Maigloeckchen

Montag, 30. April 1917 – Allerliebste Frau und allerherzlichste Grüsse

Château d’Oex, 30. April 1917.

Allerliebste Frau!

Herzlichen Dank für die Wäsche, u. für Deinen letzten Bericht. Bald ist die Hälfte meines Dienstes um, u. die zweite wird schneller gehen. Inzwischen sehen wir uns ja. Gestern stieg ich bis in die Nähe von Montreux hinunter, wo die Vegetation viel weiter ist. Hier hingegen sah ich eben vom Bureau aus eine schöne Lawine herunterfahren. Sonst haben wir jetzt schönes Wetter; aber alles ist hier eben sehr zurück.

Eigentlich verträgt sich so ein Dienst doch recht schlecht mit dem Künstlerischen. Es ist zusehr [sic] eine Rückkehr zum Alten statt ein Vorwärtsgehen. Sonst geht es mit gut; natürlich ist es eigentlich langweilig. Aber wenn ich sehe, was für seelisches Unheil, eine Art Verblödung, die lange Gefangenschaft bei den Offizieren u. Soldaten bewirkt hat, bin ich mit meinem Schicksal hier noch sehr zufrieden.

Wenn ich nur wüsste, womit am 1. Juni den Zins bei der Kantonalbank zahlen!

Hoffentlich kommst Du alllmälig [sic] mit dem Mägdewechsel zurecht. Ich bin froh, wenn das vorüber ist u. man reinen Tisch hat.

Allerherzlichste Grüsse, auch an die Kindlein, von denen ich gerne wieder weiteres [sic] höre.

Dein treuer

Franz

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 106 (Korrespondenz Franz Beda Riklin an seine Ehefrau) und ZOA 001/3.13 (Beitragsbild, ca. 1898)

Unterschrift Riklin

Freitag, 27. April 1917 – Das Wetter und die Moral

Der Psychiater Franz Beda Riklin leitete ein Interniertenlager in Château d’Oex. Nach einer längeren, ihn eher belastenden Phase schickte er erstmals positivere Meldungen nach Hause:

Château d’Oex, 27. April 1917.

Liebster Schatz!

Herzlichen Dank für Deine Mitteilungen. Es tut mir sehr leid, dass Du zuhause nun einen widrigen Betrieb u. so viel Arbeit hast. Gib acht, dass Du nicht wieder zuviel machst, u. vor dem Staub musst Du besonders aufpassen. Geh auch einmal zu Frl. Dr. Kuhn zur Kontrolle!

Sonst bin ich froh über Deinen Bericht. Ich lasse die Kindlein herzliche grüssen. Hier ist seit 3 Tagen gutes Wetter eingezogen, was den Aufenthalt angenehmer macht. Ich mache allerhand interessante Beobachtungen; ich schreibe Dir einmal darüber. Ich habe doch ziemlich zu tun; aber es scheint mir, mit dem Herz gehe es besser, u. mit dem allgemeinen körperlichen Befinden. Ich habe mehr Frische und Beweglichkeit gewonnen. Mutter lasse ich vielmal grüssen. Sie soll nicht Angst haben; eine event. Operation lässt sich gut ohne Narkose machen. Wohin geht sie?

Hoffentlich habt Ihr bald wärmer. Also recht herzliche Grüsse u. vielen Dank von Deinem treuen

Franz.

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 106 (Briefe an seine Ehefrau; Text)

Verkuendigung von Franz Beda Riklin

Dienstag, 24. April 1917 – Lawinengefahr und saubere Wäsche

Franz Beda Riklin sorgte sich um seine Ehefrau, die aus dem Tessin nach Zürich zurückreiste, und bestellte saubere Wäsche. Der Dienst ödete ihn an, er litt unter zu wenig geistiger Auseinandersetzung und Anregung:

Château d’Oex, 24. April 1917.

Liebste Frau!

Danke vielmal für Deine Briefe. Ich hofe, diese Zeilen teffen Dich gesund u. munter zuhause [sic] an. Ich habe etwas Angst wegen der Lawinengefahr auf der Reise. Ich lasse auch den Kindern recht herzlich für die Geburtstagswünsche danken. [Riklin hatte am 22. April Geburtstag gehabt.] Ich schicke heute die schmutzige Wäsche u. bin froh, recht bald saubere zu bekommen: Unterleibchen, 1 Nachthemd, Unterhosen, Manschetten u. Nastücher sind nötig.

Ich habe Mühe, mich geistig aufrecht zu erhalten. Das ganze Gschiss [sic], Pla[c]kereien u. Intrigen geben mehr Arbeit als die Sache wert ist. Verzeih[‹] mir drum [sic], wenn ich nicht immer geistreich bin. Das Wetter ist etwas besser, aber kalt ist es immer noch; es wird Zeit brauchen, bis es hier Frühling ist. Ich vermisse Dich auch sehr. Aber zur Eröffnung am 15. Mai werde ich kommen.

Maria Moltzer schreibt mir, dass sie das Bild bezahlt hat. Wo? Auf dem Postcheckkonto od. Kreditanstalt?

Ich schreibe Dir gleich wieder, wenn ich etwas mehr bei der Sache bin.

Tausend herzliche Grüsse von Deinem treuen

Franz

Offenbar hatte die Psychiaterin und Kollegin von Franz Beda Riklin, Maria Moltzer, das Bild «Verkündigung» von Franz Beda Riklin mit dem Titel «Verkündigung» gekauft (vgl. dazu Beitrag vom 11. April 1917). Eine Reproduktion des Gemäldes (vgl. Beitragsbild) findet sich unter: http://www.e-periodica.ch/digbib/view?var=true&pid=smh-002:2001:81::829#360. Zu Maria Moltzer vgl. http://www.psychoanalytikerinnen.de/niederlande_biografien.html#Moltzer

Zum Thema grosse Wäsche vgl. den Beitrag vom 2. April.

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 106 (Briefe an seine Ehefrau; Text), Beitragsbild: s. oben

Grand Hote. Briefkopf, Ausschnitt

Montag, 23. April 1917 – Erst ein Viertel der Dienstzeit um

Der Frühling liess in Château d’Oex noch immer auf sich warten, so schneefrei wie im Beitragsbild (Park des Grandhotel) war es noch lange nicht. Franz Beda Riklin schrieb an seine Ehefrau:

Château d’Oex, 23. April 1917.

Liebste Frau!

Ich weiss nicht, ob Dich dieser Brief noch in Orselina antrifft. Ich hatte heute den ganzen Tag viel Arbeit. Wetter kalt. Es ist hier noch immer Winter, u. windig. Nun ist doch bereits ein Viertel der Dienstzeit u. es ist natürlich mässig; ich mache meine Sache. Geistreich ist es nicht, und der eigene Geist kann nicht recht leben. Es fehlt natürlich auch an Menschen. Deine Blumen machen mir viel Freude; einige sind jetzt auch in meinem Bureau.

Vielleicht male ich ein bis[s]chen davon, denn die Farben sind anregend, besonders hier im Schnee. Aber es ist überall zu kalt zum Malen; Draussen, im Zimmer, im Bureau. Und alles stimmt nicht zum Geist der Kunst, besonders nicht das englische – u. Soldatenmilieu.

Ich schreibe Dir das nächstemal nach hause [sic]. Pass nur auf, dass auf der Gotthardroute keine Lawine kommt!

Mit tausend Grüssen und Küssen Dein treuer

Franz.

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 106 (Briefe an seine Ehefrau; Text und Beitragsbild aus Briefkopf des Grandhotels)

Fritz und Maria Wenner

Samstag, 21. April 1917 – Ehekorrespondenz

Fritz Wenner-Andreae antwortet seiner schwangeren Ehefrau auf ihren Brief vom Vortag (s. Beitrag vom 20. April):

Fratte di Salerno, 21. April 1917.

Liebes Frauchen,

Heute sende ich Dir also, wie abgemacht, die Wäsche der Kleinen durch unsern Corriere und gleichzeitig diesen kurzen Samstagsgruss für Dich und die l. Bübchen. Ich werde viel an Euch denken, obschon mir die Zeit nicht lange werden wird, denn ich habe genug Stoff, um mich zu beschäftigten. Wenn nichts dazwischen kommt, so hoffe ich[,] am Mittwoch morgen nach Neapel zu reisen und wenn Du einverstanden bist, so siedeln wir am Donnerstag um 12 Uhr hierher über. Hoffentlich geht es bis dann Mama besser! Hier ist das Wetter seit gestern wieder sehr schön[,] aber recht frisch. – Hat der Maler die Bilder wohl gebracht? Man könnte sie vielleicht vorläufig in die Via Medina bringen und kann ich sie dann von dort gelegentlich einpacken u. hierher spedieren lassen, denn am Mittwoch werde ich keine Zeit dazu haben u. im Hôtel sind uns die Dinger dann im Weg. Meinst Du nicht?

Wegen der Bezahlung kann ich dann ein anderes mal [sic] mit dem Maler verhandeln. –

Hier im Haus ist, wie mir scheint, alles in Ordnung u. für Euern Empfang bereit. Die beiden Kisten Mellin’s Food sind angekommen u. in der Küche untergebracht.

Und nun sage ich Dir auf Wiedersehen, liebe Maria, am Mittwoch und sende Dir u. den beiden Kleinen einen festen Kuss. Bitte sage der l. Mama[,]  ich lasse ihr herzlich gute Besserung wünschen u. der Adèle u. dem Alex eine gute Reise. – Es grüsst Dich u. umarmt Dich von ganzem Herzen Dein Dich innig liebender Maritino

Fritz.

Mellin’s Food war ein spezielles Kleinkinder-Milch-Getreidepräparat, hergestellt in Boston USA, vermutlich ähnlich wie das Nestlé-Kindermehl aus Lausanne.

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 054/128.1 (Text) und W 054/129.1.1 (Fritz und Maria Wenner-Andreae 1913 auf ihrer Hochzeitsreise in England)

Gaertnerhaus der Villa Wenner

Freitag, 20. April 1917 – Ehekorrespondenz: Der Gärtner soll Lauch pflanzen

Maria Wenner-Andreae schreibt an ihren Mann Fritz. Sie weilt zusammen mit ihren beiden Söhnen immer noch im Parker’s Hotel am Corso Vittorio Emanuele in Neapel.

Neapel, den 20-4-1917.

Mein lieber armer Strohwitwer!

Damit Du am Sonntag doch etwas v. Deiner kl. Frau habest, sende ich Dir diese Zeilen. Unsere Putzel [Kinder] sind munter u. wohl u. Deine Frau hat 9 Stunden geschlafen. Che pigrona!

Es scheint mir[,] ich habe Dich seit einer Woche nicht mehr gesehen, stattdessen ist es ja seit gestern. Ich habe dann doch noch Adèle u. Alex überredet[,] mit mir zu essen. Es war sehr nett[,] dass sie kamen u. es schmeckte ihnen sehr gut. Ich hatte noch Marrons glacés gekauft, die auch nicht verschmäht wurden. Sie blieben bis nach 9 Uhr u. gingen Heim [sic], da Adèle den ganzen Tag unterwegs gewesen war.

Eben telephonierte ich mit Silvia. Mama hatte gestern abend über 39 Grad u. heute morgen hat sie über 38 Grad [Fieber]. De Nobili sagt aber: non è allarmante! Im Gegenteil[,] die Schmerzen sind seit dem Fieber besser geworden. Hoffen wir von Herzen[,] es sei bald überwunden! Diesen Nachmittag will ich sie besuchen. Vorher kommt aber Silvia her, da Mama wünscht, dass sie u. ich einen Augenblick Schivens [?] besuchen, der alte Herr soll nicht gut dran sein.

Bitte grüsse mir alle Schlaepfers, besonders Tante Elise. Sage ihr, wenn ich ihr etwas besorgen u. mitbringen könnte, täte ich es gerne. Grüsse mir die Bienchen, ich denke mir[,] Du stattest ihnen ein  Besüchlein ab. Lass Dich nicht stechen! – – Wenn morgen der Maler kommt, dann, bitte ich ihn[,] sich am Mittwoch zu presentieren [sic], denn ich kann nicht mit ihm verhandeln.

Mille baci al Papà caro da Gianni e Dimy. Grüsse mir die Leute. Sage Pietro[,] er soll ein bis[s]chen Porro [Lauch] pflanzen u. ein schönes Feld für Fagioli [Bohnen] preparieren den Samen hätte ich.

Von ganzem, ganzem Herzen umarmt u. küsst Dich Deine Dich sehr lieb habende

Maria.

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 054/128.1 (Text) und W 054/73.8 (Bild, Gärtnerhaus der Villa Wenner in Fratte di Salerno, ca. 1885)

Briefkopf Interniertenlager

Donnerstag, 19. April 1917 – Dienstbotenfrage

Diesmal schrieb Franz Beda Riklin auf offiziellem Briefpapier der Internierten-Lager:

Liebster Schatz!

Ich danke Dir aufs allerbeste [sic] für Deine letzten Briefe. Es macht nichts, wenn die beiden Mägde fortgehen, falls Frl. Kärcher [?] bleibt. Man muss sie halt anfragen. Anna hat Marie jedenfalls aufgestiftet, u. es wird sowieso nicht mehr gehen. Auf wann haben sie gekündigt? Bist Du dann zuhause? Sie werden noch dies u. das kaputmachen [sic] u. Frl. Kärcher ärgern. Ich glaube auch, dass Du es hier, etwas später, gut haben wirst u. freue mich sehr darauf. Hier ist halt immer noch regelrechter Winter mit frischem Schnee. Sonst geht es mir gut, abgesehen von der Eintönigkeit. Mit den (reichen!) Engländern im Hôtel komme ich gut aus. Z. Zeit sind lauter sehr anständige Leute dort. Sage mir noch, wann Du kommst, damit ich es vorbereiten kann. Man könnte event. noch sehen, ob wir in irgend ein Châlet ziehen könnten. Aber sonst ist man im Gd. Hôtel in jeder Beziehung ausgezeichnet aufgehoben; nur hie u. da ist gegenwärtig etwas wenig geheizt.

Gestern machte ich zum erstenmal eine Pastellskizze von der Kirche hier. Morgen früh fahre ich nach Olten zu einer Konferenz mit dem Armeearzt. Ich freue mich, wenn Du kommst; es ist sonst natürlich niemand hier, mit dem man sich nur annähernd auf dem Niveau besprechen kann, das wir gewohnt sind. Etwas merkwürdig wird Dir die vollständige Ententophilie [?] vorkommen.

Nimm herzliche Grüsse u. Küsse von Deinem Franz.

Vgl. auch die Beiträge vom 11. April und vom 17. April.

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 106 (Briefe von Franz Beda Riklin an seine Ehefrau, 1917; Texte und Beitragsbild)

Grand Hotel Briefkopf, Auszug

Dienstag, 17. April 1917 – Immer noch Winter in Château d’Oex

Der Psychiater Franz Beda Riklin weilte immer noch in Château d’Oex und leitete ein Interniertenlager mit kriegsversehrten Angehörigen der britischen Armee (vgl. Beitrag vom 11. April). An seine Frau schrieb er:

Château d’Oex, 17. April 1917.

Liebster Schatz!

Ich danke vielmal für Deinen letzten Brief. Über das Wetter musst Du Dich nicht mehr beklagen als wir hier. Meistens schneit es [Mitte April!], zB. heute ohne Unterbruch. Ich mach mir übrigns nicht allzuviel daraus, denn ich bin ja beschäftigt. Am meisten mss ich diese Arbeit mit der einer Anstaltsdirektion vergleichen. Die Sprachveränderung ist ganz günstig; doch wäre ein italienischer Aufenthalt nützlicher u. für uns beide angenehmer. Ja, wir müssen sehen, dass wir noch einmal einen Aufenthalt für uns haben. Es ist natürlich auch für mich relativ fade. Ich freue mich nur, noch ein Stück Frühling in dieser Gegend  zu sehen u. [unlesbar] dann auch einmal an den Genfersee hinunter. DAnn aber Schluss mit diesem Dienst. Nächsten Freitag fahre ich nach Olten zu einer Conferenz. Ich bin dort von Mittag-Nachmittag, fahre abends zurück bis nach Gstaad. In Olten; Hotel Schweizerhof.

Wie geht es wohl zuhause? Ich habe ein paar «Briefe» von den beiden Grossen u. schicke ihnen ab u. zu eine Karte.

Dem Herz geht es ziemlich gut, zuerst musste ich mich ans Steigen gewöhnen u. die Höhe. Aber ich komme jetzt ziemlich viel an die Luft. Zeitweise beschäftigen mich die Träume; auch habe ich e. Roman von Anatole France gelesen; weniger gut als die anderen.

Viele herzl. Grüsse u. Küsse

v. D. [von Deinem] Franz

Anatole France war ein französischer Schriftsteller. Er erhielt 1921 den Friedensnobelpreis (vgl. z.B. https://de.wikipedia.org/wiki/Anatole_France)

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 106 (Briefe von Franz Beda Riklin an seine Ehefrau, 1917; Texte und Beitragsbild: Auszug aus einem Briefkopf des Grand Hôtels, in dem Riklin logierte)

Butterzentrifuge

Samstag, 14. April 1917 – Milch-versorgung in der Schweiz und im angrenzenden Ausland (Teil 2)

An diesem Tag erschien der zweite Teil des Berichts zur Milchversorgung der Schweiz (der erste Teil ist zu lesen unter dem 17. März):

Der gegenwärtige Stand der Milchversorgung in der Schweiz.

In letzter Linie ist die Milchknappheit auch noch durch den vermehrten Konsum im bäuerlichen Haushalte und durch die Hausbutterung verursacht worden. Normalerweise sind vor dem Kriege pro Jahr 500 Wagen Butter in unser Land eingeführt worden. Seit Frühjahr 1916 hat die Buttereinfuhr fast ganz aufgehört. Schon in normalen Jahren wurde diese Ware in den Monaten November und Dezember knapp. Begreiflicherweise muss zur Zeit, wo die Mehrheit der Käsereien Konsummilch liefern muss, ein empfindlicher Buttermangel vorhanden sein. Dieser veranlasste die Hausfrauen, die nur ungern auf die Verwendung von Butter verzichten, mehr und mehr zu Selbstfabrikation überzugehen. Es ist erwiesen, dass noch nie so viele Haushaltungsbutterungsmaschinen [sic] abgesetzt wurden, wie im laufenden Winter. Diese Feststellung wird ausserdem durch die Tatsache erhärtet, dass gegenwärtig eine ganze Reihe von Butterungseinrichtungen zum Patent angemeldet sind. Je höher die Butterpreise gegenüber den Milchpreisen, die zurzeit durch die Bundesbehörden künstlich tief gehalten werden, um so intensiver wird die Hausbutterung einsetzen. Wenn auch die meisten Hausfrauen die für den Konsum bestimmte Milch abrahmen, so wird dadurch der Milchbedarf dennoch erheblich grösser. Völlig zu verwerfen ist die Hausbutterung, wenn die Abfälle nicht zur Verwertung gelangen.

Am grössten ist zurzeit der Milchmangel im Gebiete des Verbandes nordwestschweizerischer Käserei- und Milchgenossenschaften, insbesondere in der Stadt Basel. Die erwähnte Organisation soll von drei Schwesterverbänden zusammen 100,000 Tageskilo Milch erhalten, die bisher nicht voll zur Ablieferung gelangten. Der normale Milchbedarf der Stadt Basel beträgt zirka 100,000 Kilo pro Tag. Infolge des Rückganges in der Produktion konnten vorübergehend nurmehr 80-85,000 Kilo nach Basel spediert werden. Seit vielen Jahren wird vom nordwestschweizerischen Verband eine gewisse Milchmenge in das benachbarte badische Grenzgebiet und in einige süddeutsche Städte geliefert. Wenn auch die Pflicht besteht, in erster Linie für das Inland zu sorgen, so wäre es auf der andern Seite auch nicht zu verantworten, wenn man in diesen schweren Zeiten den süddeutschen Städten, insbesondere Mü[h]lhausen, die auf die Milchzufuhr aus der Schweiz angewiesen sind, keine Milch mehr senden wollte. In Mühlhausen erreicht die gegenwärtige Milchzufuhr nur mehr hin, um den dringendsten Bedarf der kleinen Kinder zu decken. Der Milchmangel im Gebiete des nordwestschweizerischen Verbandes wird durch die dort stationierten Truppenkontingente noch erhöht. Um der Zivilbevölkerung nach Möglichkeit entgegenzukommen, wurden einzelne Divisionen angewiesen, ihren Milchbedarf durch Verwendung von Kondensmilch zu decken.

In gewöhnlichen Zeiten trat nach Neujahr in der Milchproduktion regelmässig eine Besserung ein. Im laufenden Winter ist die Knappheit bis Mitte Februar eher grösser geworden. Die Ursache muss auf die schlechte Ernährung des Viehstandes zurückgeführt werden. Die frisch gekalbten Kühe geben nur während kurzer Zeit befriedigende Milchmengen, magern verhältnismässig stark ab und gehen in der Milchproduktion sehr bald bedeutend zurück.

Im weitern muss darauf hingewiesen werden, dass die Heuvorräte nicht sehr gross sind, so dass sie, wenn die Grünfütterung spät einsetzen sollte, knapp ausreichen werden. Es ist zu hoffen, dass beim Eintritt der wärmern Witterung die Milchproduktion sich wieder etwas günstiger gestaltet. Eine dauernde und durchgreifende Besserung in der Milchversorgung darf jedoch erst nach Beginn der Grünfütterung erwartet werden.

Nächster Beitrag: 17. April 1917 (erscheint am 17. April 2017)

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen (St.Galler Bauer, 14.03.1917, Text mit etwas mehr Absätzen als im Original; 31.03.1917, Anzeige)

Couvert

Freitag, 13. April 1917 – Ehekorrespondenz zum weiteren

Maria Wenner-Andreae schreibt an ihren Mann Fritz. Sie weilt immer noch im Parker’s Hotel am Corso Vittorio Emanuele in Neapel. Honig ist in Italien ein rares Gut:

Freitag, den 13. April 1917

Mein lieber Schatzel! Entschuldige, dass ich mit Bleistift schreibe, aber ich sitze in der sonne u. tro[c]kne meine Haare. Ich benutze diesen ruhigen morgen [sic] dazu. hoffentlich bist Du gut gereist u. verlief der gestrige gästereiche Tag gut. Marietta wird es schon gut gemacht haben. Ich wünsche Dir einen möglichst guten Sonntag, mein Schatz! Siehst Du auch nach den Bienen? Denke Dir[,] in Mailand [wo Marias Eltern lebten] bezahlt man jetzt 6-7 Lire für ein Kg. Honig. Hätte man jetzt, dann könnte man feine Geschäfte machen. Die Eltern baten mich[,] ihnen hier welchen zu besorgen, aber ich fürchte[,] die Preise werden auch hoch sein. So werde ich ihnen schreiben[,] sie mögen sich gedulden, bis wir ihnen senden können. Meinst Du nicht auch? Sorge dafür[,] dass die Familien recht stark werden. Die Eltern lassen Dich vielmals grüssen. – Unseren Buben geht es prächtig, Gianni behauptet[,] Du müsstest morgen kommen. Er wird dann bitter enttäuscht sein. Poverino! Nächste Woche kann Frl. Brogh [?] doch kommen[,] die Photos zu machen. – Heute werden wir hoffentlich mit dem Maler fertig. Wenn nur auch das Bild von Gianni netter wäre!! Die Kinder spielen in der Rampa unten u. Dimy huscht als echte Gallina überall herum. – Es ist doch eine penitenza [Strafe] so in der Sonne zu sitzen[,] um die Haare zu trocknen. Dafür findest Du aber ein ganz sauberes Frauchen!!! Gestern spazierte ich zu Elsa, die sich wohl fühlt. Auch dem Baby geht es ausgezeichnet. Ich wohnte auch einer Mahlzeit bei. Alles geht gut[.] Ich bin gespannt zu hören[,] wann Marietta abreist. A propos[:] Das Dienstmädchen sagte mir[,] sie sei für diesen Dienstag entlassen. Wenn Du wirklich nicht vor Mittwoch kommen kannst, dann bitte schreibe mir[,] was ich ihr geben soll. Du kannst ja einfach die Summe hinschreiben, ohne etwas dazu, wenn Du mir eine Karte sendest. Bitte vergiss es nicht, da ich sonst in Schwulitäten [sic] gerate. Bitte grüsse mir alle Schlaepfers!

Die Kinder umarmen u. küssen ihren Papa caro! Ich habe Dich innig lieb u. küsse Dich tausendmal Deine treue Mogliettina Maria.

Gleichentags schreibt auch Fritz Wenner an seine Ehefrau:

Fratte, 13. April 1917.

Liebstes Frauchen!

Ich hofe, am Sonntag mit dem 10.40 Uhr Zug nach Neapel reisen zu können, wo ich um halb 1 Uhr eintreffen sollte. Ich werde in diesem Falle von der Bahn zuerst in die Via Medina fahren, um zu hören, ob Du zum Mittagessen dort bist; wenn nicht, so fahre ich weiter ins Hotel.  Ich überlasse es natürlich Dir[,] für den Nachmittag zu arrangi[e]ren, was Dich freut; die Pferde können hoffentlich wieder regelmässiger Dienst tun. –

Die Schwestern u. Alex haben es gut getroffen mit dem Wetter hier u. in Pompei; auch für mich war es nett[,] Besuch zu haben. – Marietta wird also morgen um 10 Uhr morgens abreisen. Willst Du bitte das Mama sagen, dass ich mir erlauben werde[,] über diese Zeit drüben zu essen; ich hoffe[,] es wird ihr nicht unangenehm sein. –

Ich freue mich[,] Euch bald wieder zu sehen u. zu hören, was der Maler noch geleistet hat. Mit tausend herzlichen Grüssen u. einem Kuss meinem lieben Kleeblatt verbleibe ich Dein Dich herzinnig liebender

Fritz.

Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 054/128.1