Mittwoch, 25. März 2020 – Neue Geschichten aus dem Staatsarchiv

Das Staatsarchiv St.Gallen bietet Ihnen neu unter dem Titel «Archivsplitter» immer am Montag, Mittwoch und Freitag kleine Einblicke in die kantonale Vergangenheit, die Inhalte seiner Archivalien und in seine Aufgaben.

Näheres dazu unter folgendem Link:

https://www.sg.ch/kultur/staatsarchiv/uber-uns/historische-einblicke.html%MCEPASTEBIN%

Oder über die Homepage:

https://www.sg.ch/kultur/staatsarchiv.html

 

Donnerstag, 2. Januar 1919 – Abschied

Der Waffenstillstand von Compiègne am 11. November 1918 gilt als offizielles Ende des Ersten Weltkriegs. Damit war die Welt aber nicht sozusagen von einem Moment auf den anderen wieder «in Ordnung». Der Krieg wirkte noch lange nach, und insofern könnte man diesen History Blog weiterführen. Die Lebensmittelrationierung beispielsweise blieb auch 1919 noch bestehen, wie die folgende Quelle zeigt:

Rationierungskarte

Nach wie vor musste überall gespart werden:

Stempel "Spart Fleisch"

Auch ohne Krieg blieb der Kanton St.Gallen Anfang 1919 nicht von Katastrophen und Unglücksfällen verschont. Am 5. Januar zerstörte ein Wintersturm zahlreiche Gebäude, insbesondere in den Gemeinden Grub und Eggersriet, und am 6. Februar gab es beim Brand im Armenhaus in Wattwil mehrere Todesopfer:

Haus Eggersriet

Armenhaus Wattwil

Wie in den Jahren zuvor liessen sich auch für 1919 Bilder und Texte zu Alltag und Festtag finden, exemplarisch hier der kleine Mann, der im Sommer 1919 auf dem Pizol noch höher hinaus wollte, und der Festumzug in Nesslau:

Karl Stiefel Pizol

Festumzug Nesslau

Noch weiter ins 20. Jahrhundert und seine spezifischen Probleme deutet der Brief des Automobilclubs vom 2. Juni, in dem es um die Staubbelastung durch die neuen Verkehrsmittel ging:

AutomobilclubGleichwohl beenden wir an dieser Stelle den schon weit über das ursprünglich konzipierte Erscheinen hinaus fortgeführten Blog und bedanken uns herzlich für das Interesse an unserem Projekt.

Wer die Beiträge erneut konsultieren möchte, kann dies vorderhand unter der üblichen Adresse https://zeitfenster1916.ch/ oder auf https://twitter.com/Zeitfenster1916/ tun. Wir planen jedoch, den Inhalt des Blogs mittelfristig über die Homepage des Staatsarchivs St.Gallen zu publizieren.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 238/07.04-15 (Festumzug in Nesslau, 1919), W 207/73.3 (Couvert mit Stempel «Spart Fleisch»), W 207/74.1 (Friedensmarken 1919), W 207/89.1 (Kantonales Laboratorium St.Gallen: Rationenausweis für Mehl und Gries, 03.02.1919), ZMA 18/02.10-6 (Eggersriet: Vom Sturm verwüstetes Haus), ZMH 64/722a (Briefkopf: Automobil-Club der Schweiz, Section St.Gallen-Appenzell, 02.06.1919) ZOF 002/08.16 (Karl Stiefel auf einer Pizol-Tour, 1919)

Buchungsjournal Kantonspolizei

Donnerstag, 29. August 1918 – Kartoffelschmuggel im Rheintal

Der Krieg kam den Kanton teuer zu stehen, obwohl er selbst nicht Kriegspartei war. In der Staatsrechnung und in den Buchungsjournalen der Dienststellen tauchen immer wieder unvorhergesehene Überschreitungen von Budgetposten auf. So findet sich auch in der sogenannten Anweisungskontrolle der Kantonspolizei für das Jahr 1918 Abrechnungen über nicht budgetierte Ausgaben. Verschiedene, damals noch Landjäger genannte Polizisten erhielten Sonderzulagen für Kontrollen an der Grenze im Rheintal. Dort hatte offenbar der Kartoffelschleichdiebstahl überhand genommen. 1197 Fr. kosteten diese Zahlungen den Kanton allein im Monat August. Am Wachtdienst beteiligt waren ein Korporal, vier Landjäger und vier Landjäger-Rekruten:

Sonderzulagen

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, KA R. 102 B 10, Bd. 1918 (Anweisungskontrolle, Text und Bilder)

Max von Orelli

Dienstag, 13. August 1918 – Ent-lassung aus dem italienischen Staatsgefängnis

Aus Neapel schrieb Fritz Wenner-Andrea an seine Ehefrau:

Liebe Maria,

Danke für Deine l. Zeilen, denen ich mit Freuden entnehme, dass es Euch im allgemeinen besser geht. Hier erleben wir einen Festtag. Orelli ist gestern abend in perfetto orario [?] und wohl und zufrieden angelangt. –

Ich gleibe heute u. morgen noch hier. Bitte sage es dem Gennaro [Angestellter], dass er mich erst morgen abholen soll. –

Heute abend essen wir bei Orellis. –

Ich habe sehr viel zu tun und schliesse mit tausend Grüssen an Alle

Dein Fritz

Hintergrund dieser Zeilen war die Freilassung von Max von Orelli (1874-1947) aus dem italienischen Staatsgefängnis. Er war Geschäftsführer der deutschstämmigen Firma Aselmeyer & Co. in Neapel in Neapel gewesen. Diese hatte im März 1916 mit den Textilfirmen der St.Galler Familien Schlaepfer, Wenner & Co. zu einer neuen Firma Corisal (Cotonifici riuniti di Salerno) fusioniert. Trotz Befolgung der hohen Auflagen der italienischen Behörden eröffneten letztere ein Untersuchungsverfahren gegen Orelli als Delegierten des Verwaltungsrates der Corisal und verhafteten ihn am 8. Mai 1918 auf offener Strasse vor der schweizerischen Gesandtschaft in Rom. Ein Militärrichter sprach ihn schliesslich wegen mangelnden Straftatbestandes («per inesistenza di reato») von der Anklage auf Hochverrat, worauf die Todesstrafe durch Erschiessen gestanden hätte, frei. In einem Privatdruck schilderte Orelli ein paar Jahre später seine Erlebnisse als privilegierter Häftling, aus denen hier auszugsweise zitiert wird:

In dem am Tiber, unterhalb des Giannicolo gelegenen Gefängnisses «Regina Coeli» angelangt, musste ich mich zuerst bis aufs Hemd ausziehen und mir eine genaue Durchsuchung gefallen lassen, die feststellen sollte, ob ich nichts bei mir trage, womit ich mein Leben oder das meiner Wärter gefährden oder abkürzen könnte. Wenige Tage vorher hatte sich ein berühmter Gefangener erhängt. Deshalb war die Untersuchung vorübergehend besonders streng. Die Schnüre aus meinen Schuhen wurden herausgezogen, alles was einem Band oder Schnalle an meiner Bekleidung ähnlich sah, entfernt. Hosenträger, Uhr, Kette, Messer, Bleistift, Papier, Brieftasche, Kravatte, alles wurde mir abgenommen und in einem Paket versiegelt. Sodann wurde ich in ein enormes Fremdenbuch eingetragen, wo ich auch die Namen meiner sämtlichen Vorfahren (mögen sie es mir verzeihen) anzugeben hatte, dann endlich wurde ich von meinerm Wärte durch lange, hallende Korridore nach dem dritten Flügel des Gebäudes geführt, wo ich in einer kleinen Zelle für «Passanten» eingeschlossen wurde. Das GEräusch des hinter mich sich drehenden Schlüssels im Schlosse brachte es mir zum erstenmal zum richtigen Bewusstsein, wo ich mich befand. Trotz dieses wenig angenehmen Gefühls nahm ich mir aber fest vor, mich durch alle diese Nebenerscheinungen und bevorstehenden Unannehmlichkeiten nicht einschüchtern zu lassen.

Es war völlig Nacht geworden. Ich entkleidete mich halb und legte mich auf die Pritsche, wo ich sofort fest einschlief. Ich musste einige Stunden geschlafen haben, als ich plötzlich durch ein blendendes Licht aufgeschreckt wurde. Ich brauchte einige Sekunden, um mich zu orientieren und um einen Gefängnisoffizier zu erkennen, der mich mit drohendem Blick anfuhr, ob ich denn icht wisse, wo ich meine Schuhe hinzustellen habe. Auf meine Versicherung, ich sei mit den Gebräuchen des Hauses nicht vertraut, fragte er, ob es denn das erste Mal sei, dass ich mich hier befände; und auf meine Bejahung schüttelte er ungläubig den Kopf. Es stellte sich heraus, dass er ei seiner nächtlichen Runde über meine Schuhe gestolpert war, die ich aus alter Gewohnheit wenigstens an die Türe gestellt hatte.

Am nächsten Morgen wurde mir ein ständiges Gemach angewiesen im ersten Stock des dritten Flügels Nr. 301.

Gegen Entrichtung von 70 Centesimi per Tag hatte man den Vorzug gegenüber den Verurteilten, dass die Zelle morgens und abends von Sträflingen gereinigt wurde. Im übrigen unterschied sie sich von denjenigen der Verbrecher nur darin, dass noch ein Tisch und ein Stuhl, sowie ein Nachttopf statt des sonst üblichen Gefässes (Calabrese), welches alle Zellen schmückt, hineingestellt wurden. Der Raum ist ungefähr 5 m lang und 2 1/2 m breit. Hoch oben befand sich ein vergittertes Fenster, durch welches ich einen bescheidenen Blick nach dem Himmel richten konnte. Die Bettstelle ist ein an der Wand befestigtes, aufklappbares starkes Eisengeflecht. Dieses wurde samt dem übrigen Mobiliar zur Feier meines Einzuges mit einer starken Stichflamme abgefahren, um das in den Verstecken hausende Ungeziefer möglichst zu vertilgen. Das Bettzeug bestand aus einer dünnen Strohmatratze und Kissen, zwei Leintüchern und einer Wolldecke. Auch erhielt ich zwei Handtücher, die öfters gewechselt wurden. Alle der Verwaltung gehörenden Stoffe waren von mehr oder weniger breiten, kaffeebraunen Streifen durchzogen, genau wie die Anzüge der Sträflinge.

Meine Freunde hatten dafür gesorgt, dass mir das Essen aus einer nahe gelegenen Trattoria täglich geschickt wurde. Auch eine Vergünstigung, die den noch nicht Abgeurteilten auf eigene Kosten gewährt wird. Da es aber nur einmal im Tage gebracht werden darf, und an der Türe einer genauen Untersuchung unterzogen wird, war es, bis es zu mir gelangte, immer kalt, was aber in dieser Jahreszeit nicht viel auf sich hatte. Nach und nach konnte ich einige Anschaffungen machen. Vorerst Löffel und Gabel aus Holz, da der vom Staat gelieferte Holzlöffel, den ich mir bei meinem Austritt in dankbarer Erinnerung angeeignet habe, in seiner rohen Schnitzarbeit seinem Zweck wenig entsprach. Sodann liess ich mir Handtücher und Hemden kaufen, denn die mir von zu Hause geschickten Bekleidungsstücke kamen erst mit grosser Verspätung an. Zeitungen durften keine gelesen werden, mit Ausnahme unpolitischer, illustrierter Blätter. Dagegen stand eine grosse Bibliothek zur Verfügung, und es durften auch broschierte Bücher von auswärts bezogen werden, nachdem sie die Zensur passiert hatten. Dieser waren selbstverständlich auch alle ein- und ausgehenden Briefe unterworfen. Und es dauerte volle drei Wochen, bis ich die ersten Nachrichten von meiner Familie erhielt. Alle Auslagen wurden in einer Art zinslosem Sparheft abgerechnet, in welchem das mir beim Eintritt abgenommene Geld als Kapital eingetragen war. Man verfügte also über keine Barmittel, konnte aber im Hause kleine Anschaffungen, wie Kerzen für Beleuchtung, Zigarren, Streichhölzer, Seife, usw. machen. Bei dieser Gelegenheit lernte ich die Zitrone als äusserst nützliche Frucht kennen, nicht nur zur Bereitung von Limonaden, sondern auch für Zahnpflege und Desinfektion. Denn nichts für diesen Zweck dienendes durfte ohne ärztliche Erlaubnis in die Zelle eingeführt werden.

Eine starke Hautschürfung zog ich mir zu, als ich bei meinen täglichen Turnübungen mit einer Faust versehentlich etwas zu heftig gegen die Wand boxte.

Mein tägliches Leben floss natürlich sehr gleichförmig dahin. Trotzdem ich nicht, wie meine verurteilten Hausgenossen, deren damals etwa 3000 mit mir das Gefängnis teilten, zu einer bestimmten Stunde angekleidet sein musste, erhob ich mich doch regelmässig mit dem ersten Glockenschlag, der gegen 6 Uhr morgens ertönte.

Die sich alle paar Stunden wiederholenden, verschiedenen Glockensignale waren überhaupt das einzige, was in Ermangelung einer Uhr eine Zeiteinteilung erlaubte; mit Ausnahme von dem Kanonenschuss, der um 12 Uhr mittags von dem Giannicolo täglich ertönte.

Ich begann mein Tagewerk mit Lektüre und etwas Turnübungen. Gegen 9 Uhr wurde mjir in einem Glas ein schwarzer Kaffee gereicht, nach 12 Uhr erhielt ich das Essen, wovon ich einen Teil für den Abend beiseite stellte. Ein- bis zweimal am Tag erschien ein Wärter, mit einem eisernen Stab sämtliche Fenstergitter abklopfte, um sich aus dem Klang zu vergewissern, dass sie noch intakt seien. Ein- bis zweimal wöchentlich hatte ich den Besuch des Barbiers, eines wegen einer Messeraffäre Verurteilten. Er kam immer in Begleitung eines Wärters und erzählte mir, das Rasiermesser in der Hand, seine Erlebnisse mit viel Drastik; dabei oft vom Wärter zur Ruhe verwiesen. Morgens um 8 Uhr und abends um 6 Uhr erschien ein Wärter in Begleitung eines Sträflings, der den Auftrag hatte, mein Zimmer zu reinigen. Diese dazu auserlesenen Sträflinge waren meist ganz junge, wegen militärischer Vergehen Verurteilte, die sich beim Aufräumen mit besonderer Liebe auf die bereitgelegten Zigarrenstummel stürzten. Gerne hätte ich ihnen manchmal von meinem nicht verzehrten Essen zugesteckt, aber das war streng verboten. Ihre Tätigkeit beschränkte sich darauf, den Boden aufzuwischen, für Leerung der Gefässe besorgt zu sein, frisches Wasser zu holen und das Bett zu machen. Letztere Arbeit wünschte ich sehr bald selber zu übernehmen, da ich gemerkt hatte, dass nach diesen Reinigungsbesuchen nicht selten eine Jagd auf Ungeziefer notwendig war, worin ich nach und nach eine gewisse Fertigkeit erwarb. Ich liess denn auch mein Bett immer heruntergeklappt, damit es nicht in Berührung mit der Wand komme. Im allgemeinen muss ich aber sagen, dass Gebäude und Zelle im Hinblick auf die darin verpflegte Gesellschaft reinlich zu nennen waren.

[… Informationen über eine im Innenhof des Gefängnisses erstellte Munitionsfabrik, in der Sträflinge arbeiteten]

Abends ging ich immer um 9 Uhr zu Bett, wo ich regelmässig die Töne vieler Glocken von nah und fern hörte, weil dann endlich der Lärm in der Fabrik verstummt war.

Während meines ganzen Aufenthaltes erfreute ich mich eines ausgezeichneten Appetits und Schlafes. Nur ganz wenige Male erinnere ich mich, im Halbschlaf das Geräusch der Runde, die allnöchtlich die Zellen betritt, gehört zu haben.

Das Personal des Gefängnisses, insbesondere der Oberaufseher meiner Abteilung, der Wärter meiner Etage, der Aufseher im Hof waren durchaus freundlich und rücksichtsvoll, da ich mich vom ersten Augenblick an den Anordnungen fügte. Auch der Direktor des Gefängnisses besuchte mich einige Male kurz, um sich zu erkundigen, ob ich Wünsche vorzubringen habe, was ich aber jederzeit verneinte. Während der kurzen Zeit der Zellenreinigung konnte ich meistens mit dem Aufseher plaudern. Allerdings nur über ganz nichtssagende Dinge, denn die Leute hielten sich streng an ihre Vorschrift, die ihnen verbot, Mitteilungen irgendwelcher Art an die Gefangenen gelangen zu lassen. Da ich weder durch Zeitungen noch durch Briefe, noch durch das Personal irgend etwas über die Weltereignisse erfahren konnte, wird man begreifen, dass ich nach meiner Befreiung viele Dinge vernahm, die mich in das grösste Erstaunen versetzten; denn gerade in diesen Monaten hatten sich gewaltige Veränderungen auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen vollzogen.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 054/128.1 (Korrespondenz Fritz und Maria Wenner-Andreae, 1918) und W 054/47.4 (Max von Orelli: Kriegserlebnisse 1918, Privatdruck, S. 19-26) sowie W 054/47.7.1 (Beitragsbild, Max von Orelli, ca.1930)

Kronbergtour, Spiel

Sonntag, 23. Juni 1918 – Damen-tour auf den Kronberg

Der Schweizer Alpenclub SAC war lange Zeit eine reine Männerangelegenheit. Seit 1918 gab es zwar den Schweizerischen Frauenalpenclub, eine Fusion der beiden Gruppierungen fand jedoch erst 1980 nach intensiven Diskussionen statt. (vgl. u.a. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D16457.php)

 

 

 

 

 

 

 

 

Der SAC St.Gallen führte für die Ehefrauen und Töchter der Clubmitglieder unter dem Titel «Damentour» jährlich eine leichtere Bergtour durch. Am Sonntag, 9.  Juni 1918, war man gemeinsam auf den Kronberg gewandert. Am Mittag hatte die Gruppe auf offenem Feuer gekocht (der den Männern aus dem Militär bekannte «eidgenössische Spatz»), danach getanzt und musiziert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Staatsarchiv St.Gallen ist momentan dabei, das Archiv des SAC St.Gallen aufzuarbeiten. Dabei sind auch Glasdiapositive zum Vorschein gekommen, welche die Tour dokumentieren. Im Gegensatz zu den digitalen Bildern von heute, die auf Knopfdruck sichtbar sind, mussten Negative früher erst entwickelt werden. Deshalb wird dieser Beitrag erst vierzehn Tage nach dem eigentlichen Ereignisdatum publiziert.

 

 

 

 

 

 

 

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 312/11.2.22.013 bis W 312/11.2.22.029 (Bestand SAC St.Gallen, Bilder der Damentour auf den Kronberg)

 

 

 

Friedensengel

Dienstag, 1. Januar 1918 – Friedenssehnsucht

Friedensengel entwaffnen die Kriegsparteien, undatierte Ansichtskarte von K. Bieder

Im History Blog «Zeitfenster 1916» sind in den letzten zwei Jahren mehr als 550 Beiträge erschienen. Die Blogseite verzeichnet bis dato über 112’000 Aufrufe. Wir lassen die Seite über das Jahr 2018 zwar weiter «laufen», allerdings werden wir nur noch sporadisch Artikel publizieren. Wir bedanken uns herzlich bei allen treuen Leserinnen und Lesern, aber auch bei allen, die zufällig auf den Blog gestossen sind, und bei allen, die nur den einen oder anderen Beitrag gelesen haben, für das Interesse.

Für uns war es ein spannendes Experiment, in «unserem» Archiv Quellen zu bestimmten Daten zu suchen und zu veröffentlichen. Entstanden ist ein Potpourri an Themen, das auch uns die Augen für die Alltagswirklichkeit in Kriegszeiten ein Stück weit geöffnet hat. Wer neugierig ist, welche Quellen man zu 1918 findet, ist herzlich eingeladen, die Recherchen im Staatsarchiv St.Gallen selber weiterzuführen!

Helvetia als Friedensstifterin

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 207 (Joseph Fischer, Album «Aus Kriegszeiten», Ansichtskarten Nr. 1 und 5 mit Motiven von K. [Kurt?] Bieder aus dem Verlag K. Essig, Basel)

Metzgerei und Schulhaus in Rheineck

Samstag, 24. November 1917 – Kochen unter Kriegsumständen

Die Monatsbeilage zur Rorschacher Zeitung veröffentlichte in ihrer Ausgabe vom 24. November Menuvorschläge:

Reisfleisch½ Kilogramm Kalbfleisch, 200 Gramm Reis, der Saft von einer halben Zitrone, Salz, 1½ Liter Wasser, 1 Esslöffel Fett, 1 gehackte Zwiebel.

Das Kalbfleisch wird in kleine Würfel geschnitten, der Reis wird erlesen und gut gewaschen. Fett und Zwiebeln werden miteinander gedünstet, das Fleisch wird beigegeben, gesalzen und einige Minuten geröstet. Dann wer[d]en Salz, Wasser, Reis und Zitronensaft beigegeben und die Speise zugedeckt auf schwachem Feuer 1½ Stunden gedünstet. Wird das Gericht im Selbstkocher zubereitet, muss es 25 Minuten auf dem Feuer gedämpft und 3-4 Stunden in den Kocher gestellt werden.

Weisse Bohnen. 750 Gramm weisse Bohnen, 2½ Liter Wasser, Salz, 1 Esslöffel Fett, 2 gehackte Zwiebeln, 1 Esslöffel Mehl, 2 Esslöffel Essig.

Die Bohnen werden erlesen und einige Stunden in lauwarmes Wasser eingeweicht. Die Zwiebeln und das Mehl werden im Fett gedünstet, die Bohnen werden mit dem Einweichwasser beigegeben und noch so viel Wasser zugefügt, bis die Bohnen damit gedeckt sind. Sie werden 2½ Stunden weich gekocht, kurze Zeit vor dem Anrichten werden Essig und Salz beigegeben. Bei der Zubereitung im Selbstkocher werden die Bohnen ½ Stunde auf dem Feuer gekocht und 2-4 Stunden in den Kocher gestellt.

Saure Kartoffeln. 1½ Kilogramm Kartoffeln, Salzwasser, 1 Esslöffel Fett, 1½ Esslöffel Mehl ,1 gehackte Zwiebel, 3 Esslöffel Essig, 2 Tassen Wasser.

Die zugerüsteten Kartoffeln werden in Scheibchen geschnitten, im Salzwasser weichgekocht und auf ein Sieb angerichtet. (Das Wasser wird zu einer Suppe verwendet.) Fett, Zwiebeln und Mehl werden hellbraun geröstet und mit dem Wasser und dem Essig abgelöscht. Die Sauce wird gesalzen und einige Minuten gekocht. Hierauf werden die Kartoffelscheibchen beigegeben und noch einige Minuten mit der Sauce gekocht.

Dörrobst. 250 g Dörrobst, Wasser, 60 g Zucker.

Das Dörrobst wird gut gewaschen, in lauwarmes Wasser eingeweicht und einige Stunden zugedeckt stehen gelassen[.] Es wird mit dem Einweichwasser auf das Feuer gestellt, 10 Minuten vorgekocht und 2 Std. in den Selbstkocher gestellt. Das Obst wird angerichtet und mit dem Zucker vermengt. Wenn es an Zucker mangelt, werden 3-4 Tabletten Saccharin [synthetischer Zuckerersatzstoff] im Wasser aufgelöst und mit dem Obst vermischt. Das Saccharin darf nicht mitgekocht werden.

Bei dem in den Rezepten erwähnten Selbstkocher handelte es sich im Wesentlichen um ein gut isoliertes Behältnis, in dem die Speisen in ihrer eigenen Wärme ohne zusätzlichen Brennstoffverbrauch garen konnten. Erfinderin des Selbstkochers ist die Wattwilerin Susanna Müller, vor allem bekannt wegen ihres Longsellers «Das fleissige Hausmütterchen». Das Toggenburger Museum in Lichtensteig besitzt ein Originalexemplar eines Selbstkochers, vgl. http://www.tagblatt.ch/ostschweiz-am-sonntag/leben/Kleinod-der-Kueche;art304178,4608472 (Bild Nr. 3 im Artikel).

Nächster Beitrag: 1. Dezember 1917 (erscheint am 1. Dezember 2017)

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, P 913A (Text: Rorschacher Blätter zur Unterhaltung und Belehrung, Gratisbeilage zur Rorschacher Zeitung, Nr. 7, 1917, 24.11.1917) und W 238/02.14-28 (Ansichtskarte: Rheineck, 1911)

Soldatenlieder Büchlein

Mittwoch, 3. Oktober 1917 – Schweizer Soldaten-Lieder

Am 3. Oktober begann die Infanterie-Rekrutenschule V/6 St.Gallen. Sie dauerte bis zum Samstag, 8. Dezember 1917.

Die angehenden Soldaten erhielten ein Liederbüchlein mit 80 Liedtexten, angefangen mit Heimatliedern: Rufst Du mein Vaterland (Nr. 1), O mein Heimatland (Nr. 2), Schweizerpsalm (Trittst im Morgenrot daher …) (Nr. 3) und Heisst ein Haus zum Schweizerdegen (Nr. 4).

Aufgelistet sind zudem diverse Militärlieder wie z.B. Auf, Ihr wackern Kanonier›!, De Chäreli Mitrailleur, Der Trainsoldat hat’s lustig, Ich bin ein jung Soldat, Roulez Tambours!, Addio la caserma und Ich bin ein junges Schützenblut. Nicht fehlen durfte auch Willst Du dein Dienstbüchlein zerreissen.

Daneben findet sich eine ganze Reihe Volkslieder wie Es Burebüebli mahn I net, Es wot es Fraueli z’Märit ga, Im Aargau sind zwei Liebi, ’s Ramseiers wie ga grase oder Le ranz des vaches und Quatter [Quattro] cavai che trottano.

Als letztes ist das Landsgemeindelied abgedruckt: Alles Leben strömt aus dir.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Bro I 189 und Schweizerisches Militäramtsblatt 1917, S. 184 (freundliche Mitteilung betreffend Beginn und Dauer der Rekrutenschulen von Manuel Bigler, Stv. Chef Forschungsdienst, Bibliothek am Guisanplatz, Bern)

Desertierte Alpini

Samstag, 29. September 1917 – Bartgeschichte

Vier Monate Gefängnis für einen Bart. Vor einigen Monaten hat ein kriegsbegeisterter Tischlergeselle in Rom seinen [sic] Aerger über die Friedenspartei dadurch Luft gemacht, dass er dem sozialistischen Abgeordneten Maffi in der Strassenbahn den Bart abschnitt, weil seiner Meinung nach der Bart das beste Kennzeichen der pazifistischen Politiker in Italien war. Diese Angelegenheit hat vor dem Gerichtshof ihren Abschluss gefunden. Der Bartabschneider wurde zu vier Monaten Gefängnis, 300 Lire [italienische Währung] Strafe und Konfiskation der verbrecherischen Schere verurteilt, wobei man ihm die sonst in Italien bei nicht vorbestraften Leuten übliche Erleichterung des Strafaufschubs nicht gewährte. Der «Corriere della Sera» bemerkt zu dem Urteil: «Das heisst unserer Meinung nach den Respekt vor dem Gesicht eines Parlamentariers und den Preis der Barthaare allzu hoch setzen.[«]

Zum Beitragsbild: Die im Spätsommer 1915 in die Schweiz desertierten italienischen Gebirgsjäger (Alpini) waren vermutlich aus militärisch-sanitarischen Gründen bestens rasiert. Kriegsmüdigkeit und Friedenswillen war offenbar nicht vom Bart abhängig.

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, P 913A (Text: Rorschacher Blätter zur Unterhaltung und Belehrung, Gratisbeilage zur Rorschacher Zeitung, Nr. 7, 1917, 29.09.1917) und W 132/1-010 (Erinnerungsalbum von Leutnant Kaspar Störi, Geb. Sch. Kp IV/8)

Abloesung

Samstag, 25. August 1917 – Entlassung aus dem Aktivdienst

Zug Störi als Of.Wache Dreisprachenspitze abgelöst Aug. 1917 Neuschnee

Das Geb.Sch.Bat. 8 (Gebirgsschützen-Bataillon 8) leistete vom 27. Mai bis zum 26. August 1917 Aktivdienst im Engadin. Stationiert war die Truppe in St.Moritz, Pontresina, Ponte, Schuls und im August schliesslich auf dem Umbrail. Die Truppe wurde am Sonntag, 26. August entlassen, d.h. die im Beitragsbild angesprochene Ablösung ist möglicherweise am Tag zuvor erfolgt.

Das Bild befindet sich auf einer Seite im Erinnerungsalbum der Truppe, auf der noch weitere Bilder von diesen Augusttagen im Umbrailgebiet zu sehen sind:

Lago di Rims

Originallegende: Patr. [Patrouille] am Lago di Rims 2392 m Mt Praveder Aug. 1917

Kommandohaus PapiermuehleOriginallegende: Kdo Haus «Papiermühle» rechts Piz Umbrail Aug. 1917 [Papiermühle möglicherweise, weil hier Rapporte u.ä. geschrieben wurden]

Offiziere am Umbrail

Originallegende: Oblt. Meyer u. Hptm. Cavelti am Piz Umbrail

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 132/2, Seite 113