Samstag, 1. Juli 1916 – Politiker Scherrer macht sich Gedanken zum Krieg

Tagebucheintrag von Josef Scherrer-Brisig (1891-1965), Sekretär des Schweizerischen Christlichen Textilarbeiterverbands (1910-1916), später Kantonsrat und Nationalrat, Mitbegründer der Christlichsozialen Bewegung:

Krieg. Die Schweiz hat vor einigen Tagen von Deutschland eine Note erhalten, worin verlangt wird, dass gewisse Waren nach Deutschland exportiert werden müssen, die wir von der Entente erhalten haben. Eine schweizerische Delegation ist in dieser sehr ernsten Sache nach Paris gereist, um Unterhandlungen zu führen. Die Berichte über diese Unterhandlungen lauten sehr pessimistisch und ernst. Unsere Lage gestaltet sich immer schwieriger. Wir kommen immer noch mehr zwischen Hammer und Amboss.

Gestern Abend am 30. Januar zirkulierten wilde Gerüchte, Deutschland habe die Einfuhr nach der Schweiz vollständig gesperrt. Die Nachrichten haben sich heute noch nicht bestätigt, sind aber auch nicht dementiert worden. Gebe Gott, dass dieses entsetzliche Ringen und Kämpfen bald aufhört!

Schweizerische Genossenschaftsbank. Bruggmann und ich revidieren von 3–½6 Uhr auf der Bank die Darlehendebitoren. Am Abend erledige ich noch eine Reihe von Korrespondenzen.

Notstandsfond. Seit dem Frühjahr wird immer um einen Notstandsfond herumgedoktert. Am Montag findet in Bern wieder eine Konferenz mit Bundesrat Schulthess statt. Die Arbeitgeber wollen sich um ihre Pflichten herumdrücken. Wenn nur der Notstandsfond nie notwendig wird!

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 108/1 (Tagebuch) und P 127 (Schreibmappe für das Jahr 1916, St.Gallen 1915, S. 67)