Sonntag, 3. Dezember 1916 – Für 1917 geplant: Ein Turntag „im einfachsten Rahmen und ohne jedes festliche Gepräge“

Der 3. Dezember war ein Sonntag. Der Vorstand traf sich um neun Uhr vormittags im „Schützengarten“ in St.Gallen zu einer kurzen Sitzung von 50 Minuten. Anschliessend fand die Abgeordnetenversammlung des Verbandes statt.

[…]

II. Kantonaler Anlass 1917.

Kantonaloberturner Tobler legt ebenfalls das Referat über diesen Gegenstand vor.

Mit einem Rückblick auf das letzte Kantonalturnfest 1914 in Altstätten wird zunächst darauf hingewiesen, dass bei den gegenwärtig ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen an eine gleiche Durchführung des kantonalen Anlasses nicht zu denken sei. Dagegen soll, sofern es die Verhältnisse erlauben, ein kantonaler Turntag im einfachsten Rahmen und ohne jedes festliche Gepräge in Aussicht genommen werden.

Das Arbeitsprogramm wird vor allem Sektionsturnen – dreiteilig –, dann Kunst-, National- und volkstümliches Turnen umfassen und Schlusswettkämpfe im Spiel. Dem Sektionswetturnen dient das kantonale, bezw. eidgenössische Festreglement als Grundlage; Kunst- und Nationalturnen sind als 10teilige Wettkämpfe gedacht; ferner neben einem Solchen im volkstümlichen Turnen in der gleichen Gattung ein Solcher mit nur 6 Faktoren, der den Anfängern dienen soll. Das volkstümliche Turnen im Zehnkampf sieht vor:

1. Schnellauf 100 m in 13 Sek. Differenz 1/5 Sekunde    
2. Steinheben 20 kg. 10x l.u.r. abwechselnd    
3. Steinstossen aus Anlauf 33 1/3 & 6 m Differenzmass 15 cm
4. Kugelstossen 7 ¼ kg 10 m 20 cm
5. Hochsprung 1.40 m über eine Latte 5 cm / 2 Punkte
6. Weit- oder Dreischrittsprung 5 m, bezw. 10 m 20 bezw. 30 cm
7. Tauklettern 8 m – 12 Sekunden Zeit 2/5 Sekd.
8. Kugelwerfen 5 kos. [sic] 12 m 30 cm
9. Schleuderballwerfen 40 m 1 m
10. Hindernislauf 100 m 15 Sek. Zeit 1/5 Sekunde

Die Bekanntgabe der Übungen soll 3 Monate vor dem Turntag erfolgen, der übrigens so zu organisieren ist, dass die Bewältigung der Arbeit an einem Tag möglich ist.

Für das Kampfgericht, das in einigen Abteilungen in doppelter Anzahl nötig werden dürfte, werden zunächst Vorschläge der Sektionen eingeholt werden; die Wahl selbst wird der Urabstimmung vorbehalten. Die Frage, ob im Zehnkampf des volkstümlichen Turnens eine Maximalnote oder die unbegrenzte Wertung im Sinne der Höchstleistungen angesetzt werden soll, wird der Abgeordneten-Versammlung selbst zur Entscheidung überlassen. Alles weitere jedoch soll dem Kantonalvorstand zur Erledigung übertragen werden. Die Anträge lauten:

1. Es sei von der Abhaltung eines Kantonalturnfestes pro 1917 Umgang zu nehmen.

2. Der Vorstand wir beauftragt, insofern es die Verhältnisse erlauben, einen kantonalen Turntag im Sinne vorstehender Ausführungen im einfachsten Rahmen ohne jedes festliche Gepräge durchzuführen und erteilt ihm die hiefür notwendigen Kompetenzen. Der Vorstand ist auch mit diesen Formulierungen einverstanden; der Vorsitzende verdankt diese Arbeiten und erkennt damit auf Schluss der Sitzung um 9.50.

Der Aktuar:

R. Sinkwitz

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 090 (Kantonalturnverband St.Gallen, Auszug aus dem Protokoll des Vorstands) und ZMH 64/389 (Auszug aus einer Quittierkarte, 1906)

Sonntag, 29. Oktober 1916 – Die Flumser wollen keine Turnhalle

Der Vorstand des Kantonalturnverbands trifft sich im Kaufmännischen Vereinshaus in St.Gallen zur Sitzung:

[…]

II. Verkehr mit turnerisch. Organen.

[…]

2. Der Turnverein „Flums“ übermittelt neben einem Begleitschreiben vom 27. Oktober verschiedene Akten über das Legat „Major Spörry sel.“ zwecks Bau einer Turnhalle in Flums. Aus diesen ergibt sich, dass der Schulrat von „Flums-Dorf“ mit Ermächtigung der Erben des Genannten, bezw. Herrn Dr. Helbling in St.Gallen, bereits endgültig eine anderweitige Verwendung des inzwischen auf mehr als 6000 Franken angewachsenen Fonds vorgesehen hat. Der Turnverein Flums ist inzwischen auch an den Testamentsvollstrecker, Herr Dr. Jakob in Basel gelangt, dem der Kantonalvorstand bereits im April 1916 die ihm erstmals vom Turnverein Flums eingereichten Beschwerden überwiesen hatte. Eine Antwort des Letzteren auf die neuliche Beschwerde liegt jedoch nicht vor. Der Vorsitzende bedauert, dass in Flums solche Anstrengungen gemacht werden, um den Bau einer Turnhalle verhindern zu können. Der Vorstand erwartet zunächst die Antwort des Herrn Dr. Jakob, ehe die Angelegenheit weiter verfolgt wird.

[…]

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 090 (Kantonalturnverband St.Gallen, Auszug aus dem Protokoll des Vorstands) und W 238/04.05-05 (Festpostkarte zum zweiten Rheintal-Oberländischen Turnfest von 1910 in Grabs)

Sonntag, 8. Oktober 1916 – Fangball, Jugendriegen und ein Gruss aus New York

Der Vorstand des kantonalen Turnverbandes traf sich zu einer Sitzung im Kaufmännischen Vereinshaus in St.Gallen:

[…]

II. Verkehr mit turnerischen Organen.

[…]

b) mit den Bezirksverbänden:

[…]

2. Vom Bezirksturnverband St.Gallen u. Umgebung orientiert ein Protokollauszug über die Vorstands-Sitzung vom 9. September und mit Zuschrift vom 13. September stellt der gleiche Verband die Ansuchen, der Kantonalvorstand möge zur weitern Abklärung der Fangballspiele genauere Bestimmungen über die Rangierung aufstellen und weiter zur Vermeidung von Unzukömmlichkeit bei Messungen von Läufen die Anschaffung von Apparaten für elektrische Messungen in Erwägung ziehen. Über die erste Anregung für Kantonal-Oberturner Tobler aus, dass für Rangierung im Fangballspiel eben mehr als ein oder zwei Spiele auszutragen seien; in diesen Fällen ergibt sich dann die Rangfolge ohne weitere Bestimmungen. Auf die Anschaffung von elektrischen Apparaten empfiehlt der gleiche Referent der hohen Kosten wegen z.Z. nicht einzutreten; diese Sache könne in normalen Zeiten erwogen werden. Der Vorstand schliesst sich diesem Votum mit einstimmigem Beschluss an; den Anregungen damit keine Folge gebend. Im Fernern übermittelt der gleiche Verband die Rangliste über den am 3. Sept. in St.Gallen abgehaltenen Turntag.

[…]

IX. Vorunterricht.

[…]

a) Alt Oberturner „Brühlmann – Tablat“ und mehrere andere bekannte Mitglieder des Schweizerturnvereins „West-Hoboken New Yersy [sic] entbieten von einer Turnfahrt nach New-York freundliche Grüsse. Dieselbe wird zu erwidern beschlossen.

b) An der Bahre des am 1. August in den Walliserbergen verunglückten Sohnes von Ehrenmitglied Jean Rüesch hat das Büreau einen Kranz unter Übermittlung eines Kondolenzschreibens niederlegen lassen. Mit Dankschreiben vom 7. August hat der trauernde Vater davon Kenntnis genommen.

c) Gemäss erteiltem Auftrag hat Kantonal-Oberturner Tobler über die vorgesehene Organisation des Jugendturnens, bezw. Gründung von Jugendriegen für die schulpflichtige Jugend von 12 Jahren an, resp. vom Austritt der 6. und 8. Klasse der Primarschule und für die Jugend vom 15.-16. Altersjahr folgende Leitsätze aufgestellt:

Turnunterricht soll unentgeltlich erteilt werden.

Anschluss an das Vereinsleben darf nicht erfolgen.

Pflichten des Schülers oder Jünglings:

Regelmässiger Besuch der Übungen, pünktliches Erscheinen, anständiges Betragen während und nach den Übungen.

Rücksichtnahme bei Ansetzung der Übungen und Ausmärsche auf die religiösen Pflichten.

Die Übungen sollen zeitlich möglichst früh angesetzt werden.

Der Eintritt in die Riegen soll mit Wissen und im Einverständnis der Eltern erfolgen, welchen auch über die Ansetzung und Dauer der Übungen event. Ausmärsche Mitteilung zu machen ist, um von Seite der Eltern Kontrolle über ihre Söhne ausüben zu können.

Die Eltern sowohl, wie auch Behörden und weitere Interessenten sollen durch persönlichen Besuch für das Jugendturnen gewonnen werden, wo Turnfreundlichkeit und Verständnis vorhanden durch Aufrufe zum Beitritt einladen und zwar alle Frühlinge. Wenn möglich soll dem Aufrufe die Form eines Propagandaschriftchens gegeben werden.

Der Turnstoff wird für den Sommerbetrieb spez. aus dem volkstümlichen Turnen entnommen und sollen die Übungen wenn immer möglich im Freien abgehalten werden, im Winter wird das Geräteturnen mehr in den Vordergrund treten. Auch sind die freien Leibes-Übungen des Sommers-Wintersportes [?] wenn immer möglich zu berücksichtigen. Sowohl an Orten, wo nur im Sommer, als auch an solchen, wo das ganze Jahr geturnt werden kann, soll der Arbeit ein bestimmtes Jahres- bezw. Halbjahres-Arbeitsprogramm zu Grunde gelegt werden, das auf eine sorgfältige und allgemeine Körperausbildung hinzielt.

Für die Leiter von Jugendriegen werden wenn immer möglich Kurse abgehalten, an denen nicht nur der Turnstoff behandelt wird, sondern auch durch Vorträge für ein richtiges Verständnis und richtige Auffassung des Jugendturnens und für allgemeine Aufklärung gesorgt wird.

Für die Aufsicht und Kontrolle über die Jugendriegen werden Kreischefs bestimmt, denen bis 6 Riegen unterstellt sind. Dieselben sollen anlässlich ihrer Besuche auf vorhandene Fehler hinweisen und belehrend wirken.

In der Diskussion erwähnen Tobler die nach seiner Ansicht laue Haltung der kantonalen Schulturnkomission [sic] und Sinkowitz Erscheinungen, die auf äusserst konservative Auffassungen verschiedener Erziehungsbehörden schliessen lassen.

Um diese Angelegenheit zu Handen der Abgeordneten-Versammlung endlich richtig vorbereiten zu können, wird dieser Punkt nochmals auf die Traktandenliste der nächsten Sitzung vorgemerkt.

d) In Ermangelung eines passenden Bildes wird davon Umgang genommen dem Geschäftsbericht über die verflossene Amtsdauer ein Solches vorzuhalten.

[…]

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 090 (Kantonalturnverband St.Gallen, Auszug aus dem Protokoll des Vorstands) und W 238/06.09-41 (Festpostkarte zum St.Gallischen Kantonal-Turnfest in Rapperswil 1911, abgestempelt am 17.06.1917)

Sonntag, 30. Juli 1916 – Wie man einen Festanlass plant

Einen Grossanlass wie ein Kantonalturnfest oder eine Turnfahrt zu organisieren, bedingte diverse Vorbereitungen. Für den für 1916 geplanten Anlass traf sich der Vorstand des Kantonalturnverbands am Sonntagmorgen im „Kräzerli“, Urnäsch. Der Sommersonntag bot – in diesem Jahr ausnahmsweise – gutes Wetter für den Anlass.

IV. Festliche Anlässe.

Der Vorsitzende konstatiert mit Vergnügen, dass der Redner für den patriotischen Akt: Herr Dekan Rothenberger, heute zur Verfügung steht: bei einer allfälligen Verschiebung wäre derselbe jedoch nicht zu haben gewesen. Als Ersatz hatte der Vorsitzende für diesen Fall bereits die Zusage von „Herrn Major Jules Schönholzer“ – St.Fiden erhalten, der dann in die Lücke getreten wäre. Der Vorstand beschliesst an beide Herren Dankschreiben abgehen zu lassen.

Die Kreistelegraphen-Direktion V erteilt mit Zuschrift vom 17. Juli ihr Einverständnis zur Benützung von Anfragen an die Telephon-Zentralen St.Gallen, Herisau & Urnäsch über die event. Abhaltung der Kantonalturnfahrt.

Die eidg. Meteorologische Anstalt Zürich bestätigt mit Zuschrift vom 20. Juli die Anfrage des Kantonalvorstandes über Auskunfterteilung der mutmasslichen Witterung am 30. Juli. Der inzwischen eingetroffene Bericht lautet diesbez. günstig.

[…]

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 090 (Protokoll) und W 238/03.02-13 (Foto J. Thurnheer, Berneck)