Riklin Bild, Skizze

Freitag, 17. August 1917 – Schweizer Ärztemission für England geplant

Der Psychiater Franz Beda Riklin sollte im Rahmen einer Schweizer Ärztedelegation in England Gefangenenlager besuchen. Im Brief an seine Frau ist beschrieben, wie sich die Pläne für die Organisation dieser Mission konkretisierten:

Küsnacht/Zch, den 17. Aug. 1917.

Liebster Schatz!

Vielen Dank für Deinen lieben Brief. De La Harpe [Armeearzt, mit dem Riklin während seiner Zeit in Château d’Oex zu tun gehabt hatte] hat mir mitgeteilt, dass es sicher noch wenigstens drei Wochen gehe. Ich reise wahrscheinlich mit Genfer Collegen, u. zwar solchen, die schon einmal drüben waren. Man geht so vor, halb alte u. halb neue, weil es so besser gehe wegen der conservativen Engländer.

Der Elektriker war da, hat Herd u. Heizkörper gebracht. Monti[e]rt wird erst in etwa 8 Tagen. Ich habe ihm alles erklärt. Es wird noch ein Draht von unten gezogen.

Gestern war ich bei Maria Moltzer zum Nachtessen u. habe nun extra mir die Bilder einmal angesehen. Man könnte vieles davon schon deutsch sagen!

Sonst nichts Besonderes, als dass ich auf einmal, am letzten Tage, nochmals in die Hodlerausstellung ging; aber es war eine grässliche Populace [sic, Publikum] da u. ich ging bald wieder; ein Einbruch der Masse (nicht des Volkes) auch Frau Sigg war da! Sie ist eine entsetzliche Figur wie immer; ich habe sie am Seil heruntergelassen, aber sie ist eigentlich von einem Hochmut der Dummheit beseelt. «Hodler müsste jedenfalls als Lehrer auch fein sein.»

Das Bild rückt; hier der Stand der Fläche; darf ichs [sic] noch fertig machen? Etwa zwei Tage. [vgl. Beitragsbild, im Original ca. 2,5 mm x 2,5 mm gross, vgl. auch die Abbildung im Beitrag vom 14. August]

Ich lasse die lieben Kinder recht herzlich grüssen, besonders auch Franzli. Wir haben also schon noch Zeit, uns etwas zu sehen.

Hier gibt›  [sic] viel Früchte zum Einmachen u. Bohnen zu trocknen: Pfirsiche, Pflaumen, Birnen, Mirabellen; die Zwetschgen fangen auch an.

Ich weiss jetzt mit äusserster Wahrscheinlichkeit, wer der Pfirsichdieb u. ebenso bestimmt der Küngeldieb [Kaninchendieb] war. Natürlich habe ichs [sic] von Kaul: Nämlich der Taglöhner des Gärtners. Er ist ein rückfälliger Dieb, u. ist auch Metzger! Den Kindern lieber nicht sagen. Dem Polizisten werde ich jedenfalls meine Mutmassung mitteilen.

Adieu für heute, u. auf baldiges Wiedersehen. Ich muss weitermalen.

Allerherzlichste Grüsse u. Küsse. Gruss an Tante Ida.

Dein treuer

Franz.

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 106 (Korrespondenz Franz Beda Riklin an seine Ehefrau)

Molitor

Montag, 23. Juli 1917 – Soldatenpaket nach Deutschland gewünscht

Joseph Fischer erhielt nicht nur von seinen Kollegen in England Karten, sondern auch von solchen in Deutschland (vgl. die Beiträge vom 7. Januar, 26. August und 24. Oktober 1916 und vom 26. März 1917). Richard Molitor, Telegrafist in der deutschen Armee, schrieb an seinen Freund, Joseph Fischer in der Schweiz:

Abs. Telegr. R. Molitor, Nachrichten-Ersatz-Abst. 11, Etel-Ers.-Zug, Ohrdruf (Thüringen), 23. Juli 1917.

M. l. [Mein lieber] Josef!

Die Karte aus m. Urlaub wirst Du erhalten haben. Einige Tage vor der Rückfahrt traf noch Morath [?] ein, so dass ich wenigstens noch zum Schlusse mit einem alten Kameraden zusammen war. M. erhielt übrigens kürzlich das Eiserne Kreuz I. Kl. Von Frau Fischer (Adlerstr) konnte ich leider über Dich nichts erfahren, hoffe aber doch, dass es Dir stets recht gut geht. Nun habe ich wieder eine grosse Bitte! Könntest Du versuchen, da ich jetzt Soldat bin, ein Paket mit Chokol. [Schokolade] an mich zu senden? (Einschreiben.) Den Betrag würde ich entweder an Deine Haushälterin in Neustadt oder Dir selbst schicken. Ich bezweifle zwar, ob überhaupt die Ausfuhr nicht ganz gesperrt ist, kann es aber von hier aus nicht beurteilen. Im Voraus für Deine Bemühungen vielen Dank. Wahrscheinlich bleibe ich wohl einige Zeit hier. Empfange herzliche Grüsse von Deinem Freunde Richard.

Im Album «Aus den Kriegszeiten», das Joseph Fischer zusammengestellt hatte, findet sich ein vorgedruckter Brief des Schweizerischen Volkswirtschaftsdepartements vom 29. Oktober 1917. Darin steht: Im Besitze Ihrer Zuschrift vom 25. dies erwidern wir Ihnen, dass Ihrem Wunsche zu unserm Bedauern nicht entsprochen werden kann. Jede Ausfuhr von Lebensmitteln, Seife etc. (auch als Umzugsgut) ist verboten. Es ist möglich, dass Fischer versuchte, verschiedenen Personen im Ausland Pakete zu schicken.

Brief Eidgenoessisches Departement

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 207, Album „Aus den Kriegszeiten“ (Karte an Joseph Otto Ferdinand Fischer (1892-1967) in St.Gallen)

Interniertenlager

Montag, 11. Juni 1917 – Endlich Ablösung in Château d’Oex

Vermutlich an diesem Tag erhielt die Ehefrau von Franz Beda Riklin den zwei Tage zuvor geschriebenen Brief ihres Ehemannes, der die letzten Tage als Leiter des Interniertenlagers in Château d’Oex verbrachte:

Chateau [sic] d’Oex, den 9. Juni 1917.

Liebster Schatz!

Heute ist also der erste Tag über die zwei Monate hinaus. Ich habe eine Tour gemacht bis zuhinterst ins Val d’Etivaz, um drei Arbeitsgruppen zu besuchen. Eine macht eigene Haushaltung in einer ganz schönen Alphütte u. rüstet das Holz, das von einer Lawine in e. Wald gebrochen worden ist. Es ist jetzt ein allgemeiner Arbeitsdrang entstanden, u. ich freue mich, das noch erreicht zu haben. Ich ass eine Milchsuppe aus einer gemeinsamen Schüssel mit Sennen (Verwandte von Berthod) u. kaufte mir nachher hier einen hölzernen geschnitzten Löffel wie sie sie dort haben. Das Herz hielt sich ganz ordentlich [Riklin litt an Herzproblemen]; es waren doch im ganzen 6 Stunden Marsch. Immerhin musste ich noch behutsam tun.

Meine frühere Sanitätskompagnie ist in Zofingen, Krankendepot. Gott sei Dank, dass ich nicht in jener Gegend bin.

Den Jour [?] habe ich doch nicht viel anders erwartet. Die Beziehungen werden sich nur noch allgemein höflich gestalten, wie zu den Engländern. Mehr wird nicht mehr sein. Vielleicht gibt es andere; u. sonst tant pis.

Carls [gemeint ist vermutlich Carl Gustav Jung] neueste Schrift ist für Allgemeines ganz recht, aber für mich kann ich es nicht mehr besonders goutiren [sic]. Es ist zu pfarrerlich.

Heute abend kommt Major de la Harpe hierher.

Ich habe den Wäschesack zurückgeschickt.

Tausend herzlichste Grüsse

von Deinem

Franz

Auf welches Werk von Carl Gustav Jung sich Riklin bezog, ist nicht eindeutig nachzuvollziehen. Möglich ist, dass er das 1917 im Rascher-Verlag in Zürich erschienene Buch Die Psychologie der unbewussten Prozesse. Ein Überblick über die moderne Theorie und Methode der analytischen Psychologie meinte.

Carl Gustav Jung löste Riklin als Leiter des Interniertenlagers in Château d’Oex ab. Das Beitragsbild stammt von einem der Notizzettel, auf denen Riklin in den letzten Wochen seines Aufenthalts in Château d’Oex ebenfalls manchmal Briefe an seine Frau schrieb. Auf dem mit einem unlesbaren Datum vom Juni 1917 datierten Zettel ist erstmals erwähnt, dass Jung Riklins Nachfolger sein sollte. Riklins Ehefrau, Sophia Riklin-Fiechter, war eine Cousine von Carl Gustav Jung.

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 106 (Korrespondenz Franz Beda Riklin mit seiner Ehefrau)

Hochzeitsfoto

Samstag, 9. Juni 1917 – Frauen-brief

Adele Berner-Wenner (1878-1946) und Silvia Wenner (1886-1968) waren Schwestern aus der süditalienischen Textilindustriellenfamilie, zu der schon andere Beiträge erschienen sind (vgl. Beiträge vom 12. und 24. Januar 1916 sowie vom 2. Januar, 13., 20. und 21. April 1917).

Adele Berner-Wenner war seit 1912 verwitwet. Sie hatte für einen 1902 geborenen Sohn, Alex, zu sorgen. Silvia Wenner verheiratete sich erst 1925 mit dem Industriellen Hermann Ochsenbein.

[Randnotiz:] Erhalten i[n] Fratte

Neapel, 9. Juni 1917.

Meine liebe Silvia,

Vielen herzlichen Dank für Deinen lieben langen Brief, der mich so sehr interessiert hat.

Ich hatte mich so sehr gefragt, wie woh[l] der Sonntag ausgefallen sei, & wie es Dir dabei mit Deiner Sache ergangen sei. Zum Glück ist es noch so abgelaufen, aber Du wirst doch recht froh gewesen sein, als Du am Abend in’s Bett schlüpfen konntest.

Mir ist es in letzter Zeit auch manchmal so gegangen, besonders in der letzten Woche, in dieser ging alles leichter[,] weil ich meine S… nicht mehr hatte. –

Ich habe diese Woche Mama noch 2 mal recht gesehen, am Montag war ich allein für den Tag in Rio’alta, & am Donnerstag mit meiner Schwiegermama.

Adele Wenner als Witwe

Natürlich läuft immer eines in’s andere, man muss sich immer sputen & eilen, & freut sich jedes mal [sic] wenn man das verschwitzte Strassenkleid & die warmen Schuhe wieder ausziehen kann. – Man wollte für das C.M.-Fest eine pêche arrangieren, die ich hoffte Frau Ascarelli übergeben zu können, aber weil sie abwesend war[,] so musste ich mich selbst bequemen, und habe nun sehr schön zusammen bekommen, etwa 270 kl. Gegenstände. Gestern nachm. blieb ich zu Hause[,] um alles in Papier zu wickeln, & habe über 3 Stunden lang Packetchen gemacht. Es ist sehr angenehm[,] dass Bob noch da ist, er ist schon einmal mit einer Ladung auf den Vomero gefahren, & geht morgen früh noch einmal. –

Ich begreife[,] dass die ersten Tage in Fratte nicht angenehm für Dich waren, mit den jetzigen Dienstboten-Verhältnissen, wenn Dir alles ein wenig verlottert vorkam. Man muss sich halt unter den obwaltenden Umständen wirklich genügen lassen, & hoffen, dass alles bald möglichst wieder in Ordnung kommen möge, & dabei das geniessen, an dem man sich noch freuen kann.

Ich freue mich[,] dass Du im Lauf der nächsten Woche kommen willst, man hat sich immer alles mögliche zu erzählen. – Ich weiss nicht[,] ob ich Dir gesagt habe, dass Grita [?] schrieb, Dr. Mende habe in den Ferien einen Gichtanfall bekommen & sei noch nicht zurück. Soeben kommt ein Express Brief von Alex vom 7ten. nach welchem Dr. M. noch immer abwesend sei, & so muss ich mich wo[h]l auf eigene Faust entschliessen, denn Du könnest [?] ja ein Fenster von dem einen, & ein Fenster von dem anderen machen, aber ich denke[,] das ist doch wo[h]l ausgeschlossen. –

Vor 2 Tagen war die Spitzenfrau Doema [?] Maria bei mir, & brachte mir eine wundervolle Decke zum ansehen. Es ist ja nicht ganz die gewünschte seidene Decke, die wir für Mama wünschen, aber etwas so schönes & eigenartiges, dass ich ihr sagte, sie wolle smir nur lassen zum ansehen, was sie gerne tut bis Du sie sehen kannst. Es ist eine calabresische Decke, antik, aber in ganz gutem Zustand, in der Art wie Pauls in Bellevue im rosa Fremdenzimmer ihre Bettdecke haben, nur ist alles viel feiner & in Seide eingewoben, in eine feine rostgelbe (aber matt in [den] Farben) Leinwand wirklich etwas ganz schönes für wem es gefällt, & kostet L. 140.- was ich nicht viel finde für was es ist. – Dann hat sie mir zur Ansicht noch ein breites, prächtiges Stück Filet, für ein Möbel, oder Store passend, gelassen zu L. 50.- Also Du findest etwas zum ansehen, die Frau hat nämlich eine kl. Reise gemacht, aber sie sagt nicht wohin.

Emily schreibt mir[,] dass Lili Andreae morgen zu ihnen komme, & übernachte, da kommt sie wahrscheinlich am Dienstag nach Fratte. – Ich lege noch ein Briefchen an Marta bei, das Du ihr bitte geben willst. –

Grüsse mir die Eltern herzlich & sei selbst innig umarmt von Deiner Dich sehr herzlich liebenden

Adèle.

Hinweise: In den Briefen zwischen der verwitweten Adele Berner-Wenner und ihrer Schwester Silvia Wenner ist mehrfach die Rede von «der Sache». Gemeint ist damit die Menstruation. pêche ist wohl ein Gesellschaftsspiel, bei dem man mit Hilfe einer kleinen Fischerrute kleine Geschenke «fischen» konnte.

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 054/127.4.2 (Briefe an Silvia Wenner) sowie W 054/125.10.1 (Beitragsbild: Hochzeitsfoto Adele und Hans Berner-Wenner, 1901) und W 054/125.9.4 (Foto Adele Berner-Wenner, vermutlich als Witwe, ca. 1910-1920)

Firma Rohner in Widnau

Donnerstag, 24. Mai 1917 – Hungersnot in Syrien

Die katholische Tageszeitung Die Ostschweiz berichtete unter der Rubrik Kanton St.Gallen:

Für die Hungerleidenden in Syrien

wurde in letzter Zeit durch einen HH. Prälat eine Kollekte vorgenommen, die einen ausserordentlich schönen Ertrag abgeworfen hat. Neben den vielen kleinen Gebern sind auch eine Anzahl grösserer Schenkungen gemacht worden, so u.a. von Herrn Kantonsrat Jakob Rohner, Rebstein, Fr. 3000. Der HH. Prälat, der seine Kollekte im Kanton St.Gallen fortzusetzen gedenkt, verdankt recht herzlich und gibt der Hoffnung Ausdruck, auch weiterhin wohltätige Herzen zu finden, welche bereit sind[,] für die armen hungerleidenden Syrier ihr Scherflein herzugeben.

In einem geheimen Abkommen hatten Grossbritannien und Frankreich 1916 ihre Interessengebiete im Nahen Osten auf Kosten des Osmanischen Reiches bereits festgelegt. Vorerst gehörten Syrien, Palästina, der Libanon sowie das längst unter britischer Herrschaft stehende Ägypten – wie im ‹Atlas für Schweizerische Mittelschulen› von 1915 dargestellt – formell noch immer zum Osmanischen Reich:

Jacob Rohner (1852-1921), ursprünglich Käser, später Lohnsticker und Fergger, hatte sich zum erfolgreichen Industriellen emporgearbeitet. Seine Schifflistickfabriken im Rheintal und in Buttikon SZ produzierten für den Export in alle Welt. Als katholischer Fabrikant war Rohner im Kanton St.Gallen eine Aussenseiterfigur, seine Konkurrenten gehörten der evangelischen Konfession an. Von 1898 bis 1921 sass Rohner für die Katholisch-Konservativen im Kantonsparlament.

Vgl. zu Jacob Rohner den Eintrag im Historischen Lexikon: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D30322.php.

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, P 907 (Nr. 120, 24.05.1917 ), W 238/03.05-00 (Beitragsbild: Ausschnitt aus Ansichtskarte) und KPC 8/39 (Atlas für Schweizerische Mittelschulen, 3. Auflage, Zürich 1915)

Protokolleinband

Samstag, 12. Mai 1917 – Das Militär braucht Bretter

Die Vorstandsmitglieder des 1916 gegründeten Verbands St.Gallischer Sägereibesitzer trafen sich nachmittags um zwei Uhr zu einer Sitzung in St.Gallen. Sie berieten unter anderem über die Lieferung von Brettern an die Armee. Möglicherweise wurden damit Baracken gebaut:

5. Militärlieferungen n. Graubünden.

ca. 260 m3, vorwiegend 24 m7m Event. etwas 21 m/m konisch, mit Durchschnittsbreite von 20 bis 22 cm

Folgende Sägereien werden zur Lieferung verpflichtet, je 1 [Zugs]Waggon von 17-20 m:

1. Zogg-Hanselmann, Sevelen

2. Eisenring Ed., Gossau

3. Dierauer & Cie., Berneck

4. Epper, W., Gossau

5. Stüdli, J. U., Egg-Flawil

6. Gätzi, Unterterzen

7. Bürer & Cie., Ragaz

8. Hess K., Wattwil

9. Hefti, Weesen

10. Imholz Geb., Bütschwil

11. Kägi, Gommiswald

12. Rehkate u. Fisch[,] Heiligkreuz

13. Hagmann Frau[,] Sevelen

14. Bosshardt A.[,] Rapperswil

Letzterer Event. für 2 Waggon.

Präsident [Tobias] Dierauer [Architekt in Berneck] wird genannten Sägereien von dieser Lieferungspflicht Bericht geben.

Vorausgegangen war diesem Eintrag eine Mitteilung an der Ausserordentlichen Generalversammlung des Verbandes vom 5. Mai 1917:

9. Bretterlieferungen für die Armee n. Graubünden

Unser Verband hat 13 Waggon à 20 m3 = ca. 260 m3 24 m/m Event. 21 m/m konische Bretter zu liefern.

Es werden bezahlt: Frs. 87.- per m3 an Sägereien ohne Geleiseanschluss, und Frs. 85.- für solche mit Geleiseanschluss, Bahnwaggon verladen. Diese Lieferungen werden den grösseren Werken zugeschieden, insoferne sich andere Mitglieder nicht beteiligen wollen.

Traktandum 1 dieser Generalversammlung beschrieb die generelle Lage der Sägereibesitzer:

1. Der Präsident reveriert [sic] über Zweck und Ziel der heutigen Versammlung mit reichhaltiger Tagesordnung.

Haupttraktandum sei Beteiligung an der gegründeten Schw. Holzverwertungs- und Exportgenossenschaft, die notwendig geworden sei, nachdem Frankreich das Monopol für das einzuführende Holz in Anwendung gebracht habe. Dieses Nachbarland drücke durch seine Agenten sehr auf die Preise und desshalb [sic] sei Gegendruck durch geschlossene Organisation unbedingt erforderlich. Die Bundesbehörden nehmen sich dieser Angelegenheit an, und es sei zu erwarten, dass sämtliche Ausfuhrbewilligungen nur durch diese Exportgenossenschaft gehen, welche wiederum für richtige Verteilung sorge. Die notwendige Statutenrevision erfordere Zeit, wesshalb [sic] die Versammlung nicht n. Wattwil verlegt werden konnte, wie beschlossen wurde, indem die Zugsverbindungen nicht günstig seien.

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 309/1.1 (Protokolle vom 5.05.1917 und 12.05.1917)

Fruehling, ca. 1918-1920

Mittwoch, 2. Mai 1917 – Lange-weile und Durchgreifen im Dienst

Franz Beda Riklin, im Militär im Rang eines Sanitätsoberstleutnants, hatte endlich die Hälfte seines Dienstes als Leiter eines Interniertenlagers im Waadtland hinter sich. Wie er in seinen Briefen vom 4. und vom 7. Mai schrieb, führte er straffes Regiment und wurde von den Instanzen, die in Betracht kommen, geschätzt: […] ich habe in einen ziemlichen Wirrwar [sic] von Intriguen [sic] u. Unfertigkeiten mit kräftiger Soldatenhand Ordnung gebracht. Trotzdem fühlte er sich nicht wohl: Ich weiss, dass man mir dankbar ist, und einen Respekt vor mir hat, oben und unten. Aber auch das nützt mich wenig u. kann nicht viel Befriedigung geben.

An seine Ehefrau schrieb er am 2. Mai:

Château d’Oex, den 2. Mai 1917.

Allerliebste Frau!

Jetzt hast Du einen Teil des Mädchenwechsels [Dienstbotenwechsel] hinter Dir; hoffentlich bist Du bald wieder anständig versehen. Bleibt Frl. Kärcher [?]?

Est [sic] ist mir beim besten Willen z. Z. nicht mehr möglich zu sagen, dass es hier interessant sei. Dazu ist zuviel Bureaudienst, u. das Einerlei einer Anstalt sozusagen. Es ist zwar Frühling; aber in der Nähe von Montreux, wo ich kürzlich war, ist die Natur viel weiter u. reicher. Hier ist verbessertes Unterwasser [wo die Familie die Ferien zuzubringen pflegte, vgl. die Beiträge vom 20. und 26. Juli 1916]. Das Hôtel ist sozusagen ausgestorben; was konnte, zog in’s Tiefland. Wenn ich Zeit genug für mich hätte, wollte ich mich wenigstens mit mir allein beschäftigen; aber es will doch täglich ziemlich viel erledigt sein. Und eigentlich geht einem die ganze Sache so herzlich wenig an! Dazu sind alle zu wenig Menschen. So sehne ich mich selbstverständlich ausserordentlich nach hause [sic]. Ich will übrigens ganz bestimmt auf den 15. ds. zu Besuch kommen; nur wird es nicht sehr lange sein; aber es ist dann doch jenseits der Hälfte.

Übrigens wundert mich sehr, ob alle drei eingeschickten Bilder angenommen sind. Weisst Du etwas darüber? Deine Sachen sind ja selbstverständlich alle angenommen worden.

Ich suche mich mit meinen Träumen abzugeben; denn es ist etwas im Tun. Aber dieser Dienst verträgt sich unendlich schlecht mit der Kunst, u. tötet mich halb, wenigstens geistig.

Ich plange [schweizerdeutsch für sich sehnen] also ausserordentlich aufs Wiedersehen. Wie gehts [sic] Mutter?

Allerherzlichste Grüsse von Deinem

Franz.

Auch Riklins Ehefrau, Sophia Riklin-Fiechter war künstlerisch tätig. Auf welchen Wettbewerb Riklin im Brief anspielte, lässt sich nicht nachvollziehen, im Bestand im Staatsarchiv St.Gallen gibt es keinerlei Spuren. Auch die bisherigen Publikationen über Franz Beda Riklin erwähnten ihre künstlerische Tätigkeit nicht, obwohl sie offenbar Erfolg damit hatte. In der Zeitschrift Heimatschutz beispielsweise ist notiert, dass sie bei einem Wettbewerb einen Preis erhielt. (Vgl. Mitteilungen über den Wettbewerb der Verkaufsgenossenschaft SHS zur Gewinnung von künstlerischen Reiseandenken, in: Heimatschutz, Jg. 15, 1920, Heft 2, S. 43, publiziert unter: http://www.e-periodica.ch/cntmng?var=true&pid=hei-001:1920:15::61)

Im Brief vom 10. Mai steht, dass Riklin vom 13. bis zum 16. Mai endlich den langersehnten Urlaub erhielt, um nach Hause zu fahren: Nachher muss ich dann intensiv auf meine Entlassung arbeiten; man möchte mich am liebsten gar nicht weg lassen; ich entdecke, dass ich eine Erlösung bedeutet habe; allerdings habe ich ganz furchtbar eingreifen müssen und mit eiserner Hand Intriguennester [sic] ausräuchern. Der Rauch ging bis in die Gegend des englischen Hofs. Und dann muss ich, Schweizer Soldat, zeigen[,] was militärisch heisst. Du kannst Dir kaum vorstellen, mit was für Mentalitäten man zu tun u. zu rechnen hat. Merkwürdig, dass ich dabei noch als ausserordentlich anständiger Mensch gelte. Ein schweizerischer Militärdienst ist in dieser Hinsicht ein Kinderspiel. Aber ich kann hier wenigstens mit der geistigen Überlegenheit wirtschaften, was nicht allzuschwer ist!

Nächster Beitrag: 4. Mai 1917 (erscheint am 4. Mai 2017)

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 106 (Korrespondenz Franz Beda Riklin mit seiner Ehefrau) und ZOF 002/08.46 (Bildersammlung Psychiatrische Klinik St.Pirminsberg, ca. 1918-1920)

Maigloeckchen

Montag, 30. April 1917 – Allerliebste Frau und allerherzlichste Grüsse

Château d’Oex, 30. April 1917.

Allerliebste Frau!

Herzlichen Dank für die Wäsche, u. für Deinen letzten Bericht. Bald ist die Hälfte meines Dienstes um, u. die zweite wird schneller gehen. Inzwischen sehen wir uns ja. Gestern stieg ich bis in die Nähe von Montreux hinunter, wo die Vegetation viel weiter ist. Hier hingegen sah ich eben vom Bureau aus eine schöne Lawine herunterfahren. Sonst haben wir jetzt schönes Wetter; aber alles ist hier eben sehr zurück.

Eigentlich verträgt sich so ein Dienst doch recht schlecht mit dem Künstlerischen. Es ist zusehr [sic] eine Rückkehr zum Alten statt ein Vorwärtsgehen. Sonst geht es mit gut; natürlich ist es eigentlich langweilig. Aber wenn ich sehe, was für seelisches Unheil, eine Art Verblödung, die lange Gefangenschaft bei den Offizieren u. Soldaten bewirkt hat, bin ich mit meinem Schicksal hier noch sehr zufrieden.

Wenn ich nur wüsste, womit am 1. Juni den Zins bei der Kantonalbank zahlen!

Hoffentlich kommst Du alllmälig [sic] mit dem Mägdewechsel zurecht. Ich bin froh, wenn das vorüber ist u. man reinen Tisch hat.

Allerherzlichste Grüsse, auch an die Kindlein, von denen ich gerne wieder weiteres [sic] höre.

Dein treuer

Franz

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 106 (Korrespondenz Franz Beda Riklin an seine Ehefrau) und ZOA 001/3.13 (Beitragsbild, ca. 1898)

Unterschrift Riklin

Freitag, 27. April 1917 – Das Wetter und die Moral

Der Psychiater Franz Beda Riklin leitete ein Interniertenlager in Château d’Oex. Nach einer längeren, ihn eher belastenden Phase schickte er erstmals positivere Meldungen nach Hause:

Château d’Oex, 27. April 1917.

Liebster Schatz!

Herzlichen Dank für Deine Mitteilungen. Es tut mir sehr leid, dass Du zuhause nun einen widrigen Betrieb u. so viel Arbeit hast. Gib acht, dass Du nicht wieder zuviel machst, u. vor dem Staub musst Du besonders aufpassen. Geh auch einmal zu Frl. Dr. Kuhn zur Kontrolle!

Sonst bin ich froh über Deinen Bericht. Ich lasse die Kindlein herzliche grüssen. Hier ist seit 3 Tagen gutes Wetter eingezogen, was den Aufenthalt angenehmer macht. Ich mache allerhand interessante Beobachtungen; ich schreibe Dir einmal darüber. Ich habe doch ziemlich zu tun; aber es scheint mir, mit dem Herz gehe es besser, u. mit dem allgemeinen körperlichen Befinden. Ich habe mehr Frische und Beweglichkeit gewonnen. Mutter lasse ich vielmal grüssen. Sie soll nicht Angst haben; eine event. Operation lässt sich gut ohne Narkose machen. Wohin geht sie?

Hoffentlich habt Ihr bald wärmer. Also recht herzliche Grüsse u. vielen Dank von Deinem treuen

Franz.

Nächster Beitrag: 30. April 1917 (erscheint am 30.  April 2017)

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 106 (Briefe an seine Ehefrau; Text)

Verkuendigung von Franz Beda Riklin

Dienstag, 24. April 1917 – Lawinengefahr und saubere Wäsche

Franz Beda Riklin sorgte sich um seine Ehefrau, die aus dem Tessin nach Zürich zurückreiste, und bestellte saubere Wäsche. Der Dienst ödete ihn an, er litt unter zu wenig geistiger Auseinandersetzung und Anregung:

Château d’Oex, 24. April 1917.

Liebste Frau!

Danke vielmal für Deine Briefe. Ich hofe, diese Zeilen teffen Dich gesund u. munter zuhause [sic] an. Ich habe etwas Angst wegen der Lawinengefahr auf der Reise. Ich lasse auch den Kindern recht herzlich für die Geburtstagswünsche danken. [Riklin hatte am 22. April Geburtstag gehabt.] Ich schicke heute die schmutzige Wäsche u. bin froh, recht bald saubere zu bekommen: Unterleibchen, 1 Nachthemd, Unterhosen, Manschetten u. Nastücher sind nötig.

Ich habe Mühe, mich geistig aufrecht zu erhalten. Das ganze Gschiss [sic], Pla[c]kereien u. Intrigen geben mehr Arbeit als die Sache wert ist. Verzeih[‹] mir drum [sic], wenn ich nicht immer geistreich bin. Das Wetter ist etwas besser, aber kalt ist es immer noch; es wird Zeit brauchen, bis es hier Frühling ist. Ich vermisse Dich auch sehr. Aber zur Eröffnung am 15. Mai werde ich kommen.

Maria Moltzer schreibt mir, dass sie das Bild bezahlt hat. Wo? Auf dem Postcheckkonto od. Kreditanstalt?

Ich schreibe Dir gleich wieder, wenn ich etwas mehr bei der Sache bin.

Tausend herzliche Grüsse von Deinem treuen

Franz

Offenbar hatte die Psychiaterin und Kollegin von Franz Beda Riklin, Maria Moltzer, das Bild «Verkündigung» von Franz Beda Riklin mit dem Titel «Verkündigung» gekauft (vgl. dazu Beitrag vom 11. April 1917). Eine Reproduktion des Gemäldes (vgl. Beitragsbild) findet sich unter: http://www.e-periodica.ch/digbib/view?var=true&pid=smh-002:2001:81::829#360. Zu Maria Moltzer vgl. http://www.psychoanalytikerinnen.de/niederlande_biografien.html#Moltzer

Zum Thema grosse Wäsche vgl. den Beitrag vom 2. April.

Nächster Beitrag: 27. April 1917 (erscheint am 27.  April 2017)

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 106 (Briefe an seine Ehefrau; Text), Beitragsbild: s. oben