Tourenberichte wurden jeweils an den Clubabenden vorgelesen. Die Berichterstatter gaben sich deshalb Mühe, keine trockene Schilderung der Ereignisse abzuliefern. Die Rapporte enthielten häufig auch spezifische Hinweise, die nur Insidern oder Dabeigewesenen erklärlich waren.
Die im Bericht erwähnten „Tageszeitungen“ sind frei erfunden.
Der SAC war bis zum Zusammenschluss mit dem 1918 gegründeten Schweizerischen Frauenalpenclub eine reine Männervereinigung. Für Ehefrauen und Kinder führte der SAC St.Gallen aber ab und zu sogenannte Damentouren durch.
Tourenbericht von der Damentour, 7. Mai 1916.
Obschon das Wetter während längerer Zeit unsicher und trübe gewesen war, kamen am 7. Mai doch eine stattliche Anzahl Mittglieder [sic] der Sektion St.Gallen S.A.C. überein[,] die diesjährige Damentour zu veranstalten. So kam es, dass männiglich mit Kind und Kegel angeschwirrt kam, zum frohen Gang auf den Kaien. Da der Küchentrain, notabene ohne Langohren, aber doch mit genügend faulen Vertretern der Klasse[,] die man im gewöhnlichen Leben oft ganz fälschlicherweise als Esel taxiert. – Da diese fliegende Kolonne also schon mit schönem Vorsprung unterwegs war, konnte es unserm Untersuchungsrichter niemand übel nehmen, dass er in beständiger Sorge schwebte, die Köche könnten beim Probieren etwas zu tief in den Topf langen.
Aus manchen Zeitungen haben wir Ausschnitte genommen, die wir hier wiedergeben, da sie treffend den ZU- [sic] und Hergang dieser denkwürdigen Tour wiedergeben. —
St.Galler Morgenblatt:
Sonntag[,] den 7. Mai, 9h.M. – Heute morgen wurden die Bürger unserer Stadt durch ein grässliches Getrampel aus dem Schlaf geweckt. Ein paar waghalsige Strassenkehrer, unter Mithülfe [sic] einiger Betrunkener habe die Kühnheit gehabt, den schrecklichen Aufzug aus nächster Nähe zu betrachten. Sie berichten alle übereinstimmend von vielen grossen Männern, die um eine rote Fahne geschart waren und mit grob genagelten Füssen in sonderbarem Takt durchs Städtlein zogen. Anarchistische Umtriebe hegten sie ganz sicher, denn jefer [jeder] trug eine schwere Bombe auf dem Rücken. Was sie vorhatten[,] vermochten unsere Gewährsmänner nicht zu ermitteln, denn sie suchten sich bei der Polizei in Sicherheit zu bringen, und diese erklärte jede Verfolgung als aussichtslos, da sie nur gegen harmloses Gesindel ausziehe und nicht gegen anarchistische Dunkelmänner. —
Krontaleranzeiger, 3. Blatt.
Sonntag, den 7. Mai, 1916, 10h.M. – Eine sonderbare Gesellschaft versammelte sich heute morgen in der Hauptstrasse unserer Stadt. Es waren lauter struppige Männer[,] deren jeder irgend ein Anhängsel mitschleppte. Einer brachte im Rucksack eine dürre Salami[,] wieder einer führte an der Hand seine noch dünnere Ehehälfte. Da wog einer prüfend seinen Hackenstock [sic] in der nervigen Faust, hier stopfte ein zweiter andachtsvoll seine Riesenpfeife und ein dritter gar zerrte beiderseits einige kleinere Kinder nach sich. Um halb 9.h. waren schon ca. 30-40 Männlein und Weiblein beisammen, und kurze Zeit später setzte sich der Haufe in Bewegung Richtung Rehetobel.
Rehtobelcourier [sic], 5. Abendblatt.
Rehtobel, den 7. Mai 1916. — Der Förster von Rehtobel bemerkte heute eine rote Fahne auf dem Kai[e]n. Da ging er hinauf und sah ein eigentümliches Bild. Eine grössere Gesellschaft war offenbar von heisshungerigen Gelüsten befallen worden, denn es brodelte gar lieblich in den Kesseln[,] und die ohnehin schon viel zu kleinen Wurstzipfel verschmorrten [sic] unter den Händen der Köche zu unansehnlichen Stumpen. Aber es wurde dennoch tapfer eingehauen.
Der Kellner, ein kleiner dicker Pfiffikus, war rastlos tätig. Der hüpfte von einem zum andern[,] und der Förster behauptet[,] man hätte ihn oft gesehen[,] wie er auf dem Bauche rollend vom Kessel zur durstigen Frau Nägeli hingeglitten wäre.
Eine richtiggehende Landsgemeinde, mit reger Beteiligung wählte zum Vergnügungsleiter den rundlichen Fettklumpen mit der Feuerwehrbinde am Bauch. Ein alter Lästerer behauptete zwar, dass ein alter Nabelbruch die Binde erfordert hätte.
Auf Ersuchen der Polizei der Stadt ordnete die Obertschuggerei von Rehtobel die Ueberwachung der eigenartigen Gesellschaft. Der Schuster in seiner Eigenschaft als Polizeioberjehu ging sogleich mit drei Detektiven ab. Sie hatten sich mit Musikinstrumenten ausgerüstet[,] um zugleich durch Tanzmusik eine bescheidene Entschädigung zu verdienen. Leider vermochten die Herren aber nicht anzukommen, da schon eine Mundharmonika und einige beneidenswert gute Lungen pfiffen.
Die Gesellschaft übte fleissig das klassische Tauziehen[,] und ein schwarzer Tschinggenkopf soll dabei geplatzt sein. Auch Tanz und Scherz schien der Gesellschaft gut zu liegen, wenigstens lag bald alles in rührender Eintracht im Gras[,] und ein paar besonders Verwegene versuchten sich im Schnarchen.
Da der Absatz des Gesellschaftstiegers [sic] nun hielt[,] tanzte dieser schnell einen amerikanischen Soloschauertanz[,] ehe ihn der Schuster verhaftete. Aber die Polizei musste abziehen, denn gegen einen Untersuchungsrichter vermag selbst der Gewaltige Rehtobler polizeichef [sic] nicht aufzukommen.
Dann ging die ganze Bande weg samt Geschirr. Die Verfolgung durch die Polizei war erfolglos, da die Musikinstrumente hinderlich waren. —
Der Bote von Trogen.
Trogen, 8. IIIII.1916. — Die gestern von überal[l] her gemeldete Zigeunerbande ist gestern Abend auch hier durchgekommen. Aus dem Kastenloch herausstolpernd, überfiehlen [sic] sie eine Wir[t]schaft und beschlagnahmten den ganzen ersten Stock. Bis spät hörte man das Singen und Schreien der Bande[,] so dass der Nachtwächter nicht schlaffen [sic] konnte. —-
So die Presse. Die Nachrichten der Zeitungsmenschen sind so zuverlässig, dass wir von weiteren Schilderungen absehen wollen.
Für konforme Abschrift
W. H. Geheber [?]
S.A.C.
Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 023 (SAC St.Gallen: Tourenberichte, Text und Bilder aus Album Sektionstouren im Bilde, ca. 1863-1930)