Briefcouvert

Freitag, 28. September 1917 – Billette für die Konzertsaison

Der Schriftsteller Heinrich Federer (1866-1928) schrieb in einem Brief an Ernst Kind, den späteren Rektor der St.Galler Kantonsschule, zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Gymnasiast, aber auch noch nicht Soldat und nicht Student:

Lieber Ernst!

Herzlich wünsche ich Ihnen Glück zum gymnasialen Auskehr und ebenso zur Uniform. Es wird mir ein eigentliches Bedürfnis sein, sobald ich in Zürich bin, an einem der ersten Abende in Ihr gemütliches Heim zu kommen u. alle ihre Lieben u. mir wahrhaft ich weiss nicht wie u. warum so schnell ans Herz Gewachsenen zu grüssen.

Ihr lieber Vater wird gewiss Dinge sehen, die ihm tief in der Stirne eingeschrieben bleiben. Möge ihn ein guter Geist hin- u. zurückbegleiten! Ein kleines boshaftes Schmunzeln konnte ich freilich nicht unterdrücken, als ich «englische Front» las. Was wird die liebe Frau Oberst sagen, wenn Ihr [sic] Gemahl als erklärter Freund britischer Sache u. Seele heimkehrt!! –

Nun habe ich noch eine grosse Bitte: Die Abonnementskonzerte beginnen. Ich besitze leider die Umschläge der letztjährigen Abonnementskonzerte nicht mehr oder weiss doch nicht, wo sie sind. Aber die Billetausgabe [sic] an der Tonhalle kennt mich gut u. wird mir sicher die alten Plätze geben, wenn ich die Nummern anzugeben weiss. Sie waren einigemal mit mir u. können sich die Nummer sicher aus einem Bestuhlungsplan herausnotieren. Es waren folgende Plätze

Bestuhlung Tonhalle Zürich

Zeichnung im Brief von von Heinrich Federer mit Skizzen des grossen Tonhallesaals (links), wo er zwei Plätze auf der Galerie wünschte, und des kleinen Tonhallesaals, wo er im Parkett rechts in der dritten Reihe den ersten und den zweiten Platz ankreuzte

Ich werde nun sofort an die Tonhalle-Verwaltung um diese Plätze schreiben. Ich bitte aber doch dringend Ihr[e] liebe Mutter (ihr traue ich hierin das grösste u. energischste Genie zu!), wenn sie irgend kann u. sobald die Plätze an Abonnenten abgegeben werden, mir doch ja diese Billete [sic] zu holen u. zu bezahlen. Ich werde sofort nach der Heimkehr dafür meinen herzlichen Dank bei Ihrer lb. [lieben] Mutter ausrichten u. das Konto begleichen. Bin ich bis zum 1. Konzert nicht in Zürich, so bitte ich Ihre lb. Mutter, die Bilette doch gefälligst für Ihre lb. Familie zu gebrauchen. Nichts kann mir lieber u. meiner Dankbarkeit willkommener sein.

Und nun noch tausend Grüsse. Das Wetter in diesem Sept. war wunderbar u. seit Jahren konnte ich zum 1. mal [sic] wieder einige Bergtouren ausführen. Gearbeitet habe ich leider so viel wie nichts; dafür bin ich zehnmal gesünder geworden.

In herzl. Begrüssung [sic] an die lb. Geschwister, an Mutter u. Vater bin ich Ihr Heinrich Federer.

NB In den nächsten sechs Tagen lautet m. Adresse, H.F., Hotel des Alpes, Misox, Ct. Graubünden.

Ich ziehe mich langsam talwärts. Aber wenn alles gut geht mit den Billets, brauche ich keine Nachricht.

[Randnotiz:] Vielleicht schickt Ihnen die Tonhalle-Verwaltung die Heftchen zur Nachnahme oder Sie können Sie schon jetzt zur Bürostunde abholen, nachdem ich alles Nötige geschrieben habe.

Heinrich Federer verpasste schliesslich doch den Beginn der Konzertsaison. Im Telegramm vom 2. Oktober 1917 heisst es bitte die billetsgebrauchen:

Telegramm

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 073/5 (Korrespondenz Ernst Kind, Brief von Heinrich Federer vom 28. September 1917)

Giovanni Wenner

Dienstag, 11. September 1917 – Verwitwete Frau sucht Bleibe

Adele Berner-Wenner berichtete ihrer Schwester aus Zürich:

[Randnotiz:] Erhalten – i[n] Fratte

Zürich

Dienstag, 11. Sept. 1917.

Meine liebe Silvia

Ich will Euch auch wieder einmal Nachricht von uns geben, & hoffe es gehe Euch allen immer gut. – Zuletzt schrieb ich Dir beigeschlossen, in einem Brief an Mama, & unterdessen habe ich Mama’s Brief vom 25. Aug. bekommen, für den ich ihr sehr danken lasse.

Von Clara hörte ich gestern[,] dass Lili nicht mehr bei Maria ist, da stelle ich mir vor[,] dass Du gewiss öfter in Anspruch genommen bist. Wie geht es wo[h]l den Kindern? Kann Gianni jetzt ein wenig mehr zu essen bekommen? Wie [sic] entwickelt sich Valentin? nimmt [sic] er immer schön zu? – Ich frage mich oft[,] ob Ihr noch immer so warmes Wetter habt. Nimmst Du noch immer Meerbäder, & tun sie Dir gut?

Meine Pläne sind sehr unbestimmt, dadurch das man noch nicht festgestellt hat ob, & wann die Herbstferien sein werden. Der letzte Vorschlag wäre[,] dass die Kinder vom 26. Oct. an, etwa 3 Wochen Ferien hätten & dann vom 20. Dec. an, bis Ende Januar. Man sucht nach dem besten Mittel[,] Kohlen zu sparen, aber es ist sehr schwierig, weil es für arme Kinder ein grosser Nachteil ist, in der kalten Jahreszeit so lange Ferien zu haben. Auf jeden Fall will ich jetzt etwa am 22ten. zu Paul’s nach Bellevue gehen, & wenn es dann eben so spat wird[,] dass Alex für die Ferien nicht mehr zu ihnen kann, so muss ich mir einen Ort ausdenken, wo wir diese Zeit verbringen können. Für den Winter ist es auch schwer[,] etwas einzurichten, heute morgen hatte ich die grosse Enttäuschung von Fr. Pfarrer Leckner [?] zu hören, dass sie wahrscheinlich keine Pensionäre werde nehmen können. Ich muss mich nun noch da hinein denken. –

Heute haben wir seit langer Zeit zum ersten mal [sic] schreckliches Regenwetter, nachdem wir wundervolle Tage gehabt haben. Ich habe [2 Wörter unlesbar], mit Commissionen viel zu tun, aber ich habe doch oft Zeit[,] mit den Cousinen zusammen, mit Buch oder Arbeit bis nach dem Thee auf der Terrasse oder im Garten zu sitzen, was herrlich ist; nur diese Woche kann ich am Nachm. fast nie zu Hause sein. Alex sehe ich sehr oft, eigentlich fast jeden Tag, & er ist überglücklich mit seinem Velo, nur hat es letzthin einen Fall gegeben, wobei er zu Glück besser davongekommen ist, als sein Schutzblech! – Am Sonntag durften wir zum ersten mal [sic] Lorly sehen, die eine sehr schwere Operation durchgemacht hat, es musste ganz radical gemacht werden, aber der Arzt versichert[,] dass sie nachher wieder ganz gesund sein werde. Nach den ersten schlimmen Tagen erholt sie sich auch merkwürdig rasch. –

Rose ist erst vorgestern von Zermatt heim gekommen, & ich habe sie noch nicht sehen können. Jean musste schon früher heim kommen für die Schule, & habe ich einmal mit ihm und Alex im Sonnenberg zu abend gegessen. Er hat sich verändert seit letztem Jahr, er ist so recht in den männlichen Backfischjahren, hoffentlich gewinnt er nachher wieder nach jeglicher Richtung. Er ist so complet vom Sportstaumel ergriffen, dass Alex dagegen gar nichts ist; leider ist er sehr klein geblieben, & mit den langen Hose & dem “langen” Haar fällt es noch mehr auf.

Mama Berner ist seit bald 2 Wochen bei Dr. Bircher installiert, wo es ihr sehr gut gefällt.

Beppina gefällt es aber bedeutend weniger & sie behauptet[,] sie sei ganz schwach auf den Beinen vom wenig essen; das Müsli [Birchermüesli] schmeckt ihr eben gar nicht.

Wie sind wo[h]l die Photos gelungen, die Du von Gianni & Alex beim sägen [sic] gemacht hast?

Habt Ihr etwas über Arnold’s Hochzeit gehört, & bleibt dass junge Paar wirklcih in der Villa Predengano [?]?

Nun lebe recht wohl, liebes Kleinsele, grüsse die Eltern & Geschwister sehr herzlich, & Dich selbst auch von mir & von den Cousinen. Es umarmt Dich mit einem innigen Kuss

Deine Dich herzlich liebende

Adèle

Die Brüder Gianni (Giovanni) und Valentin Wenner waren die Kinder von Fritz und Maria Wenner-Andreae (vgl. u.a. Beiträge vom 7. März, 13., 20. und 21. April 1917). Über die Ess- und Trinkgewohnheiten sowie über die Verdauungsbeschwerden der Kleinen wird berichtet im Beitrag vom 12. Januar 1916.

Giovanni Wenner-Legler (1914-2010) war der Chronist der süditalienischen Textilindustrie mit Schweizer Wurzeln. Ihm ist es im Wesentlichen zu verdanken, dass das umfangreiche Familienarchiv gesammelt und im Staatsarchiv St.Gallen gesichert werden konnte.

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 Quellen: W 054/127.4.2 (Briefe an Silvia Wenner) und W 054/74.41 (Beitragsbild: Giovanni Wenner auf Esel, ca. 1922)

Briefkopf

Montag, 3. September 1917 – Lebensmittelknappheit: Abschiebung von Internierten?

Wann genau Franz Eberle (1885-1941), Ingenieur, folgendes Schreiben erhielt, ist unbekannt. Datiert ist der Brief mit Flums, den 31. Aug. 1917. Der Text nimmt am Anfang Bezug auf die Postspedition in Kriegszeiten. Leider ist nicht eruierbar, was der Angesprochene in Bern offenbar regelmässig bestellte. Tabak vielleicht, da das Produkt offenbar in Kistchen abgepackt war?

Mein Lieber!

Es freute mich, wieder einmal ein Lebenszeichen von Dir zu erhalten. Deinen letzten Brief habe [ich] leider nicht erhalten & musste daher annehmen, Du seist von München weggezogen. Sonst hätte Dir schon vor längerer Zeit geschrieben. Habe auch in Bern nach Deinen event. Bestellungen gefragt & keine Antwort erhalten. Daher der Ausfall. Am 29. Aug. habe [ich] nun für Dich vorläufig die August-Bestellung nach Bern abgehen lassen & zugleich die Fr. 19.50 abgeliefert. Ich fragte auch nach, ob man für die frühern Monate nachbestellen dürfe. Gegebenenfalls werde [ich] Dir natürlich wenigstens noch 2 Kistchen nachsenden lassen. Die Sache dürfte so ohne weiteres in Ordnung kommen. – Es freut uns, dass es Dir immer gut geht. Auch wir befinden uns wohl. Habe zur Zeit sehr viel zu tun, da ich zu all dem andern noch den Vorsitz in unserer Gemeindefürsorgekommission übernehmen musste & die Rationierung von Brot, Butter & verschiedenen andern Lebensmitteln vorzubereiten habe. Die Folgen des Krieges machen sich nun auch bei uns immer fühlbarer, so dass man bereits ernstlich von der Abschiebung der Internierten spricht. Ein Glück, dass wenigstens noch eine gute Ernte zu erwarten steht. Hoffen wir auf baldige bessere Zeiten.

Freundl. Grüsse von mir & d. Mutter.

Anton.

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Quellen: Staatsarchiv St.Gallen, W 072/5.4 (Text) und ZMH 19/001c (Beitragsbild)

Alex Berner

Mittwoch, 22. August 1917 – Schweizerluft

Die verwitwete Adele Berner-Wenner war von Süditalien nach Zürich umgezogen, wo sie bei Verwandten Unterschlupf gefunden hatte. Sie schrieb ihrer Schwester:

[Randnotiz:] Erhalten i[n] Fratte

Zürich, Engl. Viertelstr. 52.

22. Aug. 1917.

Meine liebe Silvia,

Ich hoffe, dass Euch meine verschiedenen Karten richtig zugekommen sind, & danke Dir noch sehr herzlich für Deinen lb. Brief, den ich vor der Abreise noch bekam. – Ich habe die Zeit in Fratte sehr, sehr genossen & fand es herrlich wieder einmal länger da zu sein; die Schwierigkeiten im Haushalt tun mir nur leid[,] weil sie Euch so viel Mühe machen, & hauptsächlich weil sie Mama aufregen, aber sonst berühren sie mich nur ganz vorübergehend, & ich kann das übrige dabei immer gleichwo[hl geniessen.] – Die letzten Tage in meinem Hause waren dann furchtbar ermüdend & anstrengend bei der argen Hitze, & ich war wirklcih ziemlich kaput [sic]; in der Nacht konnte ich nur nch ganz wenig schlafen, teil wegen der Hitze & teils wegen allem was immer im Kopf herum ging. So fand ich den ersten Teil der Reise ganz ausruhend. Alex war aber die ganze Zeit über sehr ordentlich & anständig & half dem portier [sic] sogar meinen grossen Koffer hinunter tragen, weil niemand anders da war. – Bei Emil Berners war es sehr nett, Anna war zwar zu Bett, weil sie rheum. Schmerzen gehabt hatte, aber sie empfing uns sehr nett in ihrem Zimmer. Dann hatten wir einen guten Thee, & nachher liess uns Emil in einer schönen Remise-Vectaria [?] eine prachtvolle Fahrt machen. Schon 1 ½ St. vor Abfahrt des Zuges waren wir an der Bahn & bis wir unsern Proviant gekauft hatten konnte man einsteigen & wir hatten sehr gute Plätze in der I Classe über die Nacht. Alex war hoch erfreut. Am nächsten Tag ging alles nach Wunsch, zwar war ich höchst erstaunt, dass wir durchfahren sollten, aber mit etwas Eile ging alles ganz gut & wir waren gegen Mitternacht hier. Von 4 Uhr an aber mehr wie 7 Stdn. über den Gotthard zu brauchen ist ein wenig eine Geduldsprobe, & wir waren recht müde. Mama Berner hat es aber gut ertragen & sie sieht sehr gut aus. –

Es scheint mir nicht[,] dass ich wenige mehr als seine Woche von Euch fort bin, sondern schon eine lange Zeit. Hoffentlich geht es Euch allen gut & nimmt Gränni [Granny? Grossmutter] wieder ein wenig zu. Es war prachtvolles Wetter über den Gotthard, & die Luft so herrlich, ich musste besonders an Mama denken. Am Sonntag nachm. war es hier schwül, & am Abend kame in starkes & langes Gewitter. Onkel Victor war am Morgen hier bei den Cousinen, & am Montag nahm. kamen T. Marie & Mignon zum Thee. Sie sind diesen Sommer nicht fort gewesen. –

Man spricht ernstlich davon[,] dass die Schulkinder diesen Herbst entweder gar keine Ferien, oder nur einige Tage haben sollen, & dafür vom 13[.] Dec. bis Ende Januar die Schulen geschlossen bleiben sollen wegen dem grossen Mangel an Heizmaterial. Da müsste ich sehen wie sich das für Alex einrichten liesse, den das wären ja mehr wie 6 Wochen. – Gestern gegen Abend haben wir die Bicyclette ausgewählt, es war ein grosser Moment, & heute nach der Schule kam Alex sie abholen & machte dann seine erste Fahrt hier herauf um sie vorzuführen. Sie ist wirklich sehr schön. Natürlich mussten noch alle möglichen Bedingungen daran geknüpft werden; er darf am Morgen nicht damit in die Schule fahren, aber er hat sich arein gefunden. Bei Heftis ist man im allgemeinen mit Alex zufrieden, aber von verschiedener Seite höre ich dass er im Winter alles sehr waghhalsig betrieben habe, & so könnte ich ihn wo[h]l nicht wieder für längere Zeit allein in die Berge schicken, er ist dort zu sehr sich selbst überlassen. In den nächsten Wochen wird sich das alles noch zeigen, vor der gegebenen Zeit lässt sich nichts entscheiden. –

Ich habe hier noch nicht angefangen zu hetzen, & hoffe dass ich es dieses Jahr überhaupt vermeiden kann, wenn ich jeden Tag etwas absolviere. Aber weisst Du[,] aus den Stunden für Buchführung wird wieder nichts, den Tante F. Bärlocher ist nicht mehr in Zürich, & da müsste man schon gleich einen Kurs nehmen, & die dauern eben länger als ich Zeit habe. Ich werde suchen mir so viel wie möglich von den Cousinen practisch [sic] zeigen zu lassen. Es ist mir dies eine kl. Enttäuschung, denn ich wollte recht energisch dahinter.

Ihr werdet unterdessen auch die Todesanzeige von Herrn Jules Sulzberger bekommen haben; es ist ein Glück[,] dass er sterben konnte. –

Vielleicht morgen wollen wir Gretchen in Küsnacht besuchen, den sie geht bald nach Genf zurück. Wusstest Du dass Eboie [?] einige Jahre älter war als Harold? Die Cousinen sagen dass er eine solche Liebe & Achtung für Rosie hatte, dass sich dieselbe auf alle erstrecke, die den Familiennamen seiner Frau haben. Das freut einem [sic] doch. –

Das Wohnzimmer von den Cousinen ist sehr nett geworden & sie haben grosse Freude daran. Es ist wieder so nett & gemütlich bei ihnen, & es riecht so gut nach “Schweiz” in der Luft; es ist heute ein prächtiger Tag, & die Cousinen sind schon von 7-9 Uhr geritten. Es tut mir ganz leid, dass gerade ich diejenige bin, die hieher kommen musste, & würde mich freuen wenn ich & ihr oder Mama an meine Stelle tun könnte, obschon ich es selbst auch wirklich geniesse. –

Hoffentlich habt Ihr noch schöne Meerbäder. Hat wo[h]l Maria auch damit anfangen können? – Ich kann Dir nicht sagen wie dankbar ich war[,] dass meine ersten Ruhetage vorbei waren, wie ich nach Hause kam, & diesmal hat es sich wirklich herrlich getroffen. Es scheint mir[,] es wäre sonst einfach nicht gegangen. –

Und nun noch viele herzliche Grüsse von allen hier, an die Eltern & Dich & Euch alle, & besonders von mir. Dich liebes Kleinod [unlesbar] umarmt von Herzen, Deine Dich innig liebende

Adèle Berner.

Adele Berner logierte bei der Familie von Victor Wenner-Keibl (1857-1929), dem Stadtingenieur von Zürich. Unterlagen zu dieser Familie finden sich im Staatsarchiv St.Gallen unter: W 054/121

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 Quellen: W 054/127.4.2 (Briefe an Silvia Wenner) und W 054/125.11.2 (Beitragsbild: Alex Berner, 1916 und 1917)

Gruss von Papa

Montag, 20. August 1917 – Vater und Tochter: «1000 herzl Grüsse Papa»

Agnes (Ebneter-)Müller (1887-1973), Tochter des Staatsschreibers Othmar Müller (1859-1923), fasste in mehreren handschriftlichen, mit Fotos und Zeichnungen illustrierten Bänden ihre  eigene und die Familiengeschichte zusammen. Sehr häufig ist darin von ihrem Vater die Rede. Die beiden hatten offenbar ein inniges Verhältnis. Hier sind sie auf einer Foto von 1921 zusammen zu sehen. Anlass war ein Besuch von Agnes Müller bei ihrem Vater, der in Heiden Ferien machte:

Vater und Tochter 1921

In diesem Beitrag berichtete die 20-Jährige (vgl. Beitrag vom 18. August), wie sie von zu Hause fortging, um in Bern eine Bürostelle anzutreten:

Montag, 19. Aug, Meine Reise nach Bern (Bundeshaus) [Die Datierung ist falsch, entweder war es Sonntag, der 19. August oder Montag, der 20. August 1917]

Papa kam mit an die Bahn; mir war sehr weh ums Herz. Papa hatte so etwas Einfaches, ganz Klares in seinem Abschiednehmen, er gab nicht viel Ermahnungen, höchstens sagte er «ja für dich habe ich keine Angst, du wirst das schon recht machen». Sein grosses Zutrauen + sein überzeugter Glaube an mich + mein Wirken war mir das grösste + wertvollste Abschiedsgeschenk. – Wie ich in den Zug einstieg + der sich langsam in Bewegung setzte[,] sah ich nur immer ihn an – dann sah ich auch (bewusst zum erstenmal [sic])[,] dass seine Augen voll Tränen waren.

Vom 19. Aug. 17 bis 12. Dez. 18 war ich in Bern. An Papa hab ich dann oft telephoniert vom Büro aus, gewöhnl. an einem Samstag. Er war immer gleich in Stimmung. Nie war er ungehalten über mein Stören, und jedesmal am Schlusse gab er mir noch die Mahnung «gib der au jo recht Sorg!»

Briefe hat Papa nicht viel geschrieben, dafür Kartengrüsse. Wenn er einen Ausflug machte, dann schickte er mir auch jedesmal eine Karte. In den Briefen hatte er einen etwas veralteten, umständlichen Styl [sic], lange Sätze + etwas formell; aber immer herzlich + voll Güte. Bei jedem Brief hab ich denn auch eins oder auch ein paar Sätzli gefunden, aus denen seine Liebe bes. warm hervorgeleuchtet hat. –

Dann sandte er mir immer von Zeit zu Zeit St.Galler-Zeitungen als Drucksache + da stand in jeder Zeitung zwischen den Zeilen oder am Rand «herzl. Gruss Papa» oder «Gib dir Sorge» oder «wie geht’s dir» – «Schönen Sonntag» -[«]inniger Gruss Dein Papa». –

Im Mai 1918 hat man in St.Gallen Papas 30jähriges Jubiläum gefeiert; viele Gratulationen & manch Zeitungsbericht[,] alles Ehrungen, die Papa in seinem Innersten doch begrieflich so sehr freuten. –

Im Juli 1918 ging Papa nach Passugg in den Kronenhof, weil der Arzt Zuckerbefund konstatierte & er dort eine Kur durch Baden & Trinken verordnete.

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 287/09.1.6 (Text, Foto und Beitragsbild: im Buch eingeklebter Zeitschriftenausschnitt mit dem Vermerk «1000 herzl Grüsse Papa«)

Panorama von St.Gallen

Samstag, 18. August 1917 – Wie man volljährig wird: Geburtstag einer 20-Jährigen

Im Erinnerungsbuch von Agnes (Ebneter-)Müller (1887-1973), der Tochter von Staatsschreiber Othmar Müller steht zum Tag, an dem sie volljährig wurde:

Am 18. Aug. 17 (Samstag) war ich 20. Ich sehe + höre noch, wie mir Papa Glück wünschte: er hält meine Hand in seiner rechten + die linke hält er drüber: «i wünsch der, dass d’all so brav + so gsund + so e gueti bliebscht, + dass du de Mama + üs allewil Freud machest + dass es der allewil guet gäng!» – Von Papa & Mama bekam ich die goldene Armbanduhr. Nachmittags durfte ich mit ihnen zu den Bergen. Bis Nest [Ortsbezeichnung in St.Gallen] mit dem Tram, dann durch den Wald hinauf – über die Jägerei (Fröhlichsegg rechts liegen lassen) & dann zum Säntisbänkli gekommen; wunderbarer Ausblick – etwas für Papa! Wir sassen dann auch lange dort & Papa meinte, wie schön doch der Alpstein aufgebaut sei; die verschiedenen Alpenkesten [?] (3) vom Kamor – Kasten immer höher bis zum Säntis. Ganz klarer, sonnenvoller Tag. – Über Teufen sind wir dann heimgelaufen.

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 287/09.1.6 (Text) und ZMA 18/01.01-30 (Ausschnitt aus Ansichtskarte, im Vordergrund die Stadt St.Gallen, im Hintergrund der Alpstein)

Riklin Bild, Skizze

Freitag, 17. August 1917 – Schweizer Ärztemission für England geplant

Der Psychiater Franz Beda Riklin sollte im Rahmen einer Schweizer Ärztedelegation in England Gefangenenlager besuchen. Im Brief an seine Frau ist beschrieben, wie sich die Pläne für die Organisation dieser Mission konkretisierten:

Küsnacht/Zch, den 17. Aug. 1917.

Liebster Schatz!

Vielen Dank für Deinen lieben Brief. De La Harpe [Armeearzt, mit dem Riklin während seiner Zeit in Château d’Oex zu tun gehabt hatte] hat mir mitgeteilt, dass es sicher noch wenigstens drei Wochen gehe. Ich reise wahrscheinlich mit Genfer Collegen, u. zwar solchen, die schon einmal drüben waren. Man geht so vor, halb alte u. halb neue, weil es so besser gehe wegen der conservativen Engländer.

Der Elektriker war da, hat Herd u. Heizkörper gebracht. Monti[e]rt wird erst in etwa 8 Tagen. Ich habe ihm alles erklärt. Es wird noch ein Draht von unten gezogen.

Gestern war ich bei Maria Moltzer zum Nachtessen u. habe nun extra mir die Bilder einmal angesehen. Man könnte vieles davon schon deutsch sagen!

Sonst nichts Besonderes, als dass ich auf einmal, am letzten Tage, nochmals in die Hodlerausstellung ging; aber es war eine grässliche Populace [sic, Publikum] da u. ich ging bald wieder; ein Einbruch der Masse (nicht des Volkes) auch Frau Sigg war da! Sie ist eine entsetzliche Figur wie immer; ich habe sie am Seil heruntergelassen, aber sie ist eigentlich von einem Hochmut der Dummheit beseelt. «Hodler müsste jedenfalls als Lehrer auch fein sein.»

Das Bild rückt; hier der Stand der Fläche; darf ichs [sic] noch fertig machen? Etwa zwei Tage. [vgl. Beitragsbild, im Original ca. 2,5 mm x 2,5 mm gross, vgl. auch die Abbildung im Beitrag vom 14. August]

Ich lasse die lieben Kinder recht herzlich grüssen, besonders auch Franzli. Wir haben also schon noch Zeit, uns etwas zu sehen.

Hier gibt›  [sic] viel Früchte zum Einmachen u. Bohnen zu trocknen: Pfirsiche, Pflaumen, Birnen, Mirabellen; die Zwetschgen fangen auch an.

Ich weiss jetzt mit äusserster Wahrscheinlichkeit, wer der Pfirsichdieb u. ebenso bestimmt der Küngeldieb [Kaninchendieb] war. Natürlich habe ichs [sic] von Kaul: Nämlich der Taglöhner des Gärtners. Er ist ein rückfälliger Dieb, u. ist auch Metzger! Den Kindern lieber nicht sagen. Dem Polizisten werde ich jedenfalls meine Mutmassung mitteilen.

Adieu für heute, u. auf baldiges Wiedersehen. Ich muss weitermalen.

Allerherzlichste Grüsse u. Küsse. Gruss an Tante Ida.

Dein treuer

Franz.

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 106 (Korrespondenz Franz Beda Riklin an seine Ehefrau)

Riklin-Bild, Skizze

Dienstag, 14. August 1917 – Der Psychiater pflückt Obst, dörrt Bohnen und kocht Konfitüre

Der Psychiater Franz Beda Riklin, aus dessen Ehekorrespondenz 2017 schon etliche Beispiele publiziert wurden (vgl. Beiträge ab dem 11. April) weilte nach langer Militärdienstzeit wieder zu Hause in Küsnacht. Er ordnete sein Berufs- und Privatleben und nahm wieder Patientinnen und Patienten auf. Seine Familie war im Toggenburg in den Ferien. An sie schrieb er:

Küsnacht, den 14. August 1917.

Liebste Frau!

Es war mir am Sonntag komisch zu Mute, ganz allein hier zu sein. Jetzt bin ich schon etwas eingewöhnt und benütze die Zeit[,] um viel Arbeit zu erledigen: Viel liegende Correspondenz u kleine u. grössere Angelegenheiten, Geldgeschichten u.s.f., um reinen Tisch zu bekommen. Eigentlich ists [sic] angenehm, wieder gründlich aufzuräumen. Uniform ist bestellt. Baumann Morgen do. Rähmchen für kl. Bildchen Looser. Visitkarten. Lang hat 100 frs. bezahlt. Wasserzins erledigt. 20 gr. Rexeinmachgläser bestellt. Torfgeschichte morgen persönlich. Carl [vermutlich Carl Gustav Jung] wegen Frl. Walch [ev. Patientin?] geschrieben. Fortwährend Obstpflücken: Pfirsiche, Pflaumen, Zwetschgen, Marillen [Aprikosen], Aepfel. Es reift alles heran. Bohnen werden gedörrt und Holundergelée ist fertig, die erste Rata.

Lang [ev. Josef Bernhard Lang, Dr. med., Psychoanalytiker, geb. 1881] hat mir auch einen netten Brief geschrieben. Er möchte Freundschaft und ich habe ihm per Du geantwortet. Er hat mir die «Nachtwachen des Bonaventura» geschenkt; es ist romantisch – interessant, ähnlich E. Th. Hoffmann, u. ist aus der Romantikzeit.

Es kommen etwas Patienten: Looser, Frau Fridori (will sich während der übrigen Ferien die Annehmlichkeit leisten. Sie verliert das eigentlich Schöpferische im Kunstgewerbe noch, wenn sie nicht zu mir kommt.[)]

Sonst sehe ich niemand. Ich brauche auch die Zeit nötig, samt den Abenden.

Das Bild geht mehr zusammen u. wird dadurch weich u. schön. [vgl. Skizze im Beitragsbild, das Original im Brief misst rund 20 mm x 25 mm]

Es ist nur soviel weiss, als ich hier schwarz bezeichnet habe, eher weniger; noch 3 leere Flecken.

Man meint, in diesen Tagen sollte es fertig sein; aber wir wollen noch etwas zugeben, auch wegen des Auges. Übermorgen ist 1 Monat seit Beginn. 

Das Modejournal u. weitere Zeitungen kommen mit gleicher Post.

Vom Armeearzt noch nichts Neues. Dafür habe ich wegen Paul einen energischen Militärbrief schreiben müssen, weil noch keine Antwort auf das Zeugnis da ist u. er nächsten Montag einrücken sollte u. den Dienst verweigert. Ich habe vom Divisionsarzt Antwort bis Ende Woche gewünscht; sonst gelange ich telegraphisch nach Bern.

Wenn immer möglich komme ich über Sonntag, od. sonst für einen Restteil der nächsten Woche.

Philosophisches will ich nichts schreiben. Lang musste sich von mir trennen wegen noch starker Bindung, u. weil er das individuelle Schaffen auf seinem wirklichen Wege finden muss u. nicht in Anlehnung an mich den gleichen Gott verehren, sondern ihn erschaffen. Ich konstati[e]re x) [Einschub am Rand: x) aus 1. Brief u. Material] mit Belustigung, dass wahrscheinlich Maria Moltzer die Kunst doch noch nicht ganz als endgültig annehmen kann. Das zeigt mir, dass ich auf dem wirklich selbständigen Wege des Schaffens bin.

Auf d. Postcheckkonto sind noch 577 frs. greifbar. Morgen verteile ich.

Was machen wohl meine lieben Kinder, u. mein ältester Sohn? Ich muss sie wirklich wieder einmal sehen. Dies Jahr lebe ich bereits 14 Wochen ohne sie.

Wie hast Du es droben wohl angetroffen und was leben all die kleinen Leute? Sag[‹,] wenn Ihr Obst braucht. Es gibt jetzt fortwährend.

Looser muss ich auch in den Beschwerden seiner Dissertation helfen.

Eigentlich möchte ich am liebsten weitermalen u. bedaure in einer Beziehung den kommenden Unterbruch. Es melden sich allerlei Probleme, nicht bestimmte Bilder, sondern mehr über Bildgestaltung; aber noch nichts Fertiges. Ich habe ein Gefühl von fester drin sein [sic] u. fester Hineinkommens, wenn ich auf die frühern zurückblicke.

Ich möchte Dich gerne noch etwas haben, bevor ich fortgehe; es war schön[,] die letzten Wochen; überanstrenge Dich ja nicht u. pflege Dich wirklich; das andere ist teils unsichere Hatz, u. Du musst Dir sehr Sorge tragen. hoffentlich hast Du eine angenehme Zeit oben.

Gestern wollte scheints [sic] eine Dame zu Dir, weigerte Clara [Hausangestellte] die Namensangabe, da Sie [sic] Dich brauche. Das klingt fast nach Frau Rudolf am Telephon, oder?

Viele herzliche Grüsse u. Küsse an Dich u. die gesamten Kinderlein von Deinem treuen

Franz.

Hinweis: Franz Beda Riklin war später im Jahr (September und Oktober) als Mitglied der Commission militaire médicale Suisse in England und besuchte Kriegsgefangenenlager.

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 106 (Korrespondenz Franz Beda Riklin an seine Ehefrau)

Molitor

Montag, 23. Juli 1917 – Soldatenpaket nach Deutschland gewünscht

Joseph Fischer erhielt nicht nur von seinen Kollegen in England Karten, sondern auch von solchen in Deutschland (vgl. die Beiträge vom 7. Januar, 26. August und 24. Oktober 1916 und vom 26. März 1917). Richard Molitor, Telegrafist in der deutschen Armee, schrieb an seinen Freund, Joseph Fischer in der Schweiz:

Abs. Telegr. R. Molitor, Nachrichten-Ersatz-Abst. 11, Etel-Ers.-Zug, Ohrdruf (Thüringen), 23. Juli 1917.

M. l. [Mein lieber] Josef!

Die Karte aus m. Urlaub wirst Du erhalten haben. Einige Tage vor der Rückfahrt traf noch Morath [?] ein, so dass ich wenigstens noch zum Schlusse mit einem alten Kameraden zusammen war. M. erhielt übrigens kürzlich das Eiserne Kreuz I. Kl. Von Frau Fischer (Adlerstr) konnte ich leider über Dich nichts erfahren, hoffe aber doch, dass es Dir stets recht gut geht. Nun habe ich wieder eine grosse Bitte! Könntest Du versuchen, da ich jetzt Soldat bin, ein Paket mit Chokol. [Schokolade] an mich zu senden? (Einschreiben.) Den Betrag würde ich entweder an Deine Haushälterin in Neustadt oder Dir selbst schicken. Ich bezweifle zwar, ob überhaupt die Ausfuhr nicht ganz gesperrt ist, kann es aber von hier aus nicht beurteilen. Im Voraus für Deine Bemühungen vielen Dank. Wahrscheinlich bleibe ich wohl einige Zeit hier. Empfange herzliche Grüsse von Deinem Freunde Richard.

Im Album «Aus den Kriegszeiten», das Joseph Fischer zusammengestellt hatte, findet sich ein vorgedruckter Brief des Schweizerischen Volkswirtschaftsdepartements vom 29. Oktober 1917. Darin steht: Im Besitze Ihrer Zuschrift vom 25. dies erwidern wir Ihnen, dass Ihrem Wunsche zu unserm Bedauern nicht entsprochen werden kann. Jede Ausfuhr von Lebensmitteln, Seife etc. (auch als Umzugsgut) ist verboten. Es ist möglich, dass Fischer versuchte, verschiedenen Personen im Ausland Pakete zu schicken.

Brief Eidgenoessisches Departement

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Quelle: Staatsarchiv St.Gallen, W 207, Album „Aus den Kriegszeiten“ (Karte an Joseph Otto Ferdinand Fischer (1892-1967) in St.Gallen)

Silvia Wenner

Mittwoch, 18. Juli 1917 – Innen-dekorationsfragen

Der folgende Brief von Adele Berner-Wenner an ihre Schwester Silvia Wenner ist ungenau datiert. Er wurde an einem Mittwoch im Juli 1917 verfasst:

[Randnotiz:] Erhalten i[n] Fratte

[Notiz:] Juli 1917

Mittwoch.

Meine liebe Silvia,

Heute morgen habe ich mit dem Tappezierer [sic] wegen Deinem Stoff gesprochen. Er meint[,] Du müsstest am Fenster an den Seiten hinunter 1 ½ mal die Breite nehmen, denn weil das Fenster 2mt. breit, & der Stoff nur 1 Mt. breit sei, so müsse man doch mindestens 1 ½ Mt. auf jeder Seite haben, weil es sonst mager aussehe. Nachdem er auch für die volants berechnet hat, so müsstest Du 36 Mt. für beide Fenster nehmen. Er findet den Stoff nicht sehr solid, & meint die Battiste mit pois wäre stärker. Letzteres wird wo[h]l richtig sein, aber ich habe dieses Müsterchen in’s Wasser gelegt & gesehen[,] dass es sich nicht schlecht wascht [sic], und es ist eben doch hübscher als Battiste. Nur wird es auf jeden Fall ziemlich eingehen, & würde ich Dir raten auf die 36 M. doch 1-2 M. zu berechnen wenn Du es vorhr netzen willst. Dann müsstest Du mir noch sagen[,] wieviel Du drüber ein haben willst, & ich will es Dir gern einkaufen. –

Was ich heute für einen Tag erlebe, das spottet jeder Beschreibung, & wenn ich nicht den 2ten Tag Sache hätte & die Tappezierer [sic], & so viel zu tun, dass jeden Abend wieder ungemacht auf den nächsten Tag geschoben wird[,] was alles nicht gemacht werden konnte, so wäre es zum lachen; so aber ist es bedrückend & lähmend. So landen nun Fritz [Wenner, Bruder von Adele und Silvia], Henry Fabio & ich heute abend zum Essen weisst Du wo? – auf der Rio’alta! – Morgen mittag sollte ich mit Frau Corradini Mutter in S. Giovanni essen (wenn ich nicht gehe, so muss ich zum dritten mal [sic] abschlagen) dann in’s Lido, nachher in die Eröffnung der Casa estiva von Miss G[?], & zum Abendessen zu O. Robert’s & am Vormittag absolut in die Casa Materna.

– Ich bin froh für Dich[,] dass Du in Fratte ein wenig ausschnaufen kannst, zwar sind die ersten Tage auch nicht rosig, aber hoffentlich musst Du nicht gerade auf den Sonntag Deine S… haben! –

– Ich schliesse schleunigst, & dieses mal muss ich wirklich lachen, den soeben telephoniert Herr Santi[,] er komme sofort nur mit mir zu sprechen wegen einem Haus. Es ist ½ 6 Uhr, & ich muss mich schnell ankleiden, damit ich dann nachher mit Fritz weg kann. –

Viele Grüsse an alle, & Dir einen innigen Kuss von Deiner Dich herzlich liebenden

Adèle.

Silvia Wenner (1886-1968) war die jüngste Tochter von Friedrich und Emma Wenner-Freitag. Sie verheiratete sich 1925 mit Hermann Ochsenbein, der ab 1916 als technischer Spinnereidirektor in den Wenner-Fabriken wirkte.

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 Quellen: W 054/127.4.2 (Briefe an Silvia Wenner) und W 054/127.9.3 (Beitragsbild: Silvia Wenner, ca. 1910-1920)