Portierhaus Kantonsspital

Freitag, 6. Dezember 1918 – Der Portier muss frieren

Was wie ein «Samichlaushäuschen» (Häuschen von St.Nikolaus) aussieht, ist der Plan zu einem provisorischen Portiershaus für das Kantonsspital. Am 6. Dezember 1918 publizierte die Baupolizeisektion der Stadt St.Gallen die entsprechende Visier-Anzeige. Das Häuschen sollte den Eingang zum Kantonsspitalgelände an der Rorschacherstrasse in St.Gallen markieren. Das Baugesuch erfüllte verschiedene Vorgaben der Bauordnung nicht: Der Bauabstand von der Strasse, die Konstruktion von Wänden, sowie die Höhenlage des Fussbodens über Terrain entsprachen den geltenden Vorschriften nicht. Die Baubewilligung wurde deshalb nur für ein Provisorium erteilt, und der Staat musste das Häuschen jährlich für eine Rekognitionsgebühr im Betrage von Fr. 10.- an die Stadtkasse kontrollieren lassen. Im fernern, heisst es in der Anzeige, wird verlangt, dass der Fussboden in genügender Weise von Erdfeuchtigkeit isoliert und eine Bedachung in hartem Material erstellt wird.

Der geplante Bau sollte laut Grundriss einen Schlafraum mit zwei Betten, eine Toilette und einen Schüttstein erhalten. Eine Heizung war nicht vorgesehen. Die Abwasserkanalisation hingegen ist auf den bewilligten Plänen im Detail koloriert nachgewiesen.

Kanalisationsplan

Wie aus den Plänen und den zugehörigen Akten hervorgeht, löste der Bau dieses einfachen Häuschens bei Stadt und Kanton einiges an administrativem Aufwand aus. So wurde die Visier-Anzeige vom 6. Dezember 1918 in Protokoll-Ausfertigung an das Kantonsbauamt für sich & zu Handen der Kantonsspitalverwaltung (samt Plandoppel & Revers) und an das Baudepartement des Kantons St.Gallen, sowie [als] Protokollauszug an die Baupolizei-Beamtung (samt Plönen), an das Kataster- und an das Kanalisationsbureau verschickt. Das Kanalisationsbüro der Stadt genehmigte den Kanalisationsplan mit Verfügung vom 17. Dezember (s. Stempel), und zwei Tage später hielt der Regierungsrat in einem Zirkulationsbeschluss fest:

Das Baudepartement unterbreitet dem Regierungsrat ein Baugesuch der Kantonsspitalverwaltung für ein provisorisches Portierhaus. Die projektierte Baute soll mit einer Entfernung von 2.88 m an die Rorschacherstrasse gestellt werden.

Da die ohnehin nicht hohe Baute auf die Nordseite der Strasse zu stehen kommt und eine Beschattung der Strassenfläche daher nicht eintreten wird, und weil ferner eine spätere Verbreiterung der Rorschacherstrasse nach Norden kaum jemals in Frage kommen wird, wird von der kantonalen Strassenverwaltung eine Einsprache gegen das den gesetzlichen Abstand von der Staatsstrasse [von 4.50 m] nicht einhaltende Bauprojekt eine Einwendung nicht erhoben.

Auf Bericht und Antrag des referierenden Departements hat daher der Regierungsrat am 19. dieses Monats auf dem Zirkulationswege

beschlossen:

Vorstehendem Baubewilligungsgesuch sei entsprochen.

Auch dieser Beschluss wurde als Protokollauszug verschiedenen Stellen zur Kenntnis gebracht: dem Bezirksamt St.Gallen zuhanden des Stadtrates St.Gallen, dem Kantonsingenieur und dem Kantonsbauamt zuhanden der Kantonsspitalkommission, letzteres mit Planbeilage, sowie samt Akten an das Baudepartement.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, A 515/1.15-1.44 (Kantonsspital St.Gallen, Portierhaus, später abgebrochen: Text und Pläne)

 

 

Baeckerei in Rheineck, ca. 1900

Dienstag, 6. November 1917 – Kriegsbilanz und Tagesgeschäft

Josef Scherrer, der vielbeschäftigte Sekretär des Zentralverbands christlichsozialer Organisationen, schrieb in seinem Tagebuch:

Ich habe seit langer Zeit keine Tagesnotizen mehr geführt. Eine Sünde, die ich immer wieder begehe. Zuviel Arbeit ist mir eine kleine Entschuldigung. Seit den letzten Notizen, die auch hier niedergelegt, ist so vieles wieder anders geworden. 

Der Krieg ist trotz den ernsten Bemühungen des Heiligen Vaters Papst Benedikt XV. weiter gegangen. Letzter Tage hat die gewaltige deutsch-österreichische Offensive den Italienern entscheidend zugesetzt. Heute melden die Österreicher und Deutschen bereits 250,000 Gefangene und eine Beute von 2000 Geschützen. Vielleicht ist das doch Friedensarbeit!

Ende September 1917 habe ich eine neue grosse Arbeit übernommen. Die Regierung des Kantons St. Gallen hat mich als Leiter des kantonalen Brotamtes berufen. Es ist einerseits für mich eine verlockende Arbeit, anderseits werde ich auch hier manche Sorgen zu kosten bekommen. Die Einführung der Brotkarte ist zwar im Kanton St.Gallen noch ziemlich glatt gegangen, Gott sei Dank! Ich hätte mich schon schön blamieren können! Möge Gott mir helfen, das wichtige Amt in schwerer Zeit gut zu verwalten.  

Rechnungskommission der politischen Gemeinde Tablat.

Rechnungskommission Die Sitzungen haben wieder seit einiger Zeit begonnen. Eine Arbeit, die an und für sich nicht uninteressant ist. Ich mache sie jetzt das 6. Mal. Da hat man doch bald genug.  

Konferenz. Vorberatende Kommission zur Baukommission.

Errichtung einer Baukammer des Kantons St.Gallen im Mercatorium in St.Gallen.

Koch & ich sind in die vorberatende Kommission berufen worden. Ich habe namens der christlich-sozialen Organisation grundsätzlich zugestimmt.

Antrag des Ingenieur- & Architekten-Vereins. Es soll das Justizdepartement angefragt werden, ob nicht ein Baugericht bestellt werden soll.

Schirmer [?]. Das Justizdepartement wird nicht dafür zu haben sein. Ein ganzes Baugericht wird so rasch nicht eintreten. Aber es wäre ein freiwilliges Baugericht doch zu gründen.

Dr. Wyler will wissen, wie sich das Kantonsgericht dazu stellt.

Ingenieur Sommer referiert über die Geschichte der Vorberatungen. Die Fachleute Kantonsbauamt, Stadtbauamt, die Bundesarchitekten sind gegen die Bildung.

Kantonsgerichtspräsident Dr. Geel hat sich gegen die gesetzlichen Fachgerichte ausgesprochen, da das Kantonsgericht nach und nach ausgeschaltet würde. Wenn alle Interessen-Kreise für ein Spezialgerichtswort einträten, so ist die Einführung möglich. Das Kantonsgericht lehnt die Errichtung eines Baugerichtes einstimmig ab.

Dr. Wyler ist für die Spezialgerichtsbarkeit.

Stauber, Zimmermeister Ich spreche mich grundsätzlich für eine Baukammer aus, immerhin unter gewissen Vorbehalten.

Koch sozialdemokratischer Sekretär spricht sich ebenfalls grundsätzlich für die Baukammer aus.

Högger will die Sache weiter verfolgen.

Es wird beschlossen, eine Konferenz mit den Behörden angestrebt. [sic]

Nächster Beitrag: 7. November 1917 (erscheint am 7. November 2017)

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 108/1 (Tagebuch Scherrer) und W 076/3.27.092 (Bäckerei und Conditorei von J. H. Tobler in Rheineck, ca. 1900)

Samstag, 11. November 1916 – Beschäftigungsmöglichkeiten für Kriegsinternierte: „durch den Krieg die nötige Abhärtung mehr als genug erfahren“

Am 15. Mai 1916 waren der Oberen Waid bei St.Gallen Internierte eingetroffen. Für diese Männer suchte man nun Beschäftigungsmöglichkeiten.

St.Gallen, den 11. November 1916.

An das Baudepartement des Kantons St.Gallen, St.Gallen.

Ihrer Einladung vom 10. dies. Folge leistend, berichten wir Ihnen über die Möglichkeit der Beschaffung von Arbeitsgelegenheiten für Internierte folgendermassen:

Mit Bericht vom 4. Oktober haben wir Ihnen bereits einige Bauarbeiten genannt, die eventuell für die Beschäftigung von Arbeitslosen im Winter 1916/17 in Frage kommen könnten. Da bei der Arbeitslosenbeschäftigung im Allgemeinen mit für Bauarbeiten ungelernten Arbeitern zu rechnen ist, die auszurichtenden Löhne aber die Existenzsicherung ermöglichen sollen, so kommen die von Arbeitslosen ausgeführten Arbeiten fast durchwegs teurer zu stehen, als dies mit Facharbeitern bei höhern Löhnen der Fall ist. Die Leistungen von Arbeitslosen können für den Arbeitgeber nur dann in ein richtiges Verhältnis mit den Ausgaben gebracht werden, wenn die Mehrkosten gegenüber der Ausührung durch Facharbeiter von anderer Seite (zu Lasten eines Arbeitslosen-Unterstützungskontos) an den Auftraggeber rückentschädigt werden. Bei einer Anzahl der Ihnen mit Bericht vom 4. Oktober genannten Arbeitsgelegenheiten müsste, um die Wirtschaftlichkeit der Arbeitsleistungen zu wahren, mit einer in diesem Sinne stattfindenden Rückentschädigung gerechnet werden können. Nach unserer Ansicht würde dies speziell zutreffen für die Arbeiten kleinern Umfangs, die Strassenkorrektionen, Trottoirbauten und die Entwässerungen an Staatsstrassen.

Anders ist die Sachlage bei der Heranziehung von Arbeitern aus den Interniertenkreisen. Ohne Zweifel befinden sich darunter viele sehr tüchtige Leute, die schon von Haus aus mit Arbeiten auf dem Felde vertraut sind und auch durch den Krieg die nötige Abhärtung mehr als genug erfahren haben. Wir glauben daher, dass mit der Beschäftigung von Internierten bei der Ausführung von Bauarbeiten mindestens gleich gute oder bessere Resultate erzielt werden könnten, als mit der Beschäftigung von Arbeitslosen aus unseren Industrien.

Da für die Beschäftigung von Internierten nur Arbeitsstellen in Frage kommen können, die in erreichbarer Nähe der ihnen zugewiesenen Wohnstätten liegen, so denken wir in erster Linie an die Staatsstrasse St.Gallen[-]Rorschach in der Nähe der Kuranstalt Waid, ferner an Gossau und Umgebung, das vom Interniertenort Waldstatt mit Morgen- und Abendzügen der Appenzellerbahn gut erreichbar ist. Soviel uns bekannt ist, sind Internierte von Waldstatt auch bei den Arbeiten der Gossauer Dorfbach-Regulierung beschäftigt.

Die Auswahl der Arbeiten, für welche in erster Linie Internierte verwendet werden könnten, dürfte sich jedenfalls nach speziellen Gesichtspunkten richten müssen. Wir selbst sind der Auffassung, dass nur solche Arbeiten hiefür in Frage kommen, welche einerseits nach den bestehenden Lohnverhältnissen kaum Aussicht auf baldige Verwirklichung haben könnten, deren Durchführung aber anderseits sehr wünschbar wäre.

Als solche Arbeiten bezeichnen wir speziell die Korrektion der Staatsstrasse beim alten Niveauübergang der Sulgenerlinie in Gossau und die Tieferlegung der Staatsstrasse beim Hirschberg, östlich von Gossau. Für erstere besteht ein Bauprojekt, für letztere erst ein Vorprojekt. Wir denken, dass diese Arbeiten zeitlich nach einander [sic] aufgeführt werden müssten, um die gleichen Arbeiter längere Zeit beschäftigen zu können. Die Voranschläge beziffern sich auf rund Frs. 50‘000.00, ohne die Bodenerwerbungskosten. Von dieser Summe schätzen wir die Arbeitslöhne allein, und zwar nur für die Erd- und Chaussierungsarbeiten, auf Frs: [sic] 10‘000.00 bis 12‘000.00 ein, was einer Arbeitsleistung von zirka 2000 oder 20×100 Arbeitstagen entspricht. Es könnten also 20 Arbeiter 100 Tage lang Beschäftigung finden. Die Kosten der Interniertenverwendung würden bei Frs: 1.50 Taglohn Frs: 3‘000 betragen, womit sich eine Ersparnis von Frs: 7000.00 bis 9‘000.00 ergeben würde.

Die Arbeiten für Trottoirbauten sind mehr Spezialarbeiten, die grössere Kenntnis und Sorgfalt in der Ausführung verlangen. Erst wenn die Leistungsfähigkeit der Arbeiter bekannt wäre, könnte die Frage der Verwendung von Internierten für diese Arbeiten näher geprüft werden. Wir nehmen daher vorderhand davon Umgang, auch diese Arbeiten miteinzubeziehen.

Die von uns für die Arbeitslosenbeschäftigung vorgeschlagenen Sickerungsarbeiten [sic] an der Rorschacherstrasse sind abschnittsweise zur Zeit in Ausführung begriffen. Der grössere Teil soll jedoch erst nächstens in Angriff genommen werden. Darin sind die zu Frs: 10‘000.00 veranschlagten Arbeiten, die wir in unserem Bericht vom 4. Oktober 1916 aufführten, noch nicht inbegriffen. Die Arbeitslöhne partizipieren in diesen Summen etwa zu ¼ bis 1/3, für alles zusammen mit zirka Frs: 4‘000.00 oder zirka 650 gleich 10×65 Arbeitstagen. Ausser diesen Arbeiten sind auf der Rorschacherstrasse kleinere Verbesserungen der Nivellette, der Fahrbahn (stellenweise Legung eines Steinbetts) dringend durchzuführen, welche mindestens 500 Arbeitstage beanspruchen dürften. Auch könnten die Erdarbeiten für die Trottoirerstellung längs der neuen katholischen Kirche im Neudorf in die Reihe dieser Arbeiten einbezogen werden. Da von unserer Seite einen [sic] Bauaufseher zu stellen wäre, so sollte mit einer Arbeiterschaft von mindestens 15-20 Mann gerechnet werdern, um ihn angemessen beschäftigen zu können. Die Dauer dieser Beschäftigung könnte also für 15-20 Mann zirka 2 Monate betragen.

Bezüglich der Arbeiten an der Rorschacherstrasse speziell fügen wir zum Schlusse die Bemerkung bei, dass sich seit einiger Zeit schon mehrere hiesige Unternehmer dafür interessierten und von dieser Seite oft Anfragen an uns gerichtet werden, ob die fraglichen Arbeiten nicht bald zur Vergebung gelangen würden.

Hochachtungsvoll

Der Adjunkt des Kantonsingenieurs:

Vogt Ing. [Unterschrift]

1 Beilage retour.

Dem Brief liegt ein Schreiben der Zentralkommission für Beschäftigung der Internierten in Bern, datiert auf den 23. November 1916, an den Vorsteher des Baudepartements bei. Die Kommission unterstützt die Einschätzung des Kantonsingenieurbüros:

[…]

Die Arbeiten in der Nähe von Oberwaid und in Gossau würden wohl am ersten in Frage kommen, dagegen würde es kaum möglich sein[,] die nötige Zahl von Steinarbeitern für den Diepoldsauer Rheindurchstich zu finden, auch wenn die Frage nach Unterkunft und Verpflegung keine Schwierigkeiten machte.

Wir werden nun versuchen, Ihnen eine möglichst gute Arbeitergruppe von 20-40 Mann zusammen zu stellen, die dann für die erwähnten Arbeiten in Frage käme. Inzwischen könnten Sie vielleicht den nötigen Kredit einholen. Für die Qualität der Arbeiter können wir natürlich keine Sicherheit leisten, aber der ihnen auszuzahlende Lohn von ca. Frs. 1,50 für den Tag ist ja nicht so hoch, dass man allzu hohe Ansprüche stellen darf. Was die Disziplin anbelangt, so würde durch die Kommandierung von Unteroffizieren dafür gesorgt, dass Schwierigkeiten nicht entstehen können.

[…]

Laut handschriftlichem Kommentar von Regierungsrat Rüegg, dem Vorsteher des Baudepartements, vom 24. November 1916 wurde das Projekt schliesslich doch nicht umgesetzt, weil zu den vorgesehenen Löhnen keine Internierten erhältlich seien.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, KA R.62-1d (Beschäftigung von Arbeitslosen und Internierten mit Bauarbeiten) und A 481/02.02-49 (Kiesgewinnung mittels Greifbagger für den Diepoldsauer Durchstich. Die Arbeiten wurden 1923 abgeschlossen; Foto zwischen 1910 und 1914, Fotograf unbekannt)

Mittwoch, 25. Oktober 1916 – Offerte für die psychiatrische Klinik Wil

Briefkopf

Die – heute in der sechsten Generation geführte – Firma Ganz sandte mit diesem Schreiben ein Formular mit einer Offerte für das Verlegen von Boden- und Wandplatten im „Asil Wil Haus No. 9“ an das Baudepartement.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, ZMH 64/330 (Briefkopf des Baumaterialiengeschäfts E. Ganz in St.Gallen an das Hochbauamt) und ZMA 18/09.06-27 (Ansichtskarte der Psychiatrischen Klinik in Wil, um 1922)

 

Montag, 23. Oktober 1916 – Nachtruhestörung durch Sprengarbeiten in St.Gallen

Die St.Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke SAK waren dabei, für das Kubelwerk die zweite Druckleitung zu erbauen. Dazu wurden nächtliche Sprengarbeiten vorgenommen.

Bruggen, den 23. Oktober 1916

An den hohen Regierungsrat des Kantons St.Gallen.

Wir sind in den Besitz des regierungsrätlichen Protokollauszuges vom 10. Oktober a.c. gelangt, dem zu entnehmen ist, dass den Firmen E. Baumann & Sohn & Vinzenz Broggi, welchen die Bauarbeiten am Wasserstollen II der St.Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke A.G. zur Ausführung übertragen sind, gestattet wurde[,] an Sonntagen an diesem Werke zu arbeiten und ferner des Nachts Sprengarbeiten vorzunehmen, letzteres unter dem Vorbehalte, dass die Gesuchsteller bei ihrer Erklärung, die Vornahme der Sprengschüsse nach Möglichkeit nicht auf die 2 Stunden vor und nach Mitternacht einzurichten behaftet sein sollen.

In Rücksicht darauf, dass [-] wie vielfache Wahrnehmungen bisher zeigten [-] in letzterer Hinsicht dem abgegebenen Versprechen absolut nicht nachgelebt wird, sondern dass fast allnächtlich um die Zeit direkt vor und nach Mitternacht gesprengt und dadurch die Nachtruhe der Anwohner in ziemlich weiter Umgebung gestört wird, möchten wir hiemit an Sie das höfl. Gesuch richten, bei den genannten Firmen darauf zu dringen, dass sie sich an die Ihnen gegenüber abgegebene Erklärung auch halten.

Ihre gesch. Bemühungen bestens verdankend, zeichnen hochachtend

Der Gemeindammann:

A. Rüesch

Namens des Gemeinderates,

Der Gemeinderatsschreiber:

Lautenschlager

Die Bauunternehmung antwortete mit Schreiben vom 31. Oktober an das Departement des Innern und bat am Schluss darum, die Regierung möge die Beschwerdeführer um Einsicht, Nachsicht & Duldung der Arbeiten bitten:

[…]

Betreff unserer angesetzten Nachtarbeitszeit, von Abends 7 Uhr bis Morgens 6 Uhr hat die Erfahrung gezeigt, dass leider das Absprengen der Schüsse auf die gewünschte Zeit einfach unmöglich [ist], indem die Schüsse mit dem besten Willen nicht vor 11-12 Uhr fertig gebohrt werden konnten. Sollte man mit dem Absprengen auf vorgeschriebener Zeit beharren, so hies[s]e das[,] die Arbeit von 10-2 Uhr unterbrechen, was nicht zu machen & uns die Nachtarbeit überhaupt verunmöglichen würde.

Nach unserer Ansicht rührt der Knalleffekt mehr von den Arbeitsstellen in Sturzenegg & Stösselbach her, die sich auf Herisauerboden befinden, wozu uns die dortige Gemeinde die Bewilligung erteilt hat. Wir glauben desshalb [sic], da diese Schüsse ja doch auch um die Mitternachtsstunde gehört werden, auch das gleichzeitige Absprengen der 10-12 Schüsse der Baustelle im Gübsen nicht weiter stören kann. Wir finden, dass es im Gegenteil viel störender wirkte, wenn die Detonationen um 10, 12 & 2 Uhr erfolgen würden, als nur einmal Nachts zwischen 11-12 Uhr. Zudem wirken die Schüsse beim Gübsenweiher weniger effektiv, indem die Ausmündung des Stollens in einen Schacht geschieht & durch diesen der Schall abgeschwächt wird. Auch sind wir mit dem Stollen schon ziemlich im Berginnern, sodass der Schall nicht mehr so stark ist & successif [sic] mit dem Weitereindringen in den Berg bald so minim werden wird, dass kaum noch jemand belästiget wird. Uebrigens kann man sich an Alles gewöhnen & so viel wir wissen, wurde beim Bau des I. Stollens Nachts auch jederzeit gesprengt.

[…]

Die Regierung behandelte das Geschäft in ihrer Sitzung vom 17. November 1916. Sie befand auf Antrag der Sanitätskommission, welche die Beschwerde beurteilt hatte und der Argumentation der Baufirma in weiten Teilen gefolgt war, nicht weiter darauf einzugehen.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, KA R.118-3 (Klage wegen Nachtruhestörung durch den Gemeinderat von Straubenzell) und B 001/6-1.1-18 (Transport eines Stücks Druckleitung für das Gübsenseestauwerk. Die Pläne und ein ursprüngliches Bauprogramm für eine zweite Druckleitung datieren von 1905; Bild: B. Gröbli, Bruggen, ca. 1905-1907)

Mittwoch, 9. August 1916 – Dem Kantonsingenieur platzt der Kragen: Unstimmigkeiten zwischen der Bodensee-Toggenburg-Bahn und dem Staat

St.Gallen, den 9. August 1916.

An das Baudepartement des Kantons St.Gallen,

St.Gallen.

Mit Gegenwärtigem ersuche ich Sie höflichst[,] die Kreisdirektion IV der schweizerischen Bundesbahnen, beziehungsweise die Direktion der Bodensee-Toggenburgbahn, nachdrücklichst anzuhalten[,] die, Ihnen durch persönliche Augenscheinsvornahme bekannten, Verschlipfungen an der Staatsstrasse in der „Roos“ bei Ebnat endlich einmal der definitiven Consolidierung zu unterstellen. Sachbezügliche Vorstellungen unsererseits sind bis jetzt stets unberücksichtigt geblieben. Ohne teilweisen Umbau der am Fuss fraglicher Strassenböschung befindlichen Stützmauer ist eine dauernde Beruhigung der dortigen Strassenverschlipfung nach meiner Beurteilung absolut unmöglich. Mir ist es tatsächlich unbegreiflich, dass die Organe der Bahngesellschaft der Ansicht sein können, die stattgefundenen Verschlipfungen haben ihre Ursache in Dammsenkungen und es könne daher die Consolidierung durch einfache Materialnachfüllungen bewerkstelligt werden, während doch ganz augenscheinlich die am Fusse der Böschung befindliche Stützmauer fortwährend neue Risse und Deformationen erhält.

Mit Rücksicht auf die Verkehrsverhältnisse kann und darf der heutige Zustand nicht mehr auf die Dauer belassen werden und müssen wir die Verantwortung für allfällige Unfälle und dergleichen ausdrücklich ablehnen. Anlässlich einer gestrigen Augenscheinsvornahme habe ich mich veranlasst gesehen, die Verfügung zu treffen, dass die mittelst Holzabfriedung abgesperrte Schlipfstelle für die Zukunft während der Nachtzeit auch noch beleuchtet werde. Dabei nahm ich an, dass die Beleuchtungskosten auf Rechnung der zutreffenden Bahngesellschaft zu gehen haben. Ich ersuche Sie auch von dieser Verfügung der Bahngesellschaft Kenntnis geben zu wollen.

Hochachtungsvoll

Der Kantonsingenieur:

[Unterschrift: Friedrich Bersinger, 1850-1925]

Beilagen: 2 Schreiben

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, KA R. 62 B1, S. 476 (Schreiben des Kantonsingenieurs) und W 238/07.06-20 (Bild, vor 1907, aber mit Poststempel von 1912)

Montag, 7. August 1916 – Auch in der Sennhütte will man Elektrizität

Wasserrechtskonzession.

1674) Die Sennhüttengesellschaft Schönenberg, Gemeinde Wattwil, hat ein Konzessionsgesuch eingereicht zur Ausnützung des sogenannten „Gugenbaches“ daselbst behufs Gewinnung elektrischer Energie.

Das Gesuch, nebst Baubeschrieb und Plänen, liegt gemäss Art. 2 lit. B des Gesetzes über Benützung von Gewässern vom 1. Januar 1894 auf der Gemeinderatskanzlei von Wattwil während 30 Tagen, d.h. bis zum 10. September 1916, zu jedermanns Einsicht auf.

Allfällige Einsprachen gegen die Erteilung der Konzession sind innert der genannten Frist daselbst einzureichen.

St.Gallen, den 7. August 1916.

Für das Justizdepartement,

Der Regierungsrat:

Schubiger.

Der katholisch-konservative Anwalt Johann Schubiger-Sonderegger (1848-1920) leitete von 1891-1894 das damals neu geschaffene Volkswirtschaftsdepartement, danach bis 1920 das Justizdepartement des Kantons St.Gallen. 1890 wurde er auch in den Nationalrat gewählt. Auf Bundesebene setzte er sich massgebend für den Bau der Rickenbahn (samt Basistunnel) ein.

Sennen

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, ZA 001 (Publikation einer Wasserrechtskonzession im Amtsblatt für den Kanton St.Gallen, 91. Jg., Bd. II, Nr. 6, 11.8.1916, S. 169)sowie W 238/07.00-13 (Sennenball im Toggenburg, Ansichtskarte von 1915, Verlag: Th. Zingg, Baden) und W 238/07.00-12 (Toggenburger Sennen, Ansichtskarte von 1915; Hersteller unbekannt)

Samstag, 20. Mai 1916 – Die Ingenieure und Architekten gehen auf Exkursion

Beton war Anfang des 20. Jahrhunderts der neuste und modernste Werkstoff, dem sich Ingenieure und Architekten mit entsprechendem Interesse widmeten. Auf dem Bild sind Arbeiter der Bodensee-Toggenburg-Bahn beim Betonmischen zu sehen (Fotograf unbekannt, 1909).

Excursion nach dem Kraftwerk-Bau Olten-Gösgen

20. Mai 1916

Abfahrt der 12 Teilnehmer 820 Morgens [sic] nach Olten. Ein schöner Maientag war dieser Excursion beschieden. Gleich nach Ankunft in Olten wurde das Mittagsmahl im Bahnhofrestaurant eingenommen & um 1h zur Besichtigung des sich im Bau befindlichen Wehres abmarschiert.

Von dort gings dem ca. 5 km langen Canal entlang zur Baustelle des Maschinenhauses bei Nieder-Gösgen, wo speziell die Erstellung der Turbinen-Ablaufcanäle in armiertem Beton grosses Interesse bot. Hierauf zog man nach Schönenwerd, wo ein Abendschoppen allseits sehr willkommen war & den Vertretern der Bauleitung & der Unternehmer für die freundliche Aufnahme & Führung der Dank der Teilnehmer ausgesprochen wurde. Mit dem Eindruck[,] eine wohlgelungene, lehrreiche Excursion mitgemacht zu haben[,] erreichte man 10h Abends [sic] wohlbehalten wieder unsere Vaterstadt.

C.K. [C. Kirchhofer, Ingenieur, Präsident der Sektion St.Gallen]

Mit Brief vom 17. Mai hatte der Präsident des Vereins, Ingenieur C. Kirchhofer, im Bahnhofbuffet Olten für ca. 15 Personen ein aus 2 Gängen & Dessert bestehendes Essen bestellt. Am 29. Mai verfasste er ein Dankschreiben an Herrn Oberingenieur A. Moll, Kraftanlage, Olten-Gösgen.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 024 (Sektion St.Gallen des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins, Bericht über eine Exkursion; Protokollbuch und Copie de lettres) und BTN 1/1.1-567 (Fotografie)

Mittwoch, 22. März 1916 – Schutz vor dem Blitzzzzz

Kreisschreiben

des

Finanzdepartements des Kantons St.Gallen

an

sämtliche Gemeinderäte desselben

betreffend

die periodischen Blitzableiter-Untersuchungen im Jahre 1916.

Vom 22. März 1916.

Gemäss Art. 31 der Verordnung über die Erstellung und Beaufsichtigung der Blitzableiter vom 10. Mai 1912 sind innert der Frist von drei Jahren alle Blitzableiter einmal auf ihre Leitfähigkeit und äussere Beschaffenheit zu untersuchen. Das zuständige Departement bestimmt, in welchen Gemeinden in jedem einzelnen Jahre die Untersuchungen vorgenommen werden müssen (Art. 33).

[…]

1. Im Jahre 1916 ist die periodische Untersuchung der Blitzableiter in folgenden Bezirken durchzuführen: St.Gallen, Unterrheintal, Sargans, Obertoggenburg und Untertoggenburg.

[…]

2. Die Untersuchungen dürfen nur solchen Personen übertragen werden, welche vom Finanzdepartement als Blitzableiteraufseher patentiert worden sind und sich über den Besitz der erforderlichen Prüfungsapparate ausweisen.

Im weitern soll als Wahlbedingung verlangt werden, dass der Aufseher und sein Gehülfe sich gegen Unfall versichern.

[…]

5. Die Kosten der vom Finanzdepartement angeordneten periodischen Untersuchungen (Ziff. 1) werden von der kantonalen Brandversicherungsanstalt übernommen, und zwar nach Massgabe der provisorischen Gebührenordnung für die Blitzableiteraufseher vom 26. März 1913. Die Gebühren-Rechnungen sind dem Gemeinderate einzureichen, welcher sie prüft und mit seinem Visum versehen an das Finanzdepartement weiterleitet.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, ZA 001 (Auszug aus einem Kreisschreiben im Amtsblatt für den Kanton St.Gallen, 91. Jg., Bd. I, Nr. 12 vom 24. März 1916, S. 510-512) und ZMH 75/023 (Briefkopf eines kantonal patentierten Blitzableiter-Aufsehers von 1922)

Plan für den Neubau einer Scheune in der Bitzi, Mosnang

Montag, 6. März 1916 – Neue Scheune mit Wohnung für die Zwangsarbeitsanstalt Bitzi in Mosnang

St.Gallen, den 6. März 1916.

Tit. Justizdepartement

des Kantons St.Gallen

Anstalt Bitzi.

In Erledigung Ihres Auftrages vom 12. Januar a.c. übermachen wir Ihnen in der Beilage die Pläne und Kostenberechnung betreffend Erstellung einer Scheune mit Werkstätten und Wohnung.

Nach unserer Berechnung stellen sich die Kosten für diesen Bau auf Frs. 51000,00. Dabei sind normale Fundationsverhältnisse vorausgesetzt. Den Preisansätzen sind die heutigen Verhältnisse auf dem Baumarkte zu Grunde gelegt. Ein weiterer Preisaufschlag von Baumaterialien würde auch eine Erhöhung der Einheitspreise bedingen.

Wir legen ferner das von der Bitziverwaltung ausgearbeitete Projekt u. den zugehörigen Kostenvoranschlag bei und bemerken dazu folgendes:

1.) Der Terrainabtrag fehlt, welcher in unserem Voranschlag

enthalten ist

mit 1470 m3. a Frs. 3,50

Frs. 5145,00
2.) Die dadurch bedingten Stützmauern samt Geländer fehlen,

in unserem Kostenvoranschlag enthalten mit

Frs. 4100,00
3.) Es sind geringere Mauerstärken vorgesehen,

Differenz gegenüber unserem Voranschlag

30 m3. a Frs. 31,00

Frs. 930,00
4.) Es fehlt der Keller für die Wohnung[,] Differenz Frs. 600,00
5.) Die Jauchegrube ist um rund 1,60 m3. kleiner

als in unserem Projekt

 

Differenz

6.) Die Abdeckung derselben ist nicht massiv an-

genommen wie in unserem Projekt

 Frs. 800,00
7.) Die Einfahrt ist für eine Last von 1250 Kgr.

zu schwach

Differenz

Frs. 400,00

8.) Das Kehlgebälk über dem Wohnungstrakt

und der Boden daselbst

sind nicht gerechnet

Differenz

Frs. 600,00

9.) Es fehlt die Vordachverschalung

der Scheune

Differenz

Frs. 510,00

10.) Die Stallbrücken im Ochsenstall

sind nur 36 m/m. statt 60 m/m.

dick angenommen;

Differenz

Frs. 15,00

    Uebertrag

Frs. 13100,00

11.) Es fehlt der Bretterboden über den Ställen

samt Doppellatten;

Differenz

Frs. 880,00

12.) Es fehlen die Winterfenster

in der Wohnung

Differenz

Frs. 350,00

13.) Es fehlt der Oelfarbanstrich

auf Holzwerk

Differenz

Frs. 1275,00

14.) Es fehlt die Zufuhr für Baumaterialien; Differenz

Frs. 230,00

15.) Der Jaucheauslauf ist nir [sic für „nur“] mit Frs. 80,00

in Rechnung gestellt

Differenz

Frs. 420,00

16.) Es fehlt ein Posten für Unvorhergesehenes Differenz

Frs. 1700,00

17.) Es fehlt ein Posten für Pläne u. Bauleitung Differenz

Frs. 1200,00

  In unserem Voranschlag enthaltene Mehrbeträge

infolge besserer Ausführung

Frs. 19175,00

Addiert man den aufgerundeten Betrag von Frs. 19200,00 zu dem von der Verwaltung aufgestellten Voranschlag von Frs. 30400,00, so ergiebt [sic] sich eine Summe von Frs. 49600,00.

Werden beide Voranschläge hinsichtlich der Qualität der Bauausführung auf gleiche Basis gestellt, so ergiebt sich eine Differenz von (51000,00 minus 49600,00) Frs. 1400,00, um welchen Betrag unser Voranschlag höher ist als derjenige der Bitziverwaltung. Die Differenz ist hauptsächlich eine Folge der Verschiedenheit der beiden Projekte im Grundriss und im Aufbau.

Der Kantonsbaumeister

[Unterschrift: Adolf Ehrensperger]

Beilagen:

[…]

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, KA R.62 B 2 (Text) und KPP 1/46.9 (Plan)