Bruggen, den 10. Dez. 1916.
Bericht über die Förderung der Bienenzucht im Kanton St.Gallen pro 1916.
Hochverehrter Herr Landammann!
Verehrte Herren Regierungsräte!
Gestatten Sie mir gütigst, dass wir Ihnen über die Förderung der Bienenzucht im Kanton St.Gallen, während des Jahres 1916 Bericht erstatten.
Allgemeines. Einem wunderschönen Vorfrühling, der sich die Völker prächtig entwickeln liess, folgte eine schlimme Zeit. Wenige Trachttage – doch reichen sie in tiefer gelegenen Gebieten so weit, dass kräftige Kolonieen [sic] eine schöne Frühjahrsernte einheimsten und davon etwas für den Imker erübrigten. Mittlere und geringe Völker aber kamen in dieser Zeit erst so recht ins Brutgeschäft und erstarkten dann, als die dauernd schlimme Witterung eintrat. Auch in diesem schlimmen Jahr ist der Unterschied zwischen Rassenvölkern und nicht rassigen durchgehends klar zum Vorschein gekommen.
Unsere Nachforschung bei 125 Imkern der ganzen deutschen Schweiz[,] welche zusammen an die 5000 Völker besitzen, ergaben, dass die Durchschnittsernte pro Rassenvolk beinahe das Doppelte der nicht veredelten Völker betrug. Dasselbe ist auch bezüglich der Maximalleistungen der Völker zu sagen.
Wenn, wie in diesem Jahr, der Sommer geringe Tracht bietet, vermögen sich eben nur die besten Völker selbst zu erhalten. Viele Kolonieen [sic] mussten mit der Futterflasche durch den Sommer und in den Winter gebracht werden, was bei den hohen Zuckerpreisen mit grossen Opfern verbunden war. So ist es nicht zu verwundern, wenn die Freude an der Bienenzucht da und dort schwindet. Und es darf konstatiert werden, dass die Grosszahl der in den Winter genommenen Völker ihre Existenz der idealen Einwirkung der Bienenzucht auf den Menschen zu verdanken hat. Man hofft – und hofft – auf’s nächste Jahr!
Die Prämiierung. Dieser Tiefstand konnte nicht ohne Rückwirkung auf die Beteiligung an der Prämiierung sein. Im Gebiete von Rorschach bis Wil meldeten sich 14 Imker zu derselben, von denen aber im Laufe der Zeit dann zwei sich zurückzogen.
Die zwölf prämierten Betriebe erstrecken sich auf 327 Völker. Die Bienenhäuser sind schlicht und recht bis an eines, dem man die „Axt im Haus“ in seiner Unzweckmässigkeit doch etwas gar zu sehr ansieht. Das Kastenmaterial ist fast durchweg von guter Qualität. Die Einsicht, dass ein richtiger Kasten zu einem geordneten Betriebe absolutes Bedürfnis ist, gewinnt allgemein Boden, doch verlängern die schlimmen Honigjahre manchem „Rumpelkasten“, den Bienen und dem Imker zum Aerger, das Dasein.
Die Betriebsweise ist mancherorts durch die schlimmen Ernteaussichten nachteilig beeinflusst und wirkt direkt auf die „Leistungsfähigkeit der Völker“ und die „Anzahl der guten Völker“. Ohne eigene Nachzucht des nötigen Königinnenmaterials in Rücksicht auf die gewünschten Vererbungsfaktoren, ist ein rationeller Betrieb heute nicht mehr denkbar. Die Existenzmittel der Bienen schwinden infolge intensiver Wiesen- und Milchwirtschaft und durch die sorgsame Ausforstung der Wälder in bedenklicher Weise.
Dass bei jedem strebsamen Imker die Qualität der Völker über allem steht, bezeugt der verhältnismässig geringe Unterschied im Völkerdurchschnitt in den drei Kategorieen. Die erste Kategorie weist bei einem Maximum von 40 Punkten ein solchen von 33,7, die zweite einen solchen von 32,6 und die dritte einen solchen von 31 Punkten auf.
Das beste Volk mit einer Punktzahl von 39,5 entstammt einem bekannten Zuchtstamme, hat aber bereits auf dem Stande Königinwechsel vorgenommen. Es weist also mit aller Deutlichkeit darauf hin, wie durch sorgsame Auswahl der Betrieb erleichtert und gesichert werden kann.
Die Brutanlage ist infolge des allgemein trostlosen Sommers sehr gleichartig und schwankt zwischen 3,5 – 3,3 – 3,1 Punkten im Durchschnitt der drei Kategorieen. Erfreulich war der Gesundheitszustand. [Wirken] In der Umrahmung des Brutnestes mit Pollen und Honigspielen zeitliche und örtliche Verhältnisse bestimmend mit, doch sind auch hierin die rassigen Völker durch ihre ausgesprochene Anlage zur Selbstverproviantierung obenan.
Der Wabenbau ist mit einem Durchschnitt von 4 in den drei Kategorieen gleich eingeschätzt, was der Sorgfalt der Imker ein gutes Zeugnis ausstellt. Freilich sind noch da und dort eindringliche Belehrungen in dieser Beziehung am Platze. Bei Standbesuchen und Kursen darf man nicht müde werden, immer wieder auf die Sammlung und Verwertung des eigenen Wachses zu dringen.
Züchterisch betätigen sich die Imker der ersten zwei Kategorieen mit mehr oder weniger Erfolg.
Das Mittel der punktierten Völker schwankt zwischen 38,17 und 28,25. Das Gesamtergebnis der diesjährigen Prämiierung steht also entschieden hinter demjenigen normaler Jahre. Die Bienen sehnen sich also, wie die Imker, nach bessern Tagen. – Möchten sie doch endlich kommen!
Auf den Belegstationen Simmitobel, Bruggen, Gamplüt, Rohr, Kirchberg, Flums und Gärtensberg wurden 222 Königinnen aufgeführt, von denen 181 oder 81% befruchtet wurden. Im Bewusstsein, dass einer tut [gut] geführten Belegstation ein sehr hoher Wert an der Hebung der Bienenzucht zukommt, haben wir den Bedürftigsten derselben kleinere Subventionen zukommen lassen.
Am Schlusse unserer Berichterstattung angelangt, danken wir Ihnen bestens für Ihr[e] Hilfe und bitten Sie, uns auch fernerhin in bisheriger Weise Ihre Subventionen gütigst zukommen zu lassen[.]
Mit vorzüglicher Hochachtung
Der Präsident: M. Jüstrich Der Vice-Präsident: [ohne Unterschrift]
Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, KA R.176-11 (Bericht des Bienen-Inspektorats des Kantons St.Gallen)