Montag, 3. April 1916 – Ungarischer Sandzucker, Mastmehl, Vorbruchbutter und Waschbenzin: Höchstpreise für tägliche Bedarfsgüter

Das nachstehende Kreisschreiben stellt sämtliche zu diesem Datum gültigen Höchstverkaufspreise für Getreide, Milchprodukte, Zucker, Benzin und Leder zusammen. Die Übersicht macht deutlich, für welche Bedarfsgüter die Landesregierung im Rahmen der wirtschaftlichen Landesversorgung bis zu diesem Zeitpunkt eine Regelung für notwendig hielt. Die Bestimmungen sind eine Vorstufe zu den im Herbst 1917 eingeführten Rationierungsmassnahmen.

Kreisschreiben des Volkswirtschaftsdepartementes des Kts. St.Gallen an sämtliche Bezirksämter, Gemeindebehörden und Polizeiorgane desselben betreffend Waren-Höchstpreise.

Vom 3. April 1916.

Nachdem wir die Wahrnehmung machen mussten, dass die verschiedenen Bundesratsbeschlüsse betreffend Ansetzung von Höchstpreisen für Lebensmittel und andere Bedarfsartikel, die bisher erfolgt und sukzessive im kantonalen Amtsblatt publiziert worden sind, noch nicht die notwendige allgemeine Beachtung gefunden haben, bringen wir sie anmit zusammenfassend nochmals zur allgemeinen Kenntnis.

Ausser den bereits festgesetzten Höchstpreisen ist aber auch die eidgenössische Verordnung gegen die Verteuerung von Nahrungsmitteln und andern unentbehrlichen Bedarfsgegenständen vom 10. August 1914 (publiziert im kantonalen Amtsblatt 1914, II, Seite 215) zu beachten, wonach u.a. wegen Wuchers mit Gefängnis oder Busse bis zu Fr. 10,000.- zu bestrafen ist: „Wer für Nahrungsmittel oder andere unentbehrliche Bedarfsgegenstände Preise fordert, die gegenüber dem Ankaufspreis einen Gewinn ergeben würden, der den üblichen Geschäftsgewinn übersteigt“ usw.

Die heute in Kraft bestehenden speziellen Höchstpreise beziehen sich nun auf folgende Artikel:

I Getreide und Mahlprodukte.

a) Verfügung des schweizerischen Militärdepartementes vom 19. Februar 1916. (Amtsblatt 1916, I, S. 311.)

1. Seit 21. Februar 1916 haben folgende Verkaufspreise des eidgenössischen Oberkriegskommissariates Gültigkeit:

Weizen Fr. 43.-
Roggen 40.-
Hafer 37.-

für 100 kg netto, ohne Sack;

Futtermais, gelb 28.-
Essmais, rot 29.-
Futtergerste 37.-
Braugerste   42.-

für 100 kg mit oder ohne Sack, nach Wahl des Oberkriegskommissariates alles franko Bahnstation des Käufers, gegen Barzahlung

Vollmehl Fr. 43.-
Kleie (Krüsch) 40.-
Mastmehl (Ausmahleten) 37.-

für 100 kg netto, ohne Sack, ab Mühle gegen Barzahlung.

2. Vorstehend festgesetzte Höchstverkaufspreise für Vollmehl, Kleie und Mastmehl gelten sowohl für die Mahlprodukte aus Weizen als auch für diejenigen aus Spelzweizen (Dinkel, Korn), Roggen und Mischel.

3. Kleinverkäufer und Wiederverkäufer dürfen für Mahlprodukte (Vollmehl, Kleie und Mastmehl), bei Abgabe von Quantitäten unter 100 kg, einen angemessenen Preiszuschlag erheben.

b) Verfügung des schweizerischen Militärdepartementes vom 3. März 1916. (Amtsblatt 1916, I, S. 406.)

Für den Handel mit Reis gelten folgende Höchstpreise:

  1. Grosshandel. Die Lieferung von gutem Speisereis erfolgt nach den in Ziffer 1 der Verfügung genannten Bedingungen durch das Oberkriegskommissariat zum Preise von Fr. 60.- pro 100 kg brutto für netto. Müssen geringere Qualitäten abgegeben werden, so reduziert hierfür das Oberkriegskommissariat obigen Höchstpreis. Beim Weiterverkauf ganzer Wagenladungen durch den Handel ist ein Zuschlag von höchstens Fr. 50.- pro 10,000 kg gestattet.
  2. Migroshandel. (Lieferung sackweise in die Kleinverkaufsstellen.) Zu den Originalpreisen des Oberkriegskommissariates ist ein Zuschlag von Fr. 2.50 pro 100 kg gestattet. In diesem Zuschlag sind alle Spesen des Händlers für Zufuhr zu seinem Magazin, Magazinierung und Abfuhr der Ware auf die Abgangsstation oder zum Hause des Käufers bis zu einem Umkreis von 4 km inbegriffen. Frachtspesen oder besondere Spesen für die Zufuhr auf grössere Distanzen fallen zu Lasten des Käufers. Der Zuschlag von Fr. 2.50 versteht sich bei Barzahlung der Ware bei der Lieferung; er darf nicht um Beträge erhöht werden, die dem Käufer in Form von Skonto wieder zufliessen. Bei Zahlungsstundung ist die Verrechnung eines angemessenen Zinses gestattet. Der Zuschlag darf ferner nicht erhöht werden, auch wenn die Abgabe an Kleinverkaufsstellen in Quantitäten von unter 100 kg stattfindet.
  3. Kleinverkauf. (Kiloweise Abgabe.) Der Höchstverkaufspreis wird für gute Ware auf 80 Rappen pro Kilogramm festgesetzt; er ist für allfällige geringere Qualitäten entsprechend dem niedrigeren Einstandspreis zu reduzieren. Der Höchstpreis darf nicht um Beträge für zu gewährende Rabattsätze gesteigert werden.

II Milchprodukte.

Bundesratsbeschluss betreffend Verkauf von Butter und Käse vom 27. November 1915. (Amtsblatt 1915, II, S. 937 f.)

Höchstpreise für Butter.

1. Grosshandelspreise. Die Höchstpreise für Butter, die die Produzenten beim Verkauf im Grosshandel, franko Abgangsstation geliefert, für 1 kg fordern dürfen, sind folgende:

für Zentrifugen-, Rahm- oder Nidelbutter, I. Qualität Fr. 4.20
für Zentrifugen-, Rahm- oder Nidelbutter, II. Qualität 4.-
für Käserei-, bezw. Vorbruchbutter 3.80

Wiederverkäufer dürfen für Butter, die sie zu den obgenannten Preisen gekauft haben, darauf 10 Rappen für 1 kg zuschlagen.

Für das Formen der Butter und besondere Verpackung der einzelnen Stücke ist bis zu 1 kg ist [sic] für Produzenten und Händler ausserdem ein Preiszuschlag von 20 Rappen für 1 kg zulässig.

2. Kleinhandelspreise. Im Kleinhandel dürfen für 1 kg nicht höhere als die nachstehenden Preise gefordert werden:

  in Stücken von ¼ kg und mehr von Stock

Fr.

in Formen von mehr als 250-1000 gr

Fr.

in Formen von 50-250 gr

Fr.

Zentrifugen-, Rahm- oder Nidelbutter, I. Qualität 4.60 4.80 5.-
Zentrifugen-Molken-, Rahm- oder Nidelbutter, II. Qualität 4.40 4.60 4.80
Käserei, bezw. Vorbruchbutter 4.20 4.40 4.60

 Höchstpreise für Käse.

  a) bei Bezug von einzelnen ganzen Laiben (Abgabe an Wiederverkäufer und Konsumenten) b) Verkauf im Ausschnitt (Detail-Laden-Preise bei Bezügen von)
    4 kg und mehr weniger als 4 kg
Emmentaler-, Greyerzer- und Spalen-Schnittkäse, vollfett      
I. Qualität 2.25 2.60 2.80
II. Qualität 2.15 2.50 2.70
Halbfette Käse der obgenannten Sparten 1.90 2.10 2.20
¼ fette Rund-, bezw. Hartkäse 1.70 1.90 2.-
Handmagerkäse 1.40 1.70 1.80
Zentrifugenmagerkäse 1.10 1.40 1.50
Spalen-Reibkäse 2.70 3.10 3.30
Tilsiter, vollfett, laibweise 2.10 2.30 2.40
Tilsiter, halbfett, “ 1.80 2.- 2.10
Tilsiter, ¼ fett, “ 1.50 1.70 1.80

Die Preise sub a verstehen sich ab Lager, bezw. nächste Poststelle oder Eisenbahnstation des Lieferanten, bei Abnahme von wenigstens einem ganzen Laibe, gegen Barzahlung. Für besondere Verpackung, wo eine solche nötig ist, dürfen die Selbstkosten berechnet werden.

In den Verkaufsstellen ist jede vohandene Käsesorte mit einer Aufschrift zu versehen, auf welcher Sorte, Qualität und Preis für 1 kg genau anzugeben sind. Mangelhafte und unrichtige Bezeichnungen werden bestraft.

Die als Fettkäse verkaufte Ware muss wenigstens 40% Fett in der Trockenmasse enthalten, die halbfette wenigstens 20% und die ¼ fette mindestens 10%.

Für die Abgabe von Käse in ganzen Mulchen oder in Teilen von solchen gelten die Bestimmungen des Bundesratsbeschlusses betr. die Versorgung des Landes mit Milch und Milchprodukten vom 25. März 1916 (Amtsblatt 1916, I, Nr. 14).

Schabzieger (Kräuterkäse).

  1. Bei Abgabe an Wiederverkäufer Fr. 1.35 für 1 kg ab Lager, bezw. Poststelle oder Bahnstation des Lieferanten.
  2. Ladenpreise für Detailverkauf Fr. 1.70 für 1 kg.
  3. Hausierpreise. Für je 100 g 20 Rp.

III Höchstpreise für Zucker.

Bundesratsbeschluss vom 8. Februar 1916. (Amtsblatt 1916, I, S. 274 f.)

I. Grosshandel: Bei Lieferungen von mindestens 10,000 kg Zucker in einem Posten und von einer und derselben Sorte werden folgende Höchstpreise festgesetzt:

1. Ungarischer Sandzucker Fr. 71.- Für 100 kg brutto für netto (Kisten netto) franko schweizerische Bahnstation, ohne ausgesprochene Bergbahnen, gegen Barzahlung. Säcke und Kisten sind im Preise inbegriffen und dürfen nicht besonders verrechnet werden.
2. Raffinierter Kristallzucker u. Pilé 75.-
3. Zucker in Broden (Stockzucker) 78.-
4. Gros déchets 79.-
5. Grieszucker 79.-
6. Mehlzucker 80.-
7. Würfelzucker in Säcken 81.-
8. Würfelzucker in Paketen 83.-
9. Würfelzucker in Kisten 85.-

 II. Migroshandel (Lieferungen sack- oder kistenweise in Posten unter 10,000 kg).

In den für den Grosshandel festgesetzten Preisen ist ein Zuschlag von Fr. 2.00 per 100 kg gestattet. Hiebei gelten in analoger Weise die für den Migroshandel mit Reis aufgestellten Bestimmungen (siehe oben Ib, 2).

III. Kleinverkauf. Soweit die kantonalen Regierungen von dem in Art. 12 des vorgenannten Bundesratsbeschlusses niedergelegten Recht keinen Gebrauch machen, gelten folgende Höchstpreise:

    pro kg
1. Ungarischer Sandzucker Fr. 0.85
2. Raffinierter Kristallzucker u. Pilé 0.90
3a. Zucker in Broden, ganze Stöcke 0.92
b. Zucker in Broden, im Anbruch   0.95
4. Gros déchets 0.95
5. Grieszucker 0.95
6. Mehlzucker 0.96
7. Würfelzucker (Sackware) 0.98
8. Würfelzucker in Paketen 1.-
9a. Würfelzucker in ganzen Kisten 1.-
9b. Würfelzucker aus Kisten im Anbruch   1.05

 Die festgesetzten Höchstpreise sind absolute; sie dürfen nicht um Beträge für zu gewährende Rabattsätze erhöht werden.

In den Verkaufsstellen ist jede vorhandene Zuckersorte mit einer Aufschrift zu versehen, auf welcher Sorte, Qualität und Preise für 1 kg genau angegeben sind. Mangelhafte und unrichtige Bezeichnungen werden bestraft.

IV Höchstpreise für Petroleum.

(Verfügung des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartementes vom 22. Februar 1916.) (Amtsblatt 1916, I, S. 405.)

Der Höchstpreis für Abgabe an die Konsumenten beträgt Fr. 45.70 per 100 kg oder 37 Rp. per Liter.

Falls Petroleum abgefüllt, in Kannen fanko Haus geliefert wird, darf ein weiterer Zuschlag von 1 Rp. per Liter zum Laden-Detailpreis gemacht werden. Für diese Lieferungen stellt sich also der Detailhöchstpreis auf Fr. 47.- per 100 kg oder 38 Rp. per Liter.

Hinsichtlich der Höchstzuschläge der Grossisten zum Abgabepreis der Warenabteilung des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartementes bei Abgabe von ganzen Wagenladungen, sowie für die Verteilung durch die Tankwagen oder in Fässern vergleiche oberwähnte Verfügung (Amtsblatt 1916, I, S. 405).

V Höchstpreise für Benzin.

(Verfügung des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartementes vom 11. März 1916.) (Amtsblatt 1916, I, S. 470.)

Höchstpreis für den Kleinverkauf in Quantitäten von 5 Litern und mehr

für Automobilbenzin zirka 700/730 Fr. 65.- per 100 Liter
Waschbenzin 740/760 58.- 100

 Für die Abgabe von Quantitäten unter 5 Liter bleibt der Preis frei. Der Kleinverkauf soll ausschliesslich in Litern erfolgen.

Hinsichtlich der Höchstzuschläge der Grossisten zu den Abgabepreisen der Warenabteilung des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartementes bei Abgabe von ganzen Wagenladungen, sowie für die Verteilung in Fässern an Wiederverkäufer oder Selbstverbraucher vergleiche die oberwähnte Verfügung (Amtsblatt 1916, I, S. 470).

VI Höchstpreise für Leder.

Interessenten werden verwiesen auf die Verfügung des schweizerischen Volkswirtschaftsdepartementes betreffend die Lederversorgung vom 10. März 1916 (Amtsblatt, I, S. 467).

Den Gemeindebehörden wird empfohlen, dafür besorgt zu sein, dass vorstehendes Verzeichnis, wie auch gelegentlich nachfolgende sachbezügliche Publikationen in den für die betreffenden Produkte in Betracht fallenden Verkaufslokalen für das Publikum sichtbar angeschlagen werden.

Im übrigen wird ausdrücklich auf die die verzeichneten Höchstpreise begleitenden nähern Bestimmungen und Strafandrohungen in obzitierten Beschlüssen und Verfügungen hingewiesen und betont, dass das kantonale Amtsblatt, in dem sämtliche einschlägigen Erlasse zur Publikation gelangten, jedermann auf den Gemeinderatskanzleien zur Einsicht offen steht. Nach wie vor muss daher im Zuwiderhandlungsfalle die Einrede der Unkenntnis unnachsichtlich zurückgewiesen werden und die Missachtung der erwähnten Verordnungen strenge Ahndung finden.

St.Gallen, den 3. April 1916.

Für das Volkswirtschafts-Departement

des Kantons St.Gallen,

Der Regierungsrat:

Dr. G. Baumgartner.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, KA R.102-1a-4 (Kreisschreiben des Volkswirtschaftsdepartements des Kantons St.Gallen) und ZMH 64/195 (Ausschnitt aus einem Briefkopf der Zuckerwarenfabrik Gebrüder Iselin in St.Gallen, 1917)