern waren Julius und Stefanie (Fanny) Schwarz-Schlaepfer, Besitzer einer Baumwollspinnerei. Um 1909 zog die Familie nach Wien um, später nach Zürich. Alfred Schwarz arbeitete von Ende 1916 bis April 1920 in der Buchhaltungsabteilung und im Korrespondenzbüro der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik in Winterthur. Später war er Journalist.

In seinen Tagebucheinträgen für die Jahre 1917/1918 und 1918/1919 für Weihnachten und Neujahr ist ersichtlich, wie man damals in familiärem Kreis die Feiertage verbrachte. Arnold Schwarz genoss offenbar ein paar Tage Ferien:

21. XII. (Samstag) Nachmittags gelesen (Zeitungen) & dann Büchergeschenke herausgesucht, währen die «Kollegen von der Materialverwaltung» (Loki [Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik]) Überzeit schafften!

22. XII. (Sonntag) Nach einer stürmischen Nacht am Morgen bei Schneegestöber aufgewacht, & alles ist schon mit einer dicken, weissen Schneedecke bedeckt! Nach einem späten Frühstück nach 11h noch in Eile per Tram zum Reitweg gefahren & Herrn Dr. Wilh. Züblin & Familie besucht. Da gerade auch «Direktor Hardmeyers» bei ihnen auf Besuch waren, wurde ich zuerst nur kurz von Herrn Dr. Zübling empfanen & mit Lesestoff (N.Z.Z.) versehen & sodann von Frl. Züblin unterhalten, bis nach Fortgehen des anderen Besuches Herr Z. wieder erschien & mir seine Frau vorstellte. Nach Übersiedlung ins Wohnzimmer noch gemütlich zu Viert geplaudert, dann wieder verabschiedet! – Mittagessen. – Lesen – Wieder Studium & Nachdenken wegen der Weihnachtsgeschenke. – Kurz vor Ladenschluss (6h abends, Gold. Sonntag!) noch eine Ladung Bücher zur Ansicht geholt! – Nachtessen im Erlenhof. – Brief an Grete [seine Schwester, 1893-1967]. –

 23. XII. (Montag) Aller Schnee wieder fort! – Mittags & abends: Weihnachts-Besorgungen! – Nach dem Nachtessen (Erlenhof) nach Hause geschrieben & diverses [sic] vorbereitet etc. – Sehr spät ins Bett!

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 054/140.07-07 (Tagebuch Alfred Schwarz für die Weihnachts- und Neujahrstage 1917 und 1918) und W 054/144.03.06-18 (Scherenschnitt Alfred Schwarz, ca. 1920)

Maria Wenner 1913 und 1922

Dienstag, 17. Dezember 1918 – Erste Weihnachtswünsche

Maria Wenner-Andreae erhielt Weihnachtspost von ihrem Vater, Alexander Andreae (1846-1926). Sie war die zweitjüngste Tochter aus seiner zweiten Ehe mit Johanna Broecker, hatte vier Geschwister und fünf Halbgeschwister (aus der ersten Ehe ihres Vaters mit der 1883 verstorbenen Lily Stumpf). Das erste Porträt zeigt sie 1913 bei ihrer Verlobung, das zweite 1922 nach dem Krieg.

Der Brief enthielt auch diverse Mitteilungen zu anderen Familienmitgliedern.

Milano, li 17.12.1918

Geliebte Kinder & Kindeskinder.

Da noch allerlei dazwischen kommen könnte, will ich schon heute meine allerherzlichsten Weihnachtswünsche an Euch richten, in der stillen Hoffnung, dass Ihr Alle [sic] dies schwere Fest ohne irgendwelche Störung und recht friedvoll & freudenreich werdet vollbringen können! –

Gina wird es dem Christkinde abnehmen[,] Euch auch einige kleine Gaben in unserem Namen auf den Weihnachtstisch zu legen, da werden sicher unsere Gedanken auch dort sein und Antheil an Eurer Weihnachtsstimmung nehmen. –

Gott Lob fühlt auch die gute Mama sich wiedeer ein wenig kräftiger, die letz[t]e Zeit war ihr Puls ja wieder sehr schlecht & ihre Stimmung sehr gedrückt, das bleibt ja für uns leider eine grosse Sorge.

Heute empfing ich Alex’ens Brief vom 14 ct, worin er mir schreibt, dass er hoffe[,] den 23 o 24 ct bei uns zu sein[;] hoffentlich kommt er nicht zu spät.

Hans kam gestern recht erregt Abends [sic] nach hause [sic], weil man ihm f. Ende Januar gekündigt hat, H Stoppani erlaubt der neue Chef nicht einmal mehr[,] in die Fabrik zu kommen. Das ist nun auch wieder eine Sorge mehr für Hans & uns. Für Landwirthschaft hat er keine Lust, er hätte sich s. Zt. dazu bringen lassen[,] nur um den Eltern nicht zu widersprechen. Wolle Gott, dass bald was Richtiges für ihn finde: Lili schuftete sich gehoerig ab für Hans, für’s Asil, die Weihnachtsgaben für die Schwestern, übt auch mit diesen Choräle ein, & für das Home etc[.] dabei [sic] kommen nur zu oft Frau Conti, Fräulein [unlesbar, Pachou?], die Sängerin & Abends [sic] sitzt sie bis spät in ihrem Schlafzimmer, um noch «Stickereien» für Mama zu vollenden. Hoffentlich kappt sie uns nicht zusammen. – Von Pima kam heute ein Bericht, wonach es ihr besser geht, aber Erminio sei noch recht kopfmüde [sic] und habe viel verlernt. – Auch von August kam ein ½ englisch, ½ deutsch geschriebener Brief, den er im Mai angefangen, Mitte November fortgeschickt hat. Es sind 2 englische, socialistische Gedichte darin, die er einer Sozialistisch [?] Zeitung schickte. Povero Augusto, wenn er nur seine Weltverbesserung mit sich anfangen wollte. Er schreibt[,] dass er sich ein neues Haus baue, um es zu vermieten an Sommerfrischler, das Geld dazu nehme er aus dem Verkauf eines Theiles seines Terrains, das wird er am Ende nach und nach verbuttern? – Mit Minna ist er noch nicht versöhnt, faselt noch von Scheidung, es gaebe genug netter, junger Mädchen dort, die ihn gleich nähmen. – Zia Claudia hatte leider auch wieder eine Bronchitis, ihrer Teresa gab sie sechsfachen Monatsgehalt, die Entlassung & bin ich froh[,] diese unverschämte Person nicht mehr empfangen zu müssen.

Gina bitte ich auch[,] den verehrten Eltern Wenner, und der l. Silvia, Fatios, Schlaepfers meine besten Festwünsche auszusprechen. Mama & Lili wollen ja auch noch direct schreiben. So empfanget von mir Küsse & Grüsse in Hülle & Fülle.

Euer Euch sehr liebender

Papa.

Pima war die familieninterne Abkürzung und der Kosename von Pauline Maria Andreae-Andreae (1873-1953). Sie war die älteste Tochter von Alexander und Lily Andreae-Stumpf und ab 1891 mit einem Vetter ihres Vaters, Conrad Andreae (1863-1947) verheiratet. Conrad Andreae war Bankier in Frankfurt und deutscher Konsul in Genua. Die Villa des Ehepaars in Rapallo bildete einen Mittelpunkt des Gesellschaftslebens. Hier waren u.a. auch Cosima und Siegfried Wagner, Gerhart Hauptmann sowie Kurban Said (Essad Bey) zu Gast.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 054/128.1.1918 (Korrespondenz Fritz und Maria Wenner-Andreae) und W 054/129.1 (Beitragsbild aus Fotoalbum Fritz und Maria Wenner-Andreae)

Dorfplatz in Zuoz, 1915

Donnerstag, 5. Dezember 1918 – Noch ein Schwesternbrief

Auch Adele Berner-Wenner schrieb ihrer Schwester Silvia (vgl. Beitrag zum 3. Dezember 1918). Die Themen sind ähnlich wie im letzten Brief, es geht um den offenbar unzuverlässigen Postverkehr zwischen Italien und der Schweiz in den letzten Kriegstagen, um die Grippe und um einen allgemeinen Austausch über das Wohlergehen der weit verstreuten Familienmitglieder. Die verwitwete, alleinerziehende Adele Berner-Wenner erwähnt auch ihren Sohn, Alex, zu dem in früheren Beiträgen einiges zu erfahren war (vgl. Artikel zum 9. Juni 1917, 22. August 1917, 11. September 1917, 6. Oktober 1917 und 27. November 1917):

«Les Magnolias», Montreux, 5. Dec. 1918

Meine liebe Silvia, zwei liebe Briefe habe ich von Dir bekommen, während ich jetzt im Bellevue war, für die ich Dir sehr danke. Bitte sage auch Mama[,] dass ich ihr viel, vielmals für ihre beiden Briefe danke. Wir waren diesmal manche Woche ohne Nachrichten von Euch gewesen, & war es darum eine doppelt grosse Freude, als all› die lb. Briefe anlangten. – Es tut mir so leid zu hören[,] dass Fritz sich so langsam von der Grippe erholt, & noch recht angegriffen sei; hoffentlich hat er guten Appetit & kann sich wieder recht auffüttern. – Es war mir gar nicht recht[,] dass ich nur so spät auf Eure Geburtstage geschrieben habe, ich fürchte[,] dass die Briefe auch noch recht lang unterwegs waren. – Nachdem diesen Herbst so manches anders gegangen war, als ich erwartet hatte, so hat sich dann doch noch alles so gut gefügt. Ich konnte am 19[.] Nov. doch noch einmal nach Bellevue fahren & war sogar noch 3 Tage mit Alex zusammen dort. Für Alex war es gewiss viel besser[,] dass ich über seine Ferien nicht da war, denn er giebt sich immer viel natürlicher[,] wenn ich nicht dabei bin, & so hat er sich viel mehr an Pauls [gemeint ist die Familie von Paul] angeschlossen, was mich vollständig mit meiner Grippe ausgesöhnt hat. Man sah ihm an[,] wie sehr er die Ferien genossen hat, es hat ihm so gut getan[,] nach mehr wie [sic] 1 Jahr wieder eine Zeit in einem Heim zu verbringen. Nachdem Alex weg war[,] blieb ich noch 1 Woche, bis zum letzten Samstag bei Pauls, & habe es noch furchtbar genossen. Es war diesesmal [sic] besonders gemütlich, weil Paul ein System herausgefunden hatte, wie man mit wenig Holz den calorifère anheizen konnte, um den salon [sic] ganz schön warm zu bekommen, & das Treppenhaus vollständig zu temperieren. Es ist aber auch dieses Jahr viel weniger kalt als das letzte, was ich ungemein geniesse, denn um diese Zeit hatte man schon 2 Monate wirklich gefroren. – Am Samstag kam ich hieher, & fuhr von Lausanne nach Vevey mit Frau Ella’s Mann zusammen, was mich sehr freute. Gaspard’s geht es gut, & er erträgt die grosse Arbeit, die alle Aerzte wegen dieser langen Epidemie haben, recht gut. Die Grippe hatte schon abgenommen, als man leider wieder mobilisieren musste, & da ist sie wieder stark aufgeflackert. Es sind jetzt hunderte von unseren Soldaten & Offizieren in Glion zur Erholung. Das Wetter ist prachtvoll & sonnig. Ich wollte eigentlich nur bis heute bleiben, aber da morgen Pauls kommen, & den Nachm. & die Nacht hier bleiben, da sie am Samstag weiter fahren, so habe ich gern noch 2 Tage zugegeben. Das Reisen ist jetzt recht schlimm. Ich werde um 7 Uhr den Tram nach Vevey & dort die Bahn nach Chexbres nehmen müssen, um den Zug von Lausanne zu treffen, & dann komme ich um 5 Uhr an; anders geht es nicht. Aber man will das gern ertragen, in der Hoffnung[,] dass bald wieder bessere Zeiten kommen, & unser Schweizerland auch wieder den inneren Frieden erlangen wird. – Wenn Du die Collecte für die Zambézias [?] machen wolltest, so wäre es mir sehr recht, & ich hoffe[,] Du könnest das notwendige aus den Büchern ersehen. Du wirst sehen[,] dass die Beiträge zu L. 6.- meistens in 2malen, im Frühling und Herbst eingezogen sind, da es den Leuten so lieber ist.

Ich werde Dich im nächsten Brief gern bitten[,] einige Weihnachtsgeschenke für mich auszuteilen, & bin Dir sehr dankbar für Deine Mühe. – Alex schreibt, dass man sie sehr streng arbeiten lasse, & dass man vom 26. bis 31. Dec. wahrscheinlich Schule halten werde, & so gehen wir wo[h]l nicht mehr nach Zuoz. Wie sehr werde ich wieder an Euch alle denken in den Weihnachtstagen, wie ein Traum kommt mir manchmal dieses ganze Jahr vor. Ich bin heute seit 11½ mit Lise allein zu Hause, das Gaspard’s bis zum Abend in Lausanne sind. Marcelle interessiert sich immer so für alles, dass man nie fertig ist mit erzählen & reden. – Ich habe mich Gottlob [sic] sehr gut erholt & fühle mich nun viel wohler als im Herbst. Grüsse Eltern & Geschwister & die Bübchen sehr herzlich & sei Du selbst von Herzen umarmt von Deiner Schwester Adele Berner.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 054/127.4.2 (Korrespondenz Silvia Wenner) und W 132/2-112 (Beitragsbild: Album Gebirgsschützenbataillon 8: Aktivdienst 1914-1918, Dorfplatz von Zuoz, 1915)

Lily Wenner

Dienstag, 3. Dezember 1918 – Zwischendurch hatte ich eben die Grippe …

Korrespondenz zwischen den Schwestern Lily Wenner (1877-1959, Beitragsbild) und Silvia Wenner (Bild unten im Beitrag):

3. Dezember 1918

Meine liebe Silvia

Vorgestern brachte mir die Post Deinen lieben Brief & Mamas Fortsetzung von ihrem Brief vom 2. Nov. Euch beiden viel[en,] viel[en] herzlichen Dank. Wie sehr habe ich mich über alles gefreut, besonders dass es Euch Lieben allen wieder gut geht. Ja, Du hast sehr recht, mein liebes Kleinsele, wenn das Aneinanderdenken einem näher rückte, dann wären wir gewiss schon längst beisammen, denn dann hätten auch meine Gedanken schon eine gehörige Anzahl von Kilometern zurückgelegt. Hoffentlich haben wir nun aber bald diese Gedankenwanderung hinter uns & bringt das neue Jahr auch ein frohes Wiedersehen!

Du sagst, Ihr hättet schon so lange nichts mehr von mir gehört, hast Du vorher meinen Brief vom 26. Oktober nicht erhalten? Das wäre mir leid! Ferner muss noch ein Brief von Mama vom 24. Nov. unterwegs sein. Zwischendurch hatte ich eben die Grippe & war gute 14 Tage zu nichts Gescheitem zu gebrauchen. Zum Glück bin ich aber längst wieder ganz wohl. Bei der Gelegenheit ist es nur klar geworden, dass ich, in der ganzen langen Zeit, die ich hier wohne, noch nie auch  nur im Bett gefrühstückt  hatte, wofür ich nicht dankbar genug sein kann. Da kannst [Du] Dir aber auch denken[,] was es für einen Eindruck machte, als ich nun wirklich einmal zu Bett bleiben musste. Ich kann gar nicht sagen[,] wie rührend lieb ich von allen Seiten gepflegt wurde! – Aber nun muss ich Dir noch ganz besonders herzlich für Dein reizendes Bild danken. Ich finde es ganz ausgezeichnet, also, weisst Du Kleinsele, picfein [sic]. Ich habe grosse, grosse Freude daran. Es ist ein herrlicher Zuwachs zu der Bildergallerie [sic] auf meinem Schreibtisch, die mein Zimmer so heimelig macht. Auch die Bilder der Kinder & ihrer Mütter sind reizend. – Hier geht es wie es eben gehen kann, gesundheitlich, zum Glück, soweit gut. Leider haben wir gestern die Nachricht bekommen, dass Anna nicht mehr an ihrem bisherigen Aufenthaltsort bleiben kann & einstweilen auch nicht dahin ziehen[,] wo Du sie zuletzt im Sanatorium besucht hast. Somit werden sie & ihr Fräulein nächste Woche auf unbestimmte Zeit hier erscheinen[,] was uns natürlich etwas zu denken gibt. Hoffentlich geht es ruhig ab, aber eine grosse Erschwerung des an und für sich schon nicht leichten Lebens ist es eben doch. Wenn es nur nicht lange dauert. – Nun ist mein Papier wieder zu Ende und ich schliesse daher mit meinen allerherzlichsten Grüssen für Euch Alle Gross & Klein. Den Eltern sage ganz besonders innige Grüsse. Auch meine Umgebung grüsst vielmals. – Dich selbst aber umarmt in treuer Liebe Deine so viel an Euch denkende Schwester Lily Wenner.

«Kleinsele» war der familieninterne Kosename für Silvia Wenner (1886-1968, ab 1925 verheiratet mit Hermann Ochsenbein). Der Kosename kommt auch in anderen Briefen an sie vor, vgl. die Beiträge zum 11. September 1917 und zum 24. Juli 1918. Hier ein undatiertes Porträt von ihr:

Silvia Wenner

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 054/127.4.2 (Korrespondenz Silvia Wenner) und W 054/124.9.8b (Beitragsbild, Lily Wenner, um 1920) sowie W 054/127.9.3d (Silvia Wenner, undatiert)

Emily und Paul Fatio-Wenner

Mittwoch, 27. November 1918 – Generalstreik und Grippe aus Sicht einer bürgerlichen Frau

In ihrem Brief an Silvia Wenner berichtete Emily Fatio-Wenner (1881-1961) unter anderem vom landesweiten Generalstreik vom November 1918 in der Schweiz:

[Randnotiz:] Erhalten i. Fratte

Bellevue près Genève, Mittwoch, 27/II-1918

Meine liebe Silvia

Soeben erhalte ich Mama’s l. Brief vom 5. Nov., sowie den Deinigen vom 9. & Deine Karte vom 14. Tausend Dank Euch Allen, wir sind froh & dankbar um die guten Berichte. Seit mehr als 3 Wochen wussten wir nichts mehr von Euch & fingen an[,] etwas besorgt zu sein. Ja, welch grosse, unglaubliche Ereignisse erleben wir! In der ganzen Schweiz ist die Freude u. Dankbarkeit gross! – Wir durchlebten recht angstvolle Tage, die die Unruhen & die grève générale [Generalstreik] bringen. Aber wie ein Mann stellte sich das ganze Land, die Truppen strömten herbei wie vor 4 Jahren, ein Jeder aus allen Ständen gleich fest entschlossen[,] bis zum äussersten seine Pflicht zu tun. Dank dieser Einigkeit & diesem festen individuellen Auftreten, ist man ja auch merkwürdig rasch der Bewegung Meister geworden. Aber welche Empörung in aller Herzen zurückgeblieben ist, sehen die fremden Elemente [nicht], die zu uns herübergeschickt worden sind[,] um mit Geld und allen erdenklichen schändlichen Mitteln Aufruhr zu stiften, im Augenblick[,] wo die Niederlage nicht mehr zu umgehen war, das kannst Du Dir kaum denken! Es kocht nur so bei jung & alt, & jedes Fünkchen Sympathie ist vergangen. Zu vieles ist an’s Tageslicht gekommen! – Paul stellte sich gleich am ersten Morgen der Tramdirektion, & fuhr gleich mit einem Tram als erster auf unserer Linie Molard-Genève. Du hättest dieses Erstaunen sehen sollen (es wagte aber niemand zu mu[c]ksen[)]. Am nächsten Tag präsentierten sich zwei Andere, & so machte er dann den vollen Dienst wä[h]rend zwei Tagen. Noch viele andere Herren hier versahen ähnliche Dienste, was ohne Ausnahme hochgeschätzt wurde. –

Leider forderte die Mobilisation die unter so schwierigen Transportbedingungen vor sich gehen musste sehr viele Opfer. Fortwährend hört man von neuen Todesfällen durch die Grippe, es ist ein Jammer. Unter der Zivilbevölkerung hat die Krankheit stark abgenommen. Bei Guillaume’s hatten sie Nola [?] und Victor seit 3 Tg. seitdem er aus dem Dienst zurück ist. Es geht ihnen aber befriedigend. – Hier zu Hause sind wir alle wo[h]l & können nicht dankbar genug darüber sein. – Adèle kam am 19. zu uns zurück. Sie war noch recht blass, müde & hustete noch ziemlich.  Sie hat sich aber schon recht erholt, sieht besser aus, der Husten ist vorbei, & sie ist wieder unternehmend & aufgeräumt. In Zürich war es eben schon ganz grau, neblig & viel kälter wie hier. – Alex ist am 23. wieder abgereist, & am 25. ist seine Schule wieder angegangen[.] Er sah prächtig aus, & hatte sich wirklich förmlich herausgegessen [sic] [.] Er hat seine Ferien wie noch nie genossen, da André auch keine Schule hatte, waren sie beständig beisammen. Ich finde Alex wie umgewandelt, besonders wenn er ohne seine Mutter ist. Aber auch mit ihr ist er viel netter. – Wir haben im Sinn[,] nächste Woche abzureisen. Die Hauptsache ist vollständig in Ordnung, was eine grosse Erleichterung ist. Aber die Züge hier in der Schweiz erschweren einem das Reisen sehr. Adèle verlässt uns am Samstag morgen, & geht noch für einige Tage zu Marcelle. Den Cousinen geht es allen gut. – Anne schrieb am 22. Nov. Sie hatte auch die Grippe gehabt[,] zum Glück nicht schlimm, & war 8 Tg. zu Bett gewesen, fühlte sich aber wieder ganz wo[h]l. sie sei rührend & ausgezeichnet gepflegt worden. In der Familie sei sie bis jetzt die einzig Kranke gewesen, aber es habe in der Stadt sehr viele Fälle. Sonst lauten ihre Berichte gut, nur scheint es mir[,] sie denkt über vieles noch recht konfus, obschon so viele schon ganz umgesattelt haben. – Es ist wieder viel milder geworden, was wir sehr geniessen. – Ich schreibe am Donnerstag fertig & hat Adèle heute 2 Briefe von Mama & einen von Dir erhalten, für welche sie Tausendmal [sic] danken lässt. Wir sind so froh[,] viele détails zu vernehmen, die wir uns oftmals gefragt hatten. Tausend Grüsse von uns dreien an Euch Alle. Es küsst Dich von ganzem Herzen Deine Dich innig liebende Emily.

Emily Fatio-Wenner war ab 1905 mit Paul Fatio (1874-1961) von Genf verheiratet. Fatio war als Ingenieur in Neapel, Rom und Genf tätig.

Zu dem im Brief erwähnten Alex Berner und seiner verwitweten Mutter, Adele Berner-Wenner, sind bereits folgende Beiträge erschienen: 9. Juni 1917, 22. August 1917, 11. September 1917 und 6. Oktober 1917.

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 054/127.4.2 (Briefe an Silvia Wenner, 1917-1921) und W 054/126.9.8 (Beitragsbild)

 

Ehepaar Wenner

Mittwoch, 24. Juli 1918 – Familienfestvorbereitungen

Silvia Wenner (1886-1968), die Schwester von Fritz Wenner-Andreae (vgl. den Beitrag vom 1. Mai 1918), hatte offenbar ihre Neffen gehütet. Sie erhielt am 24. Juli einen Brief ihrer ältesten Schwester Lily:

Erhalten i[n] Fratte

24. Juli 1918. – Sils-Maria.

Meine liebe Silvia, – Für Deinen so lieben Brief vom 27. Juni danke ich Dir sehr herzlich u. habe mich ganz besonders gefreut[,] wieder einmal direct von Dir zu hören. Dass Du eine so schwere Zeit als Vice-Mama mit den drei Bübchen erlebt hast[,] war mir sehr leid. Ich habe lebhaft mit Dir fühlen können, aber um so schöner wird es jetzt sein[,] sie so frisch & vergnügen herum springen zu sehen. Nun ist ja Valentin auch schon 1 Jahr alt. Wie die Zeit vergeht! Ich habe am 12ten ds. an ihn gedacht, denn das war doch sein Geburtstag, nicht? – Bei uns geht es, Gottlob [sic], gut. Wir sind bis jetzt von der s.g.  [sogenannten] spanischen Influenza verschont geblieben, denn wenn es auch nichts schlimmes ist, so ist es auch keine Annehmlichkeit. – Wir haben vor einigen Tagen eine Bombenhitze gehabt, s. d. man sich nur noch im Haus hinter geschlossenen Läden verkriechen konnte. – Letzten Samstag kam Anna wieder einmal für 14 Tage. Bis jetzt geht es unberufen leidlich, aber leider wird ja die Ruhe auch nicht lange dauern. – Gestern haben wir den 75. Geburtstag von Herrn v. G. gefeiert. Wir waren mittags zu Tisch drüben, & während dem Essen haben die drei Kinder, statt dem Toast sehr hübsche Verse aufgesagt, die Frau Max gedichtet hatte. Zuerst stand Max auf & sprach von der Vergangenheit, dann fiel ihm Rudi in’s Wort & wies auf die Gegenwart & er wurde wiederum von Marguerite abgelöst, welche die Wünsche für die Zukunft & das «Hoch» auf den Grossvater ausbrachte. Es war sehr nett! – Nun sind wir alle sehr in der Ueberlegung, wie & was man an der goldenen Hochzeit machen wird. Sie ist am 22. Sept., aber bei den jetzigen Verhältnissen muss man mit allem möglichst früh anfangen, denn es ist doch recht schwierig. Wahrscheinlich werden alle Kinder & Enkeln hier sein können für den Tag, & das ist natürlich das schönste, aber gerade darum giebt [sic] es so viel zu überlegen & einzurichten. Ich bin schon so voller Geheimnisse von allen Seiten, dass ich gar nicht mehr weiss, über was ich sprechen darf, u. über was nicht, & immer in Gefahr bin[,] mich zu verplappern. – Weisst Du noch, wie am Abend vor der silbernen Hochzeit der Eltern wir im Schulzimmer die Kränze wanden, & Fritz so viel Unsinn schwatzte, dass wir alle ganz schwach wurden? Wie weit scheint einem doch schon diese Zeit! Wenn Du einmal Bilder von den Zimmern zu Hause auf dem Lande hättest, wäre es mir eine grosse Freude[,] wenn Du sie mir schicken könntest! – Und nun hoffe ich, dass diese Zeilen Euch Alle [sic] wohl antreffen mögen, & dass auch die Berichte von Tante Jeanne leidlich lauten. Wie traurig muss ihr Zustand sein, & wie schwer für Onkel Robert[,] dass er nun auch dieses langsame Aufhören mit erleben muss! – Bitte, grüsse die lb. Eltern ganz besonders herzlich von mir & sage auch Fritz & Maria viel Liebes. Ich habe mich gereut zu hören[,] dass es Maria’s Mutter auch besser geht. – Meine Umgebung lässt vielmals grüssen. Dich selbst aber, mein Liebes Kleinsele, umarmt in treuer Liebe

Deine

Lily Wenner [1877-1959, Elisabeth Jeanne, genannt Lily, älteste Tochter von Friedrich und Emma Wenner-Freitag].

Im Beitragsbild sind Friedrich (1845-1931) und Emma (1852-1942) Wenner-Freitag zu sehen, die – wie im Brief erwähnt – am 22. September 1918 ihre goldene Hochzeit feiern konnten. Die undatierte Aufnahme entstand in der Stadtwohnung des Paars in der Via Medina in Neapel.

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 054/127.4.2 (Korrespondenz an Silvia Wenner, 1917-1921) und W 054/123.5c (Beitragsbild)

Socken für den Schützengraben

Mittwoch, 1. Mai 1918 – Socken für den Schützengraben

Soldaten in den Schützengräben litten oft an nassen Füssen, was zu Hautirritationen und Infektionen führen konnte. Die zum Wennerschen Firmenkomplex in Süditalien gehörenden Cotonifici Riuniti versuchten, mit ihren Produkten Abhilfe zu leisten.

Fritz Wenner war geschäftlich unterwegs und schrieb an seine Ehefrau auf dieser undatierten Ansichtskarte:

Liebe Maria

Wie ich vorausgesehen habe[,] wird die Sache hier noch einige Zeit länger dauern, als man ursprünglich glaubte, sodass ich vorläufig hier zurückgehalten bin. Was unsere Reise nach Mailand betrifft, so ist es[,] glaube ich[,] besser sie ohne weiteres um eine Woche zu verschieben. Das wird auch Dir besser passen, indem wir den fatalen 4. Mai in Fratte erledigen werden! – Ich würde Dir immerhin raten, wenn Du nach Mail. schreibst[,] das Datum unserer Reise nicht allzusehe zu präzisieren, denn nichts ist sicher auf dieser Welt! Ich hoffe Euch alle wohl und sende Euch Lieben allen meine herzlichsten Grüsse

Dein Fritz.

Seine Frau antwortete:

Fratte, den 1-5-18.

Mein lieber Fritz!

Vielen Dank für Deine l. Zeilen, die mir ja leider sagten[,] dass Du nicht kämest. So entschloss sich Silvia [Schwester von Fritz Wenner][,] wieder nach Neapel zurückzukehren. Sie hofft sehr[,] morgen reisen zu können[,] aber sie bittet keine banozzella [?] an die Bahn zu senden, da sie vielleicht noch im letzten Moment an reisen [am Reisen] verhindert werden könnte.

Hier geht es gut. Dimy [eigentlich Diethelm, Sohn von Fritz und Maria Wenner] ist auch wohler. De Nobili [Arzt] schrieb mir gestern u. verschrieb ihm Lacteol[.] Willst Du bitte noch eine Schachtel davon mitbringen? Ich lege die Ricetta v. D. N. bei. – Ich schrieb auch gleich einen Expressbrief nach Mailand u. teilte ihnen mit[,] uns erst nächste Woche zu erwarten.

Hoffentlich hast Du nicht zu viele tenature [?] u. kommen die Sachen bald ins Klappen.

Soll ich De Nobili für seinen Br. danken? oder [sic] erst abwarten[,] bis Dimy gesund sei, wie er prophezeite.

Eben brachte auch der Bauer die Spargeln u. Biscotto u danke ich Dir dafür auch für die anderen Biscotti[,] die Du sandtest.

Von Mailand habe ich gar keine Berichte mehr. Wahrscheinlich erwarteten sie uns täglich. Hoffentlich geht es der Mammina besser!!!

Wie leid tun mir die Berichte über Tante Jeanne. Bitte sage dem l. Mütterli[,] wie leid es mir tut.

Ich lasse das l. Mütterli herzl. von uns allen grüssen.

Dich küssen die Kinderlein u. Dein treues

Frauchen.

Weitere Beiträge zu Fritz und Maria Wenner-Andreae: 12. und 24. Januar 1916, 7. März 1917, 20. und 21. April 1917.

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 054/128.1 (Korrespondenz zwischen Maria und Fritz Wenner-Andreae, Karte und Brief vom 01.05.1918)