Briefkopf Interniertenlager

Donnerstag, 19. April 1917 – Dienstbotenfrage

Diesmal schrieb Franz Beda Riklin auf offiziellem Briefpapier der Internierten-Lager:

Liebster Schatz!

Ich danke Dir aufs allerbeste [sic] für Deine letzten Briefe. Es macht nichts, wenn die beiden Mägde fortgehen, falls Frl. Kärcher [?] bleibt. Man muss sie halt anfragen. Anna hat Marie jedenfalls aufgestiftet, u. es wird sowieso nicht mehr gehen. Auf wann haben sie gekündigt? Bist Du dann zuhause? Sie werden noch dies u. das kaputmachen [sic] u. Frl. Kärcher ärgern. Ich glaube auch, dass Du es hier, etwas später, gut haben wirst u. freue mich sehr darauf. Hier ist halt immer noch regelrechter Winter mit frischem Schnee. Sonst geht es mir gut, abgesehen von der Eintönigkeit. Mit den (reichen!) Engländern im Hôtel komme ich gut aus. Z. Zeit sind lauter sehr anständige Leute dort. Sage mir noch, wann Du kommst, damit ich es vorbereiten kann. Man könnte event. noch sehen, ob wir in irgend ein Châlet ziehen könnten. Aber sonst ist man im Gd. Hôtel in jeder Beziehung ausgezeichnet aufgehoben; nur hie u. da ist gegenwärtig etwas wenig geheizt.

Gestern machte ich zum erstenmal eine Pastellskizze von der Kirche hier. Morgen früh fahre ich nach Olten zu einer Konferenz mit dem Armeearzt. Ich freue mich, wenn Du kommst; es ist sonst natürlich niemand hier, mit dem man sich nur annähernd auf dem Niveau besprechen kann, das wir gewohnt sind. Etwas merkwürdig wird Dir die vollständige Ententophilie [?] vorkommen.

Nimm herzliche Grüsse u. Küsse von Deinem Franz.

Vgl. auch die Beiträge vom 11. April und vom 17. April.

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 106 (Briefe von Franz Beda Riklin an seine Ehefrau, 1917; Texte und Beitragsbild)

Grand Hotel Briefkopf, Auszug

Dienstag, 17. April 1917 – Immer noch Winter in Château d’Oex

Der Psychiater Franz Beda Riklin weilte immer noch in Château d’Oex und leitete ein Interniertenlager mit kriegsversehrten Angehörigen der britischen Armee (vgl. Beitrag vom 11. April). An seine Frau schrieb er:

Château d’Oex, 17. April 1917.

Liebster Schatz!

Ich danke vielmal für Deinen letzten Brief. Über das Wetter musst Du Dich nicht mehr beklagen als wir hier. Meistens schneit es [Mitte April!], zB. heute ohne Unterbruch. Ich mach mir übrigns nicht allzuviel daraus, denn ich bin ja beschäftigt. Am meisten mss ich diese Arbeit mit der einer Anstaltsdirektion vergleichen. Die Sprachveränderung ist ganz günstig; doch wäre ein italienischer Aufenthalt nützlicher u. für uns beide angenehmer. Ja, wir müssen sehen, dass wir noch einmal einen Aufenthalt für uns haben. Es ist natürlich auch für mich relativ fade. Ich freue mich nur, noch ein Stück Frühling in dieser Gegend  zu sehen u. [unlesbar] dann auch einmal an den Genfersee hinunter. DAnn aber Schluss mit diesem Dienst. Nächsten Freitag fahre ich nach Olten zu einer Conferenz. Ich bin dort von Mittag-Nachmittag, fahre abends zurück bis nach Gstaad. In Olten; Hotel Schweizerhof.

Wie geht es wohl zuhause? Ich habe ein paar «Briefe» von den beiden Grossen u. schicke ihnen ab u. zu eine Karte.

Dem Herz geht es ziemlich gut, zuerst musste ich mich ans Steigen gewöhnen u. die Höhe. Aber ich komme jetzt ziemlich viel an die Luft. Zeitweise beschäftigen mich die Träume; auch habe ich e. Roman von Anatole France gelesen; weniger gut als die anderen.

Viele herzl. Grüsse u. Küsse

v. D. [von Deinem] Franz

Anatole France war ein französischer Schriftsteller. Er erhielt 1921 den Friedensnobelpreis (vgl. z.B. https://de.wikipedia.org/wiki/Anatole_France)

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 106 (Briefe von Franz Beda Riklin an seine Ehefrau, 1917; Texte und Beitragsbild: Auszug aus einem Briefkopf des Grand Hôtels, in dem Riklin logierte)

Briefpapier Grand Hotel

Mittwoch, 11. April 1917 – Interniertenlager in Château d’Oex

Der Psychiater Franz Beda Riklin leistete in den Waadtländer Alpen Dienst. Er leitete in Château-d’Oex ein Interniertenlager u.a. für englische Offiziere und hatte sich im Grand Hotel einquartiert, was er sich eigentlich nicht leisten konnte (s. weiter unten).

Während des Ersten Weltkriegs beherbergte die Schweiz über 12’000 Kriegsverletzte aller Parteien in verschiedenen Luftkurorten der deutschen und der welschen Schweiz.

Über seinen Einsatz schrieb Riklin in einem Brief vom 8. April 1917: Mein Vorgänger ist ein Arzt von hier, der genug hat, aber mir noch in Musse alles zeigen kann. […] Was schert mich im Grunde dieser Betrieb. Ich bin eine Art Anstaltsdirektor od. dgl., u. offenbar auch eine Art Diplomat. Ich fange erst morgen um 9 Uhr an zu arbeiten und bin im übrigen vollständig Einzelwesen [?].

Manchmal dauerte die Tätigkeit bis abends spät, wie er zwei Tage später schrieb: Es war schlimm, gestern nochmals bis fast Mitternacht aufbleiben zu müssen; aber es kam von Vevey der noch höhere Offizier, ein Major de la Harpe, der mich sehen wollte. Ich habe hier eine eigentümliche Stellung, die ich zuerst noch erfühlen muss; jedenfalls ist es für mich persönlich mehr eine diplomatische u. administrative Stellung; rein ärztlich habe ich nichts zu tun. Es muss mehr jemand da sein, der zur Sache sieht und eine Instanz ist. […] Ich werde hier isoli[e]rt bleiben müssen, denn die Engländer sind hier Internierte u. Klatschbasen u dgl., u. da muss ich würdevolle Distanz behalten. Also muss ich mehr in die Ferne denken. Ich rede dann zum mindesten den bessern englischen Akzent als die Herren hier, was auch die engl. Offiziere angenehm bemerkten.

Am 11. April schrieb Riklin gleich zwei Briefe an seine Ehefrau, hier der eine:

Chateau d’Oex, 11. April 1917.

Liebster Schatz!

Heute regnets wieder u. ist kalt. Gestern war ich zu Inspektion in Rougemont. das ist ein  noch unverdorbenes Dorf, mit einem [unlesbar] u. hübschem Schlössli u. Kirche. Ich lasse mir von den behandelnden Ärzten alle Leute vorzeigen u. sehe die verschiedenen Kriegsfolgen, zunächst am Leib: Glasaugen, amputi[e]rte Beine, Lähmungen, grosse Narben, das ganze Heer der Krüppel. Zweitens allerhand interne Übel. Drittens sieht man ziemlich viel Alkoholismus. Die alten Kastenoffiziere sind durchschnittlich widriger u. ungebildeter als die der sog. neuen Armee. Aber man fragt sich doch, in was für eine Welt von Geistiger [sic] Armutei [sic] man hineingeraten ist. Anderseits hat man durch die Leute den Kontakt mit allerhand Ereignissen: Fliegerkämpfen, [Wortanfang gestrichen] und bekannten Daten der Kriegsgeschichte. Es sind auch Gurk[h]as hier mit ihrem religiösen E[th]os [?] u. Begräbniszeremoniell, Kanadier, Australier, Irländer u.s.f.

Ich habe heute Fr. 50.- auf den Postcheckkonto einbezahlt, vorläufig der Betrag, den ich mitgenommen hatte.

Es gibt Tage, wo ich doch ziemlich viel zu tun habe; ich bin den Anstalts- & Familienpflegebetrieb doch nicht mehr so gewohnt.

Ich will heute noch den Kindern schreiben.

Nimm für den Moment mit diesem Vorlieb [sic], da man zum Essen klingelt, u. ich bin ausserordentlich begierig, was in Morcote ist, u. was mein lieber Schatz dort erlebt.

Mit den herzlichsten Grüssen

Dein treuer

Franz

Der andere Brief des Tages lautete so:

Ch. d’Oex, 11. April 1917.

Liebster Schatz!

Heute vormittag kam Dein erster Brief mit all den guten Nachrichten. Jetzt fährst Du gerade nach Morcote, bist schon bald in Lugano u. hast schönes Reisewetter. Vorläufig ist es hier nicht uninteressant, man sieht in einem Menge neue Verhältnisse hinein. Natürlich wiegt das Administrative vor. Aber es ist auch lustig, zu sehen[,] wie alles auf Englisch aussieht. Ich habe mir eben eine englische Ordonnanz geben lassen; es sieht besser aus, u. ich erfahre auch, wie der Soldat u. Mann aus dem Volk dort denkt. Gestern habe ich etwas billigere Pensionen angesehen, 6-7 frs.; die Zimmer sind recht; aber die Eigentümer sehen nach meinen Begriffen etwas grusig [schweizerdeutsch für unappetitlich] aus u. das Mobiliar auch ein wenig, sodass ich fast stutzig geworden bin. Ich sehe mir jetzt noch eine an.

Mein ganzer Sold beträgt sogar frs. 21.50 cts pro Tag.

Also die «Verkündigung» [Titel eines von Riklin gemalten, verkauften Bildes] ist verreist. Von hier aus empfinde ich merkwürdig wenig dazu, obwohl ich weiss, dass viel Kühnheit u. Wagen im Bilde ist.

Gestern kam mir der Gedanke wieder, ganz impressionistisch – od. expressionistisch über innere u. äussere Eindrücke hier zu schreiben. Das gäbe noch ein wenig Geld u. wäre eine Verarbeitung von dem, was ich doch aufnehmen muss. Der Gegensatz zwischen Muss und dem freien Annehmen der Eindrücke würde gemildert. Material wäre reichlich da, wenn man aus allem etwas formen könnte.

Malen kann ich noch nicht. Das Wetter war zu schlecht u. das Zimmer im Hotel nur abends etwas geheizt. Heute ists [sic] schön, aber wir machen eine Inspektionsreise.

Herzliche Grüse von Deinem treuen

Franz.

Zu Franz Beda Riklin vgl. auch die Beiträge vom 20. und vom 26. Juli 1916.

Zu den Internierungen in der Schweiz vgl. http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D8704.php

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 106 (Briefe von Franz Beda Riklin an seine Ehefrau, 1917; Texte und Beitragsbild)

Samstag, 11. November 1916 – Beschäftigungsmöglichkeiten für Kriegsinternierte: „durch den Krieg die nötige Abhärtung mehr als genug erfahren“

Am 15. Mai 1916 waren der Oberen Waid bei St.Gallen Internierte eingetroffen. Für diese Männer suchte man nun Beschäftigungsmöglichkeiten.

St.Gallen, den 11. November 1916.

An das Baudepartement des Kantons St.Gallen, St.Gallen.

Ihrer Einladung vom 10. dies. Folge leistend, berichten wir Ihnen über die Möglichkeit der Beschaffung von Arbeitsgelegenheiten für Internierte folgendermassen:

Mit Bericht vom 4. Oktober haben wir Ihnen bereits einige Bauarbeiten genannt, die eventuell für die Beschäftigung von Arbeitslosen im Winter 1916/17 in Frage kommen könnten. Da bei der Arbeitslosenbeschäftigung im Allgemeinen mit für Bauarbeiten ungelernten Arbeitern zu rechnen ist, die auszurichtenden Löhne aber die Existenzsicherung ermöglichen sollen, so kommen die von Arbeitslosen ausgeführten Arbeiten fast durchwegs teurer zu stehen, als dies mit Facharbeitern bei höhern Löhnen der Fall ist. Die Leistungen von Arbeitslosen können für den Arbeitgeber nur dann in ein richtiges Verhältnis mit den Ausgaben gebracht werden, wenn die Mehrkosten gegenüber der Ausührung durch Facharbeiter von anderer Seite (zu Lasten eines Arbeitslosen-Unterstützungskontos) an den Auftraggeber rückentschädigt werden. Bei einer Anzahl der Ihnen mit Bericht vom 4. Oktober genannten Arbeitsgelegenheiten müsste, um die Wirtschaftlichkeit der Arbeitsleistungen zu wahren, mit einer in diesem Sinne stattfindenden Rückentschädigung gerechnet werden können. Nach unserer Ansicht würde dies speziell zutreffen für die Arbeiten kleinern Umfangs, die Strassenkorrektionen, Trottoirbauten und die Entwässerungen an Staatsstrassen.

Anders ist die Sachlage bei der Heranziehung von Arbeitern aus den Interniertenkreisen. Ohne Zweifel befinden sich darunter viele sehr tüchtige Leute, die schon von Haus aus mit Arbeiten auf dem Felde vertraut sind und auch durch den Krieg die nötige Abhärtung mehr als genug erfahren haben. Wir glauben daher, dass mit der Beschäftigung von Internierten bei der Ausführung von Bauarbeiten mindestens gleich gute oder bessere Resultate erzielt werden könnten, als mit der Beschäftigung von Arbeitslosen aus unseren Industrien.

Da für die Beschäftigung von Internierten nur Arbeitsstellen in Frage kommen können, die in erreichbarer Nähe der ihnen zugewiesenen Wohnstätten liegen, so denken wir in erster Linie an die Staatsstrasse St.Gallen[-]Rorschach in der Nähe der Kuranstalt Waid, ferner an Gossau und Umgebung, das vom Interniertenort Waldstatt mit Morgen- und Abendzügen der Appenzellerbahn gut erreichbar ist. Soviel uns bekannt ist, sind Internierte von Waldstatt auch bei den Arbeiten der Gossauer Dorfbach-Regulierung beschäftigt.

Die Auswahl der Arbeiten, für welche in erster Linie Internierte verwendet werden könnten, dürfte sich jedenfalls nach speziellen Gesichtspunkten richten müssen. Wir selbst sind der Auffassung, dass nur solche Arbeiten hiefür in Frage kommen, welche einerseits nach den bestehenden Lohnverhältnissen kaum Aussicht auf baldige Verwirklichung haben könnten, deren Durchführung aber anderseits sehr wünschbar wäre.

Als solche Arbeiten bezeichnen wir speziell die Korrektion der Staatsstrasse beim alten Niveauübergang der Sulgenerlinie in Gossau und die Tieferlegung der Staatsstrasse beim Hirschberg, östlich von Gossau. Für erstere besteht ein Bauprojekt, für letztere erst ein Vorprojekt. Wir denken, dass diese Arbeiten zeitlich nach einander [sic] aufgeführt werden müssten, um die gleichen Arbeiter längere Zeit beschäftigen zu können. Die Voranschläge beziffern sich auf rund Frs. 50‘000.00, ohne die Bodenerwerbungskosten. Von dieser Summe schätzen wir die Arbeitslöhne allein, und zwar nur für die Erd- und Chaussierungsarbeiten, auf Frs: [sic] 10‘000.00 bis 12‘000.00 ein, was einer Arbeitsleistung von zirka 2000 oder 20×100 Arbeitstagen entspricht. Es könnten also 20 Arbeiter 100 Tage lang Beschäftigung finden. Die Kosten der Interniertenverwendung würden bei Frs: 1.50 Taglohn Frs: 3‘000 betragen, womit sich eine Ersparnis von Frs: 7000.00 bis 9‘000.00 ergeben würde.

Die Arbeiten für Trottoirbauten sind mehr Spezialarbeiten, die grössere Kenntnis und Sorgfalt in der Ausführung verlangen. Erst wenn die Leistungsfähigkeit der Arbeiter bekannt wäre, könnte die Frage der Verwendung von Internierten für diese Arbeiten näher geprüft werden. Wir nehmen daher vorderhand davon Umgang, auch diese Arbeiten miteinzubeziehen.

Die von uns für die Arbeitslosenbeschäftigung vorgeschlagenen Sickerungsarbeiten [sic] an der Rorschacherstrasse sind abschnittsweise zur Zeit in Ausführung begriffen. Der grössere Teil soll jedoch erst nächstens in Angriff genommen werden. Darin sind die zu Frs: 10‘000.00 veranschlagten Arbeiten, die wir in unserem Bericht vom 4. Oktober 1916 aufführten, noch nicht inbegriffen. Die Arbeitslöhne partizipieren in diesen Summen etwa zu ¼ bis 1/3, für alles zusammen mit zirka Frs: 4‘000.00 oder zirka 650 gleich 10×65 Arbeitstagen. Ausser diesen Arbeiten sind auf der Rorschacherstrasse kleinere Verbesserungen der Nivellette, der Fahrbahn (stellenweise Legung eines Steinbetts) dringend durchzuführen, welche mindestens 500 Arbeitstage beanspruchen dürften. Auch könnten die Erdarbeiten für die Trottoirerstellung längs der neuen katholischen Kirche im Neudorf in die Reihe dieser Arbeiten einbezogen werden. Da von unserer Seite einen [sic] Bauaufseher zu stellen wäre, so sollte mit einer Arbeiterschaft von mindestens 15-20 Mann gerechnet werdern, um ihn angemessen beschäftigen zu können. Die Dauer dieser Beschäftigung könnte also für 15-20 Mann zirka 2 Monate betragen.

Bezüglich der Arbeiten an der Rorschacherstrasse speziell fügen wir zum Schlusse die Bemerkung bei, dass sich seit einiger Zeit schon mehrere hiesige Unternehmer dafür interessierten und von dieser Seite oft Anfragen an uns gerichtet werden, ob die fraglichen Arbeiten nicht bald zur Vergebung gelangen würden.

Hochachtungsvoll

Der Adjunkt des Kantonsingenieurs:

Vogt Ing. [Unterschrift]

1 Beilage retour.

Dem Brief liegt ein Schreiben der Zentralkommission für Beschäftigung der Internierten in Bern, datiert auf den 23. November 1916, an den Vorsteher des Baudepartements bei. Die Kommission unterstützt die Einschätzung des Kantonsingenieurbüros:

[…]

Die Arbeiten in der Nähe von Oberwaid und in Gossau würden wohl am ersten in Frage kommen, dagegen würde es kaum möglich sein[,] die nötige Zahl von Steinarbeitern für den Diepoldsauer Rheindurchstich zu finden, auch wenn die Frage nach Unterkunft und Verpflegung keine Schwierigkeiten machte.

Wir werden nun versuchen, Ihnen eine möglichst gute Arbeitergruppe von 20-40 Mann zusammen zu stellen, die dann für die erwähnten Arbeiten in Frage käme. Inzwischen könnten Sie vielleicht den nötigen Kredit einholen. Für die Qualität der Arbeiter können wir natürlich keine Sicherheit leisten, aber der ihnen auszuzahlende Lohn von ca. Frs. 1,50 für den Tag ist ja nicht so hoch, dass man allzu hohe Ansprüche stellen darf. Was die Disziplin anbelangt, so würde durch die Kommandierung von Unteroffizieren dafür gesorgt, dass Schwierigkeiten nicht entstehen können.

[…]

Laut handschriftlichem Kommentar von Regierungsrat Rüegg, dem Vorsteher des Baudepartements, vom 24. November 1916 wurde das Projekt schliesslich doch nicht umgesetzt, weil zu den vorgesehenen Löhnen keine Internierten erhältlich seien.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, KA R.62-1d (Beschäftigung von Arbeitslosen und Internierten mit Bauarbeiten) und A 481/02.02-49 (Kiesgewinnung mittels Greifbagger für den Diepoldsauer Durchstich. Die Arbeiten wurden 1923 abgeschlossen; Foto zwischen 1910 und 1914, Fotograf unbekannt)

Montag, 15. Mai 1916 – Deutsche Internierte im Kurhaus Oberwaid

An den hohen Regierungsrat des Kantons St.Gallen

Sehr geehrte Herrn,

Im Kurhaus Oberwaid sind

deutsche Internierte eingetroffen. Wie ich bereits

Ihrem Landammannn Hauser gegenüber die Ehre hatte

mich zu äussern, sahen wir bei der Ankunft der

Internierten von einer grossen Empfangsfeier-

lichkeit ab, um die ermüdeten Soldaten möglichst

rasch in ihre neuen Unterkunftsorte bringen zu

können. Nun haben sie sich einigermassen retabliert

u. müssen wir zum Mittwoch, den 17. Mai, abends

6 Uhr im Kurhaus Oberwaid durch ein bescheidenes

Festchen die Empfangsfeier nachholen.

Es wäre dem Komitee u. den In-

ternierten eine hohe Ehre, wenn sich der hohe

Regierungsrat bei dieser Feier vertreten lassen

wollte. Wir erlauben uns[,] Ihnen 3 Programme

zu senden mit der frdl. Einladung[,] von

ihnen Gebrauch machen zu wollen.

Hochachtungsvollst

Im Namen des Komitees

Major Steinlin

Der Regierungsrat beschloss, den amtierenden Landammann und den Vorsteher des Polizei- und Militärdepartements abzuordnen. Das Protokoll enthält den Nachsatz:

NB. Infolge Verhinderung von Herrn Landammann Hauser haben die Herren Regierungsräte Dr. Mächler und Riegg an der Feier teilgenommen.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, KA R.60-6-11; ARR B 2, 1916/1172; W 276/02.04-06 (Kurhaus Obere Waid bei Mörschwil, ca. 1920)