Donnerstag, 20. Juli 1916 – Die Gebrüder Bühler in Uzwil patentieren ein Verfahren zur Herstellung von Briketts

Auch Brennstoffe gehörten zu den Mitteln des täglichen Bedarfs, die in Kriegszeiten rar und teuer waren. Die von den Gebrüdern Bühler in Uzwil eingereichte Patentschrift zu einem Verfahren zur Herstellung von Briketts war deshalb hochaktuell. In der Begründung hielten die Erfinder fest:

Man hat schon vorgeschlagen, zur Herstellung von Briketts Brennstoffe, wie z.B. Lokomotivlösche, Koksgriese, Kohlenstaub, Sägespäne etc., mit Torferde zu binden. Torferde ist der Abfallstoff bei der Gewinnung von Torf. In diesem Falle ist die Torferde mehr Bindemittel als Heizmittel, weil ja bekanntlich Erde, Lehm und dergleichen Bestandteile der Torferde viel Asche bilden und wenig Heizwert haben.

Um nun anstatt eines in bezug auf seinen Heizwert geringen Bindemittels ein hochwertiges Bindemittel, d.h. ein nicht nur als Bindemittel, sondern auch als Heizmitel hochwertiges zu verwenden, wird nach der vorliegenden Erfindung der Brennstoff mit Torf selbst und nicht mit dem bei der Torfgewinnung sich ergebenden Abraum, z.B. Torferde, gebunden. Hierdurch wird der Heizwert der Brikette erhöht, und es werden so hochwertige Brennprodukte erzielt. In diesem Falle ist nämlich der Torf Bindemittel und Heizmittel zugleich und nicht nur ersteres allein oder hauptsächlich.

Zur Ausführung des Verfahrens werden die Brennstoffe mit dem Torf gebunden und zu Briketten gepresst. Die Pressung kann in nassem Zustand, z.B. auf einer Schneckenpresse oder auf einer Walzenpresse, erfolgen.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, ZW 2 C/12b-073900 (St.Galler Patentschriften) und Wy 102 (Kohlenabbau bei Uznach zur Zeit des Ersten Weltkriegs)

Donnerstag, 20. Juli 1916 – „Liebster Schatz!“: Artischocken im Toggenburg

Franz Beda Riklin (1878-1938) war nicht nur Psychiater, sondern auch ein begabter Kunstmaler. Er nahm Unterricht bei seinem Freund, Augusto Giacometti (1877-1947). Riklins Frau weilte im Juli 1916 mit den Kindern im Ferienhaus der Familie auf dem Kühboden bei Unterwasser im Toggenburg. Die im Brief erwähnte Holländerin Maria Moltzer (1874-1944) war Psychoanalytikerin. Sie liess sich zunächst bei Carl Gustav Jung, später bei Franz Beda Riklin ausbilden. Ab 1913 führte sie in Zürich eine eigene Praxis. Der ungarische Tänzer Rudolf von Laban (1879-1958) war Gründer und Leiter einer Schule für Bewegungskunst in Zürich.

Küsnacht, Montag, 20 Juli 1916

Liebster Schatz!

Also mit den Bodmern ist nichts. Von Dir ist bis jetzt noch nichts hiehergelangt, aber ich nehme inzwischen an, es sei alles wohl. Heute male ich wieder. Gestern mittag war ich also bei M. Moltzer; wir haben ganz interessante Fragen durchgenommen. Ich erzähle Dir am Sonntag davon. Augusto [Giacometti, Kunstmaler, 1877-1947] war besetzt; hingegen telephonierten abends Siggs, u. ich dachte, ich gehe; ich nehme Dir gewissermassen einen Gang ab. Es war wie es ist: Ich musste viele Zeichnereien u. Malereien von Frau Sigg ansehen; sie hat Sehnsucht nach den Farben. Mir scheint, sie geht den umständlichen Weg eines Setzgrinds: denn es ist auch ein Weg des Erlebens u. Erfahrens, um einen gewissen Grad von Selbständigkeit zu erlangen; u. so wird noch das Beste draus, darum hat sie Augusto instinctiv richtig behandelt, als er sie zu den Zeichnern schickte. Es scheint nur, dass sie der freimütigen Anerkennung von dem, was ihr wirklich den grossen Eindruck macht, nicht fähig ist; es würde sie zu sehr aus der Ruhe bringen. Frau Scherrer war dort; sie wird einmal kommen u. tanzen. Sie machte einen merkwürdig ordentlichen und bescheidenen Eindruck. Sie hatte eine komische Erfahrung: Wenn Sie für sich das Beste tanzte, verdiente sie nicht, u. wenn sie sich, mit Laban in Verbindung, um’s Stundengeben kümmerte u. sich den andern u. den Bedürfnissen anpasste, so revolti[e]rte ihr Inneres. Bis sie nach einer neuntägigen völligen Tanzabstinenz, die sehr schmerzlich war, weil alles unwillkürliche Tanzen eingeschränkt war, sich vor einer Lösung fand: Es organisi[e]rten sich zwei verschiedene Funktionen des Tanzens: Eine, wo ihr Bestes ist; das dürfe sie nur wenigen guten Freunden zeigen, wo sie Verständnis dafür erwarten dürfe. Eine andere Funktion ist die, welche mit den Vielen[,] den Andersbedürftigen, zusammenkommt, wo man sich um deren Bedürfnisse kümmert; das ergibt eine Anpassung an die andern; es braucht nicht viel, wenn man sich nur mit ihren Nöten auskennt.

Deine Karte hat mich etwas erschreckt; Du scheinst da droben zusehr [sic] zu leiden. Habe noch ein klein wenig Geduld; lass die Kühbodener feindlich sein. Ich komme bald auch in die Ferien, u. da können wir reden. Es sind auf der Alp eine Menge Eindrücke u. Bilder auf mich eingestürmt, u. es gibt mir viel, hauptsächlich auch Abklärungen über meine Arbeit u. Zukunft. Der dritte Ort scheint sehr plausibel; er ist ein Hülfsmittel. Aber eben, man muss dann alles dransetzen, um zu verkaufen.

Eben kommt Dein Brief; ich danke vielmal dafür u. werde Dir gleich darüber antworten. Aber jetzt muss ich machen, dass der fortkommt. Guten Ap[p]etit zu den Artischoken [sic]. Und herzliche Grüsse u. Küsse

Dein treuer           Franz.

Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 106 (Brief) und W 283/1-00167 (Kühboden bei Unterwasser, wo Franz Beda Riklin mit seiner Familie regelmässig Ferien verbrachte; Bild: Foto Gross, 1924)