Mittwoch, 6. Dezember 1916 – Lohnfortsetzung während des Militärdienstes

Das Füs Bat 79 (Füsilier Batallion 79), dem viele St.Galler Soldaten angehörten, verbrachte einen Teil seines Aktivdienstes im Oberengadin, hier Soldaten bei der Montage einer Telefonverbindung im Winter 1915/16. Ob Karl Ackermann, von dem in untenstehender Quelle die Rede ist, in dieser Truppe Dienst tat, wurde nicht nachgeprüft.

[…]

7. Herr Karl Ackermann auf der Expedition hat auch dieses Jahr wiederumm [sic] einige Wochen Militärdienst leisten müssen. Der Kassier frägt wie es mit der Lohnzahlung während der Militärdienstzeit des Genannten zu halten sei. Es wird beschlossen, an Herrn Ackermann den Lohn auch während des letzten Militärdienstes voll auszubezahlen, analog wie es früher auch gehalten wurde. Dieses Vorgehen rechtfertigt sich dadurch, weil fraglicher Angestellter seit Kriegsausbruch keinerlei Gehaltserhöhung oder Gratifikation bezogen hat, den Militärurlaub zu Büreauarbeiten benützte und seinen Berufspflichten stets pünktlich nachkömmt.

[…]

Laut Schweizerischem Obligationenrecht von 1911 waren Arbeitgeber nur verpflichtet, bei kurzzeitigen Militärdienstabwesenheiten eine Lohnfortzahlung zu leisten. Dies führte dazu, dass viele Familien in Not gerieten. Erst 1939 beschloss der Bundesrat unter dem Vollmachtenregime des Zweiten Weltkriegs eine Erwerbsersatzordnung für militärdienstleistende Männer.

Skiturnen war für die Angehörigen des Füs Bat 79 im Winter 1916 oft angesagt:

Skiturnen

Skiturnen

Skiturnen

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, Wy 088 (Auszug aus dem Protokoll der Betriebskommission der Buchdruckerei „Ostschweiz AG St.Gallen“) und W 131/3.48, W 131/3.39 und W 131/3.38 (Bilder)

Donnerstag, 5. Oktober 1916 – Die Arbeiter gehen nicht zum Coiffeur, dieser macht Verluste und erhöht die Preise

Jakob Jäger wurde am 25.01.1874 in Stein am Rhein (SH) geboren. Er machte eine Lehre als Zimmermann und zog 1900 nach St.Gallen, wo er gewerkschaftlich aktiv wurde. Von 1903 bis 1910 war er Präsident des Zentralverbandes der Zimmerleute der Schweiz. Sein Nachlass kam als Teil des Unia-Gewerkschaftsarchivs ins Staatsarchiv St.Gallen.

Im folgenden Schreiben geht es um das Coiffeurgewerbe. In St.Gallen existierte in der Brühlgasse eine Coiffeur-Gewerkschaft, die von den Arbeitern frequentiert werden sollte. Da in Arbeiterhaushalten das Geld in Kriegszeiten knapp war und die Arbeiter teilweise wegen Dienstverpflichtungen abwesend waren, beklagten die Coiffeure eine Frequenzeinbusse:

St.Gallen, den 5.X.16

Werte Genossen!

Der Verwaltungsrat der Coiffeur-Gewerkschaft Brühlgasse 39 hat in seiner Sitzung vom 27.IX. beschlossen ab Montag, den 2. Oktober den Tarif II in Anwendung zu bringen. Maassgebend [sic] war in erster Linie die Steigerung der Materialpreise für den Service um 50 bis 100%. Zweitens muss in Folge der bestehenden Teuerung eine höhere Löhnung der Angestellten eintreten. Und drittens wird das Geschäft seitens der Genossen noch immer nicht in der Anzahl besucht, welche notwendig ist, damit das Unternehmen für die Dauer gehalten werden kann.

Seit der Zeit des Krieges arbeiten wir mit einer Unterbilanz. Diese muss unbedingt wieder gehoben werden, was nur geschehen kann durch zeitgemässe Regulierung der Bedienungspreise u. bessere Frequentierung durch unsere Genossen[.] Würden diese mehr vom Genossenschaftswesen durchdrungen sein, so hätten die Unterzeichneten nicht immer und immer wieder Veranlassung mit einem Appel [sic] für die Genossenschaften an die Genossen heranzutreten.

Wenn diese überhaupt eine Ahnung davon hätten, wie geringschätzig sie von den Coiffeur-Meistern, deren Geschäfte sie ihrem eigenen vorzuziehen belieben, taxiert werden, namentlich in Zeiten von Streiks etc und welch heftige Gegner die Coiffeurmeister der Arbeitergenossenschaft gegenüber sind[,] so sind wir der Ueberzeugung, dass die Genossen ihre Genossenschaft nicht so in Stücke [im Stiche] lassen würden.

Alles das in Erwägung gezogen wird Euch, Genossen, veranlassen, dem Preisaufschlag keine Schwierigkeiten in den Weg zu legen und Eure Genossenschaft nach wie vor fleissig in Anspruch zu nehmen.

Mit Genossengruss zeichnet

per [Stempel] Coiffeur-Genossenschaft St.Gallen

(sig) Emil Schweizer, Kassier (sig) Jakob Staudenmeier, Präsident

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 240/1.3-10 (Korrespondenz im Nachlass von Jakob Jäger (1874-1959))

Montag, 13. März 1916 – Ein Jugendlicher muss mit anpacken

13. März 1916.

An den evang. Schulrat in Tablat.

Tit.!

Mit Schreiben vom 2. dies. empfehlen Sie zur Entsprechung ein Gesuch der Frau Hagen, Langgasse, um vorzeitige Schulentlassung des Knaben Kurt Hagen, Schüler der 7. Klasse, bei Lehrer Roduner, in der Gerhalde. Zur Begündung des Gesuches führen Sie an, der betr. Familienvater habe die Frau Hagen mit 8 Kindern böswillig verlassen und sich angeblich mit einer Weibsperson davon gemacht.

Die Kinder stehen im Alter von 20, 15, 14, 9, 8, 7, 5 u. 3 Jahren. Der älteste Sohn stehe z.Zt. in deutschen Kriegsdiensten und liege im Lazaret [sic] in München. An Unterstützung erhalte die Familie monatlich nur 90 Fr., wovon jeden Monat für Hauszins 30 Fr. abgehen. Der Knabe Kurt Hagen sei geb. den 22. Jan. 1902; es biete sich nun für ihn eine günstige Anstellung bei Selig u. Cie., mit 14 Fr. Wochenlohn.

Auf Antrag des Bezirksschulratspräsidenten von Tablat und in Betracht der traurigen Lage dieser fremden Familie, haben wir als Ausnahme beschlossen, die gewünschte Entlassung zu bewilligen.

Hochachtend,

Im Namen der Erziehungs-Kommission,

Der Präsident:                                      Der Sekretär:

Scherrer [Unterschrift]                         D. Dütschler [Unterschrift]

 

Selig im Adressbuch

Quellen: StASG, KA R.130 B 2 (Copie des lettres, Schreiben des Erziehungsrates betreffend eines Schulentlassungsgesuchs), Adressbuch der Stadt St.Gallen von 1916