Donnerstag, 2. Januar 1919 – Abschied

Der Waffenstillstand von Compiègne am 11. November 1918 gilt als offizielles Ende des Ersten Weltkriegs. Damit war die Welt aber nicht sozusagen von einem Moment auf den anderen wieder «in Ordnung». Der Krieg wirkte noch lange nach, und insofern könnte man diesen History Blog weiterführen. Die Lebensmittelrationierung beispielsweise blieb auch 1919 noch bestehen, wie die folgende Quelle zeigt:

Rationierungskarte

Nach wie vor musste überall gespart werden:

Stempel "Spart Fleisch"

Auch ohne Krieg blieb der Kanton St.Gallen Anfang 1919 nicht von Katastrophen und Unglücksfällen verschont. Am 5. Januar zerstörte ein Wintersturm zahlreiche Gebäude, insbesondere in den Gemeinden Grub und Eggersriet, und am 6. Februar gab es beim Brand im Armenhaus in Wattwil mehrere Todesopfer:

Haus Eggersriet

Armenhaus Wattwil

Wie in den Jahren zuvor liessen sich auch für 1919 Bilder und Texte zu Alltag und Festtag finden, exemplarisch hier der kleine Mann, der im Sommer 1919 auf dem Pizol noch höher hinaus wollte, und der Festumzug in Nesslau:

Karl Stiefel Pizol

Festumzug Nesslau

Noch weiter ins 20. Jahrhundert und seine spezifischen Probleme deutet der Brief des Automobilclubs vom 2. Juni, in dem es um die Staubbelastung durch die neuen Verkehrsmittel ging:

AutomobilclubGleichwohl beenden wir an dieser Stelle den schon weit über das ursprünglich konzipierte Erscheinen hinaus fortgeführten Blog und bedanken uns herzlich für das Interesse an unserem Projekt.

Wer die Beiträge erneut konsultieren möchte, kann dies vorderhand unter der üblichen Adresse https://zeitfenster1916.ch/ oder auf https://twitter.com/Zeitfenster1916/ tun. Wir planen jedoch, den Inhalt des Blogs mittelfristig über die Homepage des Staatsarchivs St.Gallen zu publizieren.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 238/07.04-15 (Festumzug in Nesslau, 1919), W 207/73.3 (Couvert mit Stempel «Spart Fleisch»), W 207/74.1 (Friedensmarken 1919), W 207/89.1 (Kantonales Laboratorium St.Gallen: Rationenausweis für Mehl und Gries, 03.02.1919), ZMA 18/02.10-6 (Eggersriet: Vom Sturm verwüstetes Haus), ZMH 64/722a (Briefkopf: Automobil-Club der Schweiz, Section St.Gallen-Appenzell, 02.06.1919) ZOF 002/08.16 (Karl Stiefel auf einer Pizol-Tour, 1919)

Scherenschnitt Doris Schwarz

Mittwoch, 1. Januar 1919 – Neujahr: Katze im Geigenkasten

Fortsetzung der Tagebucheinträge von Alfred Schwarz (vgl. Beiträge vom 23.-25. und vom 31. Dezember 1918)

1.I.1919. (Neujahr. – Mittwoch.) – Mit T[h]eo im Bett geschwätzt. – Dann bald aufgestanden (9h). – Allerlei mit den Kindern gespielt. – Ankunft von Doris [Schwarz, Schwester von Alfred Schwarz]! – Mittagessen. – Gemeinsamer Spaziergang auf den Zürchberg (Fluntern, neue Kirche!), resp. seinen Anfang . – Jause. – – Dann mit Doris fort (ca. 5h) & zu Hugi in die Gemeindestrasse. – von Hugi & seiner Schwester Margrit sehr nett & gemütlich empfangen & in ihrer «Bude» ein vergnügtes Tee-Plauderstündchen verbracht! – Von dort direkt zu Hugs zum Nachtessen! x [Zeichen für Einschub resp. Nachtrag, s. unten] – Nach dem Nachtessen geplaudert (im Weih. Zimmer natürlich!) & nocheinmal den Christbaum angezündet! – Doris schildert das tägliche Wiener «Menu» (Rübensuppe & Sauerkraut oder umgekehrt!) – «Loos»-Theorie vom «Sitzen» wird von Hans, Evi & mir «ausprobiert»! – Während die anderen im Musikzimmer musizieren & zuhören, erzählt Evi bei Christbaumbeleuchtung von ihrem Genfer Leben! Dann geht auch Hans ins Musikzimmer & wir zwei warten noch das Abbrennen der letzten Kerze ab & gehen dann auch hinüber! – Hier wird noch gegeigt, & zw. von Onkel Ad. auf einer alten Meistergeige aus dem Geschäft (Wert Fr. 60000.-!) jedoch dann bald Schluss gemacht. Katze im Geigenkasten! – Noch ein wenig im Weih.Zimmer gelesen & geplaudert. Dann Aufbruch & Heimweg zu Baumanns! Theo wieder nicht aufgewacht! – Nachtrag: x Von Doris Wiener Geschenke & «Guetsli [Plätzchen] von Zuhause» erhalten!

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 054/140.07-07 (Tagebuch Alfred Schwarz für die Weihnachts- und Neujahrstage 1917 und 1918) und W 054/144.03.06-18 (Scherenschnitt Doris Schwarz, 1920)