Samstag, 24. Februar 1917 – Gemüse für die Armee

Die Armee brauchte nicht nur dringend Fleisch (vgl. den Beitrag zum 17. Februar), sondern auch Gemüse. Im St.Galler Bauer vom 24. Februar 1917 publizierte die Schweizerische Armee-Konservenfabrik in Rorschach deshalb folgende Anzeige:

Transkribiert heisst das:

Die Hauptsache ist:

Sicherer Absatz und Verdienst.

Wer etwas aus dem Gemüsebau erzielen will, ohne grossen Zeitverlust für Marktfahrten, ohne Preissturz-Risiko, ohne Aufwand für Körbe, Säcke, Frachtspesen usw. bestellt Saatgut u. Setzpflanzen rechtzeitig und liefert an die

Schweiz. Armee-Konservenfabrik in Rorschach.

Die Armee-Konservenfabrik ging später über die Firma Roco, bekannt für ihre Ravioli.

Preisliste

Nächster Beitrag: 27. Februar 1917 (erscheint am 27. Februar 2017)

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 248 (Inserat: St.Galler Bauer, 4. Jg., Heft 8, 24.02.1917) und Wy 025 (undatierte Preisliste, Titelblatt und Rückseite der Broschüre)

Mittwoch, 2. August 1916 – «industrielle Halbtagsarbeit» und Frauen als Konkurrentinnen auf dem Arbeitsmarkt

Die Frauenarbeit in der Kriegszeit.

(Eing[e]sandt.)

Durch den Krieg ist die Frauen- und Kinderarbeit – mehr als je gedacht werden konnte – zur Aufrechthaltung des Wirtschaftslebens herangezogen worden. Die Heranziehung der Frau zur Arbeit in der Industrie, also vorab in der Fabrik, war schon vor dem Kriege in steter Zunahme begriffen, immer mehr trat die Frau an Stelle des Mannes, des Arbeiters, so dass schon vor dem Kriege diese Frage für den Arbeiterstand geradezu eine brennende geworden war. Die Frau war nicht nur Konkurrentin des Mannes, sondern auch seine gefährliche Lohndrückerin. Der Krieg hat diese Entwicklung mächtig gefördert. Vorab in den kriegführenden Staaten. Die Männer mussten immer mehr ihre friedliche Arbeit in Fabrik und Werkstätte vertauschen mit der grausigen Kriegsarbeit. Anderseits erstand in vielen Berufen die Notwendigkeit vermehrter Tätigkeit. Es traf dies vor allem die Betriebe, die mit Heereslieferungen beschäftigt waren. So sehen wir denn, wie in den kriegführenden Staaten die Frau immer mehr Einzug hält in den Fabriken. Sie wird nun heute zu Arbeiten herangezogen, von der man früher es sich nicht vorstellen konnte, dass sie von schwachen Frauen ausgeführt werden könnte. Im Dezember 1915 hat das österreichische Kriegsministerium einen Erlass an die Oeffentlichkeit gegeben, wonach die Frauen ersucht werden, in den Betrieben die Stellen der Männer, die in den Krieg ziehen mussten, einzunehmen. Es heisst dort: «… Bei Zuziehung des weiblichen Elementes würde eine namhafte Anzahl kriegstauglicher und militärisch ausgebildeter Männer für den Frontdienst frei. Die Front ist die Domäne des waffenfähigen Mannes. Dorthin zu gelangen soll das Streben jedes Einzelnen sein. Dass nicht nur der einfache Arbeiter von der Arbeiterin abgelöst werden soll, sondern dass auch manche industrielle Beamte von der intelligenten Frauenwelt ersetzt werden können, wodurch die Armee zahlreiche Offiziere gewänne, ist selbstverständlich. … Kein Zweifel, die für das Heer arbeitende Frau ist der Soldat des Hinterlandes. … So manche Mutter, welche vormittags ihre Kinder betreut, könnte nachmittags, wo sie ihre Familie, sei es bei Verwandten, sei es in Kindergärten und dergleichen, beaufsichtigt weiss, industrielle Halbtagsarbeit leisten und dadurch zur Verbesserung ihrer und ihrer Familie Lebensführung beitragen. … Dass viele Arbeiterinnen Ersatz für gefallenen oder invalide gewordene Männer sein werden, ist wohl auch vrständlich. Den verstorbenen Helden vertritt seine Frau, seine Tochter, die so auch am besten versorgt sein werden (?) …» Es wäre ja sehr interessant, diesen Erlass, der hier stückweise zitiert worden, nach verschiedenen Seiten einer genauen Betrachtung zu unterziehen. Wir überlassen den Lesern, es selber zu tun. Auf alle Fälle steht heute fest, dass die Heranziehung der Frau zur Fabrikarbeit grosse Fortschritte gemacht hat. Die Firma Krupp, die bekannte Kanonenfabrik, die am 1. Januar 1913 erst 1666 Frauen beschäftigte, zählte am Schlusse des Jahres bereits deren 10,928 und am 1. April 1916 sogar schon 13,023. Prozentual noch stärker hat die Frauenarbeit bei Tyssen [Thyssen] – eine bekannte grosse Firma der Metall- und Hüttenindustrie – zugenommen, welcher [sic] am 1. März 1916 erst 82 Frauen beschäftigte und am 1. Dezember 1915 schon 3755. Die Zahlen sind inzwischen wieder mächtiger gewachsen und weisen Tag für Tag höhere Frauenbeschäftigung auf. Durch den Krieg zurückgegangene Industrien, wie die Textilindustrie, geben ihre Arbeiterinnen in grosser Zahl der Eisenindustrie ab. Die Frauen treten ihre Arbeit in der Eisenindustrie an, durchaus unbekannt mit den schwierigen Verhältnissen und sind sich ihrer Rechte und Pflichten als Mitglieder des Arbeiterstandes nicht bewusst. Die Arbeiter sehen dann in ihnen vielfach die Konkurrenten auf dem Lohnmarkt, die ihre ohnehin nicht hohen Einnahmen noch weiter drücken wollen, nicht aber die Mitarbeiterin, die durch die Not der Stunde gezwungen wird, ihre Arbeitskraft in dieser Weise zu verwerten.

Wer die ganze Frage ganz oberflächlich betrachtet, wird vielleicht gar nicht einmal eine besondere Gefahr in dieser vermehrten Heranziehung der Frau im Erwerbsleben erblicken. Und doch bestehen Gefahren in mehr als einer Hinsicht. Dass die Frau zur Konkurrentin des Mannes wird, das ist bereits angeführt. Die Frau erhält bis heute, auch wenn sie die gleiche Arbeit leistet wie der Mann, doch nicht die gleiche Entlöhnung, auch nicht bei Akkordarbeit. Der Beweis ist in der deutschen Industrie erbracht worden, dass auch hier die Frau nur die Hälfte des Preises erhält, den ehedem der Arbeiter erhalten. Eine grosse Ungerechtigkeit. Und dann ist heute noch nicht sicher, ob nach dem Kriege die Frauen ihre Plätze wieder verlassen, oder besser gesagt, ob der Arbeitgeber die billigen weiblichen Arbeitskräfte entlässt und wieder den Mann, der aus dem Kriege heimkehrt, an seinen Platz stellt. Die Frage wird erst noch gelöst werden müssen. Vielleicht bekommt ein Redner im deutschen Reichstag doch noch recht, der sagte, dass Gefahr besteht, dass viele deutsche Arbeiter den Schützengraben nur mit dem Strassengraben vertauschen müssen.

Diese vermehrte Heranziehung der Frau zur Fabrikarbeite, dazu noch zu Arbeiten, die der Art der Frau in keiner Weise zusagen, hat aber auch noch eine andere grosse Gefahr herausbeschworen. Und das ist die Untergrabung der Vo[l]kskraft, und zwar in der Frau und im Kinde. Denn eine Frau, die zu solcher Arbeit herangezogen wird, die wird gar bald am Ende ihrer Kräfte sein. Wie soll sie dann aber noch ihre Kinder gut ernähren und erziehen? Uebrigens brauchen wir da gar nicht mehr zu warten, denn schon jetzt stellen die Aerzte die schweren Nachteile dieser Arbeit für die Frau fest. So erklärt Sanitätsrat Dr. Freudental: «Ich kann als Arzt nur auf Grund zahlreicher Erfahrungen bestätigen, was von den Laien nach dem Augenschein behauptet wird, dass durch die Kriegsarbeit mit ihren Ueberstunden, der Sonntags- und Nachtarbeit bei den Frauen die schwersten gesundheitlichen Schädigungen hervorgerufen sind. Ich erinnere mich nicht, jemals so schwere und so viele Fälle von Nervenschwäche und Nervenzerrüttung gesehen zu haben wie seit Jahresfrist.»

Ein netter Ausblick in die Zukunft der kriegführenden Länder. Die Männer fallen im Kriege oder kommen als Krüppel oder sonst als Kranke und Sieche heim, derweil wird zu Hause die Kraft der Frau durch die Arbeit in der Fabrik bei ungewohnter und unpassender Arbeit zugrunde gerichtet. Was doch für furchtbare Opfer diesem Kriegswahn geopfert werden.

Wenn es bei uns in der Schweiz auch nicht so schlimm steht, so steht doch auch fest, dass die Frauenarbeit in der Zunahme begriffen ist. Wird aber die Frau zur Arbeit herangezogen, dann ist es eben so [sic] klar, dass sie auch zu den wirtschaftlichen Organisationen des Arbeiterstandes beigezogen werden soll. Genau wie der Arbeiter. Denn sie arbeitet zu den gleichen Verhältnissen wie der Arbeiter, also muss sie auch die gleichen Mittel gebrauchen zu ihrer Besserung.

Die christlichen Gewerkschaften gedenken in Gemeinschaft mit den katholischen Arbeiterinnenvereinen durch Schaffung einer Arbeitslosenunterstützungskasse einen wichtigen Schritt zu tun in der gewerkschaftlichen Organisation der Arbeiterinnen.

M.

Anzeige für Bürstenwaren

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, P 907 (Die Ostschweiz, Nr. 178, 02.08.1916, Abendblatt, Feuilleton, Text und 28.07.1916, Nr. 174, Abendblatt, Anzeige)

Donnerstag, 20. Juli 1916 – Die Gebrüder Bühler in Uzwil patentieren ein Verfahren zur Herstellung von Briketts

Auch Brennstoffe gehörten zu den Mitteln des täglichen Bedarfs, die in Kriegszeiten rar und teuer waren. Die von den Gebrüdern Bühler in Uzwil eingereichte Patentschrift zu einem Verfahren zur Herstellung von Briketts war deshalb hochaktuell. In der Begründung hielten die Erfinder fest:

Man hat schon vorgeschlagen, zur Herstellung von Briketts Brennstoffe, wie z.B. Lokomotivlösche, Koksgriese, Kohlenstaub, Sägespäne etc., mit Torferde zu binden. Torferde ist der Abfallstoff bei der Gewinnung von Torf. In diesem Falle ist die Torferde mehr Bindemittel als Heizmittel, weil ja bekanntlich Erde, Lehm und dergleichen Bestandteile der Torferde viel Asche bilden und wenig Heizwert haben.

Um nun anstatt eines in bezug auf seinen Heizwert geringen Bindemittels ein hochwertiges Bindemittel, d.h. ein nicht nur als Bindemittel, sondern auch als Heizmitel hochwertiges zu verwenden, wird nach der vorliegenden Erfindung der Brennstoff mit Torf selbst und nicht mit dem bei der Torfgewinnung sich ergebenden Abraum, z.B. Torferde, gebunden. Hierdurch wird der Heizwert der Brikette erhöht, und es werden so hochwertige Brennprodukte erzielt. In diesem Falle ist nämlich der Torf Bindemittel und Heizmittel zugleich und nicht nur ersteres allein oder hauptsächlich.

Zur Ausführung des Verfahrens werden die Brennstoffe mit dem Torf gebunden und zu Briketten gepresst. Die Pressung kann in nassem Zustand, z.B. auf einer Schneckenpresse oder auf einer Walzenpresse, erfolgen.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, ZW 2 C/12b-073900 (St.Galler Patentschriften) und Wy 102 (Kohlenabbau bei Uznach zur Zeit des Ersten Weltkriegs)

Donnerstag, 29. Juni 1916 – Der Krieg bereitet auch den Elektrizitätswerken Sorgen

Auszug aus dem 2. Quartalsbericht (März bis Mai 1916) des Direktors der St.Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke SAK zuhanden des Verwaltungsrates:

Kommentar

zu Seite 1 des II. Quartalrapportes (pro März-Mai 1916)

Die Stromkonsumabnahme von 13,1% gegenüber dem I. Quartal ist eine anormal grosse (als normal darf die letztjährige Differenz von rund 5% bezeichnet werden); sie erklärt sich in der Hauptsache aus der ausserordentlich ungleichmässigen, stossweisen Produktionstätigkeit unserer Industrie, bedingt durch die wiederholten Hemmungen in der Rohmaterialzufuhr. So hatten wir im I. Quartal, d.h. zu Beginn des Winters, eine momentane ausserordentliche Steigerung gewisser industrieller Produktionen zu verzeichnen und in Verbindung damit ein rapides Anwachsen des Kraftbedarfes. Schon seit Februar aber und bis zum Monat Mai hat diese Hausse sich allmählich wiederum in eine Depression umgewandelt, und dementsprechend sind auch unsere Stromabsatzziffern ständig gesunken.

Es handelt sich demnach bei dem prozentualen Missverhältnis zwischen den Konsumziffern des ersten und zweiten Quartals um die Einwirkung von Faktoren, die in den anormalen wirtschaftlichen Zuständen begründet, somit durchaus vorübergehender Natur sind und keinerlei Schlüsse auf den weitern Verlauf unserer Stromabsatzkurve zulassen. Im allgemeinen kann ja, ungeachtet der durch den Handelskrieg verursachten Schwankungen, ein stetig steigender Stromabsatz konstatiert werden; so haben wir im Berichtsquartal immerhin noch eine Mehrabgabe von ca. 755000 kWh gegenüber dem gleichen Quartal des Vorjahres zu verzeichnen.

[…]

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, B 001/2-2.6-2 (Protokoll) und B 001/6-1.1-53.01 (Dampfturbine im Elektrizitätswerk Kubel mit einer Leistung von 3000 PS, in Betrieb von 1907 bis 1931)